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Ein Briefwechsel

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

VIII.
Alexei Petrowitsch an Maria Alexandrowna

St. Petersburg, den 28. Mai 1840.

Maria Alexandrowna, Sie sind ein herrliches Wesen. . . Sie . . . Ihr Brief hat mir endlich die Wahrheit entdeckt! Mein Gott! was ist das für eine Oual! Der Mensch glaubt oft, daß er es nun endlich zur vollkommenen Wahrhaftigkeit gebracht habe, keine falsche Rolle spiele, sich nicht brüste, nicht lüge . . . bei näherer Betrachtung ist er aber fast noch schlechter als früher geworden. Und leider gelangt er, so lange er mit sich allein zu Rathe geht, niemals zu dieser Erkenntniß, so viel Mühe er sich auch geben mag; sein Auge steht nicht die eigenen Mängel, wie das abgestumpfte Auge des Setzers nicht die Druckfehler sieht; da ist ein anderes, frisches Auge nöthig. Ich danke Ihnen, Maria Alexandrowna . . . Sie sehen, ich rede zu Ihnen von mir; von Ihnen zu reden, wage ich nicht . . . Ach, wie lächerlich erscheint mir jetzt mein letzter, so schönrednerischer und gefühlvoller Brief! Setzen Sie Ihre Beichte fort, ich bitte Sie dringend; mir scheint es, daß sie Ihr Herz erleichtern und auch mir Nutzen bringen wird. Das Sprichwort sagt nicht umsonst: »eines Weibes Verstand ist besser, als vieler Männer Rath,« und dieses gilt wahrlich noch weit mehr von dem Herzen des Weibes! Wenn die Frauen wüßten, um wie viel besser, großmüthiger und klüger – namentlich auch klüger – sie sind, als die Männer, sie würden hochmüthig und schlecht werden; aber sie wissen es zum Glück nicht, sie wissen es nicht, weil ihre Gedanken sich nicht daran gewöhnt haben, sich immer in sich selbst zu spiegeln, wie bei uns; sie denken wenig an sich selbst, – das ist ihre Schwäche und ihre Stärke zugleich. Darin liegt das ganze Geheimniß – ich sage nicht unserer Ueberlegenheit, aber unserer Macht. Sie verschenken ihre Seele wie ein freigebiger Erbe das väterliche Gold, und wir nehmen von jeder Kleinigkeit noch Procente . . . Wie sollten Sie den Proceß gegen uns gewinnen können ? . . . Dies Alles sind nicht Complimente, sondern ungeschminkte, auf Erfahrung gegründete Wahrheiten. Ich bitte Sie wiederholt, Maria Alexandrowna, fahren Sie fort, mir zu schreiben . . . Wenn Sie Alles wüßten, was mir das Herz bewegt . . . Ich will aber jetzt nicht reden, ich will Sie hören . . . Meine Zeit zu reden« wird auch schon kommen. Schreiben Sie, schreiben Sie.

Ihr ergebener

A. S. . .

IX.
Maria Alexandrowna an Alexei Petrowitsch

Dorf . . ., den 12. Juni 1840.

Kaum hatte ich meinen letzten Brief an Sie abgeschickt, Alexei Petrowitsch, als ich es auch schon bereute, aber es war nicht mehr zu ändern. Eines beruhigte mich einigermaßen: Ich bin versichert, daß Sie begriffen haben, unter dem Eindrucke welcher längst erstickter Gefühle er geschrieben war, und mich entschuldigen. Ich habe nicht einmal durchgelesen, was ich Ihnen geschrieben; ich erinnere mich aber, daß mein Herz heftig klopfte, daß die Feder in meiner Hand zitterte. Uebrigens bin ich keineswegs gesonnen, weder meine Worte, noch die Gefühle, die ich Ihnen, wie ich es verstand, mittheilte, zu widerrufen, obgleich ich mich, wenn ich mir Zeit zum Nachdenken genommen hätte, wahrscheinlich anders ausgedrückt haben würde. Heute bin ich ruhiger und habe mich weit mehr in meiner Gewalt . . .

Wenn ich mich recht erinnere, so sprach ich am Schluß meines Briefes von der drückenden Lage eines Mädchens, das sich einsam sogar unter den Seinigen fühlt . . . Ich werde mich nicht weiter darüber auslassen, sondern Ihnen lieber das Eine oder Andere über meine Person mittheilen, und hoffe, Sie auf diese Weise weniger zu langweilen.

Zuerst müssen Sie wissen, daß man mich in der ganzen Umgegend nur »die Philosophin« nennt, besonders die Damen beehren mich mit diesem Titel. Einige behaupten, daß ich mit einem lateinischen Buche in der Hand und einer Brille auf der Nase schlafe; Andere, daß ich eine sogenannte Kubikwurzel auszuziehen verstehe; keine unter ihnen zweifelt daran, daß ich im Geheimen Männerkleider trage und statt »guten Tag« aus Zerstreutheit »George Sand« sage! – und die Abneigung gegen »die Philosophien« wächst von Tage zu Tage. Wir haben einen Nachbar, einen Menschen von ungefähr fünfundvierzig Jahren, einen großen Witzbold – wenigstens gilt er für einen solchen – für den ist meine arme Person ein unerschöpflicher Gegenstand des Spottes. Er erzählt von mir, daß ich, sobald der Mond am Himmel aufgehe, nicht das Auge von ihm wende könne, und macht es vor, wie ich ihn ansehen soll ; daß ich sogar Kaffee nicht mit Rahm, sondern mit Mondschein trinke, das heißt, daß ich die Tasse in das Mondlicht stelle. Er schwört hoch – und theuer, daß ich Phrasen gebrauche, wie z. B.: »das ist leicht, weil es schwer ist, obgleich es von der anderen Seite grade deßwegen schwer ist, weil es leicht ist . . . « Er versichert, daß ich immer ein gewisses Wort suche, immer strebe »dahin »und mit komischem Eifer fragt er: »wohin? – dahin? wohin?« Er hat ebenfalls das Gerücht über mich verbreitet, daß ich Nachts am Flusse auf und ab reite und dabei eine Schubert'sche Serenade singe, oder nur: »Beethoven, Beethoven« stöhne. So eine heißblütige alte Jungfer sei ich nun einmal, und dergleichen mehr. Natürlich kommt mir das bald zu Ohren. Das wundert Sie vielleicht, aber vergessen Sie nicht, daß vier Jahre seit Ihrer Anwesenheit in dieser Gegend verflossen sind. Erinnern Sie sich, wie uns Alle damals scheel ansahen . . . Jetzt kommt die Reihe an sie. Und das Alles ist noch Nichts. Ich höre zuweilen Worte, die viel schmerzlicher das Herz treffen. Ich will nicht davon sprechen, daß meine arme, gute Mutter mir niemals die Gleichgültigkeit Ihres Vetters verzeihen kann, aber mein ganzes Leben ist, wie meine Amme, sich ausdrückt, ein wahres Spießruthenlaufen. Beständig muß ich hören: »Freilich, wie könnten wir uns zu Dir erheben? wir sind einfache Leute und handeln nur nach unserem gesunden Menschenverstande; am Ende aber ist es auch noch die Frage, was Dir alle Deine Grübeleien, Bücher und Bekanntschaften mit Gelehrten genützt haben!« Sie erinnern sich vielleicht meiner Schwester, nicht derjenigen, die Ihnen einst nicht gleichgültig war, sondern der anderen, älteren und verheiratheten; ihr Mann wie sie sich erinnern werden, zwar ein einfacher, ziemlich harmloser Mensch, über den Sie sich früher häufig lustig gemacht haben, aber sie ist glücklich, Mutter, liebt ihren Mann und der Mann sie über Alles . . . »Ich bin wie alle Anderen,« sagt sie mir zuweilen, »aber Du?« Und sie hat Recht, ich beneide sie . . .

Aber dennoch, ich fühle es, möchte ich nicht mit ihr tauschen. Mag man mich eine Philosophin, einen Sonderling, oder wie man will, nennen – ich bleibe bis zuletzt treu . . . wem? – einem Ideale – warum nicht?

Ja, einem Ideale. Ja, ich bleibe bis zuletzt Dem treu, wofür mein Herz zum ersten Male zu schlagen angefangen hat, – Dem, was ich für wahr und gut erkannt habe und erkenne . . . Wenn nur meine Kräfte mir nicht untreu werden, wenn nur mein Abgott sich nicht als ein lebloses und stummes Idol erweist . . .

Wenn Sie wirklich Freundschaft für mich fühlen, wenn Sie mich wirklich nicht vergessen haben, so müssen Sie mir helfen, Sie müssen meine Zweifel zerstreuen, meinen Glauben stärken . . .

Im Grunde aber, welche Hilfe könnten Sie mir leisten? »Alles das sind Narrenspossen, ist dummes Zeug, – sagte mir gestern mein Onkel – Sie kennen ihn, glaube ich, nicht – ein sehr gescheidter Seeofficier außer Diensten – »ein Mann, Kinder, ein Topf mit Kohlsuppe; den Mann und die Kinder pflegen und auf den Topf achten – das ist es, was einer Frau Noth thut« . . . Sagen Sie, hat er Recht?«

Wenn er wirklich Recht haben sollte, so kann ich noch das Vergangene gut machen, kann noch in das allgemeine Geleise kommen. Worauf soll ich noch warten? was hoffen? In einem Ihrer Briefe sagten Sie etwas von den Flügeln der Jugend. Wie häufig, wie lange sind sie gefesselt! Dann aber kommt die Zeit, wo sie abfallen und man sich nicht mehr über die Erde erheben und dem Himmel zufliegen kann. Schreiben Sie mir.

Ihre M.

X.
Alexei Petrowitsch an Maria Alexandrowna

St. Petersburg, den 19. Juni 1840.

Ich beeile mich, liebe Maria Alexandrowna, Ihnen auf Ihren Brief zu antworten. Ich gestehe Ihnen, daß wenn mich nicht . . . ich sage nicht Geschäfte – deren habe ich nicht – wenn mich nicht eine dumme Gewohnheit an diesen Ort fesselte, ich zu Ihnen reisen und mich nach Herzenslust mit Ihnen aussprechen würde, aus dem Papiere kommt Alles so kalt und todt heraus . . .

Maria Alexandrowna, ich wiederhole Ihnen, die Frauen sind besser als die Männer, und Sie müssen das durch die That beweisen. Mag unser einer seine Ueberzeugung ein abgetragenes Kleidungsstück von sich werfen, mag er sie gegen ein Stück Brod austauschen oder sie in ewigen Schlaf wiegen und darüber, wie über einst geliebten Todten, einen Grabstein sehen, zu dem er nur selten beten geht – mag unser einer das Alles thun, Ihr aber, Ihr Frauen, werdet Euch selbst, werdet Eurem Ideale nicht untreu . . . Dieses Wort »Ideal« ist nachgerade zum Spott geworden; aber den Spott fürchten, heißt die Wahrheit nicht lieben. Es kommt oft vor, daß der alberne Spott eines Dummkopfes selbst gute Menschen von Vielem zurückhält . . . wenn auch nur z. B. von der Vertheidigug eines abwesenden Freundes . . . ich selbst muß mich dessen schuldig bekennen. Aber, ich wiederhole es, Ihr Frauen seid besser als wir . . . In Kleinigkeiten ergeht Ihr Euch schneller, aber dem Teufel in‘s Auge zu schauen, versteht Ihr besser als wir. Ich will Ihnen weder Rath noch Hilfe ertheilen – wo sollte ich sie hernehmen! Sie bedürfen Ihrer auch gar nicht; ich reiche Ihnen aber die Hand und rufe Ihnen zu: Dulden Sie, kämpfen Sie bis zuletzt und bedenken Sie, daß das Gefühl, das Bewußtsein eines ehrenwerth bestandenen Kampfes fast höher steht, als der Triumph des Sieges . . . Der Sieg hängt nicht von uns ab.

 

Ihr Onkel hat von einem gewissen Gesichtspunkte aus unbedingt Recht; das Familienleben ist das Eine und Alles der Frau« für sie gibt es kein anderes Leben. Was beweist aber das? Nur die Jesuiten behaupten, daß Idee Zweck die Mittel heilige, und das ist nicht wahr! das ist nicht wahr! Es ist unwürdig, mit staubbedeckten Füßen einen reinen Tempel zu betreten. – Am Schlusse Ihres Briefes befindet sich ein Ausspruch, der mir nicht gefällt: Sie wollen in das allgemeine Geleise gerathen; sehen Sie sich vor, daß Sie nicht fehl treten! Vergessen Sie dabei nicht, daß das Vergangene sich nicht spurlos verwischen läßt, und daß Sie, so sehr Sie sich auch bemühen und zwingen, niemals so werden können wie Ihre Schwester. Sie haben sich zu einem höhern Standpunkt als sie aufgeschwungen, aber Ihre Seele ist verwundet, sie hat einen Riß bekommen, die Ihrer Schwester ist ganz. Sie können zu ihr hinabsteigen, sich zu ihr niederbeugen, aber die Natur fordert stets ihr Recht und eine wunde Stelle verwächst nicht spurlos . . . Sie fürchten sich – wollen wir ohne Umschweife reden – Sie fürchten sich, eine alte Jungfer zu werden. Ich weiß, Sie sind schon sechs und zwanzig Jahr alt. In der That ist die Lage einer alten Jungfer nicht zu beneiden. Alle belächeln sie so gern, Alle bemerken in oft so wenig rücksichtsvoller Weise ihre Eigenthümlichkeiten und Schwächen; betrachtet man aber einen schon alternden Junggesellen näher, so verdient auch er es, daß man mit dem Finger auf ihn weise; auch an ihm könnte man den reichlichsten Stoff zum Lachen finden. Was ist dabei zu machen? Das Glück erobert man nicht im Sturm. Nie aber sollte man vergessen, daß nicht das Glück, sondern die sittliche Würde – das Hauptziel des Lebens ist.

Sie beschreiben Ihre Lage mit sehr viel Humor. Ich begreife sehr gut die ganze Bitterkeit derselben; man könnte sie beinahe eine tragische nennen. Aber, glauben Sie mir, Sie befinden sich nicht allein in einer solchen, es giebt fast keinen jetzt lebenden Menschen, der nicht ebenso gebettet wäre. Zwar werden Sie sagen, daß darum diese Lage Ihnen nicht leichter zu tragen sei, ich aber denke, daß es denn doch ein ganz anderes Ding ist, mit Tausenden zusammen, als allein zu leiden. Hier handelt es sich nicht um den Egoismus der Einzelnen, sondern um das Gefühl der allgemeinen Nothwendigkeit.

Das Alles ist sehr schön – sagen Sie vielleicht – aber in der Wirklichkeit nicht anwendbar. Warum aber nicht? Ich denke bis jetzt und werde hoffentlich nie aufhören, so zu denken, daß in Gottes Welt alles Ehrenhafte, Gute und Wahre anwendbar ist und früher oder später verwirklicht werden wird, und nicht nur erst wird, sondern sich schon täglich verwirklicht. Bleibe nur Jeder fest auf seinem Posten, verliere er nicht die Geduld und verlange er nicht das Unmögliche, sondern thue, was seine Kräfte zu thun vermögen. Ich sehe übrigens, daß ich weit von der Sache abschweife. Ich verspare die Fortsetzung meiner Betrachtungen auf einen anderen Brief, will aber nicht die Feder niederlegen, ohne Ihnen herzlich, herzlich die Hand zu drücken und Ihnen von ganzer Seele hinieden alles Gute zu wünschen.

Ihr A. S. . .

PS. A propos! Sie sagen, daß Sie Nichts mehr zu erwarten, auf Nichts mehr zu hoffen haben; erlauben Sie mir die Frage, woher Sie das wissen?