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VII

Es war ein sonniger, frostiger Januartag: auf dem Newsky’schen Prospecte sah man eine große Menge Spaziergänger. Die Uhr am Thurme der Duma zeigte Drei. Auf den breiten, mit feinem gelbem Sande bestreuten Platten der Trottoirs wandelte unter Anderem unser alter Bekannten Astachow, dahin. Er hatte, seit wir ihn verlassen, ein männlicheres Aeußere erlangt, sich einen Backenbart wachsen lassen und an Umfang zugenommen, sah jedoch nicht älter aus. Er folgte der Menge ohne Hast, und von Zeit zu Zeit mit den Blicken umherschweifend; er wartete auf seine Frau, die mit ihrer Mutter in einer Kutsche anfahren sollte. Astachow hatte vor fünf Jahren, und was die Hauptsache war, so, wie es von jeher sein Wunsch gewesen, geheirathet; seine Frau war reich und hatte große Verbindungen. Den vortrefflich gebürsteten Hut zuvorkommend lüftend, wenn ihm Einer und der Andere seiner zahlreichen Bekannten begegnete, setzte Astachow seinen Gang mit dem freien Schritte eines mit seinem Schicksale zufriedenen Menschen fort, als plötzlich dicht an der Passage ein Herr in spanischem Mantel und einer Mütze auf dem Kopfe, mit stark verlebtem Gesichte, gefärbtem Schnurbart und etwas verschwommenen Augen fast an ihn anrannte. Astachow trat würdevoll auf die Seite, doch der Herr mit der Mütze warf einen Blick auf ihn und rief plötzlich aus:

– Ah! Herr Astachow, guten Tag!

Astachow antwortete nichts und blieb verwundert stehen. Er konnte nicht begreifen, wie einem Menschen, der sich getraute, sich in einer Mütze auf der Newskyschen Perspective sehen zu lassen, sein Familienname bekannt sein könne.

– Sie erkennen mich nicht? fuhr der Mann mit der Mütze fort: – ich habe Sie vor acht Jahren auf einem Gute im T—schen Gouvernement bei Ipatows gesehen. Mein Name ist Weretjew.

– Ach! Mein Gott! ich bitte um Entschuldigung! rief Astachow: – wie haben Sie sich aber seitdem verändert . . .

– Ja, ich bin alt geworden, entgegnete Peter Alexeitsch und fuhr mit der Hand, die kein Handschuh bedeckte, über das Gesicht: – Sie aber haben sich nicht verändert.

Weretjew war nicht gerade gealtert, vielmehr abgefallen und heruntergekommen. Kleine, schmale Runzeln bedeckten sein Gesicht und wenn er sprach, war auf Lippen und Wangen ein leises Zucken zu bemerken. Aus Allem konnte man sehen, daß dieser Mann stark gelebt hatte.

– Warum sind Sie diese ganze Zeit unsichtbar gewesen, so daß man Sie nirgends getroffen hat? fragte ihn Astachow.

– Habe mich hier und dort umhergetrieben.

Und Sie, haben Sie immer in Petersburg gelebt?

– Größtentheils.

– Sind Sie verheirathet?

– Ja, ich bin es.

Und Astachow nahm eine etwas strenge Miene an, als habe er Weretjew sagen wollen: »es wird Dir, mein Lieber, doch nicht einfallen wollen, mich zu bitten, daß ich Dich meiner Frau vorstelle!«

Weretjew schien ihn verstanden zu haben. Ein gleichgültiges Lächeln kräuselte kaum merkbar seine Lippen.

– Und wie geht es Ihrer Schwester? fragte Astachow.

– Wo hält Sie sich auf?

– Ich kann es Ihnen nicht mit Bestimmtheit sagen. Vermuthlich in Moskau. Ich habe von ihr schon lange keinen Brief bekommen.

– Lebt ihr Gatte noch?

– Ja, er lebt.

– Nun, und Herr Ipatow?

– Das weiß ich nicht ; wahrscheinlich lebt er auch, vielleicht aber auch nicht.

– Und jener Herr, wie hieß er doch, Bodräkow, glaube ich?

– Ach jener, den Sie sich zum Secundanten nehmen wollten, erinnern Sie sich, als Sie plötzlich Furcht bekamen! Das weiß der Teufel, wo der ist!

Astachow schwieg mit wichtiger Miene.

– Ich erinnere mich immer mit Vergnügen jener Abende, sagte er endlich: – als ich (fast hätte er gesagt: die Ehre) die Gelegenheit hatte, die Bekanntschaft Ihrer Schwester und die Ihrige zu machen Eine höchst liebenswürdige Dame. Singen Sie immer noch so hübsch?

– Nein, ich habe die Stimme verloren . . . Ja, eine schöne Zeit war damals!

– Ich war nach jenen Tagen noch ein Mal in Ipatowka, setzte Astachow, indem er die Brauen traurig emporzog, hinzu: – so, denke ich, hieß ja jenes Gut – es war am Tage eines schrecklichen Ereignisses . . .

– Ja, ja, schrecklich, schrecklich! unterbrach ihn hastig Weretjew. – Ja, ja! Und erinnern Sie sich noch, wie es zwischen Ihnen und meinem nunmehrigen Schwager fast zum Duell gekommen wäre?

– Hm! ich erinnere mich dessen! erwiederte gedehnt Astachow. – Uebrigens muß ich Ihnen gestehen, ist seitdem so viel Zeit verflossen, daß mir dies Alles zuweilen wie ein Traum vorkommt . . .

– Wie ein Traum, wiederholte Weretjew, und seine bleichen Wangen rötheten sich: – wie ein Traum . . . Nein, das war kein Traum, wenigstens für mich war es keiner. Das war die Zeit der Jugend, Heiterkeit und des Glücks, die Zeit unendlichen Hoffens, und unbezwingbaren Kraftgefühls, und wenn das ein Traum gewesen, war es ein herrlicher Traum. Daß wir jetzt aber Beide gealtert, abgestumpft sind, den Schnurrbart färben, uns auf dem Newsky’schen Prospekt umhertreiben, zu Nichts mehr nütze sind, wie beinlahme Gäule, schal geworden, und abgenutzt sind, wichtig thun und grimassiren, oder Maulassen feil haben, und, wenn es darauf ankommt, unseren Gram im Weine ersäufen, das könnte man eher einen Traum nennen, den allergarstigsten Traum. Ohne Nutzen ist das Leben vertrödelt, albern und flach – das ist bitter! Wenn dieß sich abschütteln ließe wie ein Traum, wenn hiernach ein Erwachen möglich wäre . . . Und dann überall, an allen Enden dieselbe Erinnerung, dasselbe Gespenst. . . Uebrigens, leben Sie wohl!

Weretjew entfernte sich rasch, als er jedoch vor die Thür einer der besuchtesten Conditoreien des Newsky’schen Prospectes gekommen war, hielt er an, trat hinein, trank am Schenktische ein Gläschen Pomerauzenschnaps und begab sich durch das von Tabaksqualm durchräucherte und verdüsterte Billardzimmer in ein Hintergemach. Dort traf er einige Bekannte, seine früheren Gefährten: Petja Lasurin, Kostja Kowrowsky, den Fürsten Serdjükow und noch zwei Herren, die einfach Waßjüku und Philat genannt wurden. Sie waren Alle nicht mehr junge Männer, Alle unverheirathet; bei Einigen war der Schädel kahl, bei Anderen von grauwerdendem Haare bedeckt, ihre Gesichter voller Runzeln, das Kinn gefurcht – mit einem Worte: diese Herren waren schon längst, wie man sagt, über die Blüthezeit ihres Lebens hinaus. Bei Allen jedoch galt Weretjew durchaus für einen außerordentlichen Mann, der auserlesen war, das Staunen der Welt zu erregen; doch war er in der That der Klügste unter ihnen, nur deßhalb, weil er eben recht gut seine vollkommene und radicale Nutzlosigkeit einsah. Aber auch außerhalb seines Kreises gab es Leute, die der Meinung waren, daß, wenn er nicht so heruntergekommen wäre, aus ihm alles Mögliche hätte werden können . . . Ein Irrthum war es: aus Leuten wie Weretjew, wird niemals etwas Rechtes.

Mit den üblichen Begrüßungen wurde Peter Alexeitsch von seinen Freunden empfangen. Anfänglich erregte sein finsteres Aussehen und seine bittere Rede das Befremden derselben, bald jedoch wurde er ruhiger, wurde heiter, und Alles kam wieder in’s alte Geleise.

Astachow hatte seinerseits, als Weretjew davongegangen war, eine finstere Miene angenommen und sich hoch emporgerichtet. Dieser unerwartete Ausfall Peter Alexeitsch’s hatte ihn verwirrt, ja sogar beleidigt.

– Stumpf geworden, trinken Wein, färben den Schnurrbart . . . parlez pour vous, mon cher! sagte er zuletzt fast laut mit zweimaligem Schnauben in Folge unwillkürlicher Aufwallung und Entrüstung, und wollte dann seinen Gang fortsetzen.

– Wer war das, der mit Ihnen sprach! ließ sich hinter ihm eine sonore und selbstzufriedene Stimme hören.

Astachow wandte sich um und erblickte einen seiner guten Bekannten, einen gewissen Herrn Pomponsky. Dieser Herr Pomponsky war ein Mann von hohem Wuchse und wohlbeleibt, er hatte eine wichtige Anstellung und seit seiner frühesten Jugend nie einen Zweifel an sich selbst gehegt.

– Nicht der Rede werth, ein Sonderling, sagte Astachow und faßte Herrn Pomponsky unter dem Arm.

– Aber ich bitte Sie, Wladimir Sergeïtsch, wie darf sich ein anständiger Mann erlauben, auf der Straße mit einem Individuum zu sprechen, das eine Mütze auf dem Kopfe trägt? Das schickt sich nicht! Ich bin erstaunt! Wo haben Sie die Bekanntschaft eines solchen Subjectes machen können?

– Auf dem Lande.

– Aus dem Lande? . . . Die Nachbaren vom Lande grüßt man nicht in der Stadt . . . ce n’est pas comme il faut. Ein Gentleman muß sich immer als Gentleman halten, wenn ihm daran gelegen ist, daß . . .

– Da ist meine Frau, unterbrach ihn eilig Astachow. – Wir wollen ihr entgegengehen.

Beide Gentlemen schritten auf eine kleine elegante Kutsche zu, aus deren Fenster das bleiche, matte, nervös anmaßende Gesichtchen einer noch jungen, aber schon verblühten Dame hervorblickte.

Hinter derselben wurde eine andere, dem Anscheine nach verdrießliche Dame sichtbar; es war ihre Mutter. Astachow öffnete den Schlag der Kutsche, bot seiner Frau den Arm, Pomponsky den seinigen der Schwiegermama, und beide Paare schritten den Newsky’schen Prospekt entlang, gefolgt von einem kleinen, schwarzhaarigen Diener in erbsenfarbenen Gamaschen und mit großer Cocarde auf dem Hute.