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„Es hört sich gewagt an…“, antwortete Luna skeptisch.

„Wir haben ja wenig zu verlieren.“, sagte jetzt Yatane. „Wulfricshafen liegt sowieso auf den Weg. Wenn wir dort sind, werde ich ohne euch die Stadt auskundschaften. Wenn es eine Möglichkeit gibt, dann werde ich sie finden. Wenn nicht, ziehen wir wie geplant nach Norden weiter.“

Sinja schaute noch immer skeptisch verwundert, nickte dann aber. „Das ist so verrückt, das könnte klappen.“

Der Ritter wandte sich wieder an sie zurück. „Sag Sinja, auch wenn uns nicht viele unterstützen würden: Du hast nicht zufällig ein paar Freunde, die auf ein Abenteuer erpicht sind? Oder willst du uns begleiten?“

Die Angesprochene schüttelte den Kopf. „Nein, ich bleibe hier vor Ort. Irgendjemand muss euch ja die Stadt öffnen, wenn ihr vor den Toren steht. Aber ja, ich kenne einige junge Männer, die in der Armee dienten oder deren Familien vom Kaiserreich getötet wurden. Ich denke, da sollten sich ein paar Freiwillige finden.“

Arthur schaute wieder erwartungsvoll zur Königin, die scheinbar immer noch über den Vorschlag nachdachte. Und über die Anmerkung von Sinja, zu ihrer Herrschaft. Aber schließlich nickte sie. „In Ordnung, wir versuchen es.“

„Gut. Dann ruht euch bis morgen aus. Ich werde sehen, was ich für euch tun kann. Wenn die Nacht dann über Härengar hereinbricht, bringe ich euch aus der Stadt.“, sagte Sinja und stand auf, um zu gehen.

„Sinja!“, wurde sie aber von der Stimme der Königin aufgehalten. Die junge Frau drehte sich um und schaute zu Luna, die auf dem Bett saß. „Danke!“, sagte Luna nur leise.

„Majestät.“, antwortete Sinja und verabschiedete sich mit einer Verbeugung, die etwas zu tief war, um noch vollkommen ernst gemeint zu sein.

Es war noch Nacht als sie den Ausgang des verborgenen Tunnels erreichten, der sie aus der Stadt geführt hatte. Arthur erkannte, dass sie im Norden der Stadt waren, oberhalb auf einem Hügel. Man konnte die Lichter Härengars sehen. Ob er die Stadt noch einmal sehen würde? An der Spitze einer Invasionsarmee?

„Wisst ihr, wann ich zuletzt diesen Weg genommen habe?“, fragte Sinja, als alle hinausgetreten waren. Neben Arthur, Luna, und Yatane waren in der Tat fünf junge Männer, die Sinja in Härengar gefunden hatte. Sie alle waren dem Kaiserreich in vollkommenen Hass verbunden und hatten Luna sofort die Treue geschworen, als sie erkannt hatten, wer sie war. Arthur war noch immer etwas skeptisch, aber die potenzielle Hilfe übertraf das Risiko. Viel lieber hätte er Männer aus Freital an ihrer Seite. Aber diese waren leider im Kampf für Valorien gefallen.

„Nein, sag.“, forderte Luna Sinja auf, die Geschichte zu erzählen.

„Vor fast zwei Jahren habe ich über diesen Weg Königin Hega, General Taskor, und Prinzessin Sonya aus der Stadt geleitet. Zusammen mit meinem Vater, Florenzo, und Gilmar, einem liebenswerten, aber etwas verrückten Zeitgenossen. Ach, und dem jungen Soldaten. Benno. Wir waren schon eine bunte Truppe. Jetzt leben nur noch die Königin, der General, Florenzo, und ich.“ Den letzten Satz sprach sie leiser, traurig.

Luna ging zu ihr und klopfte ihr auf die Schulter. „Wir werden dafür sorgen, dass das Kaiserreich für alle seine Taten bestraft wird. Wir werden all die Gefallenen rächen. Und wenn das alles vorbei ist, wird eine Zeit des Friedens anbrechen.“

Sinja lächelte angestrengt, schüttelte aber ungläubig den Kopf. „Es wäre so schön daran zu glauben, Majestät. Aber das tue ich noch nicht. Dies ist eine Zeit des Feuers und des Sturms. Aber mit dem Sturm kann man ein Feuer nicht löschen. Man entfacht es nur immer weiter. Ich glaube an Euch, Majestät. Aber mir fehlt der Glauben, dass es Hoffnung für meine Heimat gibt.“

Luna nickte, schluckte, wusste aber auch nichts mehr zu antworten. Schließlich trat sie noch einmal näher zu Sinja und umarmte die junge Frau. „Danke!“, sagte sie noch einmal. Dann drehte sie sich zu Arthur. „Arthur, wir sollten los.“

„Ja, Majestät, das sollten wir.“, sagte der Ritter und hob dann den Rucksack mit Proviant hoch, den ihnen Sinja mitgegeben hatte. „Yatane, wirst du die Vorhut bilden.“

„Natürlich. Aber ich werde euch nicht aus den Augen lassen.“, sagte sie. Währenddessen löste sich Luna wieder von Sinja und nickte ihr noch einmal dankend zu. Dann drehte sie sich weg und lief in die Nacht.

„Danke, Sinja!“, sagte auch Arthur. Dann folgte er ihr in Richtung Norden. Nach Wulfricshafen. Und dann nach Valorien. Hoffentlich.

Kapitel 10

Die Straßen von Tengemünde waren noch trostloser als alles, was Berlan in Kargat bisher gesehen hatte. Rechts und links entlang der Straße saßen Menschen in löchrige Decken gehüllt. Trotz des eisigen Wetters. Ein feiner Regen wurde vom Wind aus Richtung Meer durch die Straßen geblasen. Er schlug einem ins Gesicht und nässte einen langsam aber beständig durch. Diese Menschen mussten nun jedes Wetter ertragen. Ihre Häuser waren zerstört, das hatte Berlan gehört. Sie sahen oft abgemagert aus. Die wenigen Vorräte gingen an die kaiserlichen Soldaten. Oder jene Kargatianer, die mit ihnen kollaborieren wollten. An einigen Stellen hatte Berlan auch festgestellt, dass Menschen nicht mehr atmeten. Doch niemand kümmerte sich um die Toten. Sie lagen einfach an der Straße als Zeugnis dessen, was jene erwartete, die sich nicht dem Kaiser fügten. War es das, was sie Eroberer als ihren kaiserlichen Frieden bezeichneten?

„Wir gehen erst mal in Richtung Hafen und schauen uns dort um.“, sagte Berlan leise zu Sivert. Der Junge nickte, konnte aber nichts erwidern. Dass es hier so schlimm sein würde, hatte ihn überrascht. Also gingen sie zusammen weiter durch die Straßen, den Hügel hinab in Richtung des kleinen Hafens, in dem der Fluss in das Meer floss.

„Wieso ist es hier so viel schlimmer?“, fragte Sivert schließlich.

„Die Kaiserlichen haben das Land unter ihren Offizieren aufgeteilt. Sie herrschen gemeinsam mit gefügigen Adeligen und haben anscheinend viel Spielraum. Der Statthalter, dieser Erste der Armee, scheint andere Probleme zu haben, als sich um jede Stadt zu kümmern. Also entscheiden sie, was sie den Menschen geben. Hier scheint es nicht viel zu sein.“, mutmaßte Berlan. Von Ansgar in Fendheim hatte er nicht nur das Versprechen auf Männer erhalten, sondern auch viele nützliche Informationen. Zum Gefüge der kaiserlichen Armee, die Art ihrer Herrschaft, aber auch die Namen von Adeligen, die sich schnell mit den neuen Herren arrangiert hatten.

„Hoffentlich halten sie den Winter durch.“, sagte Sivert leise. Berlan nickte und stimmte ihm mit einem brummen zu. Dann erreichten sie den Kai und schauten sich um. Es lagen nur wenige Schiffe im kleinen Hafen, drei größere Handelsschiffe, ein kaiserliches Kriegsschiff, und einige kleinere Fischerboote.

„Was suchen wir?“, fragte Sivert und schaute sich um.

„Irgendwas…“, murmelte Berlan leise und schaute sich ebenfalls um. „Ärger ist immer ein guter Ansatzpunkt.“, sagte er und deutete auf eine kleinere Menschengruppe, die sich am nördlichen Rand des Hafens gebildet hatte. „Lass uns das mal anschauen.“, sagte er entschlossen und ging dann in schnellen Schritten auf die Masse zu.

„…schärt euch weg. Ihr bekommt mein Schiff nicht, ihr Halsabschneider. Wenn euch das nicht passt, können wir das ja gerne vor Herr Erwald erläutern.“, hörte Berlan schließlich die laute Stimme einer Frau, als er sich durch die Menge drängelte.

Er drückte zwei protestierende Männer weg, und hatte dann freien Blick auf die Geschehnisse. Fünf kaiserliche Soldaten hatten eine Frau in einem Halbkreis umstellt, die vor der Planke eines der Handelsschiffe stand, das am Kai vertäut war. Sie hatte die Arme verschränkt und wirkte merklich aufgebracht. Ihre dunkelblonden Haare waren zu einem Zopf geflochten und hochgesteckt, doch einige Strähnen hatten sich gelöst und klebten ihr ob des Regens im Gesicht, das leicht errötet war. Doch ihre Augen… aus ihren Augen sprach reiner Hass und Verachtung.

„Das war keine Frage, Bürgerin.“, erwiderte der Vorderste der Soldaten steif. Seine Stimme klang jung, er war sicher noch keine dreißig Jahre alt. „Dein Schiff wird im Namen des Kaisers benötigt, um seine Flotte zu verstärken. Übergebe es mit der Mannschaft, oder werde im Namen des Kaiserreiches wegen Hochverrat angeklagt.“

„Hochverrat?“, schrie die Frau zurück. „Von dir Bübchen? Du hast gerade noch bei deiner Mutter an der Brust gelegen, und glaubst mir jetzt in meiner Stadt etwas erzählen zu können. Der Herr von Tengemünde ist glaube ich immer noch Erwald Gensmann, obwohl eure schönen Flaggen über den Türmen wehen. Fragt ihn ruhig. Er wird euch das gleiche sagen. Unter keinen Umständen werdet ihr mein Schiff auch noch bekommen. Denn im Vergleich zu euch versuche ich noch Nahrung in diese Stadt zu holen, bevor all seine Bürger verhungert sind.“

Berlan lächelte wegen der Reaktion der Frau. Sie ließ sich auch jeden Fall nicht einschüchtern, das war sicher. Es brauchte Schneid, sich fünf Soldaten so offen entgegenzustellen.

„Aber…“, stammelte der Offizier, konnte aber nicht so schnell etwas entgegnen, wie er wieder unterbrochen wurde.

„Aber. Aber. Es gibt kein aber. Verschwindet von meinem Schiff. Ich muss nämlich arbeiten. Also verzieht euch, und kommt wieder, wenn euch Haare am Sack gewachsen sind.“, giftete die Frau weiter. Und drehte sich dann um, um wieder auf das Schiff zu gehen. Doch genau in diesem Moment schien der Offizier wieder etwas Mut gefasst zu haben. Er streckte den Rücken durch.

„Soldat.“, sagte er und wandte sich an den Mann neben sich. „Im Namen des Kaisers, nehmt diese Frau fest. Wir bringen sie in die Garnison, wo sie gerichtet werden soll.“

Die Frau verharrte und schaute sich um. Sie blickte den Offizier finster an. „Das wagt ihr nicht. All diese Menschen wissen, wer ich bin. Der Name Kresswein hat in Tengemünde schon länger eine Bedeutung als eure schöne Sonne. Denn meine Familie hat sich immer um die Bürger hier gekümmert. Also lasst es, wenn ihr hier lebend davonkommen wollt.“

 

Als hätte sie ihm etwas befohlen, verharrte der Soldat sofort nach einem Schritt und blickte unsicher zum Offizier. „Vierter?“

„Soldat, du hast einen Befehl!“, gab der Vierte laut zurück. Also machte der Soldat zwei weitere Schritte nach vorne und packte die Frau am Arm.

„Lass mich los, du Flegel!“, schimpfte diese weiter, doch diesmal gab der Soldat nicht nach und zog sie wieder zurück zur Kaimauer. Berlan erkannte, wie sich auch auf dem Schiff einige Männer an der Reling sammelten und finster auf die Geschehnisse schauten. Auch neben sich spürte er Unruhe.

„Bringt sie zur Garnison.“, befahl der Vierte schließlich und die drei Soldaten stellten sich um die Frau, während der letzte Soldat ihr gerade die Hände fesselte, obwohl sie weiter zeterte und sich wehrte.

Als der Offizier allerdings losgehen wollte war da noch die Menschentraube. Und niemand schien Anstalten zu machen, aus dem Weg zu gehen.

„Macht Platz, im Namen des Kaisers!“, befahl der Vierte und legte die Hand an das Heft seines Schwertes, als nichts geschah. Er schaute die Menschen düster an, aber diese verharrten. „In Ordnung. Soldaten des Kaisers. Zieht Blank!“, befahl er und die vier Männer zogen fast gleichzeitig ihre Schwerter und hoben ihre Schilde. Sofort wich die Menge einen Schritt zurück, blieb aber geschlossen.

Auch Berlan ging einen Schritt zurück. So viel Ärger hatte er nicht erwartet. Aber die Geschehnisse zeigten viel über die Stimmung der Stadt. „Halt dich hinten!“, murmelte er Sivert zu. Das hier hatte volles Potential, böse zu enden. Vorsichtig nahm er die rechte Hand unter den Umhang und löste die Befestigung seiner Axt.

„Bürger, tretet zurück, oder ihr werdet als Verräter sterben!“, brüllte der Vierte erneut, doch die Reaktion war genau die Gleiche. Niemand wich. Niemand trat vor. Die Menge blieb als homogener Block bestehen. Doch der Offizier schien nicht entschlossen, mit den wenigen Männern entschieden gegen die Menschen vorzugehen. Er schaute sich etwas unsicher um, schien nach einem Ausweg zu suchen. Schließlich schüttelte der Kopf.

„Dann also nicht.“, sagte er. Berlan wollte gar nicht glauben, dass sie einfach abziehen wollten. Aber dies war anscheinend auch nicht der Fall. Stattdessen drehte sich der Vierte zu der Frau um. „Auf die Knie mit ihr!“, befahl er einem Soldaten, der sie mit einem Tritt in die Kniekehlen zu Boden schickte. Sofort ging ein Raunen durch die Menge.

„Au. Verdammt. Seid ihr bekloppt?“, fauchte die Frau. „Lasst mich jetzt frei, und beendete diese Scharade, bevor noch jemand verletzt wird!“, befahl sie dem Vierten. Doch dieser schüttelte nur den Kopf und richtete dann die Spitze seiner Klinge in Richtung der Menschen. Er fuhr mit seiner Klinge einmal den Halbkreis entlang.

„Ihr habt mich dazu gezwungen, Bürger von Tengemünde.“, sagte er und drehte sich dann zur Frau. „Inka Kresswein. Du bist des Hochverrates an Kaiserreich und Kaiser beschuldigt und für schuldig befunden. Die Strafe ist der Tod. Hast du letzte Worte?“

„Das wagt ihr nicht!“, zischte die Angesprochene und blickte hoch. Doch Berlan hörte in ihrem Tonfall und sah in ihren Augen die Angst, die sie nun hatte.

„Das Urteil wird sofort vollstreckt.“, sagte der Vierte und hob seine Klinge.

Kaum jemand hätte wohl so schnell reagieren können. Aber Berlan war kein einfacher Jemand. Er hatte die Situation richtig eingeschätzt. Es hatte zur Eskalation kommen müssen. Nun halfen ihm seine Reflexe als Krieger, die er trotz seines Alters behalten hatte. Mit einem kräftigen Wurf schmiss er seine Axt, die krachend den Schädel des kaiserlichen Offiziers spaltete, bevor dieser zuschlagen konnte. Die Klinge viel noch vor dem Leichnam klirrend zu Boden. Doch Berlan zögerte nicht.

Sofort sprang er nach vorne. Mit einem kräftigen Tritt gegen den Brustpanzer eines Soldaten schickte er diesen in das kalte Hafenbecken. Dann beugte er sich herunter, entging dadurch dem Schlag eines Soldaten, und griff zur Klinge des Vierten. Im Aufstehen richtete er die Klinge nach vorne und durchbohrte die Brust des Mannes. Dann stellte er sich schützend vor Inka, und wollte gerade die weiteren Feinde abwehren. Aber da waren keine Feinde mehr. Die anderen Soldaten waren ebenso überrascht wie ihr Offizier gewesen. Die Kraft des Mobs, der sich sofort auf sie gestürzt hatte, als Berlan angegriffen hatte, hatte sie schnell überwältig.

Also steckte Berlan die Klinge in den schlammigen Boden und drehte sich zur Frau um. Er hockte sich hinunter und löste mit seinem Dolch die Fesseln. Dann stand er auf und reichte ihr die heile rechte Hand.

„Seid Ihr verletzt?“, fragte er und half ihr aufzustehen.

„Nein. Nein, ich glaube nicht. Dank euch.“, antwortete sie. „Wer seid Ihr?“, fragte sie.

„Berlan.“, antwortete er. „Einfach nur Berlan. Das hier wird nicht einfach das Ende sein.“, sagte er und deutete auf die toten Soldaten. „Was wollten sie von Euch?“

„Von mir? Mein Schiff. Sie haben schon mein Lagerhaus beschlagnahmt, und viele meiner Waren. Ich habe mit dem Schiff neben der Handelsgüter immer wieder Korn und andere Lebensmittel aus dem Süden hierhergebracht, damit diese Stadt irgendwie leben kann. Ihr seht, dass die Bürger darüber auch nicht erfreut gewesen wären.“, antwortete sie und lächelte Berlan an. „Danke. Inka reicht.“

„Was jetzt?“, fragte Berlan die Frau, die doch die Stadt gut zu kennen schien. „Entweder wir versuchen zu fliehen. Oder...:“, sagte sie und blickte den Hafen entlang. Erst jetzt merkte Berlan, dass sich seit ihrem Eintreffen noch mehr Menschen eingefunden hatten. Viele hatten mittlerweile Äxte, Speere, Knüppel oder andere mehr oder weniger provisorische Waffen in der Hand. Dann erkannte er auch, was Inka meinte. Auch er sah einen Kampf am anderen Ende des Hafens. Offensichtlich Bürger gegen eine kleine kaiserliche Patrouille.

„Ich glaube, wir können es nicht mehr aufhalten.“, sagte Inka. Berlan schüttelte den Kopf und lächelte.

„Dann müssen wir es eben anführen. Und gewinnen.“, antwortete er. Die Kauffrau lachte auf.

„Gerade in der Stadt und schon einen Aufstand?“

„Ich habe wohl keine Wahl.“, sagte Berlan. Denn diese hatte er nicht. Entweder er ließ die Bürger nun allein ihrem Schicksal, was eine schlimme Rache der Kaiserlichen sein würde, oder er half ihnen, ihre Stadt zurück zu erobern. Wenn sie letzteres schafften, dann würden sie sie auch noch halten müssen, bis im Frühjahr die Invasion begann. Aber eins nach dem anderen

„Wir müssen zur Garnison. Dort werden sich schnell die Menschen und Soldaten sammeln.“, sagte Inka und dann noch einmal lauter. „Zur Garnison!“

„Für Tengemünde!“, hörte Berlan die ersten Rufe. „Nieder mit der Sonne!“ – „Nieder mit dem Kaiser!“ – „Für Kargat!“

Als Berlan, Sivert und Inka mit den anderen Bürgern die Garnison erreichten, waren sie nicht die ersten. Der Funke der Rebellion schien schneller auf die Stadt übergesprungen zu sein, als sie hatten laufen können. Das Tor der Garnison wirkte kaputt, offensichtlich von einem ersten Ansturm. Dennoch hatten die kaiserlichen Soldaten die Masse bisher draußen halten können. In dem engen Torbogen bildeten sechs Soldaten einen undurchdringlichen Schildwall, trauten sich aber nicht, nach draußen zu gehen, um die Meute anzugreifen. Mehrere Tote zwischen den Soldaten und den wütenden Bürgern von Tengemünde zeigte, dass es bereits Kämpfe gegeben hatte.

„Verschwindet von hier!“ – „Gebt uns was zu essen“ – „Verdammt soll euer Kaiser sein!“

Die wütenden Rufe hallten durch die Straßen, als sich Berlan mit Inka einen Weg nach vorne bahnte. Er erkannte allerdings, dass die Menschen zurücktraten, als sie die Kauffrau erkannten. Anscheinend war diese bekannt. Und beliebt. Oder zumindest respektiert.

„Was jetzt?“, fragte Inka leicht außer Atem an Berlan gerichtet. Sie wusste nicht genau, aber der große Mann schien solche Situationen besser zu kennen als jeder der hier Anwesenden. Berlan beobachtete die Pattsituation. Die Soldaten trauten sich nicht vor, um zu kämpfen, denn dann waren sie zahlenmäßig so unterlegen, dass sie keine Chance hatte. Auf dem Weg hatte er einige Patrouillen gesehen, die von wütenden Bürgern gelyncht worden waren. Die Truppe der Besatzer konnte nicht groß sein. In der befestigen Garnison waren vielleicht noch dreißig, vierzig Soldaten. Aber ein Frontalangriff würde dennoch verlustreich, denn der Mob war alles andere als gut ausgebildet oder gerüstet. Er blickte sich um. Und erkannte dann eine Lösung.

„Da!“, sagte er und deutete auf das Schild einer Taverne, die in der Straße lag, die zur Garnison führte.

„Du willst einen Trinken gehen?“, fragte Inka ungläubig. „Oder die Soldaten auf einen Schluck einladen?“

„Fast.“, sagte Berlan mit einem Zwinkern. „Vertrau mir.“ Dann wandte er sich zu gehen, hielt aber noch kurz inne. „Sivert, hilf den Menschen hier provisorische Schilde zu bauen. Ich glaube, die Soldaten da hinten schaffen gerade Armbrüste heran. Das könnte hässlich werden.“, befahl er seinem Sohn und deutete auf Kisten und Fässer, die in der Straße standen.

„Natürlich, Vater!“, bestätigte dieser den Befehl und begann dann die ersten Jungen und Männer auf die Gefahr hinzuweisen, während Berlan bereits zur Schenke lief.

„Also, was hast du vor?“, fragte Inka erneut, als sie in den Gastraum stürmten. Aber Berlan ignorierte sie und wandte sich sofort an den Wirt, der vor dem Tresen stand, um seine Habseligkeiten vor eventuellen Übergriffen zu verteidigen.

„Wirt, wir brauchen den schärfsten Schnaps, den du hast. In Krügen oder Flaschen aus Ton oder Glas. Und schnell, wenn dir etwas an deiner Stadt liegt.“, befahl Berlan. Als der Wirt ihn skeptisch anschaute, fügte er noch hinzu: „Frau Kresswein wird gerne dafür bezahlen. Später.“, sagte er. Der Wirt schaute nun Inka an, die nur nickte, sodass dieser sich zu Berlans Überraschung ohne weitere Widerworte in sein Lager begab.

„Wenn du schon mein Geld ausgibst, kannst du mir wenigstens sagen, was du vorhast.“, sagte Inka vorwurfsvoll.

„Wir machen denen ein bisschen Feuer.“, sagte Berlan und deutete auf ein Tischtuch. „Hilf mir, das in Streifen zu reißen.“, sagte er und versuchte es notdürftig mit seinem Haken an der Hand zu fixieren, um es zu zerreißen. Dies war aber definitiv eine Tätigkeit, für die man eigentlich zwei Hände brauchte.

„Lass mich mal.“, sagte Inka schnell und nahm ein Messer, um den Stoff zu zerschneiden.

„Hier, Frau Kresswein.“, hörte Berlan dann den Wirt, der vier Flaschen auf den Tresen stellte. „Macht dann…“

„Klären wir später.“, unterbrach Inka ihn, die langsam Berlans Plan verstand. Sie öffnete die Korken der Flaschen und steckte den Stoff tief in den Alkohol, sodass dieser sich sofort vollsaugte. „Hilf uns lieber tragen.“, befahl sie dem Wirt barsch, während Berlan zu einem Holzscheit aus dem Kamin griff. Er nickte Inka zustimmend zu.

„Dann also los!“

„Im Namen des Kaisers: legt die Waffen nieder und kehrt in eure Häuser zurück!“ Der Befehl des Offiziers schallte über die Menge, wurde aber nur von weiteren Flüchen beantwortet. „Ich werden den Angriffsbefehl geben!“, drohte er. Man erkannte, wie hinter den mittlerweile knienden Schildträgern mehrere Soldaten Armbrüste anlegten.

Sivert schaute sich hektisch um. Die erste Reihe des belagernden Mobs hatte zwar nun notdürftige Schilde aus Holz, aber aus so kurzer Distanz konnten die Bolzen sie wahrscheinlich durchschlagen. Und es gab viele Lücken in ihrer Verteidigung. Sein Blick suchte seinen Vater, den er aber noch nicht sah.

Nach einigen Momenten des Verharrens nickte der Offizier schließlich den Schützen zu. „Ihr wolltet es so!“, rief er erneut laut. „Bolzen los!“

Das Klicken der Armbrüste war trotz des Lärms der Menge zu hören. Doch viel mehr hörte man die Schreie der getroffenen und die ängstlichen Rufe der anderen Menschen, die sofort zurückwichen. „Erneut spannen!“, hörte man den lauten Befehl des kaiserlichen Offiziers.

„Komm schon Vater.“, sagte Sivert leise zu sich, die Hand fest um das kurze Schwert, das ihm sein Vater einst gegeben hatte. Auf einmal spürte er eine kräftige Hand auf der Schulter. Sofort drehte er sich um.

„Vater! Gut, dass du zurück bist. Sie greifen an.“

„Das sehe ich.“, erwiderte Berlan und griff dann nach hinten. „Sivert, wie weit kannst du eine Flasche werfen?“, fragte er den Jungen. Dieser schaute erst fragend, erkannte dann aber, dass Berlan in Richtung der kaiserlichen Soldaten nickte.

 

„So weit schaffe ich das schon.“

„Sicher? Du musst unbedingt sicher sein, dass du sie triffst.“

„Ja, Vater. Das schaffe ich!“

„Gut!“, sagte Berlan und drehte sich dann zu Inka um. „Hilf uns zwei Flaschen anzuzünden, direkt danach die weiteren zwei.“

„Bolzen los!“, hörte man den erneuten Befehl des Offiziers und die Schmerzensschreie der getroffenen. Doch noch hielt der Mob stand. Obwohl Berlan sich sicher war, dass dies noch maximal ein, zwei Salven der Fall sein würde.

„Na los.“, mahnte er zu Eile, als die Kauffrau zitternd die Fackel nach vorne hielt. Berlan zündete erst seine Flasche an und nickte dann Sivert zu, der es ihm gleichtat.

„Erneut spannen!“, hörte man den Befehl des Offiziers. Dann flogen zwei Wurfgeschosse im hohen Bogen auf die kaiserlichen Soldaten zu.

Die Flammen breiteten sich sofort explosionsartig aus, als der Ton auf dem Boden zwischen den Soldaten zerbarst. Das Feuer griff sofort auf die Uniformen der Männer über und ließ diese die Formation in Panik aufbrechen. Doch bevor sie gegen die Flammen ankämpfen konnten, folgten die nächsten beiden Flaschen. Eine davon zerbrach direkt auf dem Brustpanzer des Offiziers, der im nächsten Augenblick schreiend in Flammen stand.

„Für Tengemünde! Für Kargat! Für die Freiheit! Angriff!“, brüllte Berlan laut und hob die Axt, um den Ansturm anzuführen.

„Es hört sich nicht gut an, was da draußen passiert.“

Die sorgenvolle Stimme seiner Frau war das letzte, was Erwald Gensmann zu dieser Stunde brauchte. „Mach dir keine Sorge, Karola, der Zweite wird uns schützen, nicht wahr?“, sagte er und schaute zu dem kaiserlichen Offizier. Sie waren zu siebt in dem großen Kaminsaal der Garnison und damit des Sitz des Herrn von Tengemünde. Er und seine Frau, der Zweite Alkinas, ein dunkelhäutiger Soldat aus dem tiefen Süden des Kaiserreiches, Joseph Maltried, ein Freund und Kaufmann aus Tengemünde, sowie drei weitere Soldaten.

„Nein, müsst ihr nicht Ihr steht unter dem Schutz des Kaiserreiches. Sie würden es nicht wagen, euch etwas anzutun. Aber, Erwald, wir müssen, wenn das beendet ist schnell die Rädelsführer finden.“, mahnte der Offizier.

„Ich glaube, sie sind schon im Gebäude.“, sagte Karola mit zittriger Stimme.

„Sei still Weib, das sind bestimmt nur Soldaten vom Zweiten Alkinas. Wie sollen sie denn in die Garnison kommen?“, antwortete Erwald diesmal barsch.

„Aber…“, wollte die Frau protestieren, als man auf einmal draußen vor der Tür Kampfgeräusche hörte.

„Verdammt!“, fluchte der Zweite. „Schützt die Tür!“, befahl er seinen Soldaten. Doch diesen blieb kaum Zeit. Sie hatten sich gerade erst in einem kleinen Bogen um die Holztür positioniert, als diese kraftvoll aufgetreten wurde. Die Soldaten stürzten sich auf die Eindringlinge, doch es war ein einseitiger Kampf. Den ersten Soldaten ließ Berlan mit einer schnellen Bewegung einfach ins Leere und damit in den Gang hinauslaufen, in dem bereits der Mob auf ihn wartete. Die Klinge des zweiten Soldaten blockierte er mit seinem Haken, drehte ihm das Schwert aus der Hand, und versenkt dann seine Axt im Brustkorb des Soldaten. Neben ihm ging derweilen der letzte Soldat von mehreren Bolzen getroffen röchelnd zu Boden und mehr Männer der Stadt stürmten den Raum.

Der Zweite schien noch kurz zu zögern, ob er kämpfen sollte, entschloss sich dann aber auf einen bösen Blick von Berlan hin sein Schwert zu Boden zu werfen. Als Inka den Raum betrat, erkannte Erwald sie sofort.

„Hätte ich mir denken können, dass du dahintersteckst. Und, was wollt ihr nun?“

„Das es so weit kam, war nicht meine Schuld, sondern deine und die deiner Freunde. Wenn ihr unseren Bürgern Brot und Dächer über dem Kopf gegeben hättet, wären sie niemals aufgestanden. Aber ihr habt ja zugeschaut, wie das Volk Kargats verhungert.“, giftete die Kauffrau zurück.

„Das reicht!“ Die laute Stimme Berlans unterbrach das sich anbahnende Streitgespräch. „Du bist ein Zweiter der kaiserlichen Armee? Der hiesige Militärführer?“, fragte er.

„Das bin ich. Und ihr werdet euch alle für eure Verbrechen gegen das Kaiserreich verantworten müssen.“, antwortete Alkinas ernst.

„Schon gut, werden wir tun.“, tat Berlan das allerdings ab und wandte sich dann an Inka. „Und das sind?“

„Herr Erwald Gensmann. Herr von Tengemünde, und guter Freund des Kaiserreiches wie es scheint. Seine Frau Karola. Und sein Stiefellecker Joseph Maltried, der gerne die kaiserlichen Truppen versorgt, um sich selbst zu bereichern.“, erwiderte Inka.

„Inka, pass auf was du…“, wollte Erwald die Kauffrau zurechtweißen, wurde aber von der lauten Stimme Berlans unterbrochen.

„Ich spreche jetzt!“, sagte er und schaute die vier Gefangenen kurz an. „Sperrt die Frau in ihre Gemächer. Übergebt die drei Männer den Bürgern von Tengemünde. Sie werden eine gerechte Strafe finden.“, sagte er schließlich zu einigen Männern.

„Nein, das dürft ihr nicht!“, brüllte Erwald laut, der sich aber nur einen Faustschlag von Berlan einfing.

„Hast du kein Vertrauen in die Gerechtigkeit deiner Stadt?“, erwiderte Inka kalt.

„Ihr wisst nicht, was ihr tut.“, sagte jetzt der Kaufmann Joseph leise und schüttelte den Kopf. „Du bist so blind Inka, wenn du glaubst, dass das zu irgendwas führt.“

„Ach ja?“, fragte sie herausfordern. Joseph schaute auf und blickte ihr in die Augen.

„Ich war vor wenigen Tagen in Gründau. Oder das, was davon übrig ist. Sie haben sich wie ihr gegen das Kaiserreich aufgelehnt. Nun sind dort nur noch rauchende Ruinen und Berge von Leichen. Tengemünde wird das gleiche Schicksal ereilen.“, mahnte er.

„Nicht wenn wir es verhindern können.“, widersprach Berlan und nickte dann den Männer zu. „Los, bringt sie endlich raus.“, sagte er. Dann wandte er sich an Inka. „Du sagtest, unter der Garnison gibt es einen Kerker mit gefangenen Soldaten. Wo müssen wir hin?“, fragte er.

Die Kauffrau schaute noch kurz den drei Männern nach, die nach draußen getrieben wurden. Sie empfand kein Mitleid. Dennoch war es schwer, Männer, die sie so lange gekannt hatte, ihrem unausweichlichen Schicksal zu übergeben. „Da lang!“, sagte sie schließlich und deutete auf eine rückseitige Tür aus dem Kaminzimmer.

Berlan war nicht überrascht, dass im Kerker keine Wachen mehr waren. Der Offizier hatte alle Männer, die kämpfen konnten, nach draußen geschickt. Es waren nicht genug gewesen. Was Berlan noch mehr freute war der Fakt, dass sie weniger Bürger verloren hatten, als er befürchtet hatte. Einige waren verletzt, die Tage würden zeigen, ob sie es schafften. Aber gegeben des eigentlich ungleichen Kampfes war das Ergebnis erfreulich.

„Wer hat hier das sagen?“, fragte Berlan, als er an die Zellen trat, die in der Tat voll von Männern im besten Alter waren.

„Ich!“, sagte einer der Männer und trat vor. Man hatte ihm nur ein einfaches Hemd gelassen, trotz der Kälte. Dennoch war sein Blick ungebrochen. Sein Gesicht wurde von einem wilden schwarzen Bart geziert, der genauso lang zu wachsen schien, wie seine Haare, die ihm bis auf die Schultern reichten. „Aberlin Woltan. Hauptmann der kargatianischen Garde von Tengemünde. Wer seid ihr?“, fragte er, erkannte dann aber Inka im Fackelschein, die Berlan und Sivert begleitet hatte. „Inka, was machst du hier?“

Es war aber Berlan, der antwortete. „Hauptmann Woltan, die Garnison ist unser. Die kaiserlichen Soldaten sind bezwungen, das Volk richtet über ihren Anführer genauso wie über den Herrn von Tengemünde, der sich doch schnell auf den Feind eingelassen hat. Ich bin Berlan von Fendron, Adeliger aus Valorien, Hauptmann des Nachtrudels, und Kämpfer für die Freiheit Kargats.“

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