Billy nickte beifällig. »Denk daran, was ich dir von Pferden erzählte!« sagte er wieder zu Saxon.
Und auf Antreiben Frau Mortimers entwickelte er sehr vernünftige Anschauungen über Pferde und die Art, wie man rein geschäftsmäßig das meiste aus ihnen herausbekommen konnte.
Als er hinausging, um eine Zigarette zu rauchen, brachte Frau Mortimer Saxon dazu, etwas über sich und Billy zu erzählen, und sie war nicht im geringsten empört, als sie von seinem Boxen und seiner Neigung, Streikbrecher zu verprügeln, hörte.
»Er ist ein prachtvoller junger Mann – und gut!« sagte sie zu Saxon. »Das kann man seinem Gesicht ansehen. Und was das beste von allem ist – er liebt Sie und ist stolz auf Sie. Sie ahnen nicht, welche Freude es mir macht, ihn zu beobachten, wenn er Sie ansieht, namentlich wenn Sie sprechen. Er hat Achtung vor Ihrer Urteilskraft. Und das muss er natürlich haben, wenn er Ihnen auf diese Pilgerfahrt gefolgt ist, die so ganz und gar Ihre Idee ist.« Frau Mortimer seufzte. »Sie sind sehr glücklich, mein liebes Kind, sehr glücklich! Und dabei wissen Sie noch nicht einmal, was der Kopf eines Mannes wert ist. Warten Sie, bis er Feuer und Flamme für Ihren Plan ist! Sie werden ganz verblüfft sein, wie er sich die Dinge aneignet. Sie werden sich anstrengen müssen, um Schritt mit ihm zu halten. Bis dahin müssen Sie ihn führen. Vergessen sie nicht, dass er immer in der Stadt erzogen ist. Es wird ein schwerer Kampf sein, ihm die einzige Form des Daseins, die er gekannt hat, abzugewöhnen.«
»Aber er litt auch unter dem Leben in der Stadt«, begann Saxon.
»Aber nicht auf dieselbe Art wie Sie. Liebe ist nicht alles für den Manu, wie sie es für die Frau ist. Das Leben in der Stadt quälte Sie mehr, als es ihn quälte. Sie waren es, die das süße Kind verloren. Sein Interesse für das Kind und seine Verbindung mit ihm war zufällig und locker im Vergleich mit der Tiefe und Innigkeit Ihrer Gefühle.«
Frau Mortimer wandte sich wieder zu Billy, der in diesem Augenblick in die Stube trat.
»Nun, sind Sie jetzt dahinter gekommen, was Sie stört?« fragte sie.
»So einigermaßen«, antwortete er und setzte sich auf ihre Aufforderung in den großen Sessel. »Es hängt so zusammen –«
»Warten Sie einen Augenblick«, sagte Frau Mortimer. »Das ist ein schöner, großer und starker Stuhl – und Sie sind ebenso – jedenfalls groß und stark, und Ihr kleines Frauchen ist sehr müde – nein, nein, bleiben Sie nur sitzen; es sind Ihre Kräfte, die sie braucht. Ja, es ist mein Ernst. Breiten Sie die Arme aus, Verehrtester.«
Sie führte Saxon zu ihm hin und setzte sie auf seinen Schoß. »Und jetzt – Sie sehen reizend aus, Sie beiden – jetzt rücken Sie heraus mit Ihren Einwänden gegen meine Art und Weise, mir mein Brot zu verdienen.«
»Es ist nicht Ihre Art und Weise«, wandte Billy hastig ein. »Ihre Art und Weise ist sehr gut. Sie ist großartig. Was ich sagen will, ist nur, dass Ihre Art und Weise nicht für uns passt. Für uns würde das so nicht gehen. Sehen Sie, Sie haben Verbindungen, wohlhabende Bekannte, Leute, die wussten, dass Sie Bibliothekarin gewesen waren und Ihr Mann Universitätsprofessor. Und Sie hatten« – er zögerte einen Augenblick, als wollte er seine Gedanken in eine feste Form zwingen. »Nun ja, Sie haben etwas, was wir nicht bekommen können. Sie waren eine gelehrte Dame und – ja, ich weiß nicht recht, aber ich kann mir denken, dass Sie Bescheid wussten mit feinen Leuten und Geschäften – auf eine Art und Weise, die wir nie kapieren werden.«
»Aber mein lieber junger Freund, Sie können leicht lernen, was Sie brauchen«, wandte sie ein.
Billy schüttelte den Kopf.
»Nein, Sie verstehen mich nicht. Vielleicht kann ich es Ihnen durch ein Beispiel klarmachen. Nehmen Sie an, ich wäre es, der das Geschäft mit dem Eingemachten machen wollte, und ich ginge geradeswegs in dieses vornehme Restaurant, wie Sie es taten, um mit dem Alten zu reden. Nun, sobald ich in sein Kontor träte, wäre ich wie ein Fisch auf dem Trocknen. Und noch schlimmer – ich würde das selber fühlen. Dadurch würde ich gereizt werden und geneigt sein; Krach zu schlagen, was nicht gerade die beste Art ist, Geschäfte zu machen. Und dabei hätte ich das Gefühl, dass er mich für einen Banditen hielte, der ihm sein Eingemachtes aufdrängen wollte. Und wie würde es dann gehen? Ich würde großschnäuzig werden – das ist so sicher wie nur etwas. Und ich würde glauben, dass er mich für einen Esel hielte, und dann würde ich losplatzen und ihm erzählen, dass er ein Esel sei. Verstehen Sie? Ich bin eben so erzogen. Ich würde ihm zu verstehen geben, dass er kaufen könnte oder nicht, wie es ihm passte, und auf die Art kann man kein Eingemachtes verkaufen.«
»Was Sie da sagen, ist sehr richtig«, sagte Frau Mortimer heiter. »Aber Sie haben doch Ihre Frau. Sehen Sie sie nur an! Sie könnte schon auf jeden Geschäftsmann Eindruck machen. Er würde sie mehr als gern anhören.«
Billy richtete sich auf, und ein zorniger, finsterer Ausdruck trat in seine Augen.
»Was habe ich nun schon wieder getan«, lachte Frau Mortimer.
»Ich bin noch nicht so tief gesunken, dass ich Geschäfte auf das hübsche Gesicht meiner Frau hin machen will«, brummte er grimmig.
»Nein, das ist sehr richtig. Aber Sie beide sind eben fünfzig Jahre hinter Ihrer Zeit zurück. Sie sind Amerikaner von der alten Schule. Wie es überhaupt unter modernen Lebensbedingungen Leute Ihres Schlages geben kann, ist ein reines Wunder. Wer hat in dieser degenerierten Zeit je von einem jungen Mann und einer jungen Frau gehört, die sich ihr Bettzeug auf den Rücken luden und auswanderten, um Boden zu suchen? Das ist der Geist, der seinerzeit die Argonauten beseelte. Sie sind genau wie die, welche ihren Ochsen das Joch auflegten und westwärts nach den Ländern jenseits des Sonnenunterganges wanderten. Ich wette, Ihre Väter und Mütter, oder Ihre Großväter und Großmütter gehörten dem Geschlecht an.«
Saxons Augen leuchteten, und der zornige Ausdruck verschwand aus Billys Gesicht. Beide nickten.
»Ich gehöre selbst einem der alten Geschlechter an«, fuhr Frau Mortimer stolz fort. »Meine Großmutter war eine der wenigen Überlebenden der Verunglückten im Donnerzug. Mein Großvater, Jason Whitney, war einer von denen, die die Bärenflagge in Sonoma hißten. Er war in Monterey, als John Marschall in Sutters Mühlbach Gold fand. Eine Straße in San Franzisko ist nach ihm genannt.«
»Die kenne ich«, warf Billy ein. »Whitney Street. In der Nähe vom Russian Hill. Saxons Mutter ist auch über die Prärie hierher gewandert.«
»Und Billys Großvater und Großmutter wurden von den Indianern niedergemacht«, sagte Saxon. »Sein Vater war ein kleiner Junge, der unter den Indianern lebte, bis die Weißen ihn wieder holten. Er wusste nicht einmal, wie er hieß, und wurde von einem Mann namens Roberts adoptiert.«
»Aber Kinder, da sind wir ja beinahe verwandt«, sagte Frau Mortimer freudestrahlend. »Das ist wie ein Hauch aus alten Tagen, den alten Tagen, die leider in unserer eigenen Rastlosigkeit so vollkommen vergessen sind. Ich interessiere mich sehr für alles derartige, weil ich alles, was mit der Periode zu tun hatte, katalogisiert und gelesen habe. Sie« – hier wandte sie sich direkt zu Billy – »sind eine historische Persönlichkeit, oder vielmehr Ihr Vater war es. Ich erinnere mich der Sache gut. Sie steht in Bancrofts Geschichte. Es waren Modoc-Indianer. Es waren achtzehn Wagen. Ihr Vater war der einzige, der nicht getötet wurde, aber er war ein ganz kleines Kind und wusste nicht das geringste von dem, was geschah. Er wurde später von dem Anführer der Weißen adoptiert.«
»Das stimmt«, sagte Billy. »Es waren Modoc-Indianer. Der Zug, in dem er sich befand, muss nach Oregon bestimmt gewesen sein. Aber er wurde vollkommen aufgerieben. Ich möchte wissen, ob Sie etwas über Saxons Mutter wissen. Sie schrieb damals Gedichte.«
»Ist etwas davon gedruckt?«
»Ja«, antwortete Saxon, »in den alten Zeitungen von San José.«
»Erinnern Sie sich einiger davon?«
»Ja, da ist eines, das so anfängt:
Süß wie die luftigen Windharfensaiten,
So konnte deine holde Muse singen,
Und Kaliforniens endlose Weiten,
Sie ließen sanft das Echo wiederklingen.«
»Das kommt mir bekannt vor«, sagte Frau Mortimer sinnend.
»Und ein andres Gedicht fängt so an:
Fort schlich ich von den anderen in den Hain,
Wo nackte Statuen unter kühlen Blättern stehn –
Es sind noch viel mehr von derselben Art. Ich verstehe nicht alles. Es ist an meinen Vater gerichtet.«
»Ein Liebesgedicht!« fiel Frau Mortimer ihr ins Wort. »Ja, jetzt erinnere ich mich«, rief sie, »warten Sie. – Da, da – dah, ja, jetzt hab’ ich es.
Im Gesprüh des Springbrunns, dessen Amethystensaat
Einen Augenblick auf Brust und Hand erzittern –
Den Vers mit der Amethystensaat habe ich nie vergessen, aber an den Namen Ihrer Mutter kann ich mich nicht erinnern.«
»Sie hieß Daisy –« begann Saxon.
»Nein, Dayelle«, berichtigte Frau Mortimer, deren schlummernde Erinnerung jetzt geweckt war.
»Aber niemand nannte sie so.«
»Nein, aber es war der Name, den sie unter ihre Gedichte setzte. Wie weiter?«
»Daisy Wiley Brown.«
Frau Mortimer trat ans Bücherregal und kehrte gleich mit einem großen dunklen Band zurück.
»Das ist ›Die Geschichte der Reihen‹«, erklärte sie. »Unter anderem enthält sie alle guten Verse aus jener Zeit, aus alten Zeitungen gesammelt.« Ihr Blick durchlief das Inhaltsverzeichnis und blieb plötzlich haften. »Ja, es stimmt! Dayelle Wiley Brown. Hier ist es. Und hier sind obendrein zehn Gedichte von ihr: ›Die Suche des Wikings‹, ›Tage des Goldes‹, ›Treue‹, ›Der Caballero‹, ›Gräber am Little Meadow‹ –«
»Dort schlugen wir die Indianer«, fiel Saxon ihr eifrig ins Wort. »Und Mutter, die damals erst ein kleines Mädchen war, ging und holte Wasser für die Verwundeten. Die Indianer wollten nicht auf sie schießen. Alle Menschen sagten, dass es ein Wunder war.« Sie riss sich von Billy los, streckte die Hände nach dem Buch aus und rief: »Ach, lassen Sie mich sehen! Lassen Sie mich sehen! Das ist etwas ganz Neues für mich. Ich kenne die Gedichte nicht. Darf ich sie mir abschreiben? Ich will sie auswendig lernen. Denken Sie – meine Mutter!«
Frau Mortimer merkte plötzlich, dass ihre Brille geputzt werden musste, und eine halbe Stunde saßen sie und Billy schweigend da, während Saxon sich eifrig mit den Gedichten ihrer Mutter beschäftigte. Zuletzt stand sie da und starrte das Buch an, das sie über dem Finger geschlossen hatte, und in Verwunderung und Ehrfurcht konnte sie nur wiederholen:
»Und das habe ich nie gewusst! Das habe ich nie gewusst!«
Aber Frau Mortimers Gehirn war in dieser halben Stunde nicht untätig gewesen, und kurz darauf legte sie ihnen ihren Plan dar. Sie glaubte an wissenschaftlichen Meiereibetrieb so gut wie an wissenschaftliche Landwirtschaft, und es war ihre Absicht, gleich nach Ablauf des Pachtvertrages auf den anderen zehn Morgen eine derartige Meierei einzurichten. Wie alles, was sie anfing, sollte auch die nach allen Regeln der Kunst betrieben werden, und das hieß, dass sie mehr Hilfe brauchte. Billy und Saxon waren für diese Arbeit wie geschaffen. Noch vor dem nächsten Sommer konnte sie sie in dem kleinen Hause, das sie zu bauen gedachte, unterbringen, bis dahin musste sie irgendwie versuchen, Billy Arbeit zu verschaffen. Sie wollte ihnen gern für den ganzen Winter Arbeit garantieren, und sie wusste, dass am Ende der Straßenbahnlinie ein Häuschen zu vermieten war. Unter ihrer Aufsicht konnte Billy den Bau von Anfang an überwachen. Auf die Weise konnten sie Geld verdienen und sich auf den selbstständigen Betrieb eines Gehöfts vorbereiten, während sie sich gleichzeitig umsehen konnten.
Aber ihre Überredungskünste waren fruchtlos. Zunächst erklärte Saxon kurz und bündig, was sie dazu meinte.
»Wir können nicht an der ersten Stelle bleiben, wo wir hinkommen, wenn auch Ihr Haus und dieses Tal noch so schön und gut sind. Wir wissen ja nicht einmal, was wir selber wollen. Wir müssen weiter wandern und uns alle möglichen Orte und Methoden ansehen, um herauszufinden, wie alles zusammenhängt. Wir haben gar keine Eile. Wir wollen unserer Sache sicher sein – ja, ganz sicher! Und außerdem –«, sie bedachte sich ein wenig, »– außerdem machen wir uns nichts aus Flachland. Billy will am liebsten etwas Berge. Und ich auch.«
Als sie sich verabschiedeten, wollte Frau Mortimer ihr Exemplar von der »Geschichte der Reihen« Saxon schenken, aber Saxon schüttelte den Kopf und bat Billy um zwei Dollar.
»Hier steht, dass es zwei Dollar kostet«, sagte sie. »Wollen Sie ein Exemplar für mich kaufen und aufbewahren, bis wir eine Stelle finden, wo wir wohnen können? Dann schreibe ich Ihnen, dass Sie es mir schicken können.«
»Ach, ihr Amerikaner!« schalt Frau Mortimer und steckte das Geld ein. »Aber ihr müsst mir versprechen, mir, ehe ihr einen Entschluss fasst, hin und wieder zu schreiben.«
Sie brachte sie bis auf die Landstraße.
»Ihr seid zwei mutige junge Seelen!« sagte sie beim Abschied. »Ich wünschte nur, ich könnte mit euch in die Welt hinaus wandern, mein Gepäck auf dem Rücken. Ihr seid prachtvoll, ihr beiden! Wenn ich je etwas für euch tun kann, so lasst es mich nur wissen. Ihr werdet sicher Glück haben, und ich möchte meinen Anteil an euerm Erfolg haben. Lasst mich wissen, wie es mit dem Staatsboden geht, wenn ich auch nicht sehr daran glaube. Der liegt sicher viel zu weit vom Markt ab.« Sie drückte Billy die Hand, schloss aber Saxon in ihre Arme und küsste sie.
»Seid nur guten Mutes«, sagte sie leise und mit tiefem Ernst in der Stimme. »Ihr werdet schon durchkommen. Ihr fangt die Sache richtig an. Und ihr habt recht, dass ihr nicht auf meinen Vorschlag eingehen wollt. Aber vergesst nicht, dass dies – oder etwas Besseres – euch immer offensteht. Ihr seid noch so jung, alle beide. Übereilt euch nur nicht. Sobald ihr euch irgendwo für eine Weile niederlasst, gebt mir Bescheid, dann schicke ich euch eine Menge Bücher über Landwirtschaft und dergleichen. Auf Wiedersehen! Glückliche Reise! Glückliche Reise!«
*
An diesem Abend saß Billy eine Zeit lang unbeweglich auf dem Bettrand in dem kleinen Zimmer, das sie in San José gemietet hatten, und Saxon bemerkte einen grübelnden Ausdruck in seinen Augen.
»Ja«, sagte er schließlich und schöpfte tief Atem, »ich kann nur sagen, dass es doch wirklich noch brave Menschen auf der Welt gibt. Zum Beispiel Frau Mortimer. Sieh, die ist vom richtigen Schlage – von dem der guten alten Amerikaner!«
»Eine feine, gelehrte Dame«, sagte Saxon, »und sie schämt sich nicht im mindesten, Landwirtschaft zu betreiben. Und sie verdient sogar dabei!«
»Ja, mit zwanzig Morgen – nein, mit zehn – und hat den Boden und alle Verbesserungen bezahlt und ernährt sich selber, vier Tagelöhner und eine schwedische Frau mit Tochter, sowie ihren eigenen Neffen. Nein, das verstehe ich nicht! Mein Vater sprach nie von weniger als hundertundsechzig Morgen. Selbst dein Bruder Tom spricht nur von den großen Höfen – und dabei ist sie doch nur eine Frau. Es war gut, dass wir sie trafen.«
»Ja, es war das reine Märchen«, rief Saxon. »Sieh, das hat man vom Reisen. Man weiß nie, was geschehen kann. Und es fiel uns direkt in den Schoß, als wir schon müde werden wollten und daran dachten, wie weit es wohl noch bis San José wäre. Und sie behandelte uns nicht wie Vagabunden. Das Haus – wie rein und schön es war! Ich habe mir nie träumen lassen, dass etwas so Feines und Schönes existieren könnte wie das Innere dieses Hauses.«
»Ja, es roch so gut«, erklärte Billy.
»Das ist es eben. Das ist, was sie in den Frauenzeitschriften Atmosphäre nennen. Ich habe nie gewusst, was das bedeutete. Das Haus hat so eine feine, schöne Atmosphäre –«
»Genau wie all deine hübsche Wäsche«, sagte Billy.
»Und das ist das nächste, wenn man sich selbst rein und hübsch hält: Sein Heim nett und sauber und schön halten.«
»Aber das kann man nicht mit einem Mietshause. Man muss es selbst besitzen. Solche Häuser bauen Hauswirte überhaupt nicht. Und doch – das konnte jedes Kind sehen – das Haus war nicht teuer. Es kommt nicht darauf an, was es gekostet hat. Es ist die Art, wie es gemacht ist. Das Holz war gewöhnliches Holz, wie man es auf jedem Holzplatz kaufen kann. – Das Haus in der Pine Street war aus demselben Holz gebaut! Aber die Art und Weise, wie es gemacht ist, ist anders. Ich kann nicht erklären, was ich meine, aber du verstehst mich wohl.«
Saxon, die in Gedanken verloren dasaß und sich die kleine Villa, die sie soeben verlassen hatten, ins Gedächtnis zurückrief, wiederholte geistesabwesend: »Das ist es eben – die Art und Weise.«
Am nächsten Morgen waren sie früh auf den Beinen und suchten durch die Vorstädte San Josés den Weg nach San Juan und Monterey. Saxon hinkte noch mehr als am vorigen Tage. Sie hatte eine Blase bekommen, die sich durchgerieben hatte, und jetzt wollte die Haut an der ganzen Ferse abgehen. Billy erinnerte sich, was sein Vater ihm über Fußpflege erzählt hatte, und er blieb bei einem Schlachterladen stehen, um für fünf Cent Schaftalg zu kaufen.
»So muss es sein«, sagte er zu Saxon. »Reines Schuhzeug und die Füße gut eingeschmiert. Wir wollen etwas darauf schmieren, sobald wir vor die Stadt kommen. Und die ersten Tage wollen wir lieber etwas langsamer gehen. Wenn ich etwas Arbeit bekäme, dass du dich ein paar Tage ausruhen könntest, das wäre großartig. Ich muss doch auf dich achten.«
Gleich vor der Stadt ließ er Saxon auf der Landstraße zurück und ging selbst einen langen Fahrweg entlang bis zu etwas, das wie ein großer Bauernhof aussah. Freudestrahlend kam er wieder.
»Alles in Ordnung!« rief er, sich nähernd. »Und jetzt gehen wir nur zu der Baumgruppe am Bach und schlagen unser Lager dort auf. Morgen fange ich mit der Arbeit an – zwei Dollar täglich bei Selbstbeköstigung. Wenn er mich beköstigt hätte, würde er anderthalb Dollar gegeben haben. Ich sagte, ich wollte es lieber so, ich hätte meine eigenen Sachen mitgebracht. Das Wetter ist gut, und wir können ein paar Tage bleiben, bis dein Fuß wieder gesund ist. Komm! Wir wollen ein ordentliches Lager aufschlagen.«
»Wie hast du die Arbeit bekommen?« fragte Saxon, als sie sich umsahen, wo sie das Lager aufschlagen sollten.
»Warte, bis wir alles in Ordnung haben, dann werde ich es dir erzählen. Es war der reine Traum, so glatt ging es.«
Erst als sie die Decken ausgebreitet, das Feuer angezündet und einen Topf mit Bohnen aufgesetzt hatten, warf Billy den letzten Arm voll Brennholz auf die Erde und begann:
»Zunächst ist Benson kein unmoderner Esel. Man sollte nicht glauben, dass er Bauer ist, wenn man ihn sieht. Er denkt so scharf wie ein Rasiermesser und redet und handelt wie ein richtiger Geschäftsmann. Ich wusste es, sobald ich seinen Hof sah – noch ehe ich ihn selbst gesehen hatte. In etwa fünfzehn Sekunden war alles abgemacht.
›Können Sie pflügen?‹ sagt er.
›Das kann ich!‹ sage ich.
›Pferdeverstand?‹ fragt er.
›Ich habe mein ganzes Leben im Stall verbracht‹, sage ich.
Und gerade in dem Augenblick – erinnerst du dich der Wagenladung Maschinen mit vier Pferden davor, die gleich hinter mir kamen – gerade in dem Augenblick kommen sie an.
›Was meinen Sie zu vier Pferden?‹ fragt er, wie zufällig.
›Das ist meine geringste Kunst. Ich kann sie vor einem Pflug, einer Nähmaschine oder einem Karussell fahren.‹
›Springen Sie auf und nehmen Sie die Leine‹, sagt er schnell und entschlossen, denn er verliert nicht eine Sekunde. ›Sehen Sie den Schuppen da! Fahren Sie rechts um die Scheune herum und wieder zurück, dass abgeladen werden kann.‹
Und ich sage dir, es war ein feines Stück Fuhrarbeit, das er von mir verlangte. An den Gleisen konnte ich sehen, dass alle Wagen links um die Scheune herum gefahren waren. Was er verlangte, war nicht gerade schön – ein doppelter Schwung wie ein S, zwischen einer Hausecke und um die Scheune herum bis zum letzten Schwung. Und das bisschen Platz, das da war, wurde noch kleiner, weil ein Haufen Mist gerade vor die Scheune geworfen und noch nicht weggefahren war. Aber ich ließ mir natürlich nichts merken. Der Kutscher gab mir die Leinen, und ich konnte sehen, dass er grinste, denn er war sicher, dass ich hereinfiel. Ich möchte wetten, dass er es selbst nicht gekonnt hätte. Aber ich ließ mir immer noch nichts merken, und wir rasselten ab, und dabei kannte ich nicht einmal die Pferde – ja, du hättest mich sehen sollen, wie ich die zwei vorderen Pferde direkt auf den Mist zulenkte, sodass das eine die Scheune berührte und das Handpferd nur sechs Zoll vom Eckpfosten des Hauses entfernt war. Das war die einzige Möglichkeit, es zu machen – aber es waren auch prachtvolle Pferde, und sie taten genau, was ich wollte.
›Gut!‹ sagt Benson. ›Das war ein schönes Stück Arbeit.‹
›Was zum Teufel!‹ sage ich so gleichgültig, wie ich nur kann. ›Geben Sie mir etwas wirklich Schweres zu tun.‹ Er lächelt, denn er versteht gleich, was ich meine. ›Sie haben das gut gemacht‹, sagt er. ›Und ich nehme es sonst sehr genau mit jedem, der mit meinen Pferden zu tun hat. Sie sind zu gut für die Landstraße. Sie müssen ein guter Mann sein, dem es schlecht gegangen ist. Aber deshalb können Sie doch mit meinen Pferden pflügen, und morgen können Sie anfangen.‹ Und das zeigt, dass er doch nicht so klug war. Ich hatte ihm ja nicht gezeigt, dass ich pflügen konnte.«
Als Saxon die Bohnen aufgetan und Billy den Kaffee fertig hatte, blieb er einen Augenblick stehen und sah alle die Dinge an, die auf den Decken um sie her standen – die Zuckerdose, kondensierte Milch in einer Blechdose, die dünnen Scheiben gepökelten Ochsenfleischs, der Salat mit den Tomatenscheiben, das frische Weißbrot, die dampfenden Bohnen und die Kaffeekanne.
»Welch ein Unterschied gegen gestern Abend«, rief Saxon und klatschte in die Hände. »Es ist ein Märchen, wie man es in den Büchern liest. Ach, ich muss an den Jungen denken, der fischen ging. Denk an den schönen Tisch und das schöne Haus gestern, und sieh jetzt das hier. Wir hätten ganze tausend Jahre in Oakland leben können, ohne je eine Dame wie Frau Mortimer zu treffen oder uns träumen zu lassen, dass ein Haus wie das ihre existierte. Und Billy, denk nur, dabei haben wir eben erst angefangen.«
Billy arbeitete drei Tage lang, und wenn er auch behauptete, gut fertig zu werden, so gab er doch zu, dass das Pflügen schwerer war, als er sich gedacht hatte. Saxon war stillvergnügt, als sie hörte, dass es ihm Spaß machte.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich mir etwas aus Pflügen machen würde – nein«, meinte er. »Aber es ist großartig. Es ist auch gut für die Beinmuskeln. Die übt man nicht genug, wenn man fährt. Wenn ich je wieder für einen neuen Boxkampf trainieren sollte, so kannst du drauf schwören, dass ich auch pflügen würde. Und die Erde duftet so herrlich, wenn man sie wendet, und immer wieder wendet. Sie ist direkt zum essen, so riecht sie. Und wenn man sie den ganzen Tag wendet – so frisch und fett und gut. Auch die Pferde – die sind ein paar Prachtexemplare! Die wissen so gut wie ein Mensch, was sie zu tun haben. Das muss man sagen – Benson hat nicht eine einzige Schindmäre auf seinem Betrieb.«
Am letzten Tage, den Billy für Benson arbeitete, überzog sich der Himmel, die Luft war feucht, es begann stark aus Südwest zu wehen, und alles deutete daraufhin, dass dies der Anfang des Winterregens war. Billy kam am Abend mit einem kleinen Bündel alter Sackleinwand zurück, die er sich geliehen hatte, und woraus er eine Art Dach über ihrem Zelte machte, um den Regen fernzuhalten. Er klagte mehrmals über den kleinen Finger seiner linken Hand. Er hatte ihn den ganzen Tag gestört, wie er zu Saxon sagte, ja, er störte ihn eigentlich schon mehrere Tage und war so empfindlich wie eine Beule – vermutlich hatte er sich einen Splitter eingerissen, aber er konnte ihn nicht finden.
Er machte sich an die Vorbereitungen für die Nacht, hob das Bett auf ein paar alte Bretter, die er aus einer verlassenen und verfallenen Scheune auf der anderen Seite des Baches holte. Auf die Bretter schichtete er trockene Blätter, dass sie eine Art Matratze bildeten. Zuletzt befestigte er das Sackleinen noch besser mit gefundenen Bindfäden und Bändern.
Als die ersten Regentropfen auf das Sackleinen schlugen, war Saxon begeistert. Billy interessierte sich sehr wenig für das Ganze. Sein Finger schmerzte ihn allzu sehr, sagte er. Weder Saxon noch er konnten begreifen, was es war.
»Ich erinnere mich, dass Cadys Frau einmal etwas ähnliches hatte – auch im kleinen Finger. Ich glaubte, sie legte einen Grützbeutel darauf. Und ich erinnere mich, dass sie Salbe darauf schmierte. Er wurde sehr schlimm, und schließlich ging der Nagel ab. Dann wurde es schnell wieder besser, und ein neuer Nagel wuchs. Soll ich dir nicht einen warmen Umschlag machen?«
Aber davon wollte Billy nichts wissen, er meinte, es würde am nächsten Tage schon besser werden. Saxon war besorgt, und als sie endlich einschlummerte, wusste sie, dass er unruhig dalag und offenbar arge Schmerzen hatte. Einige Minuten später wurde sie durch einen heftigen Windstoß geweckt, der den Regen gegen das Sackleinen peitschte, und sie hörte Billy leise stöhnen. Sie erhob sich auf den Ellbogen und strich ihm mit der freien Hand über Stirn und Augen, wie sie es sich angewöhnt hatte, und dadurch beruhigte sie ihn schließlich, sodass er einschlief.
Dann schlief auch sie wieder. Und wieder wurde sie geweckt, diesmal jedoch nicht vom Sturm, sondern von Billy. Sie konnte ihn nicht sehen, als sie aber nach ihm tastete, merkte sie, dass er eine höchst merkwürdige Stellung einnahm. Er kniete vor den Decken und seine Stirn ruhte auf den Brettern, während seine Schultern in unterdrücktem Schmerz zuckten.
»Es klopft darin, dass ich ganz verrückt werde«, sagte er, als sie zu ihm sprach. »Das ist schlimmer als tausend Zahnschmerzen. Aber es ist nichts – wenn nur das Sackleinen nicht wegweht. Denk daran, was unsere Vorfahren durchmachen mussten –« murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Sieh, mein Vater war einmal in den Bergen, und der Mann, der mit ihm war, wurde von einem Bären angefallen – das Fleisch wurde ihm bis auf die Knochen heruntergerissen. Sie hatten keinen Proviant, sodass sie gezwungen waren, weiter zu wandern. Zweimal von den dreien, die Vater ihn aufs Pferd setzte, wurde er ihm unter den Händen ohnmächtig, ja, er musste ihn festbinden. Und es dauerte fünf Wochen, aber sie kamen durch. Und die Geschichte von Jack Quigley. Seine ganze rechte Hand wurde ihm abgerissen, als sein Gewehr explodierte, und das Hündchen, das er bei sich hatte, fraß drei Finger. Und er war ganz allein im Sumpf und –«
Aber Saxon sollte nichts mehr von den abenteuerlichen Erlebnissen Jack Quigleys hören. Ein furchtbarer Windstoß riss das Sackleinen los und stürzte die Bretter um, sodass sie einen Augenblick lang unter dem Sackleinen begraben waren. Und im nächsten Augenblick wurde alles in der Dunkelheit fortgewirbelt, und Billy und Saxon wurden vom Regen vollkommen durchnässt.
»Da ist nur eins zu machen«, brüllte er ihr ins Ohr, »alles zu nehmen und zu versuchen, in die alte Scheune zu kommen.«
Das taten sie in Dunkelheit und triefendem Regen, aber sie mussten zweimal auf Steinen durch den Bach waten und wurden bis zu den Knien durchnässt. Die alte Scheune leckte wie ein Sieb, aber es glückte ihnen, eine trockene Stelle zu finden, wo sie ihr alles eher als trockenes Bettzeug ausbreiten konnten. Saxon war ganz verzweifelt, wie furchtbar Billy leiden musste. Sie brauchte eine ganze Stunde, um ihn zum Schlafen zu bringen, und nur, indem sie beständig über seine Stirn strich, konnte sie ihn am Aufwachen verhindern. Sie fror und war sehr elend, aber sie hätte sich mit Freuden darein gefunden, eine ganze Nacht lang wach zu liegen, wenn sie nur gewusst hätte, dass es ihn von der schlimmsten Qual befreite.