Jack London – Gesammelte Werke

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Und als der Kampf dann vor­bei und es her­aus­ge­kom­men war, wer Bil­ly war, da lach­te der Ei­sen­mann selbst herz­lich über den Streich, den sie ihm ge­spielt hat­ten. Es war eine glän­zen­de Leis­tung Bil­lys ge­we­sen. Wie er sei­nen Kör­per und sei­nen Geist in der Ge­walt hat­te, mach­te einen sehr vor­teil­haf­ten Ein­druck auf alle. Sa­xon war sehr stolz auf ih­ren Mann und be­merk­te auch, dass alle an­de­ren ihn be­wun­der­ten.

Sie selbst hat­te auch vie­le Er­fol­ge. Als die mü­den und schweiß­be­deck­ten Kämp­fer auf dem tro­ckenen Sand la­gen, um sich ab­zu­küh­len, ließ sie sich über­re­den, alle ihre Ge­sän­ge auf der Ukulélé zu be­glei­ten. Es dau­er­te auch nicht lan­ge, so wur­de sie von der all­ge­mei­nen Stim­mung an­ge­steckt, sang ih­nen vor und lehr­te sie klei­ne Lie­der aus al­ten Ta­gen, die Lie­der, die sie selbst als klei­nes Mäd­chen von Cady ge­lernt hat­te – dem Gast­wirt, Pio­ni­er und frü­he­ren Ka­val­le­ris­ten, der in den Ta­gen vor der Ei­sen­bahn Och­sen­füh­rer auf dem Wege nach dem Salz­see ge­we­sen war.

Mark Hall er­wähn­te zu­fäl­lig, dass Bil­ly be­haup­tet hat­te, mit ihm um die Wet­te auf dem Ber­grücken an der Süd­sei­te der Bucht zu lau­fen, aber er er­wähn­te die­se Pro­be als et­was, das in fer­ner Zu­kunft lag. Bil­ly über­rasch­te ihn, in­dem er sag­te, dass er je­den Au­gen­blick dazu be­reit sei. Da be­gann die gan­ze Ge­sell­schaft zu ru­fen, dass sie es so­fort se­hen woll­te. Hall woll­te selbst auf sich wet­ten, aber nie­mand woll­te die Wet­te hal­ten. Er bot Jim Ha­zard die Wet­te drei zu eins an, nur zum Spaß. – Bil­ly hör­te es und biss die Zäh­ne zu­sam­men. »Ich will fünf Dol­lar ge­gen Sie hal­ten«, sag­te er zu Hall. »Aber nicht zu den Odds. Gleich ge­gen gleich.«

»Ihr Geld will ich nicht ha­ben, son­dern das Ha­zards«, wand­te Hall ein. »Aber ich will drei zu eins ge­gen euch bei­de hal­ten.«

»Gleich oder gar nicht«, sag­te Bil­ly ei­gen­sin­nig.

Schließ­lich ging Hall bei­de Wet­ten ein – gleich ge­gen gleich mit Bil­ly und drei zu eins mit Ha­zard.

Der Weg auf dem Berg­grat war so schmal, dass die Lau­fen­den nicht an­ein­an­der vor­bei­kom­men konn­ten, und des­halb wur­de be­stimmt, sie auf Zeit lau­fen zu las­sen. Hall zu­erst und Bil­ly eine hal­be Mi­nu­te spä­ter.

Hall ging an den Start und schoss mit ei­ner Schnel­lig­keit wie ein Sport­läu­fer da­von. Sa­xon war ganz un­glück­lich. Sie wuss­te, dass Bil­ly die Sand­flä­che noch nie mit die­ser Schnel­lig­keit ge­nom­men hat­te. Drei­ßig Se­kun­den spä­ter sprang Bil­ly los und er­reich­te den Fuß des Fel­sen, als Hall halb oben war.

Als sie bei­de auf dem Grat wa­ren und von Ein­schnitt zu Ein­schnitt flo­gen, er­klär­te der Ei­sen­mann, dass sie die Wand ge­nau auf die Se­kun­de in der­sel­ben Zeit er­klom­men hät­ten.

»Ich habe im­mer noch kei­ne Angst um mein Geld«, mein­te Ha­zard. »Ich möch­te nur, dass kei­ner von ih­nen sich den Hals bricht. Ich wür­de das nicht ma­chen um al­les Gold, das in der Bucht lie­gen könn­te.«

»Aber du läufst doch oft grö­ße­re Ge­fahr, wenn du bei Sturm vor dem Stran­de von Car­mel schwimmst«, sag­te sei­ne Frau vor­wurfs­voll.

»Ach, das weiß ich nicht!« ant­wor­te­te er. »Beim Schwim­men kann man je­den­falls nicht so tief fal­len.«

Bil­ly und Hall wa­ren ver­schwun­den und lie­fen jetzt die Stre­cke um das an­de­re Ende der Fels­wand her­um. Die Ge­sell­schaft am Stran­de war si­cher, dass der Dich­ter durch sei­nen schwin­deln­den Lauf auf der Mes­ser­schnei­de einen Vor­sprung er­langt hat­te. Selbst Ha­zard räum­te das als sehr wahr­schein­lich ein.

Hall war jetzt wie­der nach dem großen Sprung auf­ge­taucht und lief auf die Küs­te zu. Aber zwi­schen ihm und Bil­ly war kein Ab­stand. Bil­ly folg­te ihm auf den Fer­sen, und so blieb es, über die Fel­sen­mau­er hin­weg bis zum Zei­chen am Stran­de. Bil­ly hat­te mit ei­ner hal­b­en Mi­nu­te ge­won­nen.

»Nur nach der Uhr«, stöhn­te er. »Bei der Bie­gung war mir Hall um mehr als eine Mi­nu­te vor­aus. Ich bin nicht lang­sa­mer, als ich glaub­te, aber er ist schnel­ler. Er ist ein tol­ler Läu­fer. Er hät­te mich min­des­tens zehn­mal schla­gen kön­nen, wenn er kein Pech ge­habt hät­te. Als er sprin­gen woll­te, wur­de er von ei­ner großen Wel­le auf­ge­hal­ten. Dort hol­te ich ihn ein. Ich sprang gleich hin­ter ihm her, und dann brauch­te ich nichts wei­ter zu tun, als ihm zu fol­gen.«

»Es ist al­les in Ord­nung«, sag­te Hall. »Sie ta­ten mehr, als dass Sie mich schlu­gen. Es ist das ers­te­mal, seit Men­schen in die Bier­ce­bucht ka­men, dass zwei Män­ner den Sprung auf die­sel­be Wel­le ge­macht ha­ben. Und Sie wa­ren es, der die Ge­fahr da­bei lief, denn Sie ka­men zu­letzt.«

»Es war nichts als Glück«, be­haup­te­te Bil­ly.

Und zum Schluss leg­te Sa­xon den ed­len Wett­streit bei und brach­te die gan­ze Ver­samm­lung zum La­chen, in­dem sie eine hei­te­re Me­lo­die auf der Ukulélé spiel­te und die Par­odie ei­nes al­ten Ne­ger­kir­chen­lie­des sang.

Am Nach­mit­tag tauch­ten Jim Ha­zard und Hall in die Wo­gen und schwam­men bis zu den Klip­pen weit drau­ßen, wo sie die pro­tes­tie­ren­den See­lö­wen in die Flucht jag­ten und von ih­rer schaum­ge­peitsch­ten, fes­ten Burg Be­sitz er­grif­fen. Bil­ly folg­te den Schwim­mern mit den Au­gen, und über sein Ge­sicht leg­te sich ein ver­schlei­er­ter Aus­druck von Sehn­sucht, so­dass jetzt Ha­zards Frau zu ihm sag­te:

»Wa­rum blei­ben Sie die­sen Win­ter nicht in Car­mel? Jim wird Sie al­les leh­ren, was er selbst von der Bran­dung weiß. Und er ist ganz ver­ses­sen dar­auf, mit Ih­nen zu bo­xen. Er sitzt so vie­le Stun­den an sei­nem Schreib­tisch, dass er wirk­lich Be­we­gung braucht.«

Die Son­ne ging un­ter, als die hei­te­re Ge­sell­schaft ihre Töp­fe, Pfan­nen und Mu­scheln nahm, sich auf den Weg mach­te und ver­schwand. Sa­xon und Bil­ly sa­hen sie auf den Pfer­den hin­ter den ers­ten Hü­geln ver­schwin­den, und dann gin­gen sie Hand in Hand durch das Ge­büsch nach dem La­ger. Bil­ly warf sich in den Sand und reck­te sich.

»Ich kann mich nicht er­in­nern, je so müde ge­we­sen zu sein«, gähn­te er. »Und eins ist si­cher – einen sol­chen Tag hab ich noch nie er­lebt. Er ist zwan­zig Jah­re mei­nes Le­bens wert und noch was dazu.«

Er streck­te die Hand nach Sa­xon aus.

»Und ich war so stolz auf dich, Bil­ly«, sag­te sie. »Ich habe dich noch nie bo­xen se­hen. Ich wuss­te nicht, dass es so war. Die gan­ze Zeit hat­test du den Ei­sen­mann in der Hand und sorg­test noch da­für, dass es we­der roh noch schlimm wur­de. Alle Men­schen konn­ten es se­hen und sich freu­en – und das ta­ten sie auch.«

»Huh! Ich will dir nur sa­gen, dass du es selbst groß­ar­tig mach­test. Sie sind schreck­lich be­geis­tert von dir. Bei Gott, Sa­xon, im Sin­gen hast du alle ge­schla­gen, du mit dei­ner Ukulélé. Und al­len Frau­en ge­fielst du gut – und dar­auf kommt es eben an.«

Es war ihr ers­ter ge­sell­schaft­li­cher Tri­umph, und der Sieg war sehr süß.

»Herr Hall er­zähl­te mir, dass er in der ›Ge­schich­te der Rei­hen‹ nach­ge­se­hen hät­te«, be­rich­te­te Sa­xon. »Und er sag­te, dass mei­ne Mut­ter eine wah­re Dich­te­rin ge­we­sen sei. Er sag­te, es sei er­staun­lich, wie groß­ar­tig das Ge­schlecht war, das über die Prä­rie wan­der­te. Er er­zähl­te mir eine Men­ge von der Zeit und von Leu­ten, die ich nicht ken­ne. Und er hat al­les ge­le­sen, was über den Kampf am Litt­le Mea­dow ge­schrie­ben steht. Er sagt, dass er al­les in ei­nem Buch zu Hau­se hat, und, wenn wir wie­der nach Car­mel kom­men, will er es mir zei­gen.«

»Ja, das ist schon rich­tig – er will gern, dass wir wie­der nach Car­mel kom­men. Weißt du, was er mir sag­te? Er gab mir einen Brief für ir­gend­je­mand – einen Dich­ter, der ein Stück von dem Staats­bo­den hat –, so­dass wir bei ihm woh­nen kön­nen, ja, und das wäre sehr an­ge­nehm, wenn wir ge­ra­de in der großen Re­gen­zeit hin­kämen. Und – nun ja – was ich sa­gen woll­te: Er sag­te, er hät­te einen klei­nen Schup­pen, in dem er wohn­te, wäh­rend das Haus ge­baut wur­de. Au­gen­blick­lich wohnt der Ei­sen­mann dar­in, aber er geht in ein ka­tho­li­sches Se­mi­nar, um Pries­ter zu wer­den, und Hall sag­te, es könn­te uns ge­hö­ren, so lan­ge wir dar­in woh­nen woll­ten. Und er sag­te auch, ich könn­te das­sel­be tun wie der Ei­sen­mann, um un­ser täg­li­ches Brot zu ver­die­nen. Hall ge­nier­te sich et­was, als er mir Ar­beit an­bot. Er sag­te, es sei nur Ge­le­gen­heits­ar­beit, aber wir könn­ten da­mit durch­kom­men. Ich könn­te ihm hel­fen, Kar­tof­feln zu le­gen, sag­te er; und er wur­de ganz wü­tend, als er sag­te, dass ich kein Holz ha­cken dürf­te. Das sei sei­ne Ar­beit, sag­te er, und man konn­te se­hen, dass er Angst hat­te, je­mand könn­te sie ihm neh­men.«

»Und mir sag­te Frau Hall un­ge­fähr das­sel­be, Bil­ly. In Car­mel lie­ße sich sehr hübsch woh­nen, so lan­ge die Re­gen­zeit dau­er­te. Und du könn­test auch mit Herrn Ha­zard schwim­men.«

»Es scheint bei­na­he, dass wir uns nie­der­las­sen könn­ten, wo wir Lust ha­ben«, stimm­te Bil­ly ihr zu. »Car­mel ist jetzt der drit­te Ort, der uns an­ge­bo­ten wird. Nun, da brau­chen wir kei­ne Angst zu ha­ben, dass wir uns auf dem Lan­de nicht durch­schla­gen soll­ten.«

»Nein, nicht wenn man ein gu­ter Mann ist«, be­rich­tig­te Sa­xon.

»Das stimmt.« Bil­ly be­dach­te sich einen Au­gen­blick. »Aber auch ein Dumm­kopf schlägt sich auf dem Lan­de eher durch als in der Stadt.«

»Wer hät­te je ge­glaubt, dass es so präch­ti­ge Men­schen gäbe?« sag­te Sa­xon nach­denk­lich. »Es ist herr­lich, wenn man dar­über nach­denkt.«

»Es ist nichts an­de­res, als was man von ei­nem rei­chen Dich­ter er­war­ten kann, der ei­nem Läu­fer bei ei­nem iri­schen Frei­luft­fest ein Bein stellt«, er­klär­te Bil­ly. »Die Leu­te, mit de­nen so ein Bur­sche um­geht, müs­sen ge­nau so sein wie er, oder sie wer­den es un­ter sei­nem Ein­fluss. Es soll­te mich gar nicht wun­dern, wenn er die gan­ze Ban­de zu­sam­men­ge­bracht hät­te. Und sei­ne Schwes­ter, die ist wirk­lich groß­ar­tig, das kannst du ru­hig sa­gen, wenn je­mand auf ei­nem See­lö­wen an­ge­rit­ten kom­men und dich fra­gen soll­te. Sie konn­te auf rich­ti­ge In­dia­ner­art rin­gen, ja, weiß Gott, und sie ist auch so ge­wach­sen, dass sie es kann. Und sag mal, ist sei­ne Frau nicht ein Staats­mä­del?«

 

Ein Weil­chen la­gen sie noch in dem war­men Sand. Bil­ly brach das Schwei­gen, und es klang, als wäre das, was er sag­te, das Er­geb­nis lan­ger Über­le­gung.

»Weißt du, Sa­xon, mir ist es wirk­lich gleich­gül­tig, ob ich je wie­der in ein Kino gehe oder nicht.«

*

Sa­xon und Bil­ly wa­ren meh­re­re Wo­chen auf ih­rer Wan­de­rung nach dem Sü­den un­ter­wegs, und dann ka­men sie nach Car­mel zu­rück. Sie hat­ten bei dem Dich­ter Haf­ler im Mar­mor­haus ge­wohnt, das er mit ei­ge­nen Hän­den ge­baut hat­te. Das gan­ze merk­wür­di­ge Ge­bäu­de be­stand aus ei­nem ein­zi­gen Zim­mer, das fast aus­schließ­lich aus weißem Mar­mor ge­baut war. Haf­ler koch­te sich sein Es­sen, wie am La­ger­feu­er, auf dem mäch­ti­gen Mar­mor­ka­min, der ihm über­haupt als Kü­che diente. Es gab eine Rei­he von Bü­cher­re­ga­len, und das mas­si­ve Mo­bi­li­ar hat­te er aus Ro­tolz ver­fer­tigt, eben­so die De­cken­bal­ken. Durch eine in ei­ner Ecke auf­ge­spann­te De­cke wur­de Sa­xon ein klei­ner Raum ab­ge­teilt. Der Dich­ter war im Be­griff, nach San Fran­zis­ko und New York zu rei­sen, aber er blieb noch einen Tag län­ger zu Hau­se, um ih­nen das Land ein we­nig zu zei­gen und mit Bil­ly einen Aus­flug rings um die Staats­län­de­rei­en zu ma­chen. Sa­xon wäre gern mit­ge­gan­gen, aber Haf­ler hat­te sie et­was über­le­gen bei­sei­te ge­winkt und ge­sagt, dass ihre Bei­ne zu kurz sei­en. Als die Män­ner abends zu­rück­ka­men, war Bil­ly voll­kom­men er­schöpft, er er­klär­te ehr­lich, dass Haf­ler ihn bei­na­he tot­ge­lau­fen hät­te, und dass ihm nach der ers­ten Mei­le schon die Zun­ge zum Hals her­aus­ge­han­gen hät­te. Haf­ler ver­an­schlag­te ih­ren Aus­flug auf un­ge­fähr fünf­und­fünf­zig Mei­len.

»Aber was für Mei­len!« hat­te Bil­ly ge­ru­fen. »Den hal­b­en Weg ging es auf und ab, und fast die gan­ze Zeit war es un­ge­bahn­ter Weg. Und was für ein Tem­po! Er hat­te wahr­haf­tig recht, als er von dei­nen kur­z­en Bei­nen sprach, Sa­xon. Du hät­test es nicht fer­tig­brin­gen kön­nen – nicht ein­mal die ers­te Mei­le. Und welch Land! So et­was ha­ben wir noch nie ge­se­hen.«

Haf­ler ver­ließ sie am nächs­ten Tage, um den Zug in Mon­te­rey zu er­rei­chen. Er er­laub­te ih­nen im Mar­mor­haus zu woh­nen und sag­te, sie könn­ten den gan­zen Win­ter blei­ben, wenn sie woll­ten. Bil­ly ruh­te sich an die­sem Tage aus. Alle Glie­der wa­ren steif und schmerz­ten ihn. Au­ßer­dem war er voll­kom­men ge­lähmt von der Leis­tung des Dich­ters.

»Alle Men­schen kön­nen ir­gend et­was – in ganz großem Stil – hier im Lan­de«, sag­te er be­wun­dernd. »Sieh dir Haf­ler an! Er ist grö­ßer als ich und schwe­rer – und das Ge­wicht ist et­was Schlim­mes für einen Fuß­gän­ger. Aber für ihn hat das kei­ne Gel­tung. Er ist ein­mal sieb­zig Mei­len in vier­und­zwan­zig Stun­den ge­gan­gen, er­zähl­te er mir, und ein­mal hun­dert­und­sieb­zig Mei­len in drei Ta­gen. Er mach­te mich di­rekt lä­cher­lich, und ich war ver­le­gen wie ein klei­nes Kind.«

»Ver­giss nicht, Bil­ly«, sag­te Sa­xon be­ru­hi­gend, »dass je­der sei­ne Spe­zia­li­tät hat. Und hier bist du der große Stil – auf dei­nem Ge­biet. Nicht ei­ner von ih­nen kann mit ei­nem Paar Box­hand­schu­hen um­ge­hen wie du.«

»Das stimmt viel­leicht«, gab er zu. »Aber des­halb ist es doch nicht schön, in Grund und Bo­den ge­lau­fen zu wer­den – von ei­nem Dich­ter, denk dir – von ei­nem Dich­ter!«

Vie­le Tage ver­brach­ten sie da­mit, den Bo­den zu un­ter­su­chen, und zu­letzt be­schlos­sen sie wi­der­stre­bend, den Plan, ihn zu pach­ten, auf­zu­ge­ben. Die Rie­sen­tan­nen-Ca­ny­ons und die großen Fel­sen bei den San­ta-Lu­cia-Ber­gen be­zau­ber­ten Sa­xon; aber sie dach­te dar­an, was Haf­ler ihr von den Som­mer­ne­beln er­zählt hat­te, die zu­wei­len die Son­ne eine oder zwei Wo­chen hin­ter­ein­an­der ver­steck­ten und mo­na­te­lang an­dau­ern konn­ten. Dazu war auch kein Markt in der Nähe. Es wa­ren vie­le Mei­len bis zu dem Ort, wo der nächs­te Fahr­weg be­gann, und von dort an Sur vor­bei bis nach Car­mel war der Weg schmal und be­schwer­lich. Bil­ly, der sich gut auf Fahr­we­ge ver­stand, gab zu, dass er al­les eher als gut war, wenn es auf schwe­re Fuh­ren an­kam. Auf Haf­lers Bo­den be­fand sich der Mar­mor­bruch. Er hat­te ge­sagt, er wür­de ein Ver­mö­gen wert sein, wenn er in der Nähe ei­ner Ei­sen­bahn läge, aber wie die Ver­hält­nis­se wä­ren, könn­ten sie ihn um­sonst be­kom­men, wenn sie sich et­was dar­aus mach­ten.

Bil­ly sah im Geist die mit Gras be­wach­se­nen Hän­ge als Wei­den für sei­ne Pfer­de und sein Vieh, und es er­schi­en ihm schwer, sei­nen Plan auf­zu­ge­ben, aber er hör­te Sa­x­ons Ar­gu­men­te für einen rich­ti­gen Bau­ern­hof, wie der, den sie im Kino in Oa­k­land ge­se­hen hat­ten. Ja, gab er zu, was sie ha­ben müss­ten, sei ein rich­ti­ger, ge­wöhn­li­cher Bau­ern­hof und einen sol­chen rich­ti­gen, ge­wöhn­li­chen Bau­ern­hof soll­ten sie auch schon krie­gen, und wenn sie vier­zig Jah­re her­um­lau­fen müss­ten, um ihn zu fin­den.

»Aber es müs­sen Rie­sen­tan­nen dar­auf ste­hen«, be­dang Sa­xon sich schnell aus. »In die Bäu­me bin ich ganz ver­liebt. Aber wir kön­nen ohne Ne­bel fer­tig wer­den. Und es müs­sen gute Fahr­we­ge und nicht all­zu fern muss eine Ei­sen­bahn sein.«

Zwei Wo­chen lang wa­ren sie durch schwe­re Re­gen­schau­er an das Mar­mor­haus ge­fes­selt. Sa­xon mach­te Streif­zü­ge durch Haf­lers Bü­cher, wenn auch die meis­ten hoff­nungs­los über ih­rem Ho­ri­zont la­gen, und Bil­ly ging mit Haf­lers Büch­sen auf die Jagd. Aber er war ein schlech­ter Schüt­ze und ein noch schlech­te­rer Jä­ger. Das ein­zi­ge, wo­mit er Glück hat­te, wa­ren die Ka­nin­chen, die zu tö­ten ihm hin und wie­der glück­te, wenn sie still sa­ßen. Mit der Büch­se konn­te er nichts be­kom­men, ob­wohl er auf ein Dut­zend ver­schie­de­ne Tie­re schoss und ein­mal auch auf ein mäch­ti­ges Ge­schöpf aus dem Kat­zen­ge­schlecht mit ei­nem lan­gen Schwanz, das sei­ner An­sicht nach ein Ber­glö­we war. Ob­wohl er aber be­stän­dig über sich murr­te, konn­te Sa­xon doch gut se­hen, wel­che Freu­de ihm die­ses gan­ze Le­ben mach­te. Die­ses spä­te Er­wa­chen des Jä­gerin­stinkts mach­te ihn bei­na­he zu ei­nem an­de­ren Men­schen. Er war früh und spät drau­ßen, un­ter­nahm mäch­ti­ge Klet­ter­tou­ren und Spa­zier­gän­ge, und ein­mal kam er ganz bis zu den Gold­mi­nen, von de­nen Tom ge­spro­chen hat­te, und blieb zwei Tage lang fort.

»Rede mir nicht da­von, sich in der Stadt ab­zu­ra­ckern, ins Kino und Sonn­tags in den Park zu ge­hen – wenn man sich rich­tig amü­sie­ren will«, konn­te er manch­mal aus­ru­fen. »Ich be­grei­fe nicht, dass ich mir je das Hun­de­le­ben habe ge­fal­len las­sen. So ein Ort wie hier – hier hät­te ich mein gan­zes Le­ben ver­brin­gen sol­len.«

Die neue Le­bens­wei­se er­füll­te ihn ganz und rief ihm be­stän­dig die al­ten Jagd­ge­schich­ten sei­nes Va­ters ins Ge­dächt­nis zu­rück, die er Sa­xon er­zähl­te.

»Weißt du, jetzt wer­den mir die Glie­der nicht mehr steif, wenn ich einen gan­zen Tag lang tra­be«, sag­te er tri­um­phie­rend. »Jetzt bin ich es ge­wohnt. Und ei­nes Ta­ges, wenn ich die­sen Haf­ler tref­fe, wer­de ich ihn zu ei­nem Spa­zier­gang her­aus­for­dern, dass ihm die Luft aus­geht.«

»Du dum­mer Jun­ge, im­mer willst du al­len an­de­ren die Luft weg­neh­men – auf ih­rem ei­ge­nen Ge­biet«, sag­te Sa­xon mit hei­te­rem La­chen.

»Ja; und das ist sehr rich­tig«, brumm­te er. »Haf­ler wird im­mer ein bes­se­rer Fuß­gän­ger blei­ben als ich. So ist er nun ein­mal. Wenn ich ihn aber je wie­der­se­he, wer­de ich ihn doch zu ei­nem klei­nen Box­kampf her­aus­for­dern – wenn ich auch nicht so ge­mein sein wer­de, ihn so schlimm zu miss­han­deln, wie er mich miss­han­delt hat.«

Auf dem Rück­we­ge nach Car­mel zeig­te der Zu­stand der Wege ih­nen hin­rei­chend, dass sie klug ge­tan hat­ten, den Plan mit dem Staats­bo­den auf­zu­ge­ben. Sie ka­men an ei­nem Bau­ern­wa­gen vor­bei, der um­ge­stürzt war, an ei­nem an­de­ren Wa­gen, des­sen Ach­se ge­bro­chen war, und an der Post, die hun­dert Me­ter wei­ter ab­wärts mit Pas­sa­gie­ren, Pfer­den und al­lem auf dem Han­ge lag.

»Ich glau­be schon, dass sie im Win­ter den Weg nicht ver­su­chen«, sag­te Bil­ly. »Das ist der rei­ne Men­schen- und Tier­mör­der, und ich möch­te wis­sen, wie sie den Mar­mor hier trans­por­tie­ren wol­len.«

*

Das Blei­ben in Car­mel wur­de ih­nen leicht ge­macht. Der Ei­sen­mann war schon nach dem ka­tho­li­schen Se­mi­nar ge­reist und der »Schup­pen« er­wies sich bei nä­he­rer Be­sich­ti­gung als ein sehr be­quem für eine klei­ne­re Fa­mi­lie ein­ge­rich­te­tes Haus mit drei Stu­ben. Hall ließ Bil­ly auf dem Kar­tof­fel­feld ar­bei­ten – ein Feld von sech­zig Mor­gen, das der Dich­ter zur großen Freu­de der gan­zen Ge­sell­schaft ge­le­gent­lich be­bau­te. Er leg­te Kar­tof­feln, wann es ihm ein­fiel; un­ter den an­de­ren war all­ge­mein die Mei­nung ver­brei­tet, dass das, was nicht ver­faul­te, zu glei­chen Tei­len zwi­schen Wühl­mäu­sen und ver­irr­ten Kü­hen ge­teilt wur­de. Sie lie­hen vom Nach­bar einen Pflug und mie­te­ten ein paar Pfer­de, und dann mach­te Bil­ly sich an die Ar­beit. Er zäun­te das Feld auch ein, und nach­her muss­te er das Schin­del­dach der Vil­la an­strei­chen. Hall kam auf den First ge­klet­tert, um Bil­ly dar­an zu er­in­nern, dass er sich nicht an sei­nem Brenn­holz­sta­pel ver­grei­fen dürf­te. Ei­nes Mor­gens kam er und sah Bil­ly zu, der Brenn­holz für Sa­xon hack­te. Der Dich­ter be­ob­ach­te­te ihn mit gie­ri­gen Bli­cken, zu­letzt aber konn­te er sich nicht län­ger hal­ten.

»Sie ha­ben of­fen­bar kei­ne Ah­nung, wie man eine Axt ge­braucht«, spot­te­te er. »Kom­men Sie, ich will es Ih­nen zei­gen.«

Er ar­bei­te­te ge­trost eine gan­ze Stun­de und lie­fer­te wäh­rend der Ar­beit eine lan­ge Er­klä­rung über die Kunst des Holz­ha­ckens.

»Sa­gen Sie«, wand­te Bil­ly ein, »darf ich jetzt einen Arm­voll von Ihrem Brenn­holz ha­cken – da­mit ich nichts schul­dig zu blei­ben brau­che?«

Hall übergab ihm wi­der­stre­bend die Axt.

»Ich rate Ih­nen nur, sich von mei­nem Brenn­holz­sta­pel weg­zu­hal­ten, das ist al­les, was ich Ih­nen sage«, droh­te er. »Mein Brenn­holz­sta­pel ist mein Schloss, das sage ich Ih­nen.«

In ma­te­ri­el­ler Be­zie­hung war al­les au­ßer­or­dent­lich be­frie­di­gend, Sa­xon und Bil­ly spar­ten viel Geld. Sie be­zahl­ten kei­ne Mie­te, ihre ein­fa­che Le­bens­art kos­te­te nicht viel, und Bil­ly hat­te so viel Ar­beit, wie er woll­te. Die ver­schie­de­nen Mit­glie­der der Ko­lo­nie schie­nen sich di­rekt ver­schwo­ren zu ha­ben, ihn in Be­we­gung zu hal­ten. Es war al­les Ge­le­gen­heits­ar­beit, aber ihm ge­fiel es, denn es setz­te ihn in­stand, sei­ne Zeit nach der Jim Ha­zards ein­zu­rich­ten. Je­den Tag box­ten sie und schwam­men lan­ge durch die Bran­dung. Wenn Ha­zard mit sei­ner Mor­ge­n­ar­beit fer­tig war, stieß er ein Ge­heul aus, das in den Kie­fern wi­der­hall­te, und Bil­ly warf die Ar­beit weg, die er ge­ra­de in den Hän­den hat­te. Nach dem Schwim­men nah­men sie zu Hau­se bei Ha­zard ein Sturz­bad, rie­ben sich tüch­tig ab und wa­ren zum Mit­ta­ges­sen be­reit. Am Nach­mit­tag kehr­te Ha­zard an sei­nen Schreib­tisch und Bil­ly an sei­ne Ar­beit im Frei­en zu­rück, aber oft tra­fen sie sich spä­ter noch ein­mal zu ei­nem ra­schen klei­nen Lauf über die Hü­gel. Für bei­de war Trai­ning eine rei­ne Ge­wohn­heit. Als Ha­zard sein Fuß­ball­spiel auf­gab, was er vor sie­ben Jah­ren ge­tan, hat­te ihn das Be­wusst­sein des trau­ri­gen To­des – der des Ath­le­ten mit den schwe­ren Mus­keln war­tet, wenn er plötz­lich auf­hört zu trai­nie­ren – ge­zwun­gen, in Übung zu blei­ben. Das war nicht nur eine Not­wen­dig­keit, er hat­te Ge­fal­len dar­an ge­fun­den. Bil­ly ge­fiel es auch, denn er war stolz auf sei­nen ge­sun­den, star­ken Kör­per.

Oft wan­der­te er in frü­her Mor­gen­stun­de mit der Büch­se in der Hand hin­aus, in Ge­sell­schaft Mark Halls, der ihn Schie­ßen und Ja­gen lehr­te. Hall war seit den Ta­gen, da er noch in kur­z­en Ho­sen ging, mit der Büch­se um­ge­gan­gen, und sei­ne schar­fe Beo­b­ach­tungs­ga­be und Kennt­nis von den Ge­wohn­hei­ten der wil­den Tie­re war Bil­ly eine Of­fen­ba­rung. Die­ser Teil des Lan­des war zu be­wohnt, als dass sie Groß­wild hier ge­fun­den hät­ten, aber Bil­ly ver­sorg­te Sa­xon be­stän­dig mit Eich­hörn­chen und Wach­teln, Sch­nep­fen und Wil­den­ten. Und sie lern­ten auch, Wil­den­ten und Ka­ne­va­sen­ten, auf die alte ka­li­for­ni­sche Art in 16 Mi­nu­ten in ei­nem sehr war­men Ofen ge­bra­ten, zu es­sen. Als er all­mäh­lich Übung im Ge­brauch von Büch­se und Flin­te be­kam, be­gan­nen ihn die Hir­sche und der Ber­glö­we, der ihm hin­ter Sur ent­gan­gen war, zu är­gern; und zu den Be­din­gun­gen, die er an den Hof knüpf­te, den er und Sa­xon such­ten, füg­te er jetzt die, dass es dort eine Men­ge Wild ge­ben müss­te.

 

Aber es war nicht al­les Spiel in Car­mel. Der Teil der Ko­lo­nie, mit dem Sa­xon und Bil­ly in Berüh­rung ka­men, ar­bei­te­te recht schwer. Ei­ni­ge ar­bei­te­ten re­gel­mä­ßig mor­gens oder spät abends. An­de­re ar­bei­te­ten stoß­wei­se, wie der ver­rück­te iri­sche Dra­ma­ti­ker, der sich eine gan­ze Wo­che hin­ter­ein­an­der ein­schlie­ßen konn­te, um dann blass und mit­ge­nom­men wie­der auf­zut­au­chen und sich eben­so wü­tend zu amü­sie­ren, bis er sich wie­der in sei­ne Ein­sam­keit zu­rück­zog. Der blas­se, ju­gend­li­che Fa­mi­li­en­va­ter, der ein Ge­sicht wie Shel­ley hat­te, Lust­spie­le schrieb, weil er le­ben muss­te, und Vers­dra­men und Son­net­ten­zy­klen zur Verzweif­lung von Thea­terdi­rek­to­ren und Ver­le­gern ver­fass­te, ver­steck­te sich in ei­ner Be­ton­zel­le mit Wän­den, die drei Fuß dick wa­ren, und ei­nem Was­ser­rohr­sys­tem, das so ein­ge­rich­tet war, dass er durch Dre­hen ei­nes He­bels je­dem Ein­dring­ling ein Sturz­bad be­sche­ren konn­te. Aber im großen gan­zen re­spek­tier­te ei­ner die Ar­beits­zeit des an­de­ren. Sie be­such­ten ein­an­der, wann es sie dazu zog, fan­den sie aber einen Mann in sei­ne Ar­beit ver­tieft, so gin­gen sie wie­der. Das galt von al­len mit Aus­nah­me Mark Halls, der nicht zu ar­bei­ten brauch­te, um zu le­ben, und der in die Bäu­me klet­ter­te, um sei­nem großen Freun­des­kreis zu ent­ge­hen und in Frie­den ar­bei­ten zu dür­fen.

Die gan­ze klei­ne Ge­sell­schaft war voll­kom­men ein­zig­ar­tig in Be­zug auf den de­mo­kra­ti­schen so­li­da­ri­schen Geist, der un­ter den ein­zel­nen Mit­glie­dern herrsch­te, und sie pflo­gen sehr we­nig Ver­kehr mit dem ge­setz­te­ren und kor­rek­teren Teil von den Be­woh­nern Car­mels. Die­se Cli­que bil­de­te eine Künst­ler- und Schrift­stel­le­r­a­ri­sto­kra­tie, und die an­de­ren lach­ten über sie und nann­ten sie Sn­obs. Da­für wie­der sa­hen die Sn­obs Mark Hall und sei­ne Freun­de we­gen ih­rer lär­men­den Bohè­me­ma­nie­ren scheel an. Ihre Boy­kot­tie­rung er­streck­te sich auch auf Bil­ly und Sa­xon. Bil­ly mach­te ge­mein­sa­me Sa­che mit dem Clan, such­te kei­ne Ar­beit im an­de­ren La­ger, und sie wur­de ihm auch nicht an­ge­bo­ten.

Hall hielt of­fe­nes Haus. Die große Wohn­stu­be mit dem mäch­ti­gen Ka­min, die Di­wa­ne, Re­ga­le und die vie­len Ti­sche mit Bü­chern und Zeit­schrif­ten wa­ren der Mit­tel­punkt für das gan­ze Le­ben in der Ko­lo­nie. Sa­xon und Bil­ly wa­ren eben­so will­kom­men wie alle an­de­ren, und sie merk­ten, dass sie sich in Wirk­lich­keit hier eben­so zu Hau­se fühl­ten wie die üb­ri­ge Ge­sell­schaft. Wenn nicht hef­ti­ge Dis­kus­sio­nen über alle mög­li­chen The­men un­ter der Son­ne ge­führt wur­den, spiel­ten sie al­ler­hand Spie­le, an de­nen Bil­ly sich be­tei­lig­te. Sa­xon, die un­ter den jun­gen Frau­en sehr be­liebt war, näh­te mit ih­nen, un­ter­wies sie in der An­fer­ti­gung hüb­scher Din­ge und lern­te da­für man­ches an­de­re von ih­nen.

Sie wa­ren noch kei­ne Wo­che in Car­mel, als Bil­ly ei­nes Ta­ges fast ver­schämt zu Sa­xon sag­te:

»Du weißt gar nicht, wie ich all dei­ne hüb­schen Din­ge ent­beh­re. Wa­rum kannst du nicht an Tom schrei­ben und sie dir schi­cken las­sen? Wenn wir wei­ter wan­dern, kön­nen wir sie ja im­mer zu­rück­schi­cken.«

Sa­xon schrieb den Brief, und den gan­zen Tag klang ein Ju­bel­lied in ih­rem Her­zen. Ihr Mann war im­mer noch ihr An­be­ter, und in sei­nen Au­gen war wie­der das alte Spiel des Lichts, das in der un­heim­li­chen Zeit des Streikes ver­löscht war.

»Sie ha­ben sehr hüb­sche Wä­sche hier, aber du schlägst sie alle – so­weit ich mich dar­auf ver­ste­he«, sag­te er zu ihr. Und bei ei­ner an­de­ren Ge­le­gen­heit rief er: »Ach, ich lie­be dich bis in den Tod, wie es auch ge­hen mag. Wenn aber die Sa­chen nicht bald ge­schickt wer­den, dann gibt es einen to­ten Mann in der Ge­gend!«

Hall und sei­ne Frau hat­ten je­der ein Reit­pferd, das bei ei­nem Fuhr­mann in Pfle­ge ge­ge­ben war, der Wa­gen ver­mie­te­te, und die­ser Stall übte na­tür­lich eine große An­zie­hungs­kraft auf Bil­ly aus. Dem Fuhr­mann ge­hör­te auch die Di­li­gence, die die Post von Car­mel nach Mon­te­rey be­för­der­te, und fer­ner ver­mie­te­te er Wa­gen und große Fuhr­wer­ke für Ge­birg­stou­ren mit Platz für neun Per­so­nen. Zu je­dem Wa­gen stell­te er einen Kut­scher, und da man ge­wöhn­lich vier Kut­scher brauch­te, wur­de oft nach Bil­ly ge­schickt, der auf die­se Wei­se Er­satz­mann im Stall wur­de. Bei sol­chen Ge­le­gen­hei­ten er­hielt er drei Dol­lar den Tag, und er fuhr vie­le Ge­sell­schaf­ten den sieb­zehn Mei­len lan­gen Weg durch das Car­mel­tal und die Küs­te ent­lang nach den ver­schie­de­nen Aus­sichts­punk­ten und Strand­plät­zen.

»Aber es ist fast al­les ein groß­schnau­zi­ges Pack«, sag­te er zu Sa­xon über die Leu­te, die er fuhr. »Es heißt im­mer Herr Ro­berts hier und Herr Ro­berts da – und ich wer­de nicht ver­ges­sen, dass sie sich für bes­ser hal­ten als mich. Ich bin zwar nicht ihr Die­ner, aber ich bin ih­nen doch nicht gut ge­nug. Ich bin ihr Kut­scher – ein Mit­tel­ding zwi­schen Ta­ge­löh­ner und Chauf­feur! Wenn sie es­sen, ge­ben sie mir mein Früh­stück für mich – oder hin­ter­her. Kei­ne Fa­mi­lia­ri­tät wie bei Hall und sei­ner Ge­sell­schaft. Und die Leu­te heu­te – die ga­ben mir über­haupt kein Früh­stück. In Zu­kunft musst du mir im­mer mein ei­ge­nes Früh­stück mit­ge­ben. Ich will ih­nen nichts schul­den, den ver­damm­ten Idio­ten. Und du wä­rest vor La­chen ge­stor­ben, wenn du ge­se­hen hät­test, wie ei­ner von ih­nen mir ein Trink­geld ge­ben woll­te. Ich sag­te nichts. Ich blick­te ihn nur an, als hät­te ich ihn noch nie ge­se­hen, und dann wand­te ich mich wie zu­fäl­lig ab, und er war ver­le­gen wie der Teu­fel.«

Aber das Fah­ren mach­te Bil­ly doch Spaß, na­ment­lich wenn er nicht vier schwe­re Ar­beits­pfer­de, son­dern vier ras­si­ge, feu­ri­ge Tie­re zü­gel­te und, den Fuß auf der kräf­tig wir­ken­den Brem­se, um Kur­ven bog oder an stei­len Fels­hän­gen vor­bei­fuhr, wäh­rend die weib­li­chen Pas­sa­gie­re laut vor Schreck schri­en. Und wenn man einen Mann brauch­te, der sich auf Pfer­de ver­stand und kran­ke oder zu Scha­den ge­kom­me­ne Pfer­de zu be­han­deln wuss­te, dann mach­te selbst der Be­sit­zer des Stal­les Bil­ly Platz.

»Ich könn­te je­den Tag eine fes­te An­stel­lung be­kom­men«, prahl­te er vor Sa­xon. »Ich sage dir, das gan­ze Land wim­melt von Chan­cen, wenn man nur ei­ni­ger­ma­ßen tüch­tig ist. Ich möch­te wet­ten, wenn ich in die­sem Au­gen­blick dem Al­ten sag­te, dass ich eine fes­te Stel­lung für sech­zig Dol­lar bei ihm an­neh­men woll­te, so wür­de er mit bei­den Hän­den zu­grei­fen. Er hat es mir di­rekt vor­ge­schla­gen. – Und sag mal, bist du dir ei­gent­lich klar dar­über, dass Un­ter­zeich­ne­ter jetzt ein neu­es Hand­werk ge­lernt hat? Nun, er weiß es je­den­falls. Er kann eine Di­li­gence fah­ren oben bei den Seen – und mit sechs Pfer­den. Wenn wir je dort hin­kom­men, wer­de ich mich mit ei­nem Kut­scher be­freun­den – nur um ein­mal ver­su­chen zu dür­fen, mit sechs Pfer­den zu fah­ren. Und du sollst ne­ben mir auf dem Bock sit­zen. Das soll flut­schen! Ach, das soll flut­schen!«