Jack London – Gesammelte Werke

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VIII

An dem Abend, als Maud Sangs­ter den Re­dak­teur so ent­schie­den hat­te aus­spre­chen hö­ren, dass es nicht einen an­stän­di­gen Be­rufs­bo­xer gäbe, saß sie einen Au­gen­blick still wei­nend auf ih­rem Bett­rand, dann wur­de sie zor­nig und leg­te sich nie­der, wü­tend auf sich selbst, auf alle Bo­xer und die gan­ze Welt.

Am nächs­ten Nach­mit­tag be­gann sie ein In­ter­view aus­zu­ar­bei­ten, das sie mit Hen­ry Ad­di­son ge­habt hat­te, das sie aber nie fer­tig­schrei­ben soll­te.

Sie saß in dem Zim­mer, das ihr in der Re­dak­ti­on des »Ku­ri­er-Jour­nal« an­ge­wie­sen wor­den war, als es ge­sch­ah. Sie hat­te ge­ra­de eine Pau­se im Schrei­ben ge­macht, um eine Über­schrift in der Nach­mit­tags­aus­ga­be zu be­trach­ten, die be­sag­te, dass Glen­don jetzt mit Tom Can­nam kämp­fen soll­te, als ei­ner von den Lauf­jun­gen ihr eine Kar­te brach­te. Es war die Glen­d­ons.

»Sag ihm, dass ich nicht zu spre­chen bin«, sag­te sie zu dem Jun­gen.

Eine Mi­nu­te spä­ter war er wie­der da.

»Er sagt, er wür­de auf je­den Fall her­ein­kom­men, aber lie­ber mit Ih­rer Er­laub­nis.«

»Hast du ihm nicht ge­sagt, dass ich kei­ne Zeit habe?« frag­te sie.

»Ja, Fräu­lein, aber er sag­te, er käme doch her­ein.« Sie ant­wor­te­te nicht, und der Jun­ge, des­sen Au­gen vor Be­wun­de­rung für den auf­dring­li­chen Gast fun­kel­ten, re­de­te wei­ter:

»Ich ken­ne ihn. Er ist ein mäch­ti­ger Kerl. Wenn er rich­tig los­legt, jagt er die gan­ze Re­dak­ti­on zum Teu­fel. Es ist der jun­ge Glen­don, der ges­tern Abend den großen Box­kampf ge­wann.«

»Also gut. Lass ihn kom­men. Wir wol­len ja nicht, dass er die gan­ze Re­dak­ti­on zum Teu­fel jagt, nicht wahr?«

Sie be­grüß­ten sich nicht, als Glen­don ein­trat. Sie war kalt und un­freund­lich wie ein Re­gen­tag und bot ihm we­der einen Stuhl an, noch schi­en sie ihn über­haupt zu er­ken­nen. Halb von ihm ab­ge­wandt, saß sie an ih­rem Schreib­tisch und war­te­te, dass er sa­gen soll­te, was er wünsch­te.

Er ließ sich nicht mer­ken, wie die­se hoch­mü­ti­ge Be­hand­lung ihn be­rühr­te, son­dern ging gleich auf die Sa­che los.

»Ich möch­te mit Ih­nen re­den«, sag­te er kurz. »Über den Kampf. Er en­de­te nicht in der Run­de, die ich Ih­nen ge­sagt hat­te.«

Sie zuck­te die Ach­seln.

»Das wuss­te ich.«

»Das ta­ten Sie nicht«, er­wi­der­te er. »Das ta­ten Sie nicht. Und ich auch nicht.«

Sie dreh­te sich um und sah ihn of­fen­sicht­lich ge­lang­weilt an.

»Wozu das?« frag­te sie. »Bo­xen ist Bo­xen, und wir wis­sen alle Be­scheid da­mit. Der Kampf en­de­te ja in der Run­de, die ich Ih­nen vor­aus­ge­sagt hat­te.«

»Das ist rich­tig«, stimm­te er zu. »Aber das konn­ten Sie nicht wis­sen. In der gan­zen Welt gab es nur zwei Men­schen – die wuss­ten, dass Po­wers nicht in der sech­zehn­ten Run­de er­le­digt wer­den wür­de.«

Sie schwieg.

»Ich sage, Sie wuss­ten, dass er nicht in der sech­zehn­ten Run­de er­le­digt wer­den wür­de.«

Er sprach ge­bie­te­risch, und als sie im­mer noch schwieg, trat er nä­her an sie her­an.

»Ant­wor­ten Sie mir«, be­fahl er.

Sie nick­te.

»Aber er wur­de es doch«, be­harr­te sie.

»Er wur­de es nicht. Es war doch kein Knock­out. Das ver­ste­hen Sie nicht? Aber ich will es Ih­nen er­klä­ren, und Sie wer­den zu­hö­ren.

Ich habe Sie nicht be­lo­gen. Ich war ein Esel, und man hat mich an­ge­führt und Sie dazu. Sie mein­ten einen Knock­out zu se­hen. Aber der Schlag, den ich lan­de­te, war gar nicht hart ge­nug. Er traf ihn auch nicht an der rich­ti­gen Stel­le. Er tat nur so. Er täusch­te einen Knock­out vor.«

Er schwieg und sah sie er­war­tungs­voll an. Und ir­gend­wie durch­zuck­te sie die Ge­wiss­heit, dass sie ihm glau­ben müs­se. Ein war­mes Glück durch­ström­te sie, weil die­ser Mann, der ihr doch nichts be­deu­te­te und den sie nur zwei­mal in ih­rem Le­ben ge­se­hen hat­te, rein­ge­wa­schen vor ihr stand.

»Nun?« frag­te er, und wie­der zwang er ihr Be­wun­de­rung ab.

Sie stand auf und streck­te ihm die Hand ent­ge­gen. »Ich glau­be Ih­nen«, sag­te sie. »Und ich bin froh dar­über, un­sag­bar froh.«

Der Hän­de­druck dau­er­te län­ger, als sie be­ab­sich­tigt hat­te. Er be­trach­te­te sie mit ei­nem hei­ßen Blick, den sie un­be­wusst er­wi­der­te. Noch nie hat ein sol­cher Mann ge­lebt, dach­te sie.

Sie schlug zu­erst die Au­gen nie­der, dann tat auch er es, so­dass bei­de, wie frü­her schon ein­mal, auf die in­ein­an­der ru­hen­den Hän­de blick­ten.

Er mach­te eine un­will­kür­li­che un­be­wuss­te Be­we­gung auf sie zu, als wol­le er sie in sei­ne Arme schlie­ßen, dann aber be­sann er sich plötz­lich und hielt sich mit of­fen­sicht­li­cher An­stren­gung zu­rück.

Sie sah es und fühl­te den Druck der Hand, die sie zu ihm zie­hen woll­te. Und zu ih­rem Er­stau­nen merk­te sie, dass sie sich ihm gern un­ter­wor­fen hät­te, und spür­te einen fast un­wi­der­steh­li­chen Drang, von die­sen star­ken Ar­men um­schlun­gen zu wer­den.

Hät­te er sie ge­zwun­gen, so wür­de sie kei­nen Wi­der­stand ge­leis­tet ha­ben, das wuss­te sie. Sie war ganz be­nom­men, als er sich be­sann und mit ei­nem Druck, der ihre Fin­ger knacken ließ, ihre Hand fast fort­schleu­der­te.

»Herr­gott!« flüs­ter­te er. »Sie sind ja für mich ge­schaf­fen!«

Er wand­te sich halb von ihr ab und strich sich mit der Hand über die Stirn.

Sie wuss­te, dass sie ihn ewig ge­hasst ha­ben wür­de, wenn er jetzt eine Ent­schul­di­gung oder Er­klä­rung ge­stam­melt hät­te. Aber wenn es sich um sie han­del­te, schi­en er im­mer ge­ra­de das Rich­ti­ge zu tun.

Sie ließ sich auf ih­ren Stuhl sin­ken, und er setz­te sich auf einen an­de­ren, den er zu­erst so dreh­te, dass er ihr über die Schreib­tisch­kan­te hin­weg ge­ra­de ins Ge­sicht sah.

»Ich war ges­tern den gan­zen Abend im Tür­ki­schen Bad«, sag­te er. »Von dort schick­te ich nach ei­nem al­ten, längst er­le­dig­ten Bo­xer. Er war sei­ner­zeit mit mei­nem Va­ter be­freun­det ge­we­sen.

Ich wuss­te, dass es im Sport nichts gab, wor­über er nicht Be­scheid wuss­te, und ich ließ mir von ihm er­zäh­len.

Das Lus­tigs­te war, dass es mir nur mit Mühe ge­lang, ihn da­von zu über­zeu­gen, dass ich selbst nichts von den Din­gen wuss­te, nach de­nen ich ihn frag­te. Er sag­te, ich sei ein Kind aus den Wäl­dern, und ich glau­be, er hat recht. Ich bin in den Wäl­dern groß ge­wor­den und ken­ne sonst nichts von der Welt.

Wis­sen Sie, was ein Dop­pel­kreuz ist?«

Sie nick­te, und er fuhr fort:

»Na ja, die Leu­te schei­nen nie eine Ge­le­gen­heit vor­über­ge­hen zu las­sen, ohne das Dop­pel­kreuz ge­gen­ein­an­der an­zu­wen­den.

Was mir der Alte er­zähl­te, be­nahm mir di­rekt den Atem. Da bin ich nun seit Jah­ren mit­ten drin und weiß von nichts. Ich bin wahr­haf­tig ein Kind aus den Wäl­dern ge­we­sen.

Aber jetzt sehe ich, wie man mich an der Nase her­um­ge­führt hat. Ich war von Na­tur so, dass nie­mand mich auf­hal­ten konn­te. Ich muss­te sie­gen, und dank Stu­be­ner wur­de al­ler Schwin­del von mir fern­ge­hal­ten.

Und Stu­be­ner ge­brauch­te mich zu all sei­nen Schie­bun­gen, nur dass ich kei­ne Ah­nung da­von hat­te. Wenn ich jetzt nach­den­ke, kann ich se­hen, wie sie es mach­ten. Ich in­ter­es­sier­te mich nicht ge­nug für den Sport, um Ver­dacht zu schöp­fen. Ich bin mit ei­nem star­ken Kör­per und ei­nem küh­len Kopf ge­bo­ren, ich bin in der frei­en Na­tur auf­ge­wach­sen und von ei­nem Va­ter er­zo­gen, der mehr vom Bo­xen ver­stand als alle an­de­ren Le­ben­den oder To­ten. Es wur­de mir zu leicht ge­macht. Der Ring war nicht mein ein und al­les. Es gab für mich ja nie einen Zwei­fel am Aus­fall des Kamp­fes. Aber jetzt bin ich fer­tig da­mit.«

Sie zeig­te auf die Über­schrift in der Zei­tung, die sei­nen Kampf mit Tom Can­nam an­kün­dig­te.

»Das ist Stu­beners Werk«, er­klär­te er. »Das ist schon vor Mo­na­ten fest­ge­setzt. Aber ich küm­me­re mich nicht dar­um. Ich gehe in mei­ne Ber­ge. Ich bin fer­tig da­mit.«

»Wie her­risch die Män­ner doch sind«, sag­te sie. »Sie be­stim­men das Schick­sal, tun, was ih­nen be­liebt und –«

»Wenn ich recht ge­hört habe«, un­ter­brach er sie, »ha­ben Sie auch im­mer ganz hübsch ge­tan, was Ih­nen be­lieb­te. Das ge­hört ja auch zu den Din­gen, die ich so an Ih­nen lie­be. Und was mir gleich beim ers­ten Mal so auf­fiel, war, wie gut wir bei­de uns ver­stan­den.« Er schwieg und be­trach­te­te sie mit hei­ßen Au­gen.

»Ei­nes habe ich doch dem Bo­xen zu ver­dan­ken«, fuhr er fort. »Es hat mich mit Ih­nen be­kannt ge­macht. Und wenn man die rich­ti­ge Frau fin­det, dann ist nur ei­nes zu ma­chen: sie mit bei­den Hän­den zu grei­fen und nicht wie­der los­zu­las­sen. Kom­men Sie, las­sen Sie uns in die Ber­ge ge­hen!«

Das kam so plötz­lich wie ein Don­ner­schlag, doch fühl­te sie, dass sie es er­war­tet hat­te. Ihr Herz poch­te, und ihr war, als sol­le sie auf eine selt­sam an­ge­neh­me Wei­se er­sti­cken. An Ein­falt und Of­fen­her­zig­keit konn­te sie je­den­falls nicht mehr er­war­ten.

Und dazu war es wie ein Traum. Sol­che Din­ge pfleg­ten doch sonst nicht in mo­der­nen Zei­tungs­re­dak­tio­nen zu ge­sche­hen. Auf die­se Wei­se konn­te man ei­ner Frau doch nicht den Hof ma­chen, das war nur auf der Büh­ne und in Ro­ma­nen mög­lich.

Er hat­te sich er­ho­ben und streck­te ihr bei­de Hän­de ent­ge­gen.

»Ich wage es nicht«, flüs­ter­te sie, halb bei sich. »Ich wage es nicht.«

Für einen kur­z­en Au­gen­blick sah sie es ver­ächt­lich in sei­nen Au­gen auf­blit­zen, die aber gleich dar­auf of­fe­ne Ungläu­big­keit aus­drück­ten.

 

»Sie wür­den al­les wa­gen, was Sie woll­ten«, sag­te er. »Das weiß ich. Hier ist die Fra­ge nicht, ob Sie es wa­gen, son­dern ob Sie wol­len. Wol­len Sie?«

Sie war auf­ge­stan­den und sie wank­te. Ihr war, als träu­me sie. Sie ver­such­te, sich im Zim­mer um­zu­se­hen, um mit Hil­fe der ihr ver­trau­ten Ge­gen­stän­de gleich­sam sich selbst wie­der­zu­fin­den und in die Wirk­lich­keit zu­rück­zu­keh­ren, aber sie konn­te den Blick nicht von ihm wen­den.

Und sie sag­te auch nichts.

Er war ne­ben sie ge­tre­ten. Sei­ne Hand lag auf ih­rem Arm, und un­will­kür­lich lehn­te sie sich an ihn. Das war al­les ein Teil des Trau­mes, und sie brauch­te nichts mehr zu fra­gen.

Es war das große Wa­g­nis. Er hat­te recht. Sie konn­te wa­gen, was sie woll­te, und sie woll­te.

Er half ihr in die Ja­cke. Sie setz­te sich den Hut auf. Und erst, als sie ne­ben ihm durch die of­fe­ne Tür hin­aus­schritt, wur­de ihr al­les klar.

Im Por­tal des Ge­bäu­des hob er die Hand, um eine Drosch­ke her­bei­zu­win­ken, aber ihre Hand be­rühr­te die sei­ne und hielt ihn zu­rück.

»Wo wol­len wir hin?« flüs­ter­te sie.

»Nach der Fäh­re. Wir kön­nen ge­ra­de noch den Zug nach Sa­cra­men­to er­rei­chen.«

»Aber ich kann doch nicht so weg­ge­hen«, pro­tes­tier­te sie. »Ich … ich habe ja nicht ein­mal ein Ta­schen­tuch zum Wech­seln.«

Noch ehe er ant­wor­te­te, hob er wie­der die Hand. Dann sag­te er:

»In Sa­cra­men­to kannst du kau­fen, was du brauchst. Dort hei­ra­ten wir und fah­ren noch mit dem Abend­zug nach dem Nor­den. Ich ord­ne al­les te­le­gra­fisch vom Zuge aus.«

Als das Auto am Bür­ger­steig vor­fuhr, warf sie einen Blick auf die ver­trau­te Stra­ße und das Men­schen­ge­wim­mel, dann wand­te sie sich plötz­lich er­schro­cken zu Glen­don, sah ihm ins Ge­sicht.

»Ich ken­ne Sie ja gar nicht«, sag­te sie.

»Wir wis­sen al­les von­ein­an­der«, ant­wor­te­te er.

Sie fühl­te, wie sein Arm sie stütz­te und sie gleich­zei­tig zwang, den Fuß auf das Tritt­brett zu set­zen.

Im nächs­ten Au­gen­blick wur­de die Tür zu­ge­schla­gen; dann fuhr der Wa­gen die Mar­ket Street hin­un­ter. Er schlang sei­nen Arm um sie, press­te sie an sich und küss­te sie. Und als sie den Mut fass­te, ihm ins Ge­sicht zu se­hen, war sie si­cher, dass es lei­se ge­rötet war.

»Ich … ich habe ge­hört, dass Küs­sen eine Kunst sei«, stot­ter­te er. »Ich sel­ber ver­ste­he nichts da­von, aber ich will es ler­nen. Weißt du, du bist die ers­te Frau, die ich ge­küsst habe.«

IX

An ei­ner Stel­le, wo sich eine za­cki­ge Felss­pit­ze über den un­ge­heu­ren Ur­wald er­hob, ruh­ten ein Mann und eine Frau.

Un­ter ih­nen, am Wal­dessaum, wa­ren zwei Pfer­de an­ge­bun­den. Hin­ter je­dem Sat­tel hing eine klei­ne Sat­tel­ta­sche. Die Bäu­me wa­ren von ein­för­mi­ger Mäch­tig­keit. Sie rag­ten Hun­der­te von Fuß hoch em­por und hat­ten einen Durch­mes­ser von zehn bis zwölf Fuß, ja, vie­le wa­ren noch be­deu­tend grö­ßer.

Den gan­zen Mor­gen hat­ten sie sich durch die­sen un­er­mess­li­chen Wald bis zur Was­ser­schei­de hin­durch­ge­ar­bei­tet, und die­se Felss­pit­ze hat­te ih­nen die ers­te Mög­lich­keit ge­ge­ben, aus dem Wal­de her­aus­zu­ge­lan­gen, um sich um­zu­schau­en.

Un­ter ih­nen und rings, so­weit sie se­hen konn­ten, lag Rei­he auf Rei­he von Ber­gen, die in pur­pur­nen Dunst gehüllt wa­ren. Es gab kei­ne Lich­tun­gen in die­sen Wäl­dern; im Nor­den, Sü­den, Os­ten und Wes­ten be­deck­ten sie un­be­rührt, un­un­ter­bro­chen das Land mit ih­rer mäch­ti­gen Wild­nis.

Sie la­gen da und starr­ten in die Fer­ne, ihre Hand in der sei­nen, denn es wa­ren ihre Flit­ter­wo­chen, und dies wa­ren die Rie­sen­tan­nen­wäl­der von Men­do­ci­no. Von Shas­ta wa­ren sie mit Pfer­den und Ge­päck durch das wil­des­te Küs­ten­ge­län­de hier­her ge­kom­men und hat­ten kei­nen an­de­ren Plan als den, die Rei­se fort­zu­set­zen, bis sie einen neu­en Ein­fall be­ka­men. Sie tru­gen der­be Klei­dung, sie von der Rei­se stark mit­ge­nom­me­nen Kha­ki, er Woll­hemd und Over­all. Das Hemd ließ den son­nen­ge­bräun­ten Hals frei. Sei­ne Grö­ße mach­te ihn zum ge­eig­ne­ten Be­woh­ner der rie­si­gen Wäl­der, wäh­rend sie, die sie mit ihm be­wohn­te, ein Ab­bild des Glücks war.

»Ja, du star­ker Mann«, sag­te sie und stütz­te sich auf den einen Ell­bo­gen, um ihn an­zu­se­hen, »das ist noch herr­li­cher, als du es mir ver­spro­chen hat­test. Und al­les wer­den wir mit­ein­an­der se­hen.«

»Und noch ein ganz Teil von der üb­ri­gen Welt dazu«, ant­wor­te­te er und än­der­te sei­ne Lage, um ihre Hand zwi­schen sei­ne bei­den zu neh­men.

»Aber erst, wenn wir hier­von ge­nug ha­ben«, mein­te sie. »Ich glau­be, dass ich der großen Wäl­der nie müde wer­de … und dei­ner auch nicht.«

Er setz­te sich ohne An­stren­gung auf und schloss sie in sei­ne Arme.

»Oh, du Lie­ber«, flüs­ter­te sie. »Und ich hat­te schon alle Hoff­nung auf­ge­ge­ben, einen Mann wie dich zu fin­den.«

»Und ich hat­te nicht ein­mal ge­hofft. Ich muss wohl im­mer schon ge­wusst ha­ben, dass ich dich ein­mal fin­den wür­de. Bist du froh?«

Ihre Ant­wort war ein sanf­ter Druck der Hand, die auf sei­nem Na­cken lag, und dann schau­ten sie lan­ge über die großen Wäl­der hin­aus und träum­ten.

»Erin­nerst du dich, dass ich dir er­zähl­te, wie ich vor der rot­haa­ri­gen Leh­re­rin flüch­te­te? Da­mals sah ich die­ses Land zum ers­ten Mal. Und ich kam zu Fuß hier­her, aber vier­zig bis fünf­zig Mei­len täg­lich wa­ren ein Kin­der­spiel für mich. Ich war der rei­ne In­dia­ner. Da­mals wuss­te ich noch nichts von dir. Jagd gab es nicht viel in die­sen Wäl­dern, aber vie­le Fo­rel­len. Da­mals ras­te­te ich auch auf die­sen Fel­sen. Aber ich ließ mir nicht träu­men, dass ich ei­nes Ta­ges wie­der hier­her­kom­men soll­te, und mit dir, mit dir.«

»Und dass du Meis­ter­schafts­bo­xer wer­den soll­test, da­von ließest du dir auch nichts träu­men«, mein­te sie.

»Nein, dar­über dach­te ich über­haupt nicht nach. Va­ter hat­te mir stets ge­sagt, dass ich es wer­den wür­de, und da nahm ich es als ge­ge­ben hin. Du siehst, er war sehr klug. Er war ein großer Mensch.«

»Aber er sah nicht, dass du dem Ring ein­mal den Rücken keh­ren wür­dest.«

»Ich weiß nicht recht. Er gab sich so­viel Mühe, die Ver­derbt­heit des Rin­ges vor mir zu ver­heim­li­chen, dass ich fast glau­be, er fürch­te­te es. Ich habe dir ja er­zählt, wie er den Kon­trakt mit Stu­be­ner mach­te. Va­ter füg­te die Klau­sel be­züg­lich der Un­red­lich­keit ein. Die ers­te Schie­bung, de­ren mein Ma­na­ger sich schul­dig mach­te, soll­te den Kon­trakt un­gül­tig ma­chen.«

»Und doch willst du mit die­sem Tom Can­nam kämp­fen. Ist das der Mühe wert?«

Er warf ihr einen schnel­len Blick zu.

»Möch­test du, dass ich es nicht täte?«

»Liebs­ter, ich möch­te, dass du al­les tust, was du tun möch­test.«

So sprach sie, und wäh­rend die Wor­te noch nicht in ih­ren Ohren ver­k­lun­gen wa­ren, wun­der­te sie sich, dass sie, eine der ei­gen­wil­ligs­ten und un­ab­hän­gigs­ten aus dem Ge­schlecht der Sangs­ter, so ge­spro­chen hat­te. Es war die Wahr­heit ge­we­sen, und sie freu­te sich dar­über.

»Es wird sehr spa­ßig wer­den«, sag­te er.

»Aber ich ver­ste­he nicht, was dar­an spa­ßig sein kann.«

»Ich habe noch nicht nä­her dar­über nach­ge­dacht. Du könn­test mir viel­leicht hel­fen. Ers­tens möch­te ich Stu­be­ner und das gan­ze Wett­syn­di­kat gründ­lich an­füh­ren. Das wird schon ein Spaß sein. Ich wer­de Can­nam in der ers­ten Run­de er­le­di­gen. Zum ers­ten Mal in mei­nem Le­ben wer­de ich wirk­lich böse sein, wenn ich kämp­fe. Der arme Tom Can­nam muss dar­an glau­ben, ob­gleich er nicht schlim­mer als die an­de­ren ist.

Weißt du, ich wer­de eine klei­ne Rede im Ring hal­ten. Das ist zwar nicht üb­lich, aber ich wer­de trotz­dem Er­folg da­mit ha­ben, denn ich will dem Pub­li­kum er­zäh­len, wie es in Ame­ri­ka mit dem Sport hin­ter den Ku­lis­sen aus­sieht.

An dem Sport ist an sich gar nichts aus­zu­set­zen, aber sie ma­chen ein Ge­schäft dar­aus, und das verdirbt ihn!«

»Aber, Liebs­ter, du hast doch nie im Le­ben eine Rede ge­hal­ten«, warf sie hin. »Es wird nicht ge­hen.«

Er schüt­tel­te ent­schie­den den Kopf.

»Ich bin Ir­län­der«, ver­kün­de­te er, »und hast du je von ei­nem Ir­län­der ge­hört, der nicht re­den konn­te?«

»Wir sind ein rich­ti­ges dum­mes Lie­bes­paar«, sag­te sie, als er sie aus sei­nen Ar­men ließ.

»Ist das nicht groß­ar­tig!« rief er.

Er stand auf und maß den Stand der Son­ne mit den Au­gen. Dann wies er mit der Hand über die großen Wäl­der, die die ge­dräng­ten pur­pur­nen Ber­ge be­deck­ten.

»Wir müs­sen ir­gend­wo dort über­nach­ten. Es sind drei­ßig Mei­len bis zum nächs­ten La­ger­platz.«

X

Wer von all den Sports­leu­ten, die da­bei wa­ren, wird je den denk­wür­di­gen Abend in der Gol­den-Gate-Are­na ver­ges­sen, als der jun­ge Glen­don Tom Can­nam und au­ßer­dem noch einen grö­ße­ren als Tom Can­nam ins Land der Träu­me schick­te?

Die Gol­den-Gate-Are­na war neu. Sie war das größ­te Ge­bäu­de die­ser Art, das je in San Fran­zis­ko er­rich­tet wor­den war, und die­ser Kampf war der ers­te, der dar­in ab­ge­hal­ten wur­de. Die Are­na hat­te fünf­und­zwan­zig­tau­send Plät­ze, und je­der Platz war be­setzt. Aus der gan­zen Welt wa­ren Sports­leu­te her­ge­reist, um dem Kampf bei­zu­woh­nen, und hat­ten fünf­zig Dol­lar für den Platz vorn am Ring be­zahlt. Die bil­ligs­ten Plät­ze wa­ren für fünf Dol­lar ver­kauft wor­den. Das üb­li­che Bei­falls­ge­tö­se er­hob sich, als Bil­ly Mor­gan, der Ve­teran un­ter den An­sa­gern, durch die Sei­le in den Ring klet­ter­te und sein grau­es Haupt ent­blö­ßte.

Gera­de woll­te er den Mund öff­nen, um zu re­den, als aus ei­nem Ab­schnitt mit meh­re­ren Sitz­rei­hen ein lau­tes Kra­chen er­tön­te: ei­ni­ge Pfei­ler wa­ren zer­bro­chen, und die Rei­hen krach­ten zu­sam­men. Die Men­ge brach in lau­tes La­chen aus, drück­te den Op­fern in scherz­haf­ten Zu­ru­fen ihr Bei­leid aus und er­teil­te ih­nen gute Ratschlä­ge. Nie­mand war zu Scha­den ge­kom­men.

Das Ge­tö­se der zu­sam­men­bre­chen­den Bän­ke und die all­ge­mei­ne Lus­tig­keit ver­an­lass­ten den wach­ha­ben­den Po­li­zei­haupt­mann, einen be­red­ten Blick mit sei­nen Leut­nants zu wech­seln; sie wuss­ten, dass ih­nen ein be­weg­ter Abend be­vor­stand, und dass sie alle Hän­de voll zu tun be­kom­men wür­den.

Sie­ben star­ke alte Hel­den des Rings klet­ter­ten nach­ein­an­der, mit to­sen­dem Bei­fall be­grüßt, durch die Sei­le. Es wa­ren lau­ter frü­he­re Schwer­ge­wichts-Welt­meis­ter. Bil­ly Mor­gan stell­te sie dem Pub­li­kum vor und be­glei­te­te die Vor­stel­lung je­weils durch ei­ni­ge an­er­ken­nen­de Wor­te.

Ei­nem wur­de als dem »Ehr­li­chen John« und dem »Al­ten Ge­treu­en« ge­hul­digt, ein an­de­rer war »der an­stän­digs­te zwei­fäus­ti­ge Kämp­fer, den der Ring je ge­se­hen hat«. Und von an­de­ren wie­der hieß es: »der Held der hun­dert Kämp­fe, der nie auf­gab und nie k. o. wur­de«, dann »der bravs­te von der al­ten Gar­de« und »der ein­zi­ge, er je wie­der­kam«, wei­ter »der größ­te al­ler Krie­ger« und die »här­tes­te Nuss, die es je im Ring zu knacken gab.«

Al­les das nahm Zeit in An­spruch. Je­der von den sie­ben soll­te eine Rede hal­ten, und vor Stolz er­rö­tend und ver­le­gen, mur­mel­ten oder brumm­ten sie et­was vor sich hin. Die längs­te Rede hielt der »alte Ge­treue«, eine Rede, die fast eine Mi­nu­te dau­er­te.

Dann soll­ten sie fo­to­gra­fiert wer­den. Der Ring füll­te sich mit Meis­ter­rin­gern, be­kann­ten Trai­nern, al­ten Un­par­tei­ischen und Schieds­rich­tern. Leicht­ge­wicht­ler und Mit­tel­ge­wicht­ler schwirr­ten um­her. Je­der schi­en alle an­de­ren her­aus­zu­for­dern. Nat Po­wers war er­schie­nen, um einen Re­van­che­kampf von dem jun­gen Glen­don zu ver­lan­gen, und wie er, all die an­de­ren strah­len­den Lich­ter, die Glen­don aus­ge­löscht hat­te.

Sie alle for­der­ten auch Jim Han­ford her­aus, der, als er sich ge­nö­tigt sah, Stel­lung zur Sa­che zu neh­men, er­klär­te, dass er den nächs­ten Kampf mit dem Sie­ger von heu­te aus­fech­ten wür­de.

Und so­fort be­gan­nen die Zuschau­er die Na­men zu ru­fen; die eine Hälf­te brüll­te »Glen­don« und die an­de­re Hälf­te »Po­wers«.

Mit­ten in die­sem Höl­len­spek­ta­kel bra­chen noch ei­ni­ge Sitz­rei­hen zu­sam­men, und es gab einen hef­ti­gen Streit zwi­schen den In­ha­bern der zer­bro­che­nen Sit­ze und den Platz­an­wei­sern, weil mehr Kar­ten ver­kauft wa­ren, als zu­läs­sig war. Der Po­li­zei­haupt­mann schick­te nach dem Prä­si­di­um und er­bat Ver­stär­kung. Das Pub­li­kum amü­sier­te sich glän­zend. Als Glen­don und Can­nam den Ring be­tra­ten, konn­te man glau­ben, ei­ner po­li­ti­schen Ver­samm­lung bei­zu­woh­nen. Bei­den wur­de gut fünf Mi­nu­ten lang ge­hul­digt.

 

Alle Un­be­tei­lig­ten hat­ten un­ter­des­sen den Ring ver­las­sen. Glen­don setz­te sich, von sei­nen Se­kun­dan­ten um­ge­ben, in sei­ne Ecke. Wie ge­wöhn­lich saß Stu­be­ner di­rekt hin­ter ihm.

Can­nam wur­de zu­erst vor­ge­stellt, und nach­dem er sei­ne Ver­beu­gun­gen und Kratz­fü­ße ge­macht hat­te, muss­te er den Zu­ru­fen ge­hor­chen, die eine Rede von ihm ver­lang­ten.

»Ich bin stolz dar­auf, dass ich heu­te hier sein darf«, sag­te er, und der don­nern­de Ap­plaus ließ ihm Zeit nach­zu­den­ken, was er wei­ter sa­gen soll­te. »Ich habe im­mer ehr­lich ge­kämpft. Das habe ich mein gan­zes Le­ben lang ge­tan. Das wird nie­mand leug­nen kön­nen. Und ich wer­de auch heu­te mein Bes­tes tun.«

Lau­te Rufe er­schol­len: »Das stimmt, Tom!« »Das wis­sen wir!« »Bra­ver Kerl, der Tom!« »Du wirst schon Gu­lasch aus ihm ma­chen!«

Dann kam Glen­don an die Rei­he. Die Zuschau­er ver­lang­ten auch von ihm, dass er eine Rede hal­ten soll­te, ob­wohl die­se Re­den im Ring ei­gent­lich et­was ganz Neu­es wa­ren.

Bil­ly Mor­gan hob die Hand, um Schwei­gen zu ge­bie­ten, und mit kla­rer, mäch­ti­ger Stim­me be­gann Glen­don.

»Alle ha­ben ge­sagt, dass sie stolz dar­auf sind, heu­te hier sein zu kön­nen«, sag­te er. »Ich bin es nicht.«

Das Pub­li­kum war be­stürzt, und er ließ sei­nen Zu­hö­rern Zeit, dar­über nach­zu­den­ken, was er wohl mei­ne.

»Ich bin nicht stolz auf die Ge­sell­schaft, in der ich mich be­fin­de. Sie wol­len eine Rede hö­ren. Schön, Sie sol­len eine ha­ben. Dies ist mein letz­ter Kampf. Dann ver­las­se ich den Ring für im­mer. Wa­rum? Das hab’ ich Ih­nen schon ge­sagt. Ich be­fin­de mich nicht wohl in die­ser Ge­sell­schaft. Es ist faul bis ins Mark hin­ein, so­wohl bei den klei­nen Klubs wie bei der Ge­schich­te heu­te.«

Das an­fangs lei­se Ge­mur­mel war jetzt zu ei­nem Ge­brüll an­ge­wach­sen. Es wur­de ge­zischt und ge­pfif­fen, und vie­le rie­fen: »An­fan­gen!« »Wir sind her­ge­kom­men, um den Kampf zu se­hen!« »Wa­rum kämpft ihr nicht?«

Glen­don, der ru­hig ab­war­te­te, dass der Lärm sich le­gen soll­te, be­merk­te, dass die­je­ni­gen, wel­che am eif­rigs­ten dar­auf be­dacht wa­ren, sein Wei­ter­re­den zu ver­hin­dern, Un­ter­neh­mer, Ma­na­ger und Bo­xer wa­ren. Ver­ge­bens ver­such­te er wie­der zu Wor­te zu kom­men. Die Mei­nun­gen des Pub­li­kums wa­ren ge­teilt. Die Hälf­te schrie »An­fan­gen!« Die an­de­re Hälf­te: »Wei­ter­re­den! Wei­ter­re­den!«

Zehn Mi­nu­ten lang herrsch­te hoff­nungs­lo­se Ver­wir­rung.

Stu­be­ner, der Schieds­rich­ter, der Be­sit­zer der Are­na und die Ver­an­stal­ter dran­gen in Glen­don, den Kampf zu be­gin­nen. Als er sich wei­ger­te, er­klär­te der Schieds­rich­ter, Can­nam den Sieg zu­spre­chen zu wol­len, da Glen­don sich wei­ge­re, mit ihm zu kämp­fen.

»Das kön­nen Sie nicht«, ent­geg­ne­te Pat. »Ich wer­de Sie vor alle Ge­richts­hö­fe des Lan­des zie­hen, wenn Sie das ver­su­chen. Im üb­ri­gen, bin ich be­reit zu kämp­fen. Aber erst, wenn ich mit mei­ner Rede fer­tig bin.«

»Aber es ist ge­gen die Re­geln«, pro­tes­tier­te der Schieds­rich­ter.

»Durchaus nicht. In den Re­geln steht kein Wort da­von, dass im Ring kei­ne Re­den ge­hal­ten wer­den dür­fen. Je­der von den al­ten Bo­xern, die heu­te hier sind, hat ge­re­det.«

»Doch nur we­ni­ge Wor­te«, schrie der Un­ter­neh­mer Glen­don ins Ohr. »Aber Sie wol­len hier ja einen gan­zen Vor­trag hal­ten.«

»In den Re­geln steht nichts da­von, dass man kei­ne Vor­trä­ge hal­ten darf«, ant­wor­te­te Glen­don. »Und jetzt macht, dass ihr aus dem Ring kommt, Jun­gens, oder ich schmeiß euch hin­aus.«

Der auf­ge­reg­te Un­ter­neh­mer wur­de, so­viel er sich auch wehr­te, beim Kra­gen ge­packt und über die Sei­le ge­ho­ben. Er war ein großer, schwe­rer Mann, aber Glen­don hat­te es so leicht ge­tan, dass das Pub­li­kum vor Ent­zücken tob­te.

Glen­don trat wie­der in die Mit­te des Rin­ges zu­rück und hob bei­de Hän­de.

»Wollt ihr, dass ich rede?« rief er mit don­nern­der Stim­me.

Hun­der­te, die um den Ring sa­ßen, hör­ten ihn und rie­fen:

»Ja!«

»Dann soll je­der, der hö­ren will, den Lärm­ma­cher, der ihm am nächs­ten sitzt, zum Schwei­gen brin­gen!«

Sein Rat wur­de be­folgt, und als er ihn wie­der­hol­te, drang sei­ne Stim­me schon mehr durch. Im­mer wie­der rief er es, und all­mäh­lich ver­brei­te­te sich die Stil­le vom Ring aus Kreis für Kreis, nur an­fangs noch be­glei­tet von ei­nem dump­fen Geräusch von Schlä­gen und Rau­fe­rei­en: die Lärm­ma­cher wur­den von den Um­sit­zen­den zur Ruhe ge­bracht.

Der Lärm hat­te sich fast ganz ge­legt, als wie­der eine Sitz­rei­he zu­sam­men­brach – dies­mal dicht am Ring. Das Er­eig­nis wur­de aber­mals mit ei­nem brül­len­den La­chen be­grüßt, und als das La­chen sich leg­te, konn­te man deut­lich eine Stim­me ganz hin­ten im Saal hö­ren, die quäk­te: »Los, Glen­don! Wir hal­ten mit dir!«

Glen­don wuss­te, dass er die­se Ver­samm­lung, die noch vor fünf Mi­nu­ten ein wüs­ter Pö­bel­hau­fen ge­we­sen war, jetzt in sei­ner Hand hat­te, und um die Wir­kung sei­ner Wor­te noch zu er­hö­hen, mach­te er eine Pau­se. Aber die­se Pau­se war ge­ra­de lang ge­nug und nicht eine Se­kun­de zu lang. Drei­ßig Se­kun­den lang war die Stil­le ge­kom­men, und die Men­ge ver­harr­te in fast ehr­furchts­vol­lem Schwei­gen. Dann be­gann er zu spre­chen.

»Wenn ich fer­tig bin«, sag­te er, »wer­de ich kämp­fen. Ich ver­spre­che euch, dass es ein ehr­li­cher Kampf wer­den soll, ei­ner von den we­ni­gen ehr­li­chen Kämp­fen, die ihr je ge­se­hen habt. Ich will mei­nen Geg­ner be­sie­gen, so schnell ich es kann. Bil­ly Mor­gan wird euch als An­sa­ger ver­kün­den, dass es ein Kampf auf fünf­und­vier­zig Run­den ist. Ich sage euch, dass es eher ein Kampf auf fünf­und­vier­zig Se­kun­den sein wird.

Als ich un­ter­bro­chen wur­de, woll­te ich euch ge­ra­de er­zäh­len, dass im Ring nur mit Schie­bung ge­ar­bei­tet wird.

Ihr seid ah­nungs­lo­se Säug­lin­ge, ihr alle, die ihr nicht dar­an ver­dient. Wa­rum, glaubt ihr, bre­chen die Sit­ze heut zu­sam­men? Schwin­del. Ge­schäfts­prin­zi­pi­en – wie beim Bo­xen selbst.«

Jetzt hat­te er das Pub­li­kum noch mehr als zu­vor in der Hand, und das wuss­te er.

»Es sind drei Per­so­nen auf zwei Sit­ze ge­setzt. Das sehe ich über­all. Wie nennt ihr das? Schwin­del! Die Platz­an­wei­ser krie­gen näm­lich kei­nen Lohn. Sie sind auf Schwin­del an­ge­wie­sen. Und ihr be­zahlt. Na­tür­lich be­zahlt ihr.

Und lasst mich euch sa­gen, dass die Bo­xer nicht schuld dar­an sind. Sie sind es nicht, die das Spiel lei­ten. Das sind die Un­ter­neh­mer und die Ma­na­ger, die sind es, die das Ge­schäft be­trei­ben. Die Bo­xer, sind nur Bo­xer. Sie fan­gen ganz ehr­lich an, aber die Ma­na­ger und Un­ter­neh­mer zwin­gen sie mitz­u­ma­chen oder ja­gen sie weg.

›Der bes­te Mann möge ge­win­nen!‹ Wie oft habt ihr Bil­ly Mor­gan das sa­gen hö­ren! Ich will euch sa­gen, dass der bes­te Mann nicht so oft ge­winnt, und wenn er es doch tut, ist es meis­tens doch im vor­aus ab­ge­macht.

Der Schwin­del ist zu mäch­tig. Wenn eine Hand­voll Män­ner nach drei Kämp­fen drei­vier­tel Mil­lio­nen Dol­lar un­ter sich tei­len kön­nen, dann –«

Ein Aus­bruch wil­der Ra­se­rei zwang ihn zu schwei­gen. In dem Ge­schrei, das von al­len Sei­ten er­tön­te, konn­te er die Rufe un­ter­schei­den: »Was für Mil­lio­nen?« »Wel­che drei Kämp­fe?« »Er­zäh­len!« »Los!«

»Wollt ihr es hö­ren?« rief Glen­don. »Dann sorgt für Ruhe!« Und wie­der er­zwang er mi­nu­ten­lan­ges Schwei­gen.