Jack London – Gesammelte Werke

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»Ver­dammt ge­schei­tes Weib!« rief Lin­day, und sei­ne Au­gen blitz­ten vor Är­ger.

»Was in al­ler Welt hat dich denn aus­ge­rech­net nach Klon­di­ke ge­führt?« frag­te sie ei­nes Ta­ges.

»Zu viel Geld. Kei­ne Frau, die es aus­ge­ben konn­te. Ich woll­te auch mal Ruhe ha­ben. Vi­el­leicht ein biss­chen über­ar­bei­tet. Ich ver­such­te es mit Ko­lo­ra­do, aber ihre Te­le­gram­me ver­folg­ten mich, und ei­ni­ge ka­men so­gar höchst per­sön­lich. Da ging ich nach Se­att­le. Genau die­sel­be Ge­schich­te! Ran­som brach­te mir sei­ne Frau in ei­nem Ex­tra­zug. Ich konn­te mich nicht da­von drücken. Die Ope­ra­ti­on war er­folg­reich. Die Zei­tun­gen krieg­ten Wind da­von – den Rest kannst du dir den­ken. Ich muss­te mich ir­gend­wo ver­ste­cken. Also ging ich nach Klon­di­ke … Und … da fand Daw mich, als ich in ei­ner Hüt­te am Yu­kon saß und Whist spiel­te.«

Es kam der Tag, an dem Strangs Bett in die freie Luft ge­tra­gen wur­de und er im Son­nen­schein lie­gen durf­te.

»Lass mich ihm jetzt sa­gen, was kom­men soll«, sag­te sie zu Lin­day.

»Nein, war­te«, ant­wor­te­te er.

Ei­ni­ge Zeit dar­auf konn­te Strang auf dem Rand sei­nes Bet­tes sit­zen. Und bald konn­te er, auf bei­den Sei­ten ge­stützt, die ers­ten un­si­che­ren Schrit­te wa­gen.

»Lass mich jetzt mit ihm spre­chen«, bat sie.

»Nein. Ich will die­se Sa­che zu­erst voll und ganz durch­füh­ren. Noch ist eine klei­ne Star­re im lin­ken Arm üb­rig. Es ist an sich nur eine un­be­deu­ten­de Ge­schich­te, aber ich will ihn so ma­chen, wie Gott ihn einst ge­macht hat. Ich habe mir vor­ge­nom­men, den Arm mor­gen noch ein­mal zu ope­rie­ren und den Dreck in Ord­nung zu brin­gen. Er wird wie­der ein paar Tage auf dem Rücken lie­gen müs­sen. Scha­de, dass ich kein Chlo­ro­form mehr habe. Er muss eben die Zäh­ne zu­sam­men­bei­ßen und aus­hal­ten. Das kann er auch. Er hat Ener­gie für ein gan­zes Dut­zend Män­ner.«

Es wur­de Som­mer. Der Schnee schmolz – nur die fer­nen Gip­fel der Rocky Moun­tains schim­mer­ten noch weiß. Die Tage wur­den län­ger, bis es über­haupt kei­ne Dun­kel­heit mehr gab. Die Son­ne tauch­te nur ge­gen Mit­ter­nacht we­ni­ge Mi­nu­ten hin­ter den Ho­ri­zont – so hoch im Nor­den wa­ren sie. Lin­day hör­te nie mit der Ar­beit an Strang auf. Er stu­dier­te sei­nen Gang, sei­ne Be­we­gun­gen, un­ter­such­te ihn im­mer wie­der, ließ zum tau­sends­ten Male alle sei­ne Mus­keln spie­len. Er ließ ihn ins Unend­li­che mas­sie­ren, bis er er­klär­te, dass Tom Daw, Bill und der Bru­der glän­zend vor­be­rei­tet für eine An­stel­lung als Mas­seu­re in ei­nem tür­ki­schen Bad oder ei­nem Schön­heits­in­sti­tut wä­ren. Aber Lin­day war im­mer noch nicht zu­frie­den. Er ließ sein gan­zes Re­per­toire von me­di­zi­ni­schen Kunst­stücken und Knif­fen spie­len, um nach­zu­prü­fen, ob ir­gend­wo noch eine Schwä­che ver­bor­gen läge. Er be­fahl ihm, wie­der eine Wo­che zu Bett zu blei­ben, öff­ne­te das eine Bein, mach­te ein paar Knif­fe mit den Adern, schab­te ein Stück des Kno­chens, das nicht grö­ßer als eine Kaf­fee­boh­ne war, bis nur die ro­sig-ge­sun­de Ober­flä­che üb­rig­b­lieb, die er mit dem le­ben­di­gen Fleisch zunäh­te.

»Lass mich jetzt mit ihm re­den«, bet­tel­te Mad­ge.

»Noch nicht«, lau­te­te sei­ne Ant­wort. »Du darfst es ihm erst sa­gen, wenn ich ganz fer­tig bin.«

Der Juli ver­ging. Der Au­gust nä­her­te sich be­reits sei­nem Ende. Da ge­sch­ah es, dass Lin­day Strang auf­for­der­te, auf die Elch­jagd zu ge­hen. Lin­day ging mit, um ihn zu be­ob­ach­ten und zu stu­die­ren. Strang war schon von der schlan­ken Kraft ei­ner Kat­ze. Er ging, wie Lin­day noch nie einen Mann ge­hen ge­se­hen, ohne die ge­rings­te Mühe. Er ging mit dem gan­zen Kör­per. Es war, als ob alle schmieg­sa­men und wei­chen Mus­keln des Rückens bis zu den Schul­tern hin­auf beim Ge­hen ver­wen­det wür­den. Aber es war kei­ne Schwe­re da­bei zu spü­ren. Er ging so leicht, dass die Be­we­gung voll ge­schmei­digs­ter An­mut war. So mü­he­los, dass das Auge sich in Be­zug auf die Schnel­lig­keit der Be­we­gun­gen täu­schen ließ und sie un­ter­schätz­te. Es war der un­be­zwing­li­che Schritt, von dem Tom Daw ge­spro­chen hat­te. Lin­day folg­te ihm mit Mühe; er schwitz­te und stöhn­te vor An­stren­gung. Hin und wie­der, wenn der Bo­den sich dazu eig­ne­te, lief er kur­ze Stre­cken, sonst hät­te er über­haupt nicht mit­kom­men kön­nen. Und als sie zehn Mei­len ge­gan­gen wa­ren, mach­te er halt und warf sich ins Moos.

»Ge­nug«, rief er. »Ich kann nicht mehr Schritt mit Ih­nen hal­ten.«

Er wisch­te sich das schweiß­be­deck­te Ge­sicht, wäh­rend Strang sich auf einen Fich­ten­stamm setz­te. Er lä­chel­te dem Arzt freund­lich zu. Und mit dem tie­fen Ge­mein­schafts­ge­fühlt des Pan­theis­ten um­fass­te er die gan­ze Land­schaft mit sei­nem Lä­cheln.

»Und Sie füh­len kei­nen Stich, kei­ne Schmer­zen oder nur die An­deu­tung von Schmer­zen?« frag­te Lin­day.

Strang schüt­tel­te den Kopf mit dem lo­cki­gen Haar und reck­te sei­nen ge­schmei­di­gen Kör­per. Und jede Fi­ber an ihm leb­te und freu­te sich des Le­bens.

»Es wird schon ge­hen, Strang. Ei­nen Win­ter oder zwei müs­sen Sie frei­lich noch da­mit rech­nen, dass Sie Käl­te und Feuch­tig­keit in den al­ten Wun­den spü­ren. Aber das wird vor­über­ge­hen, und es ist auch mög­lich, dass Sie über­haupt nichts mer­ken wer­den.«

»Mein Gott, Dok­tor, Sie ha­ben wah­re Wun­der mit mir voll­bracht. Ich weiß nicht, wie ich Ih­nen dan­ken soll. Ich ken­ne ja nicht ein­mal Ihren Na­men.«

»Spielt auch gar kei­ne Rol­le. Ich habe Sie durch­ge­bracht, und das ist die Haupt­sa­che.«

»Aber Ihr Name muss doch si­cher bei den Men­schen drau­ßen in der Welt be­kannt sein«, er­klär­te Strang hart­nä­ckig. »Ich wet­te, dass ich ihn ken­nen wür­de, wenn ich ihn er­füh­re!«

»Das glau­be ich auch«, lau­te­te Lin­days Ant­wort. »Aber das hat nichts mit der Sa­che zu tun. Ich will nur noch eine letz­te Prü­fung vor­neh­men, und dann bin ich fer­tig mit Ih­nen. Jen­seits der Was­ser­schei­de, an der Quel­le die­ses Ba­ches, liegt ein Ne­ben­fluss des Gro­ßen Win­dy. Daw er­zähl­te mir, dass Sie letz­tes Jahr drü­ben wa­ren, nach der mitt­le­ren Verzwei­gung und wie­der zu­rück gin­gen und nur drei Tage dazu brauch­ten. Er sag­te auch, dass Sie ihn bei dem Spa­zier­gang bei­na­he ka­putt ge­macht hät­ten. Jetzt müs­sen Sie hier war­ten und heu­te noch hier la­gern. Ich wer­de Daw mit der La­ge­raus­rüs­tung schi­cken. Dann müs­sen Sie nach der Verzwei­gung und wie­der zu­rück ge­hen und zwar eben­so schnell wie vo­ri­ges Jahr.«

»Jetzt hast du eine Stun­de zum Pa­cken«, sag­te Lin­day zu Mad­ge. »Ich wer­de vor­aus­ge­hen und das Kanu fer­tig­ma­chen. Bill wird den Elch ho­len. Er kann erst ge­gen Abend wie­der da sein. Wir kön­nen heu­te noch mei­ne Hüt­te er­rei­chen, und in ei­ner Wo­che sind wir be­reits in Daw­son.«

»Ich hat­te ge­hofft …« Sie schwieg stolz.

»Dass ich die Verab­re­dung ver­ges­sen wür­de?«

»Nein. Ver­trag ist Ver­trag; aber du hät­test ihn nicht in so ge­häs­si­ger Wei­se aus­zu­füh­ren brau­chen. Du bist nicht kor­rekt ge­we­sen. Du hast ihn für drei Tage weg­ge­schickt und es mir da­durch un­mög­lich ge­macht, Ab­schied von ihm zu neh­men.«

»Kannst ja einen Brief hin­ter­las­sen …«

»Ich wer­de ihm al­les sa­gen.«

»Selbst das Ge­rings­te we­ni­ger als al­les wür­de in­kor­rekt ge­gen uns alle drei sein«, lau­te­te die Ant­wort Lin­days.

Als er al­les im Kanu ver­staut hat­te und zu­rück­kehr­te, war der Brief schon ge­schrie­ben.

»Lass mich ihn le­sen«, sag­te er. »Wenn du nichts da­ge­gen hast.«

Sie zö­ger­te einen Au­gen­blick. Dann reich­te sie ihm den Brief.

»Sehr of­fen­her­zig«, sag­te er, als er ihn ge­le­sen hat­te.

»Nun, bist du fer­tig?«

Er trug ihr Bün­del zum Kanu hin­un­ter. Dann knie­te er nie­der, um mit der einen Hand das Boot fest­zu­hal­ten, wäh­rend er die an­de­re aus­streck­te, um ihr be­hilf­lich zu sein. Er be­ob­ach­te­te sie sehr scharf, aber sie reich­te ihm ihre Hand, ohne zu zit­tern, und schick­te sich, ru­hig und ent­schlos­sen, an, hin­ein­zu­stei­gen.

»War­te einen Au­gen­blick«, sag­te er. »Du er­in­nerst dich si­cher der Ge­schich­te, die ich dir da­mals er­zähl­te … der Ge­schich­te von dem Wun­de­re­li­xier. Ich ver­gaß dir den Schluss zu er­zäh­len. Als die Frau sei­ne Au­gen be­stri­chen und sich be­reit ge­macht hat­te, ab­zu­rei­sen, sah sie sich zu­fäl­lig in ei­nem Spie­gel und be­merk­te, dass sie ihre Schön­heit wie­der­er­langt hat­te. Und er öff­ne­te die Au­gen, konn­te se­hen und schrie auf vor Glück, als er ihre Schön­heit sah. Und dann nahm er sie in sei­ne Arme …«

Sie stand da, vol­ler Span­nung, aber doch be­herrscht, und war­te­te, was er wei­ter sa­gen wür­de. Eine wun­der­vol­le Hoff­nung be­gann ih­ren Glanz über ihr Ge­sicht und ihre Au­gen zu brei­ten.

»Du bist wirk­lich sehr schön, Mad­ge«, sag­te er. Und er mach­te eine klei­ne Pau­se. Dann füg­te er tro­cken hin­zu:

»Was wei­ter ge­sch­ah, ist un­schwer zu den­ken. Und ich bil­de mir ein, dass Rex Strangs Arme auch nicht sehr lan­ge leer blei­ben wer­den. Und jetzt – leb wohl!«

»Grant …«, sag­te sie. Sie flüs­ter­te es nur. Und in ih­rer Stim­me ver­bar­gen sich alle die Wor­te, die sie nicht aus­zu­spre­chen brauch­te, um ver­stan­den zu wer­den.

Er ließ ein klei­nes spöt­ti­sches La­chen hö­ren.

»Ich woll­te dir nur zei­gen, dass ich doch nicht so schlimm bin, wie du ge­dacht hast. Glü­hen­de Koh­len, du weißt ja …«

»Grant …«

Er sprang ins Kanu und streck­te ihr eine schlan­ke, ner­vi­ge Hand ent­ge­gen.

»Leb wohl!« sag­te er.

Sie leg­te ihre bei­den Hän­de um die sei­ne.

 

»Du lie­be star­ke Hand«, mur­mel­te sie. Und sie beug­te sich und küss­te die Hand.

Er stieß sie zu­rück, schob das Kanu vom Ufer ab und tauch­te die Pad­del in den schnell strö­men­den Fluss. Dann glitt das Boot in den Bann­kreis des Stru­dels, wo das Was­ser gla­sig quoll, be­vor es in wei­ße Wol­ken bro­deln­den Gisch­tes ver­wan­delt wur­de.

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Das Wort der Männer

Ich will dir sa­gen, was wir tun: »Wir wür­feln dar­um.«

»Ein­ver­stan­den«, sag­te der an­de­re und wand­te sich an den In­dia­ner, der in ei­ner Ecke der Hüt­te saß und Schnee­schu­he aus­bes­ser­te. »Hör, du, Bil­le­be­dam, lauf so schnell du kannst nach der Hüt­te von Ole­son und sag ihm, dass wir sei­nen Wür­fel­be­cher lei­hen möch­ten.«

Die­se plötz­li­che Auf­for­de­rung wäh­rend ei­ner erns­ten Be­spre­chung über Ar­bei­ter­löh­ne und Holz- und Le­bens­mit­tel­prei­se über­rasch­te Bil­le­be­dam. Zu­dem war es sehr früh am Tage, und er hat­te noch nie er­lebt, dass Män­ner von der Art Pent­fields oder Hutchin­sons ge­wür­felt oder ge­spielt hät­ten, ehe die Ar­beit des Ta­ges ge­tan war. Als er aber sei­ne Wan­ten an­zog und zur Tür hin­aus­ging, blieb sein Ge­sicht so aus­drucks­los wie das Ge­sicht ei­nes Yu­kon­in­dia­ners.

Ob­gleich die Uhr schon acht zeig­te, war es drau­ßen noch ganz dun­kel, und in der Hüt­te selbst brann­te eine Talg­ker­ze, die in ei­ner lee­ren Whis­kyfla­sche steck­te. Sie stand auf dem tan­ne­nen Tisch in­mit­ten ei­nes Wirr­warrs von schmut­zi­gen Zinn­tel­lern. Der Talg von un­zäh­li­gen Ker­zen war an dem lan­gen Hals der Fla­sche her­ab­ge­träu­felt und zu ei­nem Glet­scher in Ta­schen­for­mat er­starrt. Der klei­ne Raum, der das In­ne­re der Hüt­te bil­de­te, war so we­nig auf­ge­räumt wie der Tisch. In ei­ner Ecke an der Schirm­wand wa­ren zwei Schlaf­stel­len über­ein­an­der ein­ge­rich­tet. Die De­cken la­gen noch so un­or­dent­lich da wie am Mor­gen, als die bei­den Män­ner aus ih­nen her­aus­ge­kro­chen wa­ren.

La­wrence Pent­field und Cor­ry Hutchin­son wa­ren Mil­lio­näre, ob­gleich sie nicht da­nach aus­sa­hen. Es war gar nichts Au­ßer­ge­wöhn­li­ches an ih­nen zu se­hen, wenn sie auch in je­dem Mi­chig­an­la­ger als her­vor­ra­gen­de Ty­pen von Holz­händ­lern ge­gol­ten hät­ten. Aber drau­ßen in der Dun­kel­heit, wo vie­le Lö­cher in der Ober­flä­che der Erde klaff­ten, wa­ren zahl­rei­che Män­ner da­mit be­schäf­tigt, Schmutz, Kies und Gold aus der Tie­fe die­ser Lö­cher her­auf­zu­ho­len, und an­de­re Män­ner er­hiel­ten fünf­zehn Dol­lar täg­lich, um das al­les aus dem Fels­grund zu krat­zen. Je­den ein­zi­gen Tag wur­den Tau­sen­de von Dol­lars in Gold dort ab­ge­kratzt und an die Ober­flä­che ge­bracht, und al­les ge­hör­te den Her­ren Pent­field und Hutchin­son, die ih­ren Platz un­ter den reichs­ten Gold­kö­ni­gen der Bo­nan­za ein­nah­men.

Pent­field brach zu­erst das Schwei­gen, nach­dem Bil­le­be­dam ge­gan­gen war, in­dem er die schmut­zi­gen Tel­ler wei­ter auf den Tisch schob und auf dem frei ge­mach­ten Raum einen Zap­fen­streich mit sei­nen Knö­cheln schlug. Hutchin­son putz­te die bla­ken­de Ker­ze und rieb den Ruß nach­denk­lich mit Dau­men und Zei­ge­fin­ger vom Docht.

»Ich möch­te wirk­lich, Teu­fel noch mal, dass wir bei­de aus die­sem Dreck her­aus­kämen!« rief er plötz­lich. »Dann wür­de al­les wie­der in Ord­nung sein.«

Pent­field blick­te ihn düs­ter an.

»Wenn dei­ne ver­fluch­te Hart­nä­ckig­keit nicht wäre, wür­de es so­wie­so in Ord­nung sein. Du brauchst doch nur auf­zu­ste­hen und zu fah­ren. Ich wer­de in­zwi­schen nach dem Rech­ten se­hen, und nächs­tes Jahr rei­se ich dann.«

»Wa­rum soll­te ich weg­ge­hen? Ich habe nie­mand, der auf mich war­tet.«

»Dei­ne Fa­mi­lie«, un­ter­brach Pent­field ihn grob.

»Ganz wie bei dir«, fuhr Hutchin­son fort. »Ein Mä­del, mei­ne ich, und das weißt du auch …«

Pent­field zuck­te fins­ter die Ach­seln. »Sie kann war­ten, den­ke ich.«

»Aber jetzt war­tet sie schon zwei Jah­re.«

»Und ein drit­tes wird sie nicht über­mä­ßig äl­ter ma­chen.«

»Das wä­ren also drei Jah­re! Denk dar­an, al­ter Kna­be, drei Jah­re an die­sem Ende der Erde, die­sem Ab­la­de­platz der Ver­damm­ten.« Hutchin­son hob sei­nen Arm und stieß einen Seuf­zer aus, der fast wie Wor­te klang.

Er war ei­ni­ge Jah­re jün­ger als sein Part­ner, nicht äl­ter als sechs­und­zwan­zig Jah­re, und doch stand eine ge­wis­se Schwer­mut in sei­nem Ge­sicht ge­schrie­ben – jene Schwer­mut, wel­che die Ge­sich­ter von Män­nern prägt, die sich ver­geb­lich nach et­was seh­nen, das ih­nen lan­ge vor­ent­hal­ten wird. Die­sel­be Schwer­mut stand auch in Pent­fields Ge­sicht ge­schrie­ben und hat­te sich in sei­nem Ach­sel­zu­cken aus­ge­drückt.

»Mir träum­te heu­te Nacht, ich wäre bei Zin­kand«, sag­te er. »Die Mu­sik spiel­te, Glä­ser klirr­ten, Stim­men summ­ten, Frau­en lach­ten, und ich selbst be­stell­te Eier – ja, mein Lie­ber, Eier, Spie­ge­lei­er und hart­ge­sot­te­ne Eier und wei­che Eier und Rührei­er und Eier auf jede denk­ba­re Art zu­be­rei­tet. Und ich ver­schlang sie eben­so schnell, wie sie mir ge­bracht wur­den.«

»Ich wür­de Sala­te und Ge­mü­se be­stellt ha­ben«, kri­ti­sier­te Hutchin­son hung­rig. »Dazu einen mäch­ti­gen, blu­ti­gen Bra­ten und jun­ge Zwie­beln und Ra­dies­chen, so knusp­rig, weißt du, die knacken, wenn man sie zwi­schen die Zäh­ne kriegt.«

»Ich hät­te das wahr­schein­lich auch nach den Ei­ern be­stellt, wenn ich nicht auf­ge­wacht wäre«, ant­wor­te­te Pent­field.

Er nahm ein von den Fahr­ten stark mit­ge­nom­me­nes Ban­jo vom Fuß­bo­den und be­gann ei­ni­ge un­zu­sam­men­hän­gen­de Töne zu klim­pern. Hutchin­son wur­de un­ru­hig und at­me­te schwer.

»Lass das …«, platz­te es in plötz­li­cher Wut aus ihm her­aus. »Lass das, zum Teu­fel! Es macht mich ver­rückt. Ich hal­te es nicht mehr aus.«

Pent­field schleu­der­te das Ban­jo auf das eine Bett und zi­tier­te:

»Hör mich flüs­tern, was der Schwächs­te nicht ge­steht:

Ich bin ja Ver­gan­gen­heit und Qual: die Stadt!

Ich bin al­les, was in Abend­klei­dung geht!«

Der an­de­re Mann rück­te auf sei­nem Platz hin und her und stütz­te schließ­lich sei­nen Kopf auf den Tisch. Pent­field nahm wie­der das ein­tö­ni­ge Trom­meln mit den Knö­cheln auf. Ein lau­tes Knacken der Tür er­reg­te sei­ne Auf­merk­sam­keit. Der Frost kroch wie ein wei­ßes La­ken an der In­nen­sei­te em­por. Pent­field be­gann lei­se vor sich hin zu sin­gen:

»Die Vö­gel sam­meln sich zum Zug,

zu Mee­re schwimmt der Lachs, und kahl

sind alle Bäu­me. Und wir zwei mein

Kind, wo hau­sen wir ein­mal?«

Wie­der herrsch­te Schwei­gen, das erst ge­bro­chen wur­de, als Bil­le­be­dam kam und den Wür­fel­be­cher brach­te.

»Sehr kalt«, sag­te er … »Ole­son sa­gen mir, Yu­kon sein heu­te Nacht zu­ge­fro­ren.«

»Hörst du, al­ter Freund!« rief Pent­field und klopf­te Hutchin­son auf die Schul­ter. »Wer ge­winnt, darf mor­gen früh um die­se Zeit nach dem Lan­de Got­tes ab­fah­ren!«

Er hob den Be­cher und ließ die Wür­fel fröh­lich ras­seln.

»Was spie­len wir?«

»Rich­ti­ges Po­ker­wür­feln«, ant­wor­te­te Hutchin­son.

»Los, lass sie rol­len!«

Pent­field schob die Tel­ler mit lau­tem Ge­klirr vom Tisch hin­un­ter und warf alle fünf Wür­fel. Bei­de sa­hen eif­rig hin. Der Wurf war ohne Paa­re und ein Fün­fer die höchs­te Zahl.

»Nie­te«, seufz­te Pent­field.

Nach lan­gem Zö­gern nahm Pent­field alle fünf Wür­fel vom Tisch auf und leg­te sie in den Be­cher.

»Ich wür­de an dei­ner Stel­le auf den Fün­fer hal­ten«, schlug Hutchin­son vor.

»Nein, das wür­dest du nicht, wenn du die­ses siehst«, ant­wor­te­te Pent­field und wür­fel­te wie­der. Wie­der kam kein Paar, die Wür­fel zeig­ten aber dies­mal in un­un­ter­bro­che­ner Rei­hen­fol­ge zwei bis sechs.

»Das war mein zwei­ter Wurf«, seufz­te er. »Du brauchst gar nicht zu wür­feln, Cor­ry. Du kannst gar nicht mehr ver­lie­ren.«

Der an­de­re schob ohne ein Wort die Wür­fel zu­sam­men, schüt­tel­te den Be­cher und ließ sie in ei­nem Bo­gen auf den Tisch fal­len. Dann sah er, dass in dem Wurf eben­falls nur ein Sech­ser war.

»Eben­so­viel wie du, das schon, aber ich muss es bes­ser ma­chen«, sag­te er, nahm die vier Wür­fel und ließ die Sechs lie­gen. »Aber jetzt bist du hin!«

Aber sie roll­ten und zeig­ten zwei, drei, vier und fünf also auch nur eine Nie­te und we­der bes­ser noch schlech­ter als Pent­fields Wür­fe.

Hutchin­son seufz­te.

»Kommt nicht ein­mal un­ter Mil­lio­nen Wür­fen vor«, sag­te er.

»Auch nicht in Mil­lio­nen Le­ben«, füg­te Pent­field hin­zu. Dann nahm er den Wür­fel­be­cher und warf schnell. Drei Fün­fer er­schie­nen, und als er nach ei­ni­gem Zö­gern zum zwei­ten Mal warf, er­hielt er einen vier­ten Fün­fer. Hutchin­son schi­en jede Hoff­nung auf einen Sieg auf­ge­ben zu sol­len.

Aber schon beim ers­ten Wurf er­hielt er drei Sech­ser. Ein großer Zwei­fel tauch­te in den Au­gen des an­de­ren auf, wäh­rend er selbst wie­der Hoff­nung schöpf­te. Er hat­te noch einen Wurf üb­rig. Noch eine Sechs – und er konn­te über das Eis nach dem sal­zi­gen Mee­re und den Staa­ten wan­dern!

Er schüt­tel­te die Wür­fel im Be­cher, tat, als ob er wer­fen woll­te, zö­ger­te und schüt­tel­te sie noch ein­mal.

»Na, los, los doch! Brauch nicht den gan­zen Tag dazu«, rief Pent­field ein we­nig scharf, sei­ne Nä­gel bo­gen sich, so fest drück­te er die Fin­ger ge­gen die Tisch­plat­te, um sei­ne Er­re­gung zu be­herr­schen.

Der Wür­fel roll­te; eine Sechs be­geg­ne­te ih­ren Bli­cken. Bei­de Män­ner sa­ßen da und starr­ten sie an. Hutchin­son warf einen ver­stoh­le­nen Blick auf sei­nen Part­ner, der ihn – noch ver­stoh­le­ner – auf­fing und den Mund ver­zog, um zu zei­gen, wie gleich­gül­tig es ihm sei.

Hutchin­son lach­te, als er auf­stand. Es war ein ner­vö­ses, ängst­li­ches La­chen. Hier schi­en es fast un­an­ge­neh­mer zu ge­win­nen, als zu ver­lie­ren. Er trat zu sei­nem Part­ner, der ihm über­mü­tig zu­rief: »Jetzt hör aber auf, Cor­ry. Ich weiß schon ge­nau, was du sa­gen willst: Dass du lie­ber blei­ben und mich rei­sen las­sen willst und der­glei­chen. Brauchst es also gar nicht erst zu sa­gen. Du hast dei­ne Fa­mi­lie in De­troit, die du be­su­chen kannst, und das ge­nügt. Au­ßer­dem kannst du ja das ein­zi­ge für mich er­le­di­gen, was ich be­sorgt hät­te, wenn ich selbst ge­fah­ren wäre …«

»Und das ist?«

Pent­field las die gan­ze Fra­ge in den Au­gen sei­nes Part­ners und ant­wor­te­te:

»Ja­wohl, eben das ist ’es. Bring sie mit hier­her. Der gan­ze Un­ter­schied be­steht also dar­in, dass wir in Daw­son und nicht in San Fran­zis­ko Hoch­zeit hal­ten …«

»Aber, lie­ber Jun­ge«, wand­te Cor­ry Hutchin­son ein. »Wie in al­ler Welt soll ich sie denn hier­her­brin­gen? Wir sind doch nicht Bru­der und Schwes­ter. Und die Sa­che ist umso schlim­mer, als ich sie ja noch gar nicht ge­se­hen habe. Au­ßer­dem wäre es auch nicht ganz ein­fach, zu­sam­men zu rei­sen, weißt du. Na­tür­lich wür­de es ja al­les in Ord­nung sein – das wis­sen wir bei­de ja am bes­ten. Aber be­den­ke doch, wie es nach au­ßen hin aus­se­hen wür­de, Mensch!«

Pent­field fluch­te in sei­nen Bart und wünsch­te das »Aus­se­hen« nach ei­ner we­ni­ger küh­len Ge­gend als Alas­ka.

»Wenn du mal zu­hö­ren und dich nicht gleich auf das hohe Roß set­zen woll­test«, sag­te sein Part­ner. »Dann wirst du mer­ken, dass das ein­zi­ge An­stän­di­ge, das ich un­ter die­sen Um­stän­den tun kann, wäre, dich statt mei­ner die­ses Jahr rei­sen zu las­sen. Es ist ja nur ein Jahr bis zum nächs­ten Jahr, und dann wer­de ich mei­nen Aus­flug ma­chen …«

Pent­field schüt­tel­te den Kopf, ob­gleich man se­hen konn­te, dass er bei die­ser Ver­su­chung schwank­te.

»Es geht nicht, Cor­ry, al­ter Bur­sche. Ich weiß dei­ne Freund­lich­keit zu schät­zen und so wei­ter, aber es geht nicht. Ich wür­de mich jede Stun­de bei dem Ge­dan­ken schä­men, dass du hier an mei­ner Stel­le schuf­ten müss­test.«

Plötz­lich schi­en ihm ein Ge­dan­ke zu kom­men. Er such­te in sei­nem Bett und brach­te es in sei­nem Ei­fer ganz in Un­ord­nung, fand aber schließ­lich doch eine Schreib­un­ter­la­ge und einen Blei­stift, setz­te sich an den Tisch und be­gann schnell und si­cher zu schrei­ben.

 

»Hier«, sag­te er, als er den schnell hin­ge­krit­zel­ten Brief sei­nem Part­ner über­reich­te. »Das brauchst du nur ab­zu­lie­fern, und die Sa­che ist in Ord­nung.«

Hutchin­son ließ sei­nen Blick dar­über schwei­fen und leg­te es wie­der auf den Tisch.

»Aber wie kannst du wis­sen, dass ihr Bru­der be­reit ist, die nie­der­träch­ti­ge Rei­se hier­her zu ma­chen?« frag­te er.

»Oh, er wird es schon für mich tun – für mich und sei­ne Schwes­ter«, ant­wor­te­te Pent­field. »Er ist ein Chechaquo, weißt du, und ich wür­de sie ihm al­lein nicht an­ver­trau­en. Aber mit dir zu­sam­men ist es ja eine leich­te und ganz si­che­re Rei­se. So­bald du an­ge­kom­men bist, gehst du zu­erst zu ihr und be­rei­test sie vor. Dann kannst du zu dei­ner ei­ge­nen Fa­mi­lie im Os­ten fah­ren, und im Früh­ling wer­den sie und ihr Bru­der dann be­reit sein, mit dir zu rei­sen. Sie wird dir sehr gut ge­fal­len, das weiß ich, auf den ers­ten Blick so­gar. Und hier­nach wirst du sie er­ken­nen, so­bald du sie siehst.«

Er öff­ne­te die Kap­sel sei­ner Uhr und zeig­te ihm das an der In­nen­sei­te des De­ckels auf­ge­kleb­te Bild ei­nes jun­gen Mäd­chens. Cor­ry Hutchin­son be­trach­te­te sie, und Be­wun­de­rung trat in sei­ne Au­gen.

»Ma­bel heißt sie«, fuhr Pent­field fort. »Und es ist viel­leicht gut, dass du gleich weißt, wo du ihr Haus zu fin­den hast. So­bald du in San Fran­zis­ko an­ge­kom­men bist, nimmst du eine Drosch­ke und sagst nur: ›Hol­mes­platz, Myr­don Ave­nue.‹ Ich glau­be nicht ein­mal, dass es nö­tig ist, Myr­don Ave­nue hin­zu­zu­fü­gen. Der Drosch­ken­kut­scher wird schon wis­sen, wo Rich­ter Hol­mes wohnt.«

»Und weißt du«, füg­te Pent­field nach ei­ner Pau­se hin­zu, »es wäre kei­ne schlech­te Idee, wenn du mir noch ei­ni­ge Sa­chen mit­brin­gen woll­test, die … hm …«

»Ein ver­hei­ra­te­ter Mann muss sei­ne Sa­chen in Ord­nung ha­ben«, platz­te Hutchin­son grin­send her­aus. Pent­field grins­te eben­falls.

»Na­tür­lich – Ser­vi­et­ten und Tisch­tü­cher, La­ken und Kis­sen­be­zü­ge und der­glei­chen. Und bring eine Gar­ni­tur aus gu­ter Sei­de mit. Weißt du, es ist ja kein Spaß für sie, sich hier nie­der­zu­las­sen. Du kannst das gan­ze Zeugs mit dem Damp­fer durch die Be­ring­stra­ße schi­cken. Und wie wäre es mit ei­nem Kla­vier?«

Hutchin­son fand die­se Idee glän­zend. Sein Wi­der­stand war ver­schwun­den, und er be­gann, sich für sei­ne Mis­si­on zu er­wär­men.

»Weiß Gott, La­wrence«, sag­te er, als die Be­ra­tung vor­bei war und sie bei­de auf­stan­den. »Ich wer­de dir dein Mä­del in der rich­ti­gen Auf­ma­chung her­brin­gen. Ich wer­de das Ko­chen be­sor­gen und für die Hun­de sor­gen, und ihr Bru­der braucht nur für ihre Be­quem­lich­keit zu sor­gen und al­les zu tun, was ich etwa ver­ges­sen soll­te. Und ich wer­de ver­flucht we­nig ver­ges­sen, dar­auf kannst du dich ver­las­sen.«

Am nächs­ten Tage schüt­tel­te ihm La­wrence Pent­field zum letz­ten Male die Hand und folg­te ihm mit den Bli­cken, als er mit sei­nen Hun­den den zu­ge­fro­re­nen Yu­kon auf­wärts in der Rich­tung der sal­zi­gen See und der großen Welt ver­schwand. Pent­field ging zu sei­ner Bo­nanz­a­mi­ne zu­rück, die ihm jetzt tau­send­mal trau­ri­ger als sonst er­schi­en, aber er sah dem lan­gen Win­ter tap­fer ent­ge­gen. Es gab Ar­beit ge­nug zu tun, Män­ner muss­ten be­auf­sich­tigt, An­lei­tun­gen für das Schür­fen nach der un­re­gel­mä­ßi­gen Golda­der ge­ge­ben wer­den. Aber sein Herz war nicht bei die­ser Ar­beit. Er hat­te über­haupt kein In­ter­es­se für ir­gend­wel­che Ar­beit, be­vor die auf­ge­sta­pel­ten Stäm­me für die neue Hüt­te, die auf dem Hü­gel hin­ter der Mine er­baut wer­den soll­te, ein­gerammt wur­den. Es soll­te eine große Hüt­te wer­den, recht ge­müt­lich und in drei schö­ne Räu­me ge­teilt. Je­der Stamm mit der Hand ge­ho­belt und vier­e­ckig zu­ge­schnit­ten – ein kost­spie­li­ger Ein­fall, da die Ar­bei­ter einen Ta­ge­lohn von fünf­zehn Dol­lar er­hiel­ten. Aber nichts er­schi­en ihm zu kost­spie­lig, wenn es sich um das Heim han­del­te, in dem Ma­bel Hol­mes le­ben soll­te.

So ging er also an den Bau der Hüt­te und sang da­bei: »Und wir zwei – mein Kind, wo hau­sen wir ein­mal?« Er hat­te auch einen Ka­len­der an die Wand über den Tisch ge­hängt, und das ers­te, was er je­den Mor­gen tat, war, dass er den Tag durch­strich und nach­zähl­te, wie vie­le Tage es noch dau­er­te, bis sein Part­ner im Früh­ling das Yu­koneis her­ab­ges­aust käme. Eine an­de­re Idee, die er hat­te, be­stand dar­in, dass nie­mand in der Hüt­te am Hü­gel schla­fen durf­te. Sie muss­te jung­fräu­lich da­ste­hen, bis sie be­zo­gen wur­de, wie es auch die vier­e­cki­gen ge­ho­bel­ten Stäm­me aus fri­schem Holz wa­ren. Und als sie fer­tig da­stand, ließ er ein großes Schloss an der Tür be­fes­ti­gen. Kein an­de­rer als er selbst durf­te ein­tre­ten, und er ge­wöhn­te sich dar­an, vie­le Stun­den dort zu ver­brin­gen. Und wenn er die Hüt­te ver­ließ, strahl­te sein Ge­sicht wie eine Son­ne, und ein war­mes, fro­hes Licht leuch­te­te in sei­nen Au­gen.

Im De­zem­ber er­hielt er einen Brief von Cor­ry Hutchin­son. Er hat­te ge­ra­de Ma­bel Hol­mes ken­nen­ge­lernt. Sie sei ge­nau, wie sie sein soll­te, um La­wrence Pent­fields Gat­tin zu wer­den, schrieb er. Er war be­geis­tert, und sein Brief brach­te das Blut in den Adern Pent­fields zum Brau­sen. An­de­re Brie­fe folg­ten, ei­ner un­mit­tel­bar auf den an­de­ren, und manch­mal zwei oder drei auf ein­mal, wenn der Damp­fer die Post sack­wei­se brach­te. Und alle wa­ren im sel­ben Ton ge­hal­ten. Cor­ry war so­eben von der Myr­don Ave­nue ge­kom­men, Cor­ry war ge­ra­de un­ter­wegs nach der Myr­don Ave­nue, oder Cor­ry war in der Myr­don Ave­nue. Und er blieb län­ger und im­mer län­ger in San Fran­zis­ko, und von der Rei­se nach De­troit war über­haupt nicht mehr die Rede.

La­wrence Pent­field be­gann zu fin­den, dass sein Part­ner doch ziem­lich viel Zeit in Ma­bels Ge­sell­schaft ver­brach­te, wenn man be­dach­te, dass er sei­ne Fa­mi­lie im Os­ten be­su­chen woll­te. Er er­tapp­te sich so­gar da­bei, dass er sich bis­wei­len dar­über gräm­te, wenn er sich auch mehr ge­grämt ha­ben wür­de, wenn er Ma­bel und Cor­ry nicht so gut ge­kannt hät­te. An­de­rer­seits hat­ten Ma­bels Brie­fe im­mer so viel von Cor­ry zu er­zäh­len. Es ging auch als ro­ter Fa­den durch sämt­li­che Brie­fe eine ge­wis­se Furcht, ja, bei­na­he ein Un­wil­le vor der Fahrt über das Eis und der Hoch­zeit in Daw­son. Pent­field ant­wor­te­te herz­lich und ver­lach­te ihre Furcht, denn er glaub­te, dass eher phy­si­sche Angst vor den Ge­fah­ren und Ent­beh­run­gen da­hin­ter steck­te, und ver­stand nicht, dass nur frau­en­haf­te Scheu sie dik­tier­te.

Je­doch der lan­ge Win­ter und das un­er­träg­li­che War­ten, dem schon zwei lan­ge Win­ter vor­aus­ge­gan­gen wa­ren, üb­ten doch einen großen Ein­fluss auf sei­ne Stim­mung aus. Die Beauf­sich­ti­gung der Ar­bei­ter und das In­ter­es­se für die Golda­der konn­ten die Lan­ge­wei­le des täg­li­chen Ei­ner­leis nicht un­ter­bre­chen, und ge­gen Ende Ja­nu­ar mach­te er ver­schie­de­ne Aus­flü­ge nach Daw­son, wo er sie für eine Wei­le an den Spiel­ti­schen ver­ges­sen konn­te. Und da er einen Ver­lust er­tra­gen konn­te, ge­wann er na­tür­lich, und »Pent­fields Glück« wur­de eine ste­hen­de Re­dens­art un­ter den Pha­ra­o­spie­lern.

Sein Glück folg­te ihm bis in die zwei­te Wo­che vom Fe­bru­ar. Wie lan­ge es ihm sonst ge­folgt wäre, ist schwer zu sa­gen, denn da hör­te er, nach ei­nem grö­ße­ren Ge­winn, über­haupt auf zu spie­len.

Es war in der Oper, und eine Stun­de hat­te es schon aus­ge­se­hen, als ob er auf kei­ne Kar­te set­zen könn­te, ohne zu ge­win­nen. In ei­ner Pau­se, als ge­ra­de ein Spiel be­en­det war, und wäh­rend der Crou­pier die Kar­ten zu­sam­men­raff­te, be­merk­te Nick In­wood, der Be­sit­zer der Spiel­höl­le, ohne Zu­sam­men­hang: »Hö­ren Sie, Pent­field, Ihr Part­ner macht aber schö­ne Ge­schich­ten in den Staa­ten!«