Reisen zur Entdeckung des Nils

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2. KAPITEL
Unerfreuliches und gefährliches Verweilen in Massaua

Massaua, was so viel wie Hafen oder Wohnort der Hirten bedeutet, ist eine kleine Insel unmittelbar vor der abessinischen Küste, versehen mit einem ausgezeichneten Hafen, der bis dicht ans Ufer heran tief genug ist für Schiffe jeglicher Größe. Diese können hier sicher vor Anker liegen, der Wind mag dabei noch so stark wehen, aus welcher Richtung auch immer.

Die Insel selbst ist sehr klein, kaum eine Dreiviertelmeile lang und eine halbe breit. Ein Drittel der Fläche nehmen die Häuser ein, das zweite die Zisternen zum Auffangen des Regenwassers, und das letzte Drittel dient als Begräbnisplatz für die Toten. In der Stadt findet man eine beträchtliche Menge von Waren, die zur Ausfuhr bestimmt sind. Diese Waren stammen durchweg aus den umliegenden weitläufigen Gebirgsgegenden, wohin Ausländer wegen der Ungeselligkeit ihrer Bewohner nur sehr selten gelangen.

Die wichtigsten Artikel, die in früheren Zeiten von hier ausgeführt wurden, waren Elfenbein, Gold, Elefanten- und Büffelhäute und vor allem Sklaven. Letztere waren das wichtigste Ausfuhrgut, denn die hier gehandelten wiesen bessere Eigenschaften auf als Menschen anderer Abstammung, die mit ihnen dieses unglückliche Schicksal teilten. Und längs der Küste wurden Perlen von vorzüglicher Größe gefunden, ferner gab es hier eine Reihe guter Wasserstellen. Wegen des günstigen Ankerplatzes und der Vielzahl von Waren, die man hier bekommen konnte, entwickelte sich Massaua zu einem bedeutenden Ort des Warenumschlags in dieser Gegend, trotz des hier herrschenden Wassermangels, der das Leben der Menschen hier seit Weltenbeginn erschwert. Solange der Handel blühte, war Massaua eine Stadt voller Leben. Seit ihrer Unterdrückung durch die Türken freilich sank sie mehr und mehr zur Bedeutungslosigkeit herab. Die Türken hatten nämlich letzte Hand gelegt an den Ruin des Handels im Roten Meer, nachdem dieser mit der Umschiffung des Kaps der Guten Hoffnung einige Jahre zuvor und mit den Niederlassungen der Portugiesen auf dem indischen Festland seinen Anfang genommen hatte.


Massaua

Der erste türkische Statthalter von Massaua war ein Pascha, der aus Konstantinopel hergeschickt worden war. Eine Zeit lang waren von Massaua aus verschiedene Versuche zur Eroberung von Abessinien unternommen worden, freilich niemals mit durchschlagendem Erfolg. Der Ort verlor also nicht nur seine frühere Bedeutung als Handelsumschlagplatz, sondern auch im Hinblick auf die militärische Besetzung, sodass die Türken mit der Zeit zu der Auffassung gelangten, es lohne sich nicht länger der Aufwand, hier eine eigene Regierung unter einem Pascha zu unterhalten.

Der wichtigste Beistand, welcher den Türken bei der Eroberung von Massaua geleistet wurde, kam von den Belowee, einem mohammedanischen Hirtenstamm, welcher an der Küste des Roten Meeres bei den Bergen von Habab um den 14. Breitengrad wohnte. Zur Belohnung für diese Hilfe räumten die Türken deren Häuptling die bürgerliche Regierung von Massaua und dem dazugehörigen Gebiet unter dem Titel eines Naybe von Massaua ein; und nach dem Abzug des Paschas blieb dieser im Grunde unumschränkter Herr des Ortes. Um jedoch wenigstens zum Schein die türkische Oberherrschaft zu wahren, wurde dem türkischen Sultan ein jährlicher Tribut versprochen, wofür der Naybe einen Firman von der Pforte erhielt. Das einmal auf die Insel verlegte Janitscharenkorps, weiterhin seinen Sold aus Konstantinopel beziehend, blieb freilich hier. Die Janitscharen verbanden sich mit den Weibern dieses Landes, und die Söhne wurden wieder Janitscharen und behielten den Sold. Durch Heiraten untereinander wurden sie mit der Zeit Eingeborene von Massaua und waren gewöhnlich miteinander verwandt.

Dem Naybe war bewusst, dass er von seinen Beschützern, den Türken in Arabien auf der anderen Seite des Roten Meeres, sehr weit entfernt war, zumal ihre Besatzungen zahlenmäßig täglich abnahmen und oft sogar gänzlich abgezogen wurden. Zudem wusste er, wie sehr er von der Gewalt der Abessinier, seiner Feinde und nächsten Nachbarn, abhing. Er sah also ein, dass es besser war, sich im eigenen Land Sicherheit zu verschaffen und sich denjenigen, in deren Händen er war, gefällig zu zeigen. Es wurde also abgemacht, dass der Naybe die eine Hälfte der Abgaben und Zölle an den König von Abessinien auszahlen sollte, wofür dieser ihn in seiner Statthalterschaft nicht beeinträchtigen wollte. Es ist bereits gesagt worden, dass Massaua an völligem Wassermangel litt und alle Arten von Lebensmitteln nirgendwo anders herbekommen könnte als aus dem gebirgigen Land von Abessinien.

Nachdem sich der Naybe der Freundschaft Abessiniens versichert hatte, begann er bei der täglich abnehmenden Macht der Türken in Arabien sich allmählich der Entrichtung des Tributs an den Pascha von Jidda, zu dessen Statthalterschaft die seine geschlagen worden war, zu entziehen. Er nahm den Firman nur der Form halber an, machte dafür Geschenke von geringem Wert, dachte aber an keinen Tribut; und in unruhigen Zeiten, oder wenn in Tigre ein schwacher Statthalter saß, bezahlte er gar nichts, weder an den Pascha einen Tribut noch an den König von Abessinien den versprochenen Anteil der Zölle. So war der Stand der Dinge, als ich in Abessinien ankam. Es hatte eine große Revolution in diesem Reich gegeben, deren wichtigster Urheber Michael gewesen war. Als er nach Gondar gerufen und dort zum Minister gemacht wurde, blieb die Provinz Tigre ohne Truppen und ohne Statthalter.

Der neue König Hatze Hannes11, den Michael nach Joas Ermordung auf den Thron gesetzt hatte, war nicht aus jenem Holz geschnitzt, der Regierung neues Leben zu geben. Hannes war bei seiner Thronbesteigung über siebzig Jahre alt, Michael, sein Minister, war lahm und fast schon achtzig. Der Naybe, ein Mann von achtundvierzig Jahren, beurteilte danach die abessinische Regierung; damit sollte er sich freilich auf einem gewaltigen Irrweg befinden.

Michael hatte ihm bereits kundgetan, dass er im nächsten Feldzug Arkeeko und Massaua so verheeren wolle, bis beide Städte der Wüste von Samhar gleichkämen. Weil man wusste, dass er in seinem ganzen Leben Versprechungen dieser Art sehr genau gehalten hatte, flohen viele der ausländischen Kaufleute nach Arabien. Dessen ungeachtet ließ der Naybe öffentlich keine Furcht erkennen und schickte keinen Heller, weder an den König von Abessinien noch an den Pascha von Jidda.

Der türkische Pascha hatte den Metical Aga beauftragt, Michael vom Verhalten des Naybe Nachricht zu geben und ihn um Beistand zur Durchsetzung der Forderungen zu bitten. Zu gleicher Zeit ließ er den Naybe auch wissen, dass er nicht nur dieses getan habe, sondern überdies im folgenden Jahr in ganz Arabien den Befehl ausgeben werde, die mohammedanischen Kaufleute wie auch die Güter festzuhalten, die nach Arabien kämen. Zugleich mit dieser Nachricht schickte er den Firman aus Konstantinopel und verlangte die Bezahlung des Tributs und außerdem Geschenke.

Der im vorigen Kapitel erwähnte Abd el-Kader, der die Botschaft und den Firman überbrachte und Statthalter auf der Insel Dahalac war, war zusammen mit mir losgesegelt und dabei Zeuge der Ehrungen geworden, die meinem Schiff beim Auslaufen aus dem Hafen von Jidda zuteilgeworden waren. Weil er direkt nach Massaua hinübersegelte und lange vor mir dort eintraf, hatte er genügend Zeit, das, was er gesehen hatte, mit vielen Übertreibungen zu erzählen: Ein Prinz und sehr naher Verwandter des Königs von England werde kommen, der kein Handelsmann sei, sondern nur die Länder und ihre Einwohner betrachten wolle.

Der Naybe hatte, wie wir später erfuhren, oft mit seinen Ratgebern überlegt, was mit diesem Prinzen zu machen sei. Einige waren für den kürzesten und in Massaua üblichen Weg der Behandlung von Fremden, nämlich sie zu ermorden und ihre Habseligkeiten unter sich aufzuteilen. Andere drangen darauf, zu warten und erst zu sehen, was für Briefe ich aus Arabien nach Abessinien mitbrächte, damit dieser Mord das Ungewitter nicht noch schlimmer mache, welches vonseiten des Metical Aga und Michael Suhul im Begriff war, über sie hereinzubrechen.

Aber Achmet, der Neffe des Naybe, wandte dagegen ein, dass es eine Torheit wäre, zu glauben, ein Mann wie ich hätte keinerlei Schutz. Ich möge aber nun welchen haben oder nicht, mein Rang müsse mich doch an jedem Ort, wo nur irgendeine Regierung sei, schützen, sogar unter Mördern und Dieben, die sich in den Wäldern und Bergen aufhielten. Es sei schon genug Blut von Fremden des Plünderns wegen vergossen worden, und er glaube, Fluch und Armut seien die Folge davon gewesen. Diejenigen, die das Kanonieren der Schiffe gehört hätten, könnten unmöglich wissen, ob ich Geleitbriefe nach Abessinien hätte oder nicht. Es wäre besser, zu erwägen, ob ich nicht bei den Kapitänen, welche die Kanonen abgefeuert hätten, in hohem Ansehen stünde, weil die Hälfte der mir zu Ehren abgefeuerten Schüsse ausreichte, sie alle zugrunde zu richten und Arkeeko und Massaua so zu verwüsten, wie Michael Suhul es angedroht habe. Eine solche Rache würde die nächstes Jahr nach Jidda kommenden Schiffe nur einen Umweg von einem Tag kosten, und weil ein reichlicher Wasservorrat südwestlich der Bai sei, könnte diese Zerstörung an einem Nachmittag geschehen und alle Jahre ohne Schwierigkeiten, Gefahren und Kosten während der Zeit, da die Schiffe Wasser einnähmen, wiederholt werden.

Achmet erklärte also, sein Entschluss gehe dahin, dass man mich mit Achtung aufnehmen und teils aus meinen Briefen, teils aus der Unterredung mit mir erst ersehen solle, was für eine Art von Mann ich sei und mit welcher Absicht ich käme: Wenn ich ein Kaufmann und kein Priester oder Franke12 wäre, die nur kämen, um die Ruhe im Land zu stören, so wolle er nicht zulassen, dass mir eine persönliche Beleidigung widerfahre, wäre ich aber wirklich ein Priester oder einer von den Franken, so möchten sie mich zur Hölle schicken, wenn sie es für gut befänden, und er wolle dann nichts damit zu tun haben.

 

Ehe mein Schiff ankam, waren diese Entschlüsse bereits gefasst, und wenn ich auch mutmaßte, dass das Wehen der Flaggen und der Salut mit Kanonenschüssen beim Abschied mich in diese Gefahr brachten, so kann man doch vielleicht mit größerem Grund annehmen, dass die gütige Vorsehung sich dieses Mittels bediente, um mein Leben aus dieser Mördergrube für Fremde zu retten.

Achmets Vater war früher Naybe gewesen, und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Regierung musste die Souveränität nach dem Tod des jetzigen Inhabers auf ihn zurückfallen, umso mehr, als die Söhne des regierenden Naybe alle von den Blattern hingerafft worden waren und Achmet zweifellos als sein Sohn und Nachfolger angesehen werden musste. Dazu kam, dass dem Naybe eine Seite durch einen Schlag gelähmt war, was ihn sehr an seiner Tätigkeit, außer im Tun von Bösem, hinderte. Wenn es darauf ankam, konnte ich nicht die geringste Schwäche an ihm bemerken. Dies alles verschaffte Achmet den größten Einfluss. Es wurde also beschlossen, dass mein Schicksal in seine Hände gelegt werden sollte. Die anderen sollten nur Zuschauer sein.

Wir langten am 19. September 1769 in Massaua an, waren der See sehr überdrüssig und sehnten uns an Land. Weil es jedoch Abend war, hielt ich es für ratsamer, an Bord zu schlafen, um den ganzen Tag, weil der erste nach der Ankunft immer der geschäftigste ist, vor uns zu haben. Die Nacht über wollten wir von unseren Freunden einige Nachrichten einholen, weil sie es vielleicht nicht wagten, uns bei Tag zu besuchen, zumindest nicht, ehe man gehört hatte, wozu sich der Naybe unseretwegen entschlossen hatte.

Mahomet Gibberti, ein Mann, der ganz auf unserer Seite stand und der nicht nur wusste, welchen Verdacht wir gegen den Naybe hegten, sondern auch, wie wir uns ihm gegenüber zu verhalten gedachten, ging des Abends an Land. Weil er selbst ein Abessinier war und folglich Verbindungen in Massaua hatte, schickte er noch in derselben Nacht einen Boten nach Adowa, der Hauptstadt von Tigre, ab, welcher die Briefe mitnahm, die von äußerster Wichtigkeit für mich waren. Er sollte unseren Freund Janni, einem Griechen und zuverlässigen Diener des Statthalters Michael von Tigre, Nachricht von unserer Ankunft geben. Ferner schickte er auch die Briefe von Metical Aga an Ras Michael und einen Brief in griechischer Sprache an Janni, worin wir ihm von unserer Angst vor dem Naybe berichteten und ihn baten, so schnell wie möglich einen zuverlässigen Mann zu schicken, der uns schützen oder wenigstens ein Augenzeuge von dem, was uns widerfahren würde, sein könnte. Wir ersuchten ihn außerdem, den Hof von Abessinien zu benachrichtigen und dort zu melden, dass wir Briefe an den König und Ras Michael bei uns hätten.

Mahomet Gibberti erledigte diesen Auftrag mit der Aufrichtigkeit eines ehrlichen Mannes, der den Befehlen seines Herrn folgt und sonst von niemandem abhängig ist. Er wandte sich an Mahomet Adulai, den sowohl Ras Michael als auch der Metical Aga als Spion bei dem Naybe sitzen hatten, und dieser hatte immer treue und zuverlässige Boten bei der Hand.

Der Kurier, welcher selbst einen Freund und Korrespondenten unter den Shiho hatte, reiste auf den besten und ihm wohlbekannten Wegen, dabei sicherheitshalber auch noch von Gefährten begleitet, bis er nach fünf Tagen beim Zollhaus in Adowa ankam und dort die Briefe an unseren Freund Janni ablieferte.

Janni, der sich damals in Tigre aufhielt, war ein Mann von ausgezeichnetem Lebenswandel und moralischem Charakter. Er hatte zwei Königen von Abessinien zur großen Zufriedenheit gedient und Michael unterstellte ihm die Aufsicht über die Einkünfte des Zollhauses von Adowa, während er selbst in Gondar seinen Geschäften nachging.

Mahomet Gibberti begab sich noch in derselben Nacht, als Mahomet Adulai den Boten abgeschickt hatte, nach Arkeeko zu Achmet. Er konnte ihn bei einer nächtlichen Unterredung auf eine sehr geschickte Art in allen den Meinungen, die er in der Ratsversammlung gegen den Naybe geäußert hatte, bestärken. Er erzählte ihm, wie ich in Jidda empfangen wurde, von dem Schutz, den ich von Konstantinopel hätte, von meinem vom türkischen Kaiser mitgebrachten Firman, von der Macht meiner Landsleute auf dem Roten Meer und in Indien und von meiner persönlichen Freundschaft mit dem Metical Aga. Er erklärte ihm ferner, in welcher Gefahr sich die Küsten des Roten Meeres befänden, wenn mir ein Leid widerführe, da sowohl der Scherif von Mokka als auch der türkische Kaiser dann an dem Ort, wo man sich gegen ihre Anordnungen so ungehorsam zeigte, eine völlige Anarchie vermuten würden. Wenn sie sich auch vielleicht nicht selbst einmengten, wäre doch eine Züchtigung durch die beleidigten Engländer unvermeidlich.

Am 20. kam jemand von Mahomet Gibberti, um mich an Land zu bringen. Der Naybe selbst war noch immer in Arkeeko und Achmet kam herab, um die Abgaben von den Waren des Schiffes, welches mich hergebracht hatte, in Empfang zu nehmen. Mitten auf dem Markt waren zwei Lehnstühle hingestellt worden. Auf den einen setzte sich Achmet, und die Zollbeamten öffneten die Ballen und Pakete vor ihm; der andere Lehnstuhl linker Hand blieb leer.

Achmet war ganz in Weiß in ein langes Kleid aus Nesseltuch gekleidet und hatte einen Rock eng um den Leib, der bis auf die Schenkel herabging, wie die kleinen weißen Fracks und Unterröcke der Kinder in England. Diese Art der Kleidung passte keineswegs zu seinem Körperbau, es schien aber, als glaubte er, in Staatskleidern zu sein. Sobald ich ihn zu Gesicht bekam, verdoppelte ich die Geschwindigkeit meiner Schritte. Gibbertis Diener flüsterte mir ins Ohr, ihm nicht die Hand zu küssen, wie es meine Absicht war. Achmet stand auf, als ich noch eine Armeslänge von ihm entfernt war, und als wir uns die Hände gaben, berührten wir die Lippen mit unseren Fingern und legten die Hände kreuzweise auf die Brust. Ich sagte den Gruß der Leute von niedrigem Stand: »Salam Alikum, Friede sei mit uns«, worauf er augenblicklich erwiderte:

»Alikum Salam, es ist Friede mit uns.« Er zeigte auf den Stuhl, welchen ich ablehnte; er nötigte mich aber, mich zu setzen.

Je mehr Ehre man in diesen Ländern jemandem beim ersten Besuch erweist, ein desto ansehnlicheres Geschenk wird dafür erwartet. Er gab ein Zeichen, sofort Kaffee zu bringen. Es ist ein Beweis, dass man für sein Leben nichts zu fürchten hat, wenn einem gleich etwas zum Essen und Trinken angeboten wird. Achmet fing mit einer ernsthaften Miene zu reden an: »Wir haben Euch schon seit einiger Zeit hier erwartet, glaubten aber, Ihr hättet Euren Vorsatz inzwischen geändert und wäret nach Indien gegangen.« – »Seit meiner Abreise von Jidda bin ich im Glückseligen Arabien und dem Meerbusen von Mokka gewesen und komme zuletzt von Loheia herüber.« – »Fürchtet Ihr Euch nicht«, sagte er, »mit einer so geringen Begleitung so lange und gefährliche Seereisen zu machen?« – »Die Länder, durch welche ich gefahren bin, sind entweder dem türkischen Kaiser, dessen Firman ich die Ehre habe Euch zu überreichen, oder der Regierung von Kairo oder dem Scherif von Mokka unterworfen. An Euch, mein Herr, übergebe ich die Briefe des Scherifs und außerdem einen von Eurem Freund Metical Aga, der mir versichert hat, Euer Charakter allein würde genügen, mich vor jeder üblen Begegnung zu schützen, solange ich nichts Unrechtes täte. Was die Gefahr von Straßenräubern und gottlosem Gesindel unterwegs betrifft, so habe ich zwar nur wenige, aber sehr erprobte Soldaten, die von Jugend auf in den Waffen geübt sind. Deswegen fürchte ich mich nicht vor einer, wenngleich überlegenen Anzahl feiger und an keine Ordnung gewöhnter Personen.«

Er gab mir daraufhin die Briefe wieder zurück und sagte: »Ihr werdet diese dem Naybe morgen selbst übergeben. Ich behalte nur Meticals Brief, weil er an mich gerichtet ist, und ich will ihn zu Hause lesen.« Er steckte ihn ein, und da der Kaffee getrunken war, stand ich auf und verabschiedete mich. Zugleich wurde ich von zweien seiner Diener von der rechten und der linken Seite derartig mit Orangenblütenwasser aus silbernen Flaschen besprüht, dass ich bis auf die Haut nass wurde.

Man hatte mir ein anständiges Haus besorgt und kaum war ich eingetreten, schickte uns Achmet eine reichliche Mittagsmahlzeit mit vielen Zitronen und gutem, frischem Wasser, welches uns jetzt mehr wert war als die größten Leckerbissen. Gleich darauf erhielten wir alles Gepäck ungeöffnet zurück, was mir besonders deshalb lieb war, weil ich befürchtet hatte, die Zöllner könnten mir bei ihrer plumpen Art, ihre Neugierde zu befriedigen, etwas an der Uhr, den Fernrohren oder Quadranten zerbrechen.

Spät in der Nacht erhielt ich Besuch von Achmet. Er war jetzt entkleidet, der Leib war ganz nackt und er hatte nur ein leichtes Tuch übergeworfen. Er trug baumwollene Beinkleider, ein baumwollenes Netz als Kappe auf dem Kopf und hatte keine Waffen bei sich. Ich stand auf, ging ihm entgegen und dankte ihm für die Höflichkeit, mir mein Gepäck zu schicken. Als ich hinzusetzte, dass es eigentlich meine Schuldigkeit gewesen wäre, ihm aufzuwarten, statt zuzulassen, dass er sich die Mühe gäbe, nahm er mich bei der Hand, und wir setzten uns auf zwei Kissen nebeneinander nieder.

»Alles, was Ihr mir da sagt«, sagte er, »ist gut und vortrefflich, aber ich muss Euch jetzt noch einige Fragen stellen, die für Euch selbst von größter Bedeutung sind. Bei Eurer Ankunft in Jidda hörten wir, es sei ein vornehmer Mann, der Sohn oder Bruder eines Königs, angekommen und im Begriff nach Indien zu gehen. Dies wurde mir und dem Naybe von Männern erzählt, die alle Tage sahen, wie viel Achtung Euch die Kapitäne von den vor Jidda liegenden Schiffen bezeigten. Metical Aga sagt in dem Privatschreiben, welches Mahomet Gibberti dem Naybe vorige Nacht überreichte, neben anderen ungewöhnlichen Ausdrücken: ›Den Tag, da dieser Person ein Unglück begegnen wird, werde ich allezeit als den unglücklichsten meines Lebens ansehen.‹ Nun seid Ihr aber ein Christ und er ist ein Muselmann, und dergleichen hochachtungsvolle Ausdrücke sind gar nicht gewöhnlich, wenn einer davon an den anderen schreibt. Er sagt überdies, dass der Großherr Euch in seinem Firman Bei-Adze (hochadelig) nennt. Sagt mir also, und sagt mir die Wahrheit, seid Ihr ein Prinz, ein Sohn, Bruder oder Enkel eines Königs? Seid Ihr aus Eurem Land verbannt? Und was sucht Ihr in dem unsrigen und setzt Euch so vielen Beschwerlichkeiten und Gefahren aus?«

»Ich bin«, erwiderte ich, »weder der Sohn noch der Bruder eines Königs. Ich bin ein Privatmann aus England. Wenn Ihr, Sidi Achmet, meinen Prinzen oder irgendeinen anderen Sohn des Königs treffen könntet, würdet Ihr imstande sein, Euch ein richtiges Bild zu machen, und dies würde Euch auf immer daran hindern, sie mit einem gemeinen Engländer, wie ich es bin, zu verwechseln. Ließen sie es sich einmal einfallen, diesen Teil der Welt zu besuchen, würde dieses winzige Meer zu klein für ihre Schiffe sein. Eure Sonne, die jetzt so brennend scheint, würde sich durch ihre Segel verfinstern, und wenn sie ihre Kanonen abfeuerten, würde sich kein Araber auf den entferntesten Bergen sicher fühlen, und die Häuser an der Küste würden einstürzen wie bei einem Erdbeben. Ich bin ein Diener dieses Königs und dem Rang nach von niedrigerem Stand. Nur wegen meiner Liebe zu ihm und seiner Familie, worin ich keinem nachstehe, bin ich seiner Achtung würdig. Doch insofern haben Eure Korrespondenten recht, dass meine Vorfahren Könige in meinem Vaterland waren und zu den Größten und Ruhmwürdigsten gehörten, die jemals eine königliche Krone trugen. Dies ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Nun darf ich hoffentlich fragen, ohne Euch zu beleidigen, mit welchen Absichten Ihr diese Erkundigungen einzieht?«

»Um Eurer Sicherheit und Ehre willen«, erwiderte er, »aber auch, weil Euch gewiss Tod und Verderben bevorstehen, wenn Ihr zu den Abessiniern geht. Sie sind ein barbarisches, räuberisches und treuloses Volk, welches andauernd Kriege führt, deren Ursache noch niemand ergründen konnte. Doch mehr darüber ein andermal.«

»Das sei so«, antwortete ich, »aber jetzt habe ich Euch ein Wort unter dem Mantel der Verschwiegenheit zu sagen.« Jedermann erhielt Befehl, sich aus dem Zimmer zu entfernen. »Alles, was Ihr mir diesen Abend erzählt habt, wusste ich bereits. Fragt mich nicht, auf welche Art und Weise, aber um Euch zu überzeugen, dass ich die Wahrheit spreche, will ich Euch für Eure menschliche Gesinnung danken, während andere die blutdürstige Absicht hegten, mich bei meiner Ankunft zu ermorden und auszuplündern, nachdem der Statthalter Abd el-Kader von Dahalac Euch die Nachricht gebracht hatte, dass ich ein Prinz sei und viel Geld bei mir hätte.« – »Allah Akbar!«, rief er erstaunt. »Wie? Ihr wart ja mitten auf See, als dies geschah.«

 

»Nicht einmal so weit«, versetzte ich«, aber Euer Rat war weise; denn ein großes englisches Schiff, der ›Löwe‹, mit vierundsechzig Kanonen unter Kapitän Price, bleibt meinetwegen den ganzen Winter in Jidda, bis ich sehe, wie ich hier und in Abessinien aufgenommen werde. Ich führe diese Umstände an, damit Ihr Euch genau nach der Wahrheit erkundigen könnt. Auf die erste Nachricht hin, dass mir ein Unglück widerfahren sei, kommt dieses Schiff her und zerstört Arkeeko und diese Insel in einem Tag. Doch das ist es nicht, was ich jetzt mit Euch auszumachen habe. Es ist eine sehr schickliche Gewohnheit in allen Morgenländern, dass Fremde sich für den erhaltenen Schutz und die Unruhe, die sie verursachen, erkenntlich zeigen. Ich habe deswegen ein Geschenk für den Naybe, dessen Gemütsart und Neigung ich genau kenne, desgleichen auch eins für Euch und für den Hauptmann der Janitscharen. Diese Geschenke werde ich an dem Tag, an dem ich den Naybe sehe, überreichen. Man hat mir aber geraten, mich besonders auf Euch als Freund zu verlassen, und deshalb bin ich Euch noch eine besondere Erkenntlichkeit schuldig. Ich habe gehört, dass Euer Bevollmächtigter in Jidda den Auftrag hatte, sich bei allen ostindischen Schiffen und dem dortigen Makler nach einem Paar englischer Pistolen zu erkundigen. Er wollte einen ansehnlichen Preis dafür bezahlen, und doch hättet Ihr wahrscheinlich nur ein Paar gewöhnliche und abgenutzte bekommen. Deshalb habe ich Euch diese vortrefflich gearbeiteten als ein besonderes Geschenk mitgebracht. Hier sind sie. Ich hege nur den Zweifel, und dieser wird durch unsere gegenwärtige geheime Unterredung veranlasst, ob Ihr sie selbst mitnehmen wollt oder ob Ihr einen treuen Diener habt, der sie abholt, ohne dass es jemand erfährt.«

»Ich verstehe alles, was Ihr sagt und sagen wollt. Obgleich ich in eines Menschen Herz, den ich nie vorher sah, nicht hineinschauen kann wie Ihr, so kenne ich doch die Herzen derer sehr gut, mit denen ich lebe. Behaltet die Pistolen bei Euch und zeigt sie niemandem, bis ich einen Mann schicke, dem Ihr alles sagen könnt und der immer zwischen uns hin- und hergehen soll. Es gibt an diesem Ort eine Menge Teufel und wenig Menschen, aber der Person, die Euch getrocknete Datteln in einem indischen Tuch und eine tönerne Flasche, um Wasser daraus zu trinken, bringt, der könnt Ihr die Pistolen geben und durch diese mir alles zuschicken, was Ihr wollt. Unterdessen schlaft wohl und fürchtet nichts Böses.«

Am nächsten Tag kam eine Sklavin und brachte die verabredeten Sachen, das Tuch mit den getrockneten Datteln und eine unglasierte tönerne Flasche, worin sich das Wasser außerordentlich lange frisch hielt. Ich stutzte anfangs über die Veränderung, da sich der Sklave in eine Sklavin verwandelt hatte, doch das abessinische Mädchen nahm mir bald meinen Zweifel und trug die für Achmet bestimmten Pistolen mit sich fort. Er selbst war nach Arkeeko zu seinem Oheim gegangen.

Früh am folgenden Tag kam der Naybe von Arkeeko herüber. Der gewöhnliche Weg von dort führt über die Bucht und beträgt gerade zwei Seemeilen, auf dem Landweg ist es etwas weiter. Der Naybe hatte nur eine geringe Begleitung von drei oder vier Dienern in einem elenden Aufzug und vierzig nackten Wilden zu Fuß, die mit kurzen Lanzen und krummen Messern bewaffnet waren. Auf dem ganzen Weg von Arkeeko nach Massaua wurden die Trommeln für ihn geschlagen. Als er in das Boot stieg, hörte die Trommel an der Landseite auf, und die von dem sogenannten Kastell von Massaua fing an. Dieses Kastell ist nichts als eine kleine Lehmhütte, worin sich eine Kanone befindet, die ohne Lafette auf der Erde liegt und immer nur mit starken Erschütterungen und unter großen Gefahren abgefeuert werden kann. Die Trommeln bestehen aus tönernen Gefäßen, in denen üblicherweise die Butter aus Arabien befördert wird. Es ist eine Haut darüber gespannt, sodass ein Fremder, der zwei oder drei von ihnen beisammenstehen sieht, Gefahr läuft, sie für Buttertöpfe zu halten, die sorgfältig mit in Öl getränktem Pergament zugedeckt sind.

Der ganze Aufzug passte gut dazu. Der Naybe trug ein altes, abgewetztes und viel zu kurzes türkisches Kleid, welches aus Sultan Selims Zeiten zu sein schien. Auf dem Kopf hatte er eine türkische Mütze, die um einige Nummern zu klein war. In dieser Kleidung, worin er in der Tat ein höchst lächerliches Aussehen hatte, war er einst mit der Insel Massaua belehnt worden. Gleichzeitig war er damit hier zum Stellvertreter des Großsultans ernannt worden; und dieser ehrenvollen Aufgabe wegen ließ er sich von diesem Tag an Omar Aga nennen. Zwei weiße seidene Fahnen mit roten Streifen wurden vor ihm her zur Moschee getragen, von hier ging er dann in sein Haus, um die Komplimente seiner Freunde entgegenzunehmen. Am Nachmittag begab auch ich mich in das Haus, um dem Naybe meine Aufwartung zu machen, und fand ihn in einem hölzernen Lehnstuhl sitzend. Von der Tür bis zu diesem Stuhl standen zwei Reihen nackter Wilder. Der Naybe hatte ein baumwollenes und so schmutziges Hemd an, dass alle Mühe, es zu reinigen, vergebens schien; es reichte wegen der Kürze kaum bis an die Knie. Er war sehr lang und hager, von schwarzer Hautfarbe und hatte einen großen Mund und eine große Nase. Statt des Bartes trug er einen kleinen Zopf grauer Haare an der Kinnspitze. Große, blöde und schwermütige Augen und ein boshaftes, verächtliches Lächeln in der Miene verliehen ihm überhaupt ein sehr einfältiges, wildes Aussehen. Sein Charakter stimmte völlig mit seiner äußeren Gestalt überein, denn er war ein Mann mit nur geringen Fähigkeiten, übertrieben grausam, geizig und der Trunksucht ergeben.

Ich überreichte ihm meinen Firman. Der größte Pascha im türkischen Reich wäre bei dieser Gelegenheit aufgestanden, hätte ihn geküsst und an die Stirn gedrückt, und ich erwartete auch von Omar Aga, dass er seinem Monarchen diesen Respekt erwies. Er aber nahm ihn nicht einmal in die Hand, sondern schob ihn mir mit den Worten wieder zurück: »Lest ihn mir Wort für Wort vor!« Ich entgegnete, es sei Türkisch, wovon ich kein Wort lesen könne. »Ich ebenso wenig«, antwortete er, »und ich denke, ich werde es auch nie können.« Darauf übergab ich ihm die Briefe von Metical Aga, vom Scherif, vom Ali Bey und den Janitscharen. Er nahm sie allesamt in beide Hände, legte sie ungeöffnet vor sich hin und sagte: »Ihr hättet einen Mullah13 mitbringen sollen; bildet Ihr Euch ein, dass ich alle diese Briefe lesen werde? Das nähme mir einen ganzen Monat Zeit weg.« Dabei sah er mich mit einem wilden Blick und offenem Mund wie ein Geistesgestörter an, sodass ich alle Mühe hatte, gefasst zu bleiben, und lediglich antwortete: »Wie es Euch beliebt, Ihr müsst es am besten wissen.« Anfangs tat er so, als verstünde er kein Arabisch, und redete durch einen Dolmetscher in der Sprache von Massaua, die ein Dialekt von der in Tigre ist, als er aber merkte, dass ich ihn verstand, sprach er Arabisch, und zwar recht gut. Auf diese kurze Unterredung folgte ein Stillschweigen, das mir Gelegenheit gab, mein Geschenk zu überreichen, welches ihm nicht zu missfallen schien; aber vermutlich hielt er es unter seiner Würde, mir dies zu erkennen zu geben. Ich verabschiedete mich von dem Naybe und war von meiner Aufnahme und der geringen Achtung, die er meinen Briefen und mir selbst entgegenbrachte, nicht sehr erbaut. Umso zufriedener war ich aber, dass meine Briefe an Janni abgefertigt waren, die sich nun schon längst außerhalb der Reichweite des Naybe befanden.