Reisen zur Entdeckung des Nils

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Am 15. Oktober kam der Naybe nach Massaua, fertigte das Schiff ab, welches mich herübergebracht hatte, und schickte noch in derselben Nacht nach mir und ließ mir sagen, ich solle mich auf ein schönes Geschenk an ihn gefasst machen. Er gab mir eine lange Liste von Gegenständen, deren Wert ziemlich hoch war, und verlangte, ich solle diese in drei Teile teilen und drei Tage lang hintereinander überreichen. Einen Teil verlangte er als Naybe von Arkeeko, einen als Omar Aga, der die Person des Großherrn vertritt, und einen, weil er unser Gepäck undurchsucht passieren ließ, besonders den großen Quadranten. Ich für meinen Teil wünschte, er hätte alles gesehen, weil er vermutlich auf Kupfer und Eisen keinen großen Wert gelegt haben würde.

Weil mir Achmets Versicherung, mich zu schützen, Mut machte, gab ich ihm zur Antwort: Da ich den Firman vom Kaiser und Briefe von Metical Aga hätte, wäre es bloße Freigiebigkeit, wenn ich überhaupt nur das geringste Geschenk an ihn, sei es nun als Naybe oder als Omar Aga, machte; ich sei kein Kaufmann, der kaufe und verkaufe, hätte auch keine Waren an Bord gehabt und folglich keine Zölle zu bezahlen. Hierauf ließ er mich zu sich rufen. Ich traf ihn sehr aufgebracht an, und es wurden viele unnütze Worte auf beiden Seiten gewechselt. Zuletzt sagte er mir sehr bestimmt: Falls ich nicht am nächsten Montag, wenn er wieder von Arkeeko käme, dreihundert Unzen Gold für ihn bereithielte, wolle er mich in ein Gefängnis sperren lassen, wo ich weder Licht noch Luft noch Essen und Trinken bekommen sollte, bis meine Knochen durch die Haut stächen.

Ich antwortete standhaft: »Weil Ihr Euer Wort gegenüber dem Großherrn, der Regierung von Kairo, gegenüber dem Pascha von Jidda und dem Metical Aga gebrochen habt, werdet Ihr auch ohne Zweifel mit mir nach Eurem Gutdünken verfahren, aber Ihr könnt darauf rechnen, eines Morgens bei Tagesanbruch das englische Kriegsschiff, den ›Löwen‹ vor Arkeeko zu sehen.« – »Und ich wünschte«, versetzte der Naybe, »das Schiff vor Arkeeko oder Massaua zu erblicken, und käme jemand, der so viel Geschriebenes, wie auf dem Nagel meines Daumens liegen kann, von Euch nach Jidda nehmen wollte, so würde ich ihm erst das Hemd und dann die Haut abziehen und alsdann vor Eurer Tür aufhängen lassen, um Euch mehr Vorsicht zu lehren.« – »Meine Vorsicht«, erwiderte ich, »hat mich gelehrt, diesem vorzubeugen. Mein Brief nach Jidda ist bereits fort, und wenn von dem Tag an, da er geschrieben ist, in zwanzig Tagen kein zweiter Brief von mir folgt, so werdet Ihr die Folgen davon schon sehen. Unterdessen mache ich Euch hiermit bekannt, dass ich auch Briefe vom Metical Aga und dem Scherif von Mekka an Michael Suhul, den Statthalter von Tigre, und an den König von Abessinien abgeschickt habe. Deswegen wünsche ich, dass Ihr diese Männern unwürdige Zänkereien, die zu nichts führen, unterbrecht und mich meine Reise fortsetzen lasst.« – »Wie?«, sagte der Naybe mit leiser Stimme zu sich selbst. »Wie? Auch an Michael? So geht Eures Weges und denkt an das Übel, welches Euch bevorsteht.«

Ich drehte mich um und ging fort, ohne ein Wort zu sagen oder Abschied zu nehmen. Kaum war ich zu Hause angekommen, als der Naybe einen Mann schickte und zwei Flaschen Aquavit verlangte. Ich gab dem Diener zwei Flaschen Zimtwasser, die er aber nicht mitnehmen wollte, bevor er sie nicht gekostet hatte. Dem Naybe aber schmeckten sie nicht und sie wurden wieder zurückgeschickt.

Ich hatte mich die ganze Zeit über gewundert, was aus Achmet geworden sein könnte, der mit Mahomet Gibberti in Arkeeko geblieben war. Endlich hörte ich von einem Diener des Naybe, dass er mit Fieber zu Bett liege. Gibberti hatte bis jetzt sein Wort gehalten und nichts von meiner Kenntnis der Arzneiwissenschaft verlauten lassen und auch nicht erzählt, dass ich Arzneimittel bei mir hatte. Ich ließ inzwischen den Naybe um Erlaubnis bitten, nach Arkeeko gehen zu dürfen, und erhielt die trotzige Antwort, ich könne gehen, wenn ich ein Boot fände. Er hatte aber seine Anordnungen schon so getroffen, dass kein Boot für Geld oder gute Worte zu haben war.

Kaum war meine Mittagsmahlzeit vorbei, als ein Diener von Achmet aus Arkeeko kam. Er brachte mir die Nachricht von der Krankheit seines Herrn. Achmet sei traurig, weil ich ihn nicht besuchen käme, wo ihm doch Mahomet Gibberti inzwischen versichert habe, dass ich ihm helfen könne. Er bat mich also, ich möge den Überbringer dieser Nachricht mit in mein Haus nehmen und die Türe durch ihn bewachen lassen, bis er selbst nach Massaua kommen könne. Ich lernte jetzt die Treulosigkeit des Naybe kennen. Er verbot mir zwar nicht seinen Neffen zu besuchen, aber er untersagte weiterhin allen Booten, mich nach Arkeeko zu bringen.

Der Diener reiste in der Nacht wieder ab. Er drang darauf, das Tor fest zu verriegeln, und ließ uns einen anderen Mann zurück, der den Befehl hatte, keinen Menschen einzulassen. Zugleich gab er uns den Rat, uns zu wehren, wenn jemand mit Gewalt einzudringen versuchte, denn niemand hätte des Nachts draußen etwas zu tun.

Am 4. November kam Achmets Diener mit vier Janitscharen in einem Boot aus Arkeeko zurück. Achmet war noch immer nicht gesund und wünschte mich zu sehen. Er vermutete, entweder vergiftet oder behext worden zu sein, und hatte bereits allerlei Zaubermittel ohne Wirkung versucht. Wir langten um 11 Uhr in Arkeeko an, marschierten am Haus des Naybe vorbei, ohne dass man uns aufhielt, und fanden den Achmet mit Wechselfieber daniederliegen, auf das Elendeste behandelt. Er befürchtete sehr, zu sterben oder die Bewegungsfähigkeit seiner Gliedmaßen zu verlieren. Ich gab Achmet geeignete Mittel, um seine Schmerzen und seinen Magen zu erleichtern, und fing den folgenden Morgen mit einer Chininkur an. Diese hat hier eine kräftige Wirkung. Sogar die Rinde, welche zurückbleibt, nachdem man einen Aufguss gemacht hat, verfügt noch über starke Heilkraft.

Am 6., als ich des Morgens beim Frühstück saß, brachte man mir die Nachricht, dass drei Boten aus Tigre angekommen seien. Der eine war ein junger Mann und Sklave von Janni, die beiden anderen waren Diener von Ras Michael oder vom König. Sie trugen kurze rote Mäntel mit dunkelblauen Streifen und Aufschlägen, welche das Merkmal der königlichen Diener sind und Shalaka heißen. Ras Michaels Brief an den Naybe war sehr kurz. Er schrieb, dass König Hatze Hannes bei schlechter Gesundheit sei; er höre mit Verwunderung, dass man den Arzt, welchen Metical Aga aus Arabien geschickt habe, nicht sofort nach Gondar weitergesandt habe, obwohl er schon vor einiger Zeit in Massaua angekommen sei. Er trug dem Naybe auch auf, mich mit allem Notwendigen zu versorgen und mich ohne Zeitverlust abzufertigen. Dieser Brief war von Janni erdichtet und sein eigener Brief an den Naybe war in sanfterem Ton abgefasst. Er meldete, wie dringend nötig der König einen Arzt brauche und mit wie viel Ungeduld dieser erwartet werde. Er sagte nicht ausdrücklich, dass er bereits etwas von der Ankunft eines solchen Mannes in Massaua gehört habe, sondern bat nur, dass man ihn sofort nach seiner Ankunft weiterbefördern solle. An uns schickte Janni einen anderen Boten, hieß uns herzlich willkommen und riet uns, koste es, was es wolle, so bald wie möglich zu kommen, da die Zeiten unsicher seien und noch schlimmer werden könnten.

Nachmittags schiffte ich mich nach Massaua ein. Achmet war jetzt fieberfrei, ich ließ ihm jedoch noch einige Medikamente zurück, um einem Rückfall vorzubeugen. Er versprach mir, bald mit Booten und Mannschaft nach Massaua zu kommen und uns nach Arkeeko abzuholen. Am Ufer erwartete mich ein Bote des Naybe, der mich bitten ließ, zu ihm zu kommen, um mit ihm zu reden. Ich ließ ihn aber wissen, dass dies unmöglich sei, da ich dringend nach Massaua eilen müsste, um für seinen Neffen Achmet Arzneimittel zu holen. Wir langten um 8 Uhr auf der Insel an, sehr zur Freude unserer Diener, welche sich vor einem hinterlistigen Streich des Naybe gefürchtet hatten. Wir brachten alles ungestört in Ordnung und vollendeten unsere Aufzeichnungen über diese wenig gastfreundliche Insel, die wegen des vielen unter allerlei nichtigem Vorwand und Treulosigkeit vergossenen Christenblutes berühmt ist.

Massaua ist ein sehr ungesunder Ort, wie auch die ganze Küste des Roten Meeres von Suez bis Bab el-Mandeb. Heftige Fieber – Nedad – spielen die Hauptrolle und enden im Allgemeinen am dritten Tag mit dem Tod. Erlebt der Kranke den fünften Tag, erholt er sich oft nur durch Wassertrinken und dadurch, dass man ihn im Bett mit viel kaltem Wasser begießt und in dieser Nässe liegen lässt. Es gibt hier kein wirksameres Mittel als die Chinarinde, man muss sie aber auf eine ganz andere Art und auch zu einem anderen Zeitpunkt geben als in Europa. Würde der Arzt zuerst durch Abführen den Patienten auf das Chinin vorbereiten, würde dieser am Fieber sterben, ehe die Vorbereitung vorbei wäre. Sobald sich Ekel oder Abneigung vor dem Essen, öfteres Gähnen, Drücken in den Augen und eine ungewöhnliche, wenngleich nicht schmerzhafte Empfindung im Rückgrat einstellt, darf keine Zeit versäumt werden. Man muss sofort und oft kleine Dosen Chinin einnehmen, keine Nahrungsmittel zu sich nehmen und nur reichlich Wasser trinken. Ich wagte das häufige Begießen mit kaltem Wasser nie oder nur höchst selten, obgleich ich überzeugt bin, dass es oft einen großen Nutzen hat. Die zweite oder dritte Dosis Chinin, wenn man auch nur eine geringe Menge nimmt, bewirkt unfehlbar eine Abführung. Ist diese reichlich, stirbt der Kranke selten, sondern erholt sich meist sehr schnell. Mäßiges Purgieren ist also meistens zu befolgen und Reis ist in diesem Zusammenhang eine weit bessere Speise als Obst.

Es ist bei den Einwohnern von Massaua eine angestammte Gewohnheit, in der Frühe vor dem Öffnen der Türen Myrrhe und Weihrauch zu verbrennen, und wenn sie des Nachts oder früh am Tag ausgehen, haben sie immer ein kleines, stark mit beidem durchräuchertes Läppchen bei der Hand, dessen Zipfel sie in die Nasenlöcher stecken, um sich vor der ungesunden Luft zu schützen.

 

Wir verließen Massaua am 10. November mit Achmets Soldaten und Booten. Überdies hatten wir noch die drei Diener aus Abessinien und fürchteten uns nun nicht mehr vor dem Naybe, der seinerseits nicht mehr an uns zu denken schien.

In der Bai zwischen Massaua und Arkeeko liegen die beiden Inseln Toulahout und Shek Seide. Beide sind unbewohnt und haben kein Wasser. Am westlichen Ende von Shek Seide ist das Grab eines Heiligen oder Marabuts.

Achmet fühlte sich jetzt zwar viel besser, war aber doch noch nicht gesund. Er war fieberfrei, dafür zeigten sich aber Symptome einer Dysenterie14. Die beiden Tage über, die ich in seinem Haus zubrachte, versuchte ich diese Krankheit zu bekämpfen und war zum Teil auch recht erfolgreich. Er zeigte sich dafür sehr dankbar, da er sich ganz außerordentlich vor dem Tod fürchtete. Der Naybe besuchte ihn jeden Tag mehrere Male. Weil ich Achmet vor meiner Abreise aus Arkeeko wiederhergestellt sehen wollte, versteckte ich mich bei diesen Gelegenheiten, weil ich entschlossen war, bei der ersten Unterredung mit dem Naybe auf meiner sofortigen Abreise zu bestehen.

Am 13. nachmittags besuchte ich den Naybe in seinem Haus. Er empfing mich höflicher als gewöhnlich, oder besser gesagt, nicht so grob und ungesittet, denn bis jetzt hatte ich noch nie auch nur einen Anflug von Höflichkeit in seinem Benehmen bemerkt. Es war ihm soeben die Nachricht gebracht worden, dass einer von seinen Leuten, der für ihn Geld eintreiben sollte, mit ebendiesem Geld davongelaufen sei. Weil ich ihn beschäftigt sah, empfahl ich mich wieder und fragte lediglich, ob er mir Aufträge für Abessinien zu geben habe, worauf er antwortete. »Wir haben noch Zeit genug, darüber zu reden; kommt nur morgen wieder her.«

Am nächsten Tag in der Frühe stellte ich mich seinem Befehl gemäß wieder ein, nachdem ich vorher mein Gepäck fertiggemacht hatte. Er empfing mich wie am Tag zuvor und sagte mir mit ernsthafter Miene, dass er entschlossen sei, meine Reise mit allen Kräften zu fördern, allerdings unter der Bedingung, dass ich ihm die Achtung erweise, die ihm alle Reisenden schuldig seien. Er ersehe aus meinem Zelt, dem Gepäck und den Waffen, dass ich kein Mann von niedrigem Stand sei, was auch der Firman des Großherrn und die übrigen Briefe bezeugten. Es würde folglich eine große Beleidigung für ihn sein, wenn ich ihm weniger als tausend Patakas15 anböte. Er wolle sich aber in Anbetracht des Statthalters von Tigre, zu dem ich reiste, mit dreihundert begnügen, doch solle ich ihm schwören, dies nicht bekannt zu machen, da er sich vor der Schande fürchte, die es ihm einbringen würde.

Hierauf antwortete ich in demselben ernsthaften Ton, dass er nicht unrecht hätte, sich für dreihundert Patakas zu schämen, wo ihm doch tausend mehr Ehre und Vorteil brächten. Er brauchte also nichts weiter zu tun, als diese Summe in seine Abrechnung mit dem Statthalter von Tigre aufzunehmen, um dadurch Ehre und Interesse miteinander zu verbinden. Wolle er mich die Reise aber nicht fortsetzen lassen, sei ich bereit umzukehren, in diesem Fall aber erwartete ich zehntausend Patakas von Metical Aga für meine bisherige Mühe, Aufregung und den Zeitverlust, welche ihm dieser wohl aufrechnen würde. Der Naybe antwortete mit keiner Silbe, murmelte aber zwischen den Zähnen: »Sheitan afrit!« (»Der Teufel!« oder »Der Plagegeist!«) »Seht nur«, fing darauf einer von den Dienern des Königs an, von dem ich zuvor kein Wort gehört hatte, »ich habe Befehl, diesen Mann zu meinem Herrn zu bringen. Von Patakas habe ich nichts gehört. Die Armee ist im Begriff, gegen Waragna Fasil16 aufzubrechen, ich darf also keine Zeit verlieren.« Darauf nahm er seinen kurzen roten Mantel unter den Arm, schüttelte den Staub davon ab, hängte ihn über die Schulter und streckte dem Naybe die Hand mit den Worten hin: »In einer Stunde bin ich auf dem Weg nach Abessinien, mein Gefährte wird hier bei diesem Mann bleiben. Gebt mir, was Ihr mir für die Herreise schuldig seid, und ich will alle Botschaften, die ein jeder von Euch mir aufträgt, bestellen.« Der Naybe sah sehr verlegen aus. »Überdies«, setzte ich hinzu, »seid Ihr mir dreihundert Patakas schuldig, weil ich Eurem Neffen das Leben gerettet habe. Ist sein Leben nicht dreihundert Patakas wert?« Der Naybe befahl darauf dem Diener des Königs, nicht an diesem Tag abzureisen, sondern am folgenden Morgen zu ihm zu kommen, um seine Briefe mitzunehmen. Dann wollte er uns weiter nach Abessinien schicken.

Als die Freunde, die ich mir in Massaua und Arkeeko gemacht hatte, sahen, wie eigensinnig sich der Naybe unserer Abreise widersetzte, rieten sie mir, weil sie sein grausames Naturell kannten, alle Gedanken auf Abessinien fahren zu lassen. Die Schwierigkeiten bei der Reise durch Samhar, unter den vielen Stämmen, über die er befehlen konnte, würden täglich größer werden, und wir würden, sei es durch Zufall oder im Auftrag des Naybe, sicher unser Leben verlieren. Ich war davon überzeugt, dass Schwierigkeiten auf mich warteten, wenn auch nicht so große, wie ich sie hier mit dem Naybe hatte. Mein Entschluss zur Fortsetzung der Reise war gefasst, und nichts konnte mich zurückhalten. Der Vorrat von Einwendungen des Naybe schien erschöpft, und morgen würden wir uns im freien Feld befinden, befreit von aller Tyrannei und allem Zwang. In dieser Mutmaßung bestärkte mich der Eindruck, den der Diener des Königs von Abessinien auf den Naybe gemacht hatte.

Am 15. frühmorgens brach ich mein Zelt abermals ab und bereitete mein Gepäck für den Marsch vor, um zu zeigen, dass wir entschlossen waren, nicht länger zu warten. Um 8 Uhr ging ich zum Naybe, traf ihn fast allein an, und er empfing mich auf eine Art, die man beinahe höflich nennen konnte. Mit ziemlicher Beredsamkeit und einem Schwall von Worten begann er von den Schwierigkeiten unserer Reise zu erzählen, von den Flüssen, Abgründen, Bergen und Wäldern, die wir durchqueren müssten, von den wilden Tieren, die man überall anträfe, und von den unzivilisierten Völkern, die diese Gegenden bewohnten. Die meisten davon seien ihm zum Glück untergeben und er wolle ihnen schon befehlen, uns kein Leid zuzufügen. Er trug zweien seiner Schreiber auf, die dazu erforderlichen Briefe anzufertigen, und ließ Kaffee bringen. Er sprach vom abessinischen König und von Ras Michael und von ihrem Feldzug gegen Fasil, dessen glücklicher Ausgang unwahrscheinlich schien.

Plötzlich trat ein Diener ein, der voll Staub und allem Anschein nach sehr müde war, als ob er in Eile von sehr weit hergekommen wäre. Der Naybe erbrach in großer Verlegenheit und Verwirrung die Briefe, die der Mann brachte. Sie enthielten angeblich die Nachricht, dass sich die Stämme der Hazorta, Shiho und Tora, welche den Teil von Samhar bewohnen, durch welchen unser Weg führen sollte und durch den die Heerstraße von Massaua nach Tigre geht, rebelliert und sich für unabhängig erklärt hätten. Der Naybe befahl darauf den Schreibern, als ob alles verloren wäre, mit den Briefen aufzuhören. Er richtete die Augen gen Himmel und fing mit andächtiger Miene an Gott zu danken, dass wir nicht schon unterwegs wären, weil man es ihm bei aller seiner Unschuld zur Last gelegt hätte, wenn man uns ermordet hätte. So böse ich auch über ein so unverschämtes Possenreißen war, konnte ich mich doch nicht zurückhalten und brach in lautes Gelächter aus. Mit der ernsthaftesten Miene verlangte der Naybe zu wissen, was mich unter solchen Umständen so fröhlich stimmte. »Seit zwei Monaten«, entgegnete ich, »legt Ihr mir allerlei Hindernisse in den Weg und wundert Euch noch, dass ich mich durch einen so plumpen Betrug nicht blenden lasse? Heute früh, bevor ich mein Zelt abbrach, sprach ich in Gegenwart Eures Neffen Achmet mit zwei Männern der Shiho, die eben aus Samhar gekommen waren und Briefe an ihn brachten. Sie sagten, dass alles ruhig sei. Habt Ihr spätere Nachrichten als von diesem Morgen?« Er schwieg eine Zeit lang und sagte dann: »Wenn Ihr Eures Lebens überdrüssig seid, könnt Ihr reisen. Ich will aber meine Schuldigkeit tun und alle, die mit Euch gehen, vor der Gefahr warnen, damit man, wenn ein Unglück geschieht, nicht mir die Schuld geben kann.« – »Wir können«, erwiderte ich, »gar keine so große Anzahl nackter Shiho auf unserem Weg antreffen, die uns anzugreifen wagen, wenn sie nicht durch Euch Nachricht bekommen. Die Shiho haben keine Feuergewehre. Wenn Ihr aber einige von Euren Soldaten mit Gewehren hingeschickt habt, wird man dadurch entdecken, auf wessen Anstiften hin sie kommen. Was uns betrifft, können wir nicht entfliehen. Wir kennen weder das Land noch die Sprache oder die Wasserplätze, wir werden es folglich nicht versuchen. Wir sind im Überfluss mit allen Arten von Feuerwaffen versehen, und Eure Diener in Massaua haben oft genug gesehen, dass wir damit umzugehen wissen. Unser Leben können wir allerdings verlieren, doch werden wir genug Leute auf dem Schlachtfeld hinstrecken, sodass der König und Ras Michael daraus schließen können, wer unsere Mörder waren. Das Übrige wird Janni aus Adowa schon erklären.«

Ich stand plötzlich auf, um fortzugehen. Man kann einem, der diese Nationen nicht durch persönlichen Umgang kennt, unmöglich einen Begriff davon geben, was für vollkommene Meister der Verstellungskunst auch die Plumpesten und Dümmsten unter ihnen sind. Alle Züge des Naybe veränderten sich in einem Augenblick. Nun war die Reihe an ihm, in ein lautes Gelächter auszubrechen, worüber ich ebenso erstaunt war wie er vorher über das meinige. Jede Miene seines verräterischen Gesichts verwandelte sich in ein gefälligeres Wesen und er nahm zum ersten Mal die Haltung eines Mannes an. »Was ich von den Shiho sagte«, hob er an, »geschah nur, um Euch auf die Probe zu stellen. Alles ist ruhig. Es war mir nur daran gelegen, Euch hier zu behalten, um meinen Neffen wieder gesund zu machen. Da Ihr aber zur Abreise fest entschlossen seid, fürchtet Euch nicht, die Straßen sind völlig sicher. Ich will Euch auch einen Führer mitgeben, der Euch sicher geleiten soll, selbst wenn Gefahr vorhanden wäre. Geht nur und bereitet die Arzneien, die Achmet braucht, ich will inzwischen meine Briefe beenden.« Ich willigte gerne ein und bei meiner Rückkehr fand ich alles zum Aufbruch bereit.

Unser Führer war ein junger schöner Mann, den der Naybe mit seiner Schwester verheiratet hatte, obwohl er ein Christ war. Er hieß Salomé. Der übliche Preis für einen solchen Führer sind drei Stück blaues baumwollenes Zeug, dennoch nötigte uns der Naybe, seinem Schwager dreizehn zu versprechen. Nur um einigermaßen gut von ihm wegzukommen, stimmte ich zu.

Vor unserer Abreise sprach ich mit Achmet, welcher mir versicherte, dass Salomé von Natur kein schlechter Mann sei, aber der Naybe mache alle zu so gottlosen Menschen, wie er selber einer sei. Achmet gab mir noch einen Mann mit, der mir zeigen sollte, wo das Zelt aufzuschlagen sei, und sagte, dass er nun unsere endgültige Befreiung selbst übernehmen wolle, denn nach dem Willen des Naybe wäre unsere Abreise nach Gondar noch in weiter Ferne.

11 Auch König Hatze Hannes regierte nur wenige Tage und wurde von Ras Michael vergiftet. Als Bruce in Gondar eintraf, saß bereits Tecla Haimanot, ein Sohn des Hatze Hannes, auf dem Thron.

12 Hier im Sinne von Europäer mit römisch-katholischem Glauben zu verstehen.

13 Schriftgelehrter, Gelehrter.

14 Med.: Ruhr (Darmkrankheit).

15 Pataka ist der seit 1765 für den Handel mit Afrika und Westasien in Österreich geprägte Mariatheresientaler.

16 Waragna Fasil, der große Gegenspieler des Ras Michael, entstammte dem Volk der Gallas (siehe Anm. 30) und war Statthalter der äthiopischen Provinz Damot. Er hatte eine Rebellion angezettelt, als König Joas auf Befehl des Ras Michael ermordet wurde. Sein Kampf richtete sich weniger gegen den neuen König und die Zentralgewalt als gegen Michael persönlich und gegen dessen autoritäre und grausame Politik, ohne dass deshalb Fasil in der Wahl seiner Mittel zimperlicher gewesen wäre als der machthungrige Minister.

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?