Die Belagerung von Krishnapur

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Armer Fleury, er hatte sich überstürzt zu weit in den Sumpf der Disputation gewagt. Sein Stolz stand auf dem Spiel, und er konnte nicht mehr zurück. Er konnte nur noch vorwärts, obwohl jeder saugende Schritt, den er nach vorne tat, Louises Verachtung unvermeidlich steigern musste.

»Aber ich glaube, weihen ist nicht genug. Wir rechnen, wir folgern, wir beobachten, wir bauen, wo wir fühlen sollten! Wir tun all diese Dinge, statt zu fühlen.«

Harry Dunstaple rutschte ungeduldig auf seinem Platz herum, bleicher denn je; er konnte beim besten Willen nicht erkennen, was das sollte, so viel Gerede um nichts.

Die strengen Züge des Collectors hatten einen Ausdruck gut gelaunter Ungeduld angenommen; während Fleury sprach, hatte er einen der Träger etwas holen geschickt, und gerade kehrte der Mann mit drei Lederbänden zurück. »Dieses unser Universum folgt Gesetzen, die wir in unserer bescheidenen Unwissenheit kaum wahrzunehmen vermögen, geschweige denn verstehen. Doch wenn Gottes Güte uns erlaubt, einige wenige seiner Wunder zu erforschen, ist es nur recht, dass wir es tun. Nein, Mr. Fleury, jede Erfindung ist ein Gebet zu Gott. Jede Erfindung, noch so groß, noch so klein, ist eine bescheidene Nachahmung der größten aller Erfindungen, des Universums. Lassen Sie mich nur aufs Geratewohl aus dem Katalog jener Ausstellung zitieren, die der Padre eben erwähnt hat, der Great Exhibition, die ich Sie bitte, als ein gemeinsames Gebet aller zivilisierten Nationen zu betrachten … Lassen Sie mich sehen, hier, Nummer 382: Gerät, um die Blinden schreiben zu lehren. Modell einer Luftmaschine und eines lenkbaren Ballons. Feuervernichter von R. Weare aus Plumstead Common. Ein Haustelegraph mit nur einer Glocke für beliebig viele Räume. Ein ausziehbares Pianoforte für Yachten und so weiter. Künstliche Zähne, aus Nilpferdelfenbein geschnitzt, von Sinclair und Hockley aus Soho; ein Universalbohrer zur Entfernung von Zahnfäule. Ein Kieferhebel, um Tieren die Mäuler aufzusperren. Verbessertes Doppel-Bruchband für Leistenbrüche, erfunden von einem Arbeiter … Der Erfindungsgeist der Menschheit scheint unerschöpflich zu sein, und ich könnte endlos fortfahren, Beispiele zu zitieren. Aber ich bitte Sie nur, diese bescheidenen Kunstwerke der gottgegebenen Fähigkeit des Menschen, zu beobachten und zu berechnen, als winzige Fortschritte der Menschheit im Streben nach Vereinigung mit jenem höchsten Wesen zu betrachten, in dem alles Wissen ist und ewig sein wird.«

»Amen«, murmelte der Padre automatisch. Aber hatte eine leise kleine Stimme gerade versucht, ihm etwas zuzuflüstern?

Der Collector hatte im Ton einer Autorität gesprochen, der die Diskussion beendete. Einen Augenblick war Fleury versucht, eine letzte hitzige Tirade loszulassen … aber nein, das kam nicht infrage. Fleury blieb stumm, ein Hauch von Blamage haftete ihm an.

Es war schon hell, als Fleury erwachte. Ringsum herrschte ein tiefes und bedrückendes Schweigen, als wäre der Bungalow verlassen; die punkah, die während der ganzen Nacht rhythmisch geflattert hatte, hing jetzt reglos herunter; in der stehenden Luft klebte sein Nachthemd an der Haut. Doch als er auf die Veranda hinausblickte, war alles normal. Der punkah-wallah* war einfach eingenickt; er hockte dort auf der Veranda, immer noch das Seil haltend, das zu einem Loch hoch oben in der Wand führte. Neben ihm butterte der khansamah einen Frühstückstoast mit dem fettigen Flügel eines Federviehs; als er Fleury sah, weckte er den punkah-wallah mit einem Tritt, und ohne ein Wort zu sagen nahm der Mann das rhythmische Ziehen an dem Seil genauso wieder auf, wie er es die ganze Nacht hindurch getan hatte.

Fleury zog sich rasch an, dankbar, den trinkenden Schlangen in der Nacht nicht zum Opfer gefallen zu sein, und frühstückte dann mit Miriam, die bereits aufgestanden war. Sie verbrachten den Vormittag zusammen, bis Miriam sich für einen Besuch bei den Dunstaple-Ladies ankleiden musste. Die Stunden schleppten sich dahin. Fleury fand es zu heiß, um nach draußen zu gehen. Er versuchte ein Buch zu lesen. Miriam war noch nicht zurück, als Rayne, der Opiumverwalter, gegen vier Uhr einen seiner Diener hinüberschickte, um Fleury zum Tee einzuladen. Im Schatten der Veranda beobachtete Fleury Raynes Diener unter einem schwarzen Schirm aus den Tiefen des Anwesens zu ihm heraufhasten; auf der Veranda angelangt, schüttelte er den Schirm heftig aus, wie um Sonnentropfen abzuschütteln.

Am Vortag war Fleury nicht zu Rayne gegangen, doch nun war seine Langeweile so akut, dass er beschloss, die Einladung anzunehmen. Unter dem Schirm des Dieners machte er sich auf den Weg, begleitet von Chloë, die den ganzen Tag geschlafen hatte und voller Energie war. Raynes Anwesen, stellte sich heraus, war nur durch ein paar leerstehende Bungalows von dem des Joint Magistrate getrennt. Die beiden jungen Beamten waren enge Freunde gewesen und hatten sich so daran gewöhnt, einander formlose Besuche abzustatten, ohne über die Straße zu gehen, dass ein Trampelpfad durch den Dschungel entstanden war, zu dem sich die verwahrlosten Gärten der Nachbarschaft ausgewachsen hatten … kein richtiger Pfad eigentlich, denn an manchen Stellen war das Blattwerk in der Hitze schon verdorrt und es gab keine Spur von einem Pfad. Raynes Träger führte ihn an einem verlassenen Bungalow mit Löchern in dem strohgedeckten Dach und einer absackenden Veranda vorbei; an der Seite, auf einem kleinen Hügel, lag das von Würmern wimmelnde Gerippe eines Fahnenmasts, während nach vorn heraus ein Albtraum knalliger Geranien wucherte. Als sie sich von dem Bungalow entfernten, gab es plötzlich ein raufendes Geräusch, dann Stille.

»Was war das?«

»Schakal, Sahib.«

Sie kletterten über eine niedrige Lehmmauer, durch eine Masse wilder Rosen, noch in Blüte, und krochen durch ein schattenloses Dickicht. Auf einmal blieb Fleury wie angewurzelt stehen, jemand lauerte ganz nahe im Gestrüpp, beobachtete ihn. Es dauerte einen Moment, bis er erkannte, dass dort ein Bildnis stand, ein kleiner, dicker Mann mit schwarzem Gesicht und sechs Armen. Ein Pfad führte zu ihm hin; es war ein Schrein. Fleury trat näher, begleitet von dem Träger, der ihm den Schirm über den Kopf hielt. »Lord Bhairava«, erklärte er.

Lord Bhairavas Augen stachen weiß aus einem schwarzen Gesicht hervor, und er schien Fleury boshaft und belustigt anzusehen. Einer der sechs Arme hielt einen Dreizack, ein anderer ein Schwert, der dritte schwenkte einen abgetrennten Unterarm, der vierte hielt eine Schale, während der fünfte eine Handvoll abgeschlagener Köpfe an den Haaren hielt: Die Gesichter der Köpfe hatten dünne Schnurrbärte und drückten Verwunderung aus. Die sechste Hand, leer, hielt die drei Mittelfinger hoch. Bei näherer Betrachtung sah Fleury, dass Besucher Münzen und Essen in der Schale hinterlassen hatten und dass noch mehr Essen an Lord Bhairavas kichernden Lippen klebte, die außerdem voller Purpur waren, wie mit Blut beschmiert. Fleury wandte sich schnell ab, erschrocken ob der unerwarteten Begegnung und darauf bedacht, diesen unheimlichen Garten schleunigst zu verlassen.

Während sie weitergingen, löste ein süßlich erstickender Duft den nächsten ab, sodass er, benebelt von der Hitze und der Anspannung, den Eindruck hatte, durch ein unbekanntes, sinnliches Element zu taumeln. Gegenwärtig kam ein anderer verlassener Bungalow in Sicht, noch verlorener als der letzte, fast ohne Dach, mit riesigen Disteln, die aus den Fenstern heraus in die Höhe wuchsen. Eine ausgemergelte Kuh, die Hörner grün angemalt, weidete auf ein paar vertrockneten Grasbüscheln, die einst ein Rasen gewesen waren. Dann kletterten sie über eine andere Lehmmauer in ein ebenso dürres, aber besser gepflegtes Anwesen. Als sie sich Raynes Bungalow näherten, durchdrangen Stimmen und Gelächter die Stille und Hitze des späten Nachmittags.

Nach dem blendenden Licht im Freien schien auf der Veranda mitternächtliche Finsternis zu herrschen. Eine Gestalt trat aus der Dunkelheit und schüttelte Fleury die Hand, indem sie ihn lauthals in Tönen, die er als Raynes erkannte, willkommen hieß. Eine andere Gestalt zeichnete sich ab, verbeugte sich und schlug die Hacken zusammen: Das war Burlton, der die Schatzkammer betreute. Er schien ein empfindlicher junger Mann zu sein, einer, der gefallen wolle und maßlos über alles lache, sagte Rayne. Drinnen war noch ein Mann, bisher nur schemenhaft wahrgenommen, der von seinem Sessel aus eine sich verbeugende Bewegung machte, als er Fleury vorgestellt wurde; zugleich lachte er sardonisch; sein Name war Ford, einer der Eisenbahningenieure. »Immer erfreut, einen Griff zu treffen«, sagte er gedehnt.

»Wir haben Ford und seinesgleichen, aber hol mich der Henker, wenn die Eisenbahn je Krishnapur erreicht«, spottete Rayne, der offenbar einigermaßen betrunken war. »Wo ist denn der verdammte Träger? Ram, bring dem Sahib was zu trinken … Simkin! Das bedeutet Champagner, alter Knabe. Wir trinken keinen Tee in diesem Haus.«

Fleury tastete sich zu einem Sessel durch und nahm Platz. Einen Augenblick verfiel Rayne in Schweigen und das einzige Geräusch war sein ziemlich schweres Atmen. Als der Träger mit einem Glas Champagner für Fleury zurückkehrte, sagte Rayne laut: »Wir nennen diesen Kerl ›Ram‹. Das ist nicht sein wirklicher Name. Sein wirklicher Name ist Akbar oder Mohammed oder so was in der Art. Wir nennen ihn Hammel, weil er aussieht wie ein Hammel. Und das ist Monkey«, fügte er hinzu, als ein anderer Diener mit einem Teller Feingebäck hereinkam. Monkey hob nicht den Blick. Er hatte sehr lange Arme, fürwahr, und eine ziemlich affenartige Erscheinung.

»Wo sind die Mems*?«, wollte Ford wissen, aber es kam keine Antwort.

 

»Bald ist es kühl genug für einen Kanter.«

»Sollen wir nicht solange Karten spielen?«

Aber niemand rührte sich. Fleury schlürfte seinen Champagner, der unangenehm sauer schmeckte. Er hörte Chloë auf der Terrasse jaulen, wo einer der Diener sie angebunden hatte. Im Moment kam ein anderer Diener mit einer Kiste Stumpen herein; er war älter und würdevoll, aber außerordentlich klein, fast ein Zwerg.

»Wie würden Sie diesen Wicht nennen?«, fragte Burlton.

»Ant«, sagte Rayne.

Burlton schlug sich auf den Schenkel und lachte hemmungslos.

»Ich würde gern wissen, was Mr. Fleury von dieser Meerut-Geschichte hält«, sagte Fort. »Was? Ist das zu fassen? Verdamm mich, wenn er überhaupt davon gehört hat! Wo waren Sie den ganzen Tag?« Und entzückt machte er sich daran, Fleury zu erzählen, was als ein größtenteils erfundener Bericht über einen grauenhaften Aufstand irgendwelcher Sepoys erschien, lauter »pummelige junge Griffins, ungefähr so alt wie Sie«, die »im besten Mannesalter in Stücke gehackt« worden seien. Fleury merkte, dass er zum Besten gehalten wurde, war aber trotzdem alarmiert.

»Keine Sorge«, sagte Burlton herablassend; er war schon fast ein Jahr in Indien und nicht mehr ganz so ein Griffin wie Fleury. »Jack Sepoy mag in der Lage sein, wehrlose Leute niederzumetzeln, aber richtigem Schneid hält er nicht stand.«

»Wann war das alles?«

»Was haben wir heute? Dienstag. Es war Sonntagabend.«

Ford hatte derweilen das Interesse an Meerut verloren, aber von Burlton konnte Fleury in etwa erfahren, was geschehen war. Zwei Eingeborenenregimenter der Infanterie hatten ihre Offiziere erschossen und offen revoltiert; bald hatten sich die badmashes* aus dem Basar hinzugesellt und waren plündernd über das britische Kantonnement hergefallen. Während des Ausbruchs der Unruhen waren die britischen Truppen zur Kirchenparade gewesen. Am Ende hatten sie den Aufstand niederschlagen können, aber die Meuterer waren mit den Feuerwaffen entflohen. Die Telegraphendrähte waren gekappt worden, kaum dass die erste Nachricht von den Ereignissen eingetroffen war, aber es kursierten alle möglichen grausigen Gerüchte. Krishnapur lag fast fünfhundert Meilen von den Unruhen entfernt. Dennoch, Nachrichten verbreiteten sich in Indien auch ohne Telegraphen in Windeseile … man brauchte nur an die Geschwindigkeit zu denken, mit der sich die Chapatis verbreitet hatten. Was niemand wusste, war, ob die in Captainganj stationierten Sepoys dem Beispiel folgen und das Kantonnement von Krishnapur angreifen würden.

»Ant! Monkey! Simkin her, aber dalli!«

»Natürlich wissen sie es schon, kann gar nicht anders sein«, sagte Burlton. »Es haut mich um, Rayne, wie diese verflixten Eingeborenen eher davon hören konnten als ich. Heute Morgen habe ich mitgehört, wie die Babus* im Büro des Magistrate über Meerut redeten. Sie sagten, die rebellierenden Sepoys seien auf dem Marsch nach Delhi, und bald würde das Mogulreich wiederauferstehen.«

»Wers glaubt, wird selig! Die Leute wissen, wo es ihnen gut geht. Das würden sie nicht zulassen.«

»Nun ja, sie schienen zu glauben, dass es so kommen kann. Sie wollten wissen, wer die zweiundfünfzig Rajas sind, die sich versammeln würden, um den Kaiser auf den Thron zu heben.«

Aber Rayne und Ford waren an Burltons Hirngespinsten nicht interessiert, und Ford sagte vernichtend: »Das Erste, was man in Indien lernt, Burlton, ist, nicht auf den verdammten Unsinn zu hören, den die Eingeborenen immer verzapfen.« Woraufhin der arme Burlton vor Scham errötete und Fleurys Blick mied.

Inzwischen hatte sich Fleury an die Dunkelheit gewöhnt und konnte erkennen, dass Ford ein Mann mit groben Gesichtszügen um die vierzig war; trotz seines geringeren gesellschaftlichen Status als Ingenieur hatte er Rayne und Burlton eindeutig im Griff. Ford sagte unangenehm: »Vielleicht wird Mr. Fleury uns erzählen, was er darüber denkt, wo er doch so viele Busenfreunde unter den ›hohen Tieren‹ in Fort William hat.«

»Also, was ich denke, ist Folgendes«, begann Fleury … doch was er dachte, wurde nie enthüllt, denn in diesem Moment sprangen seine Gesprächspartner plötzlich auf. Vor Schreck sprang auch Fleury auf; nach dem ganzen Gerede über Meuterei lagen seine Nerven blank. Aber es waren nur die beiden Ladies, die den Raum betraten.

»Was für ein widerwärtiges Geschöpf!«, rief Mrs. Rayne aus, ein reizendes Lächeln auf dem Gesicht.

»Wie bitte?«

»Oh, Burlton. Würde es Ihnen etwas ausmachen, dem kleinen Wichtelmann zu sagen, dass er frischen simkin für die Ladies bringen soll?«

»Haben Sie nicht von der Frau im dak bungalow gehört, Mr. Fleury, eine Engländerin, die sich schändlich benommen hat? Wie ich höre, war der Padre schon mehrfach draußen, um sie zur Vernunft zu bringen.«

»Kann man dieses liederliche Mädchen nicht wegschicken?«, fragte Mrs. Ross. »Sie kann doch nicht ewig im dak bungalow bleiben. Und das Recht, in der Gesellschaft tugendhafter Frauen zu leben, hat sie endgültig verwirkt.«

»Ist es denn wahr, Sophie«, stichelte Ford, »dass

›… alles Leid ein Recht auf Tränen hat im Lande,

nur nicht der gefehlten Schwester Schande‹?«*

Ford hatte seinen Sessel näher an den von Mrs. Ross gezogen und seine lethargische Haltung aufgegeben.

»Wie sehr wünschte ich mir, Florence hätte ein Klavier«, jammerte Mrs. Ross, abrupt das Thema wechselnd. »Meine Finger brennen regelrecht darauf, zu spielen. Ich fürchte, Mr. Fleury wird in Krishnapur gar wenig von den Annehmlichkeiten der Zivilisation finden, habe ich recht?« Mit weit geöffneten Augen sah sie Fleury fragend an.

»Also«, begann Fleury, aber wieder wurde er unterbrochen, diesmal durch etwas, was wie ein tobender Tornado auf der Veranda und der zu ihr hinaufführenden Holztreppe war. Ein solches Krachen und Rumsen erschütterte das Haus, dass die Gentlemen auffuhren und zu den mit Luftschlitzen versehenen Flügeltüren strebten, um nach dem Rechten zu schauen. Doch kaum hatten sie ein paar Schritte getan, da flogen die Türen auf und ein junger Offizier, den Fleury sofort als Leutnant Cutter erkannte, ritt wild um sich blickend, schreiend und einen Säbel schwingend auf dem Rücken eines Pferdes in den Raum. Die Ladies fassten sich an die Brüste und wussten nicht, ob sie vor Angst oder vor Lachen kreischen sollten, als Cutter, sein Gesicht genauso rot wie seine Uniform, das sich sträubende Pferd in den Raum trieb und auf ein leeres Sofa zuhielt. Mit einem Satz ging es drüber, glatt wie ein Zirkuspony, und landete, rutschend, mit dröhnendem Gepolter auf der anderen Seite. Cutter machte kehrt, köpfte säbelschwingend eine eingetopfte Geranie, wendete sein Pferd und trieb es erneut auf das Sofa zu. Aber diesmal verweigerte das Tier und Cutter glitt, immer noch den Säbel in der Hand, vom Pferderücken auf den Boden. »Ergeben Sie sich, Sir?«, bellte er ein Kissen auf dem Sofa an, den Arm zum Stoß bereit zurückgezogen.

»Ja, es ergibt sich!«, kreischte Mrs. Rayne.

»Nein, es fordert Sie heraus«, rief Ford.

»Dann sterben Sie, Sir!«, schrie Cutter und stürzte das Kissen aufspießend vorwärts, wobei er im Eifer des Gefechts an einem Teppich hängenblieb und infolgedessen in einem Wirbelwind von Federn auf den Boden stürzte.

»Das ist nur ein Scherz«, erklärte Burlton Fleury, der ob dieser jüngsten Entwicklung ebenso erstaunt wie erschüttert war. »Der führt immer was im Schilde. Was für ein Clown er ist!«

»Wer ist dieser Griffin?«, schrie Cutter, während er sich von dem Teppich, in dem er sich mit den Sporen verhaspelt hatte, freikämpfte. »Wer ist dieser Milchbart? Ergeben Sie sich, Sir?« Und den Säbel erneut zurückziehend, schien er drauf und dran zu sein, Fleury zu durchbohren.

»Ja, er ergibt sich!«, riefen alle außer Fleury, der einfach nur dastand, zu verwirrt, um zu sprechen, während die Säbelspitze über die Knöpfe seiner Weste patrouillierte.

»Oh, dann ist es ja gut«, sagte Cutter. »Nein danke, Rayne, Ihren Kalkutta-Champagner können Sie behalten. Ich trinke nur Todd and James, mein Pferd trinkt diesen Dreck. Monkey, bring mir Brandy-pawnee*.« Aber Monkey wusste offenbar, was Leutnant Cutter schmeckte, denn er eilte bereits mit einem Tablett herbei.

»Trinkt Beeswing wirklich simkin?«, wollte Mrs. Rayne nun wirklich wissen, denn wie es schien, hatte Cutter seinem Pferd den Namen der gefeierten Kalkutta-Stute gegeben. Sogleich sprang Cutter, der matt auf das federbestreute Sofa gesunken war, indem er Stiefel und Sporen über das Ende baumeln ließ, mit einem Brüllen wieder auf, und nun kannte er nichts mehr: Beeswing, der die ganze Zeit geduldig am Fenster gestanden hatte, gelegentlich den Kopf senkend, um versuchsweise den Perserteppich unter seinen Hufen abzufressen, musste sich der Gesellschaft anschließen und sein Maß trinken. Ram beeilte sich, eine neue Flasche und eine Schüssel zu holen, doch Cutter ignorierte die Schüssel und ergriff einen Tropenhelm von einem Beistelltisch; dort hinein ließ er den Inhalt der Flasche plätschern, während er sein Pferd mit Wiehern und Rufen ermunterte. Als der Champagner ihm unter die Nase gehalten wurde, begann Beeswing, durstig von dem Kanter in der Hitze des späten Nachmittags, ihn gierig aufzulecken.

Die Sonne stand schon tief am Horizont, und Fleury drängte es nach Hause, um zu sehen, ob Miriam zurück war, und in Erfahrung zu bringen, ob die Dunstaples ihn vielleicht zum Abendessen einladen wollten. Doch um Beeswing herrschte eine solche Ausgelassenheit, dass er größte Schwierigkeiten hatte, die Aufmerksamkeit seines Gastgebers zu bekommen.

»Was? Sie gehen schon?«, rief Rayne. »Ich hatte noch nicht mal die Möglichkeit, mit Ihnen zu reden … Ein Gespräch über Zivilisation, das war es, was ich haben wollte! Fragen Sie Mrs. Rayne, ob ich nicht zu ihr sagte: ›Ich werd ihn rüberbitten, und dann reden wir ernsthaft über Zivilisation.‹ Meine Worte, ich schwöre es. Und jetzt machen Sie sich aus dem Staub.«

»Ich würde nur allzu gerne … ein andermal, vielleicht. Wäre es möglich, einen Ihrer Träger zu bitten, mich zu begleiten?«

Rayne brüllte einen Befehl, aber dann musste er seine Aufmerksamkeit wieder Cutter zuwenden, der mit Ford gerade eine extravagante Wette abgeschlossen hatte, nämlich um ein Dutzend Clarets, dass er und Beeswing mit einem einzigen Satz von draußen über die Veranda durchs Fenster des Gesellschaftszimmers ins Haus springen könnten. Fleury sagte den Ladys auf Wiedersehen und eilte von dannen, Chloë schnüffelnd voraus; er hatte nicht die geringste Lust, dieses waghalsige Kunststück zu beobachten.

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