Zwillingsforschung

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Und zweitens, dass einer der beiden Thier-Brüder Sklave des Personenschützers Eric Berkhout wird.

„Was?” rufen wir alle drei zugleich? Aber meine Chefs sind zu klug um gleich loszuquatschen. Sie wollen erst einmal alles genau verstehen. Der Notar erklärt, welche Verträge er vorbereitet hat. Es ist ein ganzer Stapel. Alles greift ineinander, wie bei den Sklavenverträgen im Roman. Ich schreibe hier nur den Kern der Idee auf, ohne juristische Formulierungen: Einer der beiden Brüder macht genauso weiter wie bisher, bleibt Eigentümer und Direktor der Firma, behält auch dieses Haus und bekommt sofort den dringend nötigen Kredit. Heute Abend noch. Der andere verzichtet, soweit es in Deutschland überhaupt geht, auf alle Rechte und alles Eigentum und erklärt sich bereit, dem niederländischen Staatsangehörigen Eric Berkhout absolut und bedingungslos in Allem zu gehorchen. Er erklärt sich auch bereit, körperliche Erziehungsmaßregeln zu akzeptieren. Sein neuer Herr verpflichtet sich im Gegenzug, ihn zu schützen und vor bleibenden körperlichen und geistigen Schäden zu bewahren. Der Sklave, also, so wird er jetzt mal informell genannt, denn es gibt selbstverständlich in Deutschland keine Sklaverei, aber wir wissen ja, was gemeint ist, wird übrigens krankenversichert. Und Eric Berkhout erhält eine Generalvollmacht, obwohl die nicht viel wert ist, weil der sogenannte Sklave ja kein Eigentum mehr hat und über nichts verfügen kann.

Jeder andere hätte ja wohl den Besuch schon bei den ersten Sätzen rausgeworfen. Beziehungsweise von seinen Sicherheitsleuten professionell nach draußen begleiten lassen. Till und Tim Thier dagegen ziehen sich zurück. Sie wollen jetzt allein sein. Im Moment haben sie keine Fragen, weil der Notar seine Arbeit gut gemacht hat. Sie haben von ihrem Vater gelernt, dass man jeden Vorschlag gut anhören und in Ruhe besprechen muss.

Ich dagegen bin völlig überrumpelt. Klar, ich habe massenhaft Romane über SM und Sklaven gelesen; das hat Dr. Brauksiepe richtig angefühlt. Er glaube, erklärt er inzwischen, dass ich das Zeug zu einem strengen, aber gerechten Herren habe. Außerdem würde ich ja auch ein Bestandteil des Vertragswerkes und des Films. Ich könnte die ganze Sache platzen lassen, wenn ich nicht bereit wäre. Oder einfach total scheitern, auch das gäbe Stoff her.

„Was muss ich denn unterschreiben?“ – „Nichts. Sie, Herr Berkhout, sind nur ein Mittel zum Zweck. Sie können machen, was Sie wollen. Aber wenn Sie ihren Sklaven, wie wir ihn nennen wollen, verstoßen oder sich nicht gut um ihn kümmern, ist es vorbei mit dem Kredit und der Bürgschaft, und die Firma steht genau da, wo sie heute steht. Vor dem Abgrund.“

Im Übrigen, fährt er fort, hätte ich ja keine bestimmten Pflichten, außer, auf mein Eigentum gut aufzupassen und die Entwicklung zu dokumentieren, wozu später mehr. Ich könnte, eh, könne ja einfach weitermachen wie bisher und den Sklaven, um ihn so zu nennen, in der Direktion der Firma arbeiten lassen. Dann würde – hier grinst der Doktor ziemlich fies – der Unterschied ja gar keinen Unterschied machen. Alles ginge einfach weiter wie gehabt.

Ich kann hier gar nicht aufschreiben, was mir alles rasendschnell durch den Kopf ging. Durch die Adern kreiste vor allem Adrenalin. Und auch Testosteron, zugegeben!

Die könnten mein Vater sein! Wie schreibt man so eine Feststellung im Falle von eineiigen Zwillingen grammatisch und biologisch richtig? Jedenfalls ist jeder für sich fast zwanzig Jahre älter als ich. Und beide zusammen auch.

Da kommt einer zurück, lässt sich vom Notar die Papiere geben und verschwindet wieder. Ich serviere inzwischen Tee und Gebäck, um mich abzulenken. Ich muss mich die letzten Tage ziemlich viel ablenken, fällt mir auf.

Mit dem Dokumentieren ist es so gemeint: Ich soll auf jeden Fall eine Art Tagebuch führen, seinetwegen mündlich, einfach ins iPhone diktieren, im Studio wird es dann getippt und verarbeitet. Und ich soll bei allen interessanten Gelegenheiten Fotos machen. Ich hätte doch wohl das neueste iPhone mit der hohen Auflösung. Auch mein Sklave müsse jede Woche einen Bericht schreiben oder diktieren. Aber ich solle darauf achten, dass die Fotografiererei nicht die Hauptsache wird und den Prozess stört. Es müsse bald ganz automatisch und selbstverständlich geschehen. Mit meiner Ausbildung hätte ich doch wohl mehr Verhalten reflexartig drauf, nicht wahr?

Das stimmt. Ich achte immer auf die Umgebung und darauf, wie wir stehen, damit sich keiner anschleichen kann. Und das ist noch nie jemandem aufgefallen, und es verhindert nicht, dass mir all diese Besuche und Empfänge sogar Spaß machen.

Nach einer Stunde kommen die Zwillinge zurück und sagen gleichzeitig: „Wir wollen losen.”

Jetzt ist der Notar in seinem Element. Er lässt sich die beiden Personalausweise geben und untersucht sie. „Tatsächlich, verschiedene Vornamen und Nummern. Es wird wirklich Zeit, dass da Fingerabdrücke hinzukommen. Nun sind wir auf Ehrlichkeit angewiesen. Aus Kindesverwechslungen können die interessantesten Rechtsfälle entstehen. Wer ist bitte Dr. Timotheus Thier?” – „Ich.” – „Na, dann glauben wir es mal. Bitte stellen Sie sich dort links auf. Und Sie sind Dr. Tillmann Thier?” – „Ja.” – „Bitte dort nach Rechts.”

Da unterbricht Tim: „Wir hätten noch einen Wunsch.” – „Wollte ich auch gerade sagen”, sagt Till, „Eric, würden Sie uns beide…” – Tim vervollständigt: „noch eimal entspannen, wie Sie das so schön können?” – „Danach wird ja wohl alles anders.”

Der Notar schreibt beiden ihren Vornamen auf den Handrücken, unterschreibt, und schickt uns dann ins Schlafzimmer. Die beiden reden nicht. Sie atmen schwer. Wir klammern uns alle drei immer wieder aneinander. Am Geschmack kann ich sie immer noch nicht unterscheiden. Und nachdenken kann ich ganz und gar nicht mehr.

Danach geht alles ganz schnell. Beide müssen sich wieder aufstellen, der Notar kontrolliert die Handrücken und erklärt: „Kopf für Entrechtung von Timotheus und Zahl für Entrechtung von Tillmann Thier, wenn Sie verstehen, was ich meine. Meneer Berkhout, Sie haben doch sicher eine Münze zur Hand.” Jetzt bin ich es auch noch Schuld! „Ach, interessant, tragen Sie nur holländische Münzen mit sich? Na, wird wohl Zufall sein. Was steht denn da auf dem Rand?” Ich lese vor: „GOD ZIJ MET ONS. Gott sei mit uns.”

Der Notar wirft die Münze und alle sehen das Porträt von Königin Beatrix. Der eine Zwilling ruft: „Tim.” Der andere: „Ich.” Dr. Brauksiepe sagt: „Eric, darf ich vorschlagen, dass wir Tim unverzüglich unveränderlich kennzeichnen? Ab sofort ist das ja existentiell. Draußen wartet unser Tätowierer und Piercer. Ich dachte an einen kleinen Ohrring zur schnellen Erkennung und den Namen Tim hinter dem Ohr, unauffällig. Die Ohrtätowierung wird dann unter „Unveränderliche Kennzeichen” in den Ausweis eingetragen. Es darf auch mehr sein, wenn Sie wünschen. Jedenfalls sollten Sie jetzt schon mal versuchen zu fotografieren. Ich mache es heute auch.” Er zieht sein iPhone aus der Tasche.

Obwohl ich immer noch nicht klar denken kann, bekomme ich heraus: „Einen Eichelring. Über Tätowierungen muss man in Ruhe nachdenken.” – „Na, dann rufe ich mal unseren Fachmann.”

Jim ist mit hereingekommen und versteht nicht, was los ist. Keiner erklärt es ihm. Der Rocker verschwindet mit Tim und seinem Koffer im Badezimmer. Tillmann Thier sagt mit leicht bebender Stimme: „Darf mein Mitarbeiter Ihnen ein Glas Champagner anbieten?” Ich bekomme nur noch heraus: „Jim, mach du das. Mir zittern die Hände.” Er zischt mir zu: „Immer wir, wenn Massa einen Wunsch hat. Na, wenn einer schon aus einem Sklavenhändlerland kommt.” Wenn der wüsste!

Der Notar zieht sich mit Tillmann Thier und seinem Sektglas zurück, um die Geldangelegenheit zu regeln. Anscheinend kann man das auch mitten in der Nacht, per Fax oder e-Mail. Nein, nicht ganz. Jim wird gerufen und muss jetzt sofort irgendwelche Dokumente nach Frankfurt/Entweder bringen, wie wir hier immer sagen. Den sind wir erst mal los.

Der Doktor erklärt mir noch einmal meine Rechte und Pflichten. Als er das Tagebuch erwähnt, kann ich es nicht lassen: „Ach, dann wird wieder jedes Wort auf der Goldwaage gewogen, wie beim NRC Handelsblad, wo der Chefredakteur sogar das Wort abgenervt nicht ertragen kann.” – „Ach, ist das nicht ein Belgier? Die sind ja alle so altmodisch. Also, bei mir dürfen Sie schreiben und reden, wie Ihnen der Schwanz gewachsen ist. Und erwähnen Sie nicht dauernd, wie sie fotografiert haben; das interessiert den Leser nicht. Ich brauche Fotos, nicht Beschreibungen, wann Sie fotografiert haben.”

„Verstanden. Muss ich anfangen mit einer Szene im locker room, mit Längen und Gewichtsangaben aller Beteiligten? Wir haben hier gar keinen locker room.” –„Eric, Sie haben zu viel amerikanischen Schund gelesen. Hängen Sie auf Nifty.org rum? Das ist Zeitverschwendung. Für den amerikanischen Markt machen wir diese Einleitung mit Längenangaben in Zoll sowieso automatisch rein. Mit einem Computerscript.”

Dann erscheint Tim – ich muss mich jetzt daran gewöhnen: mein Tim – mit einem geilen Ohrring. Der Kontrast mit dem Maßanzug ist aufregend, selbst wenn man noch eine Blutkruste sieht. Ich finde einen Anzugmann mit Ohrring so erregend, dass ich den Rocker frage, ob er mir auch einen setzen will, natürlich links, an der anderen Seite. Ob mein hinterbliebener Chef dem zustimmt, ist mir nach all der Aufregung und drei Gläsern Champagner egal. Soll er mich doch feuern!

Tims Tätowierung sieht man nicht. Die ist ja auch nur für den Ausweis.

Ich flüstere ihm ins Ohr: „Ab heute schlafen wir zusammen.” – „Klar, kommen Sie einfach zu uns.”

Die Nacht war ungewohnt. Ich will immer wieder Tims Ohrring – oder ist das auch meiner? – fühlen, aber der muss ja erst einmal einheilen. Und sein Schwanz ist in einen dicken Verband eingepackt. Ich denke an die Bücher über Herren und Sklaven, die ich gelesen habe. Dieser letzte Dialog – „Heute schlafen wir zusammen.” – „Klar, kommen Sie einfach zu uns.” – ist der eigentlich zulässig?

 

Tim hat Angst vor dem Pissen; aber es ist gar nicht schlimm. Danach muss der Verband wieder drum, noch drei oder vier Tage.

Frühstück wie immer, nur sind wir alle irgendwie aufgeregt. Fahrt ins Geschäft. Im Aufzug schaut dieser Praktikant mit der Punkfrisur meinem Tim ins Gesicht und sagt: „Jeil!” Direktionssekretärin Bichler dagegen lässt sich nichts anmerken. Vielleicht haben Frauen ja keinen Blick für Männerohrringe. Und diese ist total vertrocknet. Obwohl – im Tatort sind ja gerade diese vertrockneten immer unglücklich in den Chef verliebt. Ob diese dann wohl doppelt unglücklich ist? Oder jedenfalls doppelt verliebt? Wohl nur doppelt vertrocknet.

Es wird wieder viel telefoniert, und dann geht eine Mail an die Belegschaft raus: die Krise, über die man vielleicht in den Medien Gerüchte aufgefangen habe, ist abgewendet; alles geht weiter wie immer. Heulende Betriebsräte. Jim und ich wimmeln Reporter ab.

Alles wie immer? Nein. Ich habe einen Sklaven. Ich muss es mir immer wieder sagen: Ich habe einen Sklaven, ich habe einen Sklaven. Wie in billigen Romanen, die ich gelesen habe.

Es macht mir Angst. Es liest sich so leicht; es sagt sich so leicht; es gibt Fernsehsendungen über mächtige Männer, die sich von einer Domina als „Sklaven” behandeln lassen, gut bezahlen und danach wieder weiter ihre Mitarbeiter entlassen.

Ich mag meine Chefs. Sie sind unnahbar, wenn sie einen nicht ausnahmsweise mal ins Bett holen, was alle soundsoviel Monate geschieht, aber vollkommen ehrlich und redlich. Sie verlangen absolute Loyalität. Sie haben noch nie jemanden im Stich gelassen.

Und sie gleichen sich wie zwei Tropfen Wasser, wie wir Niederländer sagen.

Und auf einmal soll mir einer von denen gehören? Gehören, hörig, gehorchen, Höriger? Dieses Kitschwort Sklave aus den SM-Pornos hat man eigentlich gar nicht nötig. Wer absolut gehorchen muss, ist hörig. HÖRIG. Das wäre vielleicht das erste Tattoo! Klein, geschmackvoll am Hals, nicht ganz vom Hemdkragen zu verbergen, aber fast. Wer genau hinschaut, sieht ein paar Punkte vom Umlaut über dem Kragen.

Als ich so nachdenke, zischt mich die doppeltvertrocknete Chefsekretärin von der Seite an: „Wer ist denn jetzt wer? Endlich könnte man sie unterscheiden. Aber es wird ja wohl nicht lange dauern, bis der Andere auch so einen Ohrring hat.” – „Haben Sie meine Unkostenabrechnung schon fertig?” zischt es aus mir zurück. Doppeltrockene Frühstücksflocken, geht es mir durch den Kopf, wäre das nicht eine gute Reklame für Getreideabfälle?

Dann auf dringende Einladung ins Bundeskanzleramt. Der Regierende Bürgermeister wird auch erwartet. Im Auto, ich sitze am Steuer, reitet mich der Teufel, und ich erkläre wie ein Oberlehrer, wie gut es ist, dass ich nicht das Bett mit einem besoffenen Raucher teilen muss, der das Haus und uns alle in Brand steckt. Mein Chef, also Tillmann, ohne Ohrring, der hinter mir sitzt, sagt, dass dieser unselige Bürgermeister es mit seinem Flughafen schon schwer genug hat und dass – und jetzt wird seine Stimme hart – uns dessen Bettgeschichten wirklich nicht interessieren sollten.

Das Kanzleramt ist einer der Orte in Berlin, zu dem sich meine Chefs gerne mit dem Auto fahren lassen, weil man da nie Parkplatzprobleme hat oder auf Chauffeure warten muss. Ich bin da auch gerne, weil es besonders gutaussehende Kollegen in Anzügen mit Knopf im Ohr gibt. Heute muss sich einer von denen mal wieder in den Vordergrund spielen. Wie froh wir sein könnten, dass unsere Chefs nicht mit der Zunge anstoßen. Man müsse sich ja schämen. Ich sage: „Ist das so? Ich werde heute Nacht mal drauf achten.” Da bereue ich es schon wieder und rede krampfhaft über Sigmatismus, um ihn nicht auf schmutzige Gedanken zu bringen. Ich muss besser auf mich aufpassen.

Auf der Heimfahrt erfahren wir, dass es um die abgesagte Preisverleihung ging. Auch „dieser ostasiatische Minister mit dem Rattengesicht” war da, und allen war es peinlich, dass der Preis wegen allerlei Missverständnissen nicht verliehen wurde. Und ob man nicht und wie man denn. Im Staatsinteresse, wollte die Kanzlerin anfangen; ja genau, im Interesse der Wirtschaft, rief das Rattengesicht. Meine beiden Chefs, die sonst nie so viel reden, albern herum. Ihnen ist das ganze Theater scheiß-egal. Ich wusste bisher gar nicht, was die für einen dreckigen Wortschatz haben. Überhaupt, wie eine der reichsten Familien über echte Minister redet. Gut, dass Jim und ich absolut verschwiegen sind! Berufsehre und Liebe zu den Chefs. Habe ich gerade Liebe geschrieben? Ja, irgendwie schon, obwohl harte Kerle wie Personenschützer so nicht reden sollten. Jedenfalls nicht zu Kollegen.

Und dann sagt Tillmann Thier, den ich ja jetzt von meinem Besitz unterscheiden kann, dass ihm nur eines leid tut: dass ich den Dalai Lama nicht treffen konnte, den ich doch so verehre. Ich bin ganz gerührt. Vor Jahren hatte ich das einmal erwähnt, und er hat es die ganze Zeit behalten.

Abends dann noch ein Glas Wein mit Frau Funke und Herrn Mattukat, zur Entschuldigung für die Aufregung. Alles bleibt beim alten. „Nur dat ick Ihnen jetzt unterscheiden kann”, ruft Frau Funke. „Aba wer is wer? Na macht ja eh nüscht! Ach Eric, ooch nen Ohrring? Sieht ooch jut aus. Aber passense uff dat det sich nich verheddert.” Frauen und Technik! Wie können sich Ringe denn verheddern?

Als alle weg sind, auch Jim, bittet mein beringter Tim mich auf ein Wort. „Eric, lassen Sie uns nicht drumherumreden und vor allem nichts undeutlich lassen. Haben Sie eigentlich schon begriffen, dass Sie jetzt derjenige sind, der jederzeit den Stecker aus der Firma ziehen kann?” Sein Bruder unterbricht: „Jetzt hast du schon diese komische niederländische Redensart von deinem, eh, Dingens, übernommen. Wie man das, hahaha, mit Höherstehenden so macht. Der Stecker steckt ja wohl in der Steckdose, nicht in der Firma. Herr Mattukat war doch früher Elektriker. Soll der mal ein Diagramm zeichnen? Eric, Sie müssen nicht alles wörtlich übernehmen, was Ihr Käseblatt schreibt.” Beim Wort Käseblatt prustet er vor Lachen. Aber eigentlich sind wir alle drei unsicher. Jeder überspielt das auf seine Weise. „Nun lass mich ausreden, Brüderchen!” Jetzt unterbreche ich: „Brüderchen?” – „Ja”, sagt Till, wegen sieben Minuten stellt er sich an. Und was ist dabei herausgekommen? Ein Leibeigener.”

Mir reicht es jetzt: „Albern wie kleine Kinder, die dringend ins Bett müssen. Tim, sag endlich, was du zu sagen hast!” Bei dem Du zucken beide zusammen wie bei einem Peitschenschlag. Der mit dem Ohrring wird rot. Dann fasst er sich: „Das Schicksal der Firma und meines Bruders liegt jetzt in, eh, Ihren Händen, Eric. Sie werden es wohl nach und nach begreifen. Ich vertraue Ihnen. Bitte lassen Sie meinem Bruder die Firma. Ich bin bedingungslos bereit, alles dafür zu tun. Ich habe Ihnen zu gehorchen, das ist mir wirklich klar. Und, zugegeben, der Gedanke erregt mich. Und er macht mir Angst. Zum Beispiel Angst, dass Sie uns vor dem Personal bloßstellen. Aber das liegt bei Ihnen. Ich habe nur eine Bitte. Und es ist nicht mehr als eine letzte Bitte. Ich weiß, dass Sie mich jetzt nachts immer in Ihrer Nähe haben wollen. Mein Bruder will das aber auch. Bitte erwägen Sie, das Bett mit uns beiden zu teilen!” Ich schaue Till an: „Herr Doktor Thier, ist Ihnen das recht?” Das „Ja” kommt ohne Zögern.

Diesmal haben wir fest geschlafen. Morgen kann hoffentlich der Verband ab, dann kann ich nachts immer den Ring fühlen.

Jim fährt mit zur Firma, und ich kann wieder in Ruhe nachdenken und schreiben. Mir ist ein Höriger sozusagen in den Schoß gefallen. Damit hätte ich nie gerechnet. Klar, beim Rummachen mit Männern habe ich gemerkt, dass ich dominant bin und manche darauf abfahren. Es gibt Männer, die kriegen schon ’nen Steifen, wenn man sie erniedrigt. – Hat Tim nicht gestern gesagt, dass der Gedanke ihn erregt? Beim nächsten Mal muss ich nachfühlen. Noch besser: ich will immer sehen können, ob er erregt ist. Ich weiß schon, wie.

Ansonsten habe ich viel gelesen, aber wenig Erfahrung. Das Schlimmste sind ja wohl sogenannte pushy bottoms, die ihrem Top ganz genau vorschreiben, wie er sie zu unterhalten und zu verwöhnen hat. Und die rumzicken, wenn der Top auch mal an sich selbst denkt. Aber hier ist es anders. Ich habe wirklich Macht. Der Notar hat es ja deutlich erklärt. Dabei habe ich immer nur als Bodyguard gearbeitet, im Dienste meiner Herren, und das war gut so. Bleibt nicht besser alles so, wie es war? Wir können doch einfach weitermachen, als ob es diese Verträge nicht gäbe.

Aber ich habe Macht. Ich habe Macht. Macht. Macht. Macht. Und ich besitze einen Menschen. Einen Leibeigenen. Oder Hörigen. So gut das in diesem Land mit diesem BGB eben geht. Er kann nicht weglaufen, ohne seinen Bruder zu ruinieren, und mir kann gar nichts passieren, jedenfalls solange ich nichts Strafbares mit ihm mache. Ich darf ihn auspeitschen. Das hat er unterschrieben. Und dieser Psychologe hat attestiert, dass er zurechnungsfähig ist. Ich darf ihn auch tätowieren lassen. Nur nicht krank machen oder umbringen. Aber das wäre ja bescheuert; dann nutzt er ja nichts mehr.

Ich habe nicht nur einen Hörigen – ja, das ist das beste Wort in dieser Konstruktion –, sondern einen Hörigen, der wirklich gehorchen will und nicht gezwungen werden muss.

Obwohl – dressieren wird man ihn schon müssen, bis gewisse Reflexe drin sind. War in meiner Ausbildung ja auch so, wenn auch mit anderen nützlichen Reflexen.

Ich lass mir noch mal diese Romane durch den Kopf gehen. Da steht der Herr nie unter Erfolgszwang. Alles geschieht wie von selbst. Im wirklichen Leben geht es bestimmt nicht so reibungslos zu. Ich muss Brauksiepe mal fragen, ob ich mit dem Autor in Kontakt kommen kann. Wahrscheinlich ist das auch ein dicker alter Mann. Vielleicht hat er ja gar keine Erfahrung, hat sich alles nur ausgedacht.

Egal! Ich habe meinen Hörigen, und das wird so bleiben, solange die Firma nicht noch einmal pleite geht, was ich nicht erwarte. Also liegen lange Jahre vor uns. Es gibt keinen Grund, dass ich Erfolgszwang fühlen muss. Und Rücksicht brauche ich auch nicht zu nehmen. Daran werde ich mich gewöhnen müssen.

Also machen wir einfach weiter wie bisher. Ich halte meine Stelle und bleibe hier wohnen, jedenfalls solange Tillmann Thier mich lässt. Dass ich jetzt immer bei denen im Bett sein darf, ist ja schon eine Verbesserung. Schwer sein wird es, einerseits meinen guten Job weiter machen, andererseits keine falsche Rücksicht nehmen. Unterschiede müssen sein! Hoffentlich wird Jim nicht eifersüchtig. Darauf muss ich achten, dass der nicht zu kurz kommt. Wo er doch schon so kurz ist, grins.

So, jetzt entsorge ich erst einmal alle Unterhosen meines Hörigen. Muss er eben aufpassen, dass keine Pissflecken in die guten Anzughosen kommen. Muss er bei jedem Pissen an mich denken. Quatsch! Funktioniert ja nicht. Er wird nicht einmal merken, dass ich seine Unterhosen entfernt habe. Er wird sich gedankenlos die nächste vom Stapel packen.

Als ich vor dem Kleiderschrank stehe, erinnere ich mich wieder, warum es doch geht. Es gibt ja verschiedenfarbige Seidenunterhosen, und von jeder Farbe genau zwei. Die beiden gehen ja so weit, dass sie sogar ihre Unterhosen abstimmen. Wenn man sich schon vom Kindesalter an genau gleich anzieht, dann bitte auch richtig!

Ich werfe von jeder Farbe eine Unterhose in den Müll und schneide aus jeder zweiten Anzughose die Innentaschen heraus, damit er noch etwas nackter und zugänglicher wird. Ich merke, dass mich diese kleine Manipulation schon geil macht. Macht kann man auch im Kleinen auskosten. Das ist neu und aufregend.

Aber beim Lesen der Seiten, die ich gerade geschrieben habe, werde ich wieder unsicher. Welch ein Durcheinander von Einbildungen! Wenn ich nun versage? Von wegen meinen Hörigen dressieren, aber ohne Erfolgszwang! Sicherheitsmänner müssen auf die gefährlichsten Szenarien vorbereitet sein. Auch als Herr muss ich reflexartig das Richtige tun, bevor es zu spät ist. Um vorbereitet sein, muss man regelmäßig üben. Ich kann mich doch nicht jedesmal, wenn ich meine Macht zeigen müsste, vor mir selbst damit herausreden, dass ich jetzt gerade nicht unter Erfolgszwang stehe. Autoritätsverlust hatten wir das im Lehrgang genannt. Darum können wir ja so gut mit aufdringlichen Reportern umgehen. Aber was hier nötig ist, habe ich noch nicht geübt. In einschlägigen Romanen bekommt der Sklave sofort eins in die Fresse, wenn er nicht gehorcht oder widerspricht. Aber ich bin hier in der Wirklichkeit!

 

Ich werde abwechselnd geil und ungeil bei dem Gedanken, Tim eins in die Fresse zu geben. Den Rest der Zeit stelle ich mir vor, wie er bockig ist, und übe Ohrfeigen mit dem Handrücken am Lehnstuhl des Firmengründers und in der Luft.

Hoffentlich gehorcht Tim immer! Ich habe Angst vor dem ersten Schlag. Und dann muss ich auch noch reflexartig kontrollieren, dass die Zielperson einen Ohrring hat.

Als sie von der Arbeit zurückkommen, erkläre ich Tim, dass er ab sofort nie mehr Unterhosen tragen darf, weil ich immer sehen können will, ob er erregt ist. Wenn das nicht gut funktioniert, muss der Schneider vielleicht die Hosen enger machen. Ich werde es beobachten. Und jetzt die letzte Unterhose weg, und die Taschen abgeschnitten!

Als er das mit den Taschen versteht, wird er rot und beginnt zu zittern. Mein rechter Arm zittert auch. Aber Tim sagt nichts. Und er ist sichtbar erregt. Es funktioniert.

Es ist warm. Die beiden wollen noch bis zur Dunkelheit im Garten arbeiten. Till fragt, ob ich das erlauben würde. Ich erkläre, dass sie einfach, ohne immer zu fragen, weitermachen sollen wie gewohnt, außer wenn ich selbst etwas anderes anordne. Ich will mich nicht damit belasten, dass ich dauernd gefragt werde und etwas entscheiden muss. Auch das hatte ich mir im Laufe des Tages überlegt. Erfolgszwangreduktion ohne Autoritätsverlust.

Als sie dann in Ihren Overalls aus dem Schlafzimmer kommen, kommt mir ein Einfall. Jetzt oder nie! Ich muss mir einen Ruck geben.

„Tim, du brauchst keinen Overall. Ich will deinen Körper sehen. Der braucht Luft und Sonne. Also nur die Gummistiefel!“

Eine Sekunde bleibt es still. Ich fühle mich unsicher, aber es kribbelt auch. Dann reden beide gleichzeitig:

„Herr, mein Bruder fin...“ / „Eric, bei allem Verst...“

Klatsch! Handrücken. Nicht zu hart, nicht aufs Ohr. Es hat funktioniert!

Dann beide gleichzeitig: „Sie haben Recht. Wir müssen uns daran gewöhnen.“

Sie sind knallrot. Till wechselt schnell das Thema: „Sie haben ja jetzt frei. Jim ist mit dem Kochen dran, nicht?“

„Genau! Danke für Ihr Verständnis, Herr Doktor. Tim, stell mir eine Liege hin und ein Tischchen mit einer Kanne Tee. Und nach einer Stunde ein Glas Sekt.“

Das ist wohl noch mal gut gegangen.

Und dann erscheinen beide nackt bis auf Gummistiefel. Mein Chef hat sich an meinen Hörigen angepasst. So tief sitzt die Gewohnheit. Keiner verliert ein Wort darüber. Jedenfalls kann ich mich jetzt wohl auch nackt in den Garten legen, mit dem Unterschied, dass ich nicht mehr zu arbeiten brauche. Das war gar nicht geplant.

Meine Tätowierung haben die Beiden noch nie bei Tageslicht gesehen. Wir sind ein paarmal zusammen ins Bett gegangen. Aber die würden nie sagen: „Boh, so eine große Tätowierung! Hat das nicht wehgetan? Dürfen wir mal sehen?“ Aber jetzt schauen sie immer wieder her. Ist ja auch wirklich gut gemacht, diese Schlange, die sich fast um den ganzen Körper windet.

Sie arbeiten fleißig. Tim bringt mir tatsächlich von selbst zum richtigen Zeitpunkt meinen Sekt und achtet dann darauf, dass mein Glas nachgefüllt wird. Ich habe Muße, mir eine Aufgabe für Tim auszudenken. Er soll mal aufschreiben, wie das mit Zwillingen eigentlich ist. Morgen werde ich das verlangen.

Jim kommt mit Einkäufen, glotzt nur kurz, versucht, sich nichts anmerken zu lassen, und verschwindet in die Küche. Till ruft ihm nach, dass er hier draußen decken soll.

Die beiden haben für ihr Alter ganz ordentliche Körper, drahtig. Schwimmen ja auch regelmäßig. Doch werde ich meinen ab jetzt zum Training mitnehmen. Ein paar Muskeln täten ihm gut. Sein Bruder kann ja mitkommen, wenn er gleich bleiben will. Er ist ein freier Mann in einem freien Land.

Wir bleiben beim Abendessen nackt, anscheinend gefällt es ihnen. Jim dagegen trägt geradezu demonstrativ seinen Anzug. Till will es ihm leicht machen und sagt, er solle es sich auch bequem machen. Der Wind, die Haut, und man sei doch hier alleine in der Natur. Jim schnaubt und murmelt etwas, das wie „nackte Neger gucken“ klingt. Als ich beiläufig sage: „Tim, schenk unserem Koch doch Wein nach!” blitzen Jims Augen.

Nachher nimmt er mich beiseite und zischt: „Was ist hier eigentlich los?” Auch die Antwort auf diese unvermeidliche Frage hatte ich mir schon überlegt. Ich erkläre ihm, dass es nur ein paar kleine, private Änderungen gibt, die ihn nicht betreffen. Dass ihn alle genauso schätzen wie immer und dass das Leben wie gewohnt weitergeht. Und die Arbeit auch. „Und wieso duzt ihr euch alle auf einmal?” – „Jim, du täuschst dich. Ich duze Tim, er mich nicht. Und zwischen Till und mir bleibt es sowieso beim Sie. Mach dir keine Gedanken. Für dich ändert sich nur eines: wenn du von Tim oral verwöhnt werden willst, kann und werde ich das jederzeit für dich regeln. Auch in der Firma. Aber dort diskret, bitte!” – Jim grinst. „Echt?” – „Ja, mein Wort!” – „Vielleicht werde ich mich an den Gedanken gewöhnen. Dann wird sich ja zeigen, ob es stimmt, oder ob dir nur diese Bücher zu Kopf gestiegen sind, die hier immer rumliegen.”

Die Nacht ist ereignislos. Der Verband ist zwar ab, aber man muss noch ein paar Tage vorsichtig sein. Mein Eigentum soll gut verheilen.

Als ich wach werde, bin ich allein. Warum ist mein Knecht nicht bei mir? Sind die beiden etwa mit Jim in die Firma gefahren, als ob nichts wäre? Ich finde einen Zettel: „Herr, wir wollen noch im Garten arbeiten. Gestern war das so schön, an der frischen Luft. Rufen Sie bitte, wenn Sie mich brauchen. Das Fester ist offen.” Na bitte, alles gut organisiert, hier wie in der Firma.

Ich bleibe in der warmen Morgenluft ohne Decke liegen, errege mich mit der linken Hand und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Ich könnte Tim jetzt rufen und sein Saugmaul nutzen, aber das kann ich ja immer noch. Stattdessen will ich probieren, ob ich mich eine volle Stunde steif halten kann.

Ich kann. Dann brauche ich mich demnächst nicht vor Tim zu schämen, wenn er diese Aufgabe bekommt.

Was soll das denn, dass ich mir Gedanken mache, vor meinem Leibeigenen keinen Dauerständer halten zu können? Ich muss noch viel lernen und habe keine Ahnung, wie ich das anfangen soll. Aber ich darf nicht unsicher wirken.

Als es dann soweit ist und alles auf meiner Brust landet, rufe ich ihn, nehme ihn mit unter die Dusche. Er kommt erst nicht drauf, dass er mich einseifen, waschen und abtrocknen soll. Ich muss tatsächlich erklären, dass ein Leibknecht nun einmal diese Aufgabe hat. Dann gibt er sich Mühe, aber es fühlt sich unbeholfen an, und er kümmert sich nicht um die Körperstellen, wo es sich am meisten lohnt.

„Habt ihr euch denn nie gegenseitig gewaschen und abgetrocknet?“

„Nein, Herr. Wir duschen zusammen, aber seinen Dreck macht jeder selbst weg.“

Da muss der Herr dem Knecht vormachen, wie und wo man einseift und wäscht und abtrocknet, und dass der Dreck dabei gar nicht so wichtig ist.

„Danke, Herr. Ich will das besser lernen. Darf ich mit meinem Bruder und Jim üben?“ – „Wenn die wollen, sicher. Aber Jim kriegst du...“ – „...nie weiß, Herr. Aber vielleicht hat er es ja trotzdem gern.“

Während er mich abtrocknet, erkläre ich ihm den Schreibauftrag.

Heute fahre ich mit in die Firma. Dort geht alles seinen ruhigen Gang. Ich habe wenig zu tun und denke darüber nach, wie ich Tim zum Kraftsport mitnehme. Er hat keine Turnschuhe; außerdem finde ich Turnschuhe sowieso ungeil. Ich trage beim Training meine holländischen Armeestiefel, Kistjes. In denen kann man auch stundenlang wandern. Es sind die besten Schuhe, die es gibt, sie sehen männlich aus, und wenn man sie gut putzt, kann man sie beinahe zu allen Gelegenheiten tragen. Jedenfalls, wenn man sich nicht schämt, ein Kerl zu sein.

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