Club V Sammelband

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2

„Wer ist bereit für eine weitere Runde?“, rief ich durch die dicht bevölkerte Bar, wobei ich eine große Flasche Reposado Tequila mit einem Zwinkern vor den Gästen schwenkte. Ich erhielt einiges zustimmendes Gebrüll und Nicken und nachdem ich nochmal zwölf Shots eingeschenkt hatte, kehrte ich mit einem fünfzig Dollarschein zwischen meinen mittlerweile schwitzenden Brüsten zurück, den der stets großzügige Tommy dort zusammen mit seiner Visitenkarte hingesteckt hatte. Ich stellte mich neben Suzy, die gerade Getränke zu einer Rechnung hinzufügte.

„Im Ernst, die Werbung muss funktioniert haben. Ich kann nicht fassen, wie viele neue Gesichter ich hier heute Abend sehe.“

Suzy hatte recht. Der Laden summte vor Energie neuer Clubbesucher und ich hoffte, das bedeutete, dass viele von ihnen eine Mitgliedschaft erwerben würden. Ich wusste, dass es vielen dieser Leute, wenn sie erst einmal einen Vorgeschmack darauf erhalten hatten, was der Club zu bieten hatte, schwerfallen würde, nicht wiederzukommen, um das Verlangen, mit dem sie unvermeidlich infiziert wurden, zu befriedigen.

„Du machst deine Arbeit ja auch spitze“, lobte ich sie und stupste sie mit meiner Hüfte. „Ehrlich, der Laden war seit langer Zeit nicht mehr so voll und ich denke, Stew wird merken, dass wir uns der Herausforderung erfolgreich gestellt haben.“

„Das musst ausgerechnet du sagen“, meinte Suzy, während sie grinste und hinab auf den fünfzig Dollarschein blickte, den ich aus meinem Dekolleté fischte. „Mädel, sie lieben dich hier. Vergiss das bloß nicht. Der Club könnte sich keine bessere Barkeeperin als dich wünschen. Du wirst es weit bringen.“

Ich lächelte und war froh darüber, dass das merkwürdige Gefühl in meinem Magen, das ich zu Beginn des Abends verspürt hatte, verschwunden war. Ich wusste noch immer nicht, woher das alles gekommen war. Vielleicht war es nichts weiter als mein Streit mit Kevin am Telefon, wegen dem ich dieses komische Gefühl bezüglich der Arbeit heute Nacht gehabt hatte. Wie dem auch sei, ich schob diese Gedanken zur Seite und konzentrierte mich auf das, was vor mir lag. Suzy hatte recht – ich sahnte ein Trinkgeld nach dem anderen ab und wenn es so weiter ging, würde ich diesen Monat den doppelten Schuldenbetrag abbezahlen können. Ich wusste, was für ein Glück ich hatte, diesen Job zu haben, und es gab nichts in der Welt, das mich dazu verführen könnte, den Club aufzugeben.

„Ladies!“ Meine kurze Pause war vorüber, als unser Manager, Stew, sich einen Weg durch die Menge und hinter die Bar bahnte. Stew war ein riesiger Kerl von zwei Metern und hundertdreißig Kilogramm. Er war ein ehemaliger Linebacker und wachte über sämtliche Verkäufe hier im Club.

Er sah sich um und schwenkte mit einer Hand die Länge der Theke entlang. „Ihr zwei seid spitze. Vielen Dank, dass ihr die zusätzliche Arbeit mit all den neuen Gästen übernommen habt. Ich glaube nicht, dass sich die Eigentümer bewusst waren, wie sehr sich diese Werbung auszahlen würden, als sie sie geschaltet haben. Aber hier sind wir und es sieht aus, als würde es fantastisch werden.“

„Freut mich auch, das zu sehen“, erwiderte ich mit einem ehrlichen Lächeln.

„Jetzt, da ich euch genügend Honig um den Mund geschmiert habe, muss ich speziell dich, Samara, um einen Gefallen bitten.“

Ich zog eine Augenbraue hoch. „Okay?“

„Ich weiß, morgen ist eigentlich dein freier Tag, aber –“

„Soll ich morgen herkommen? Das ist kein Problem“, platzten die Worte aus mir heraus. Ich freute mich immer darüber, eine zusätzliche Schicht zu übernehmen.

Stew schüttelte den Kopf. „Nun, nicht ganz. Ich werde Lori herholen, damit sie Suzy morgen Nacht aushilft, aber ich habe mich gefragt, ob du morgen Nacht vielleicht zur New Yorker Filiale gehen könntest. Sie haben dort ein großes Event und in Kombination mit all den neuen Besuchern wegen der Werbekampagne brauchen sie so viele Hände an Bord, wie sie nur kriegen können. Deine Zeit wird auch mit fünfzig Prozent Zuschlag vergütet.“

Meine Augen weiteten sich. Ich hatte noch nie in der New Yorker Filiale des Club V gearbeitet. Ich hatte noch nicht einmal einen Fuß in den Laden gesetzt, aber ich kannte dessen Ruf. Und dieser Ruf war es, der die wirklich Reichen anlockte. Sicher, hier in New Jersey sahen wir auch so einiges an Geld durch die Türen spazieren, dank der Leute, die hier draußen in den Pendlergegenden lebten und in der Stadt hochbezahlte Jobs arbeiteten, und dank der Leute, die Jobs in der Glücksspielindustrie hatten oder auf diese Weise ihr Geld verdienten.

Aber New York City! Helle Lichter, große Stadt… und Leute mit einem verrückten, unersättlichen sexuellen Appetit. Ich schätzte, dass ich lediglich darauf hoffen musste, dass sie auch ihre Getränke bodenlos mochten.

„Absolut. Kein Problem, Stew. Ich hatte sowieso nichts vor.“ Ich warf Suzy einen Blick zu, da ich an unser Gespräch von vorhin über meine jetzt beendete Beziehung mit Kevin dachte.

„Klasse! Ich werde den Anruf machen und ihnen Bescheid geben, dass du dort sein wirst. Die Schicht beginnt um 19 Uhr. Vielleicht solltest du ein bisschen früher erscheinen, damit sie dir die Örtlichkeiten zeigen können. Oh, und du wirst dir eine der Club V Blusen besorgen müssen. Bei dieser Filiale sind sie mit dem einheitlichen Aussehen der Barkeeper etwas strenger.“

Ich nickte aufgeregt und konnte mich gerade noch daran hindern, nicht zu Stew zu eilen und ihn zu umarmen. Er besprach noch ein paar anstehende Events des Clubs mit uns und verschwand dann wieder in seinem Büro.

Suzy drehte sich, um mich mit großen Augen anzuschauen. „Du wirst in NYC arbeiten!“

„Nur für eine Nacht…“

„Yeah, aber man weiß nie, was sich daraus ergeben könnte. Und mein Gott, du weißt, wie viel Geld sie in dieser Filiale einnehmen… nun, ich meine, wir wissen es nicht wirklich, aber du weißt schon, es ist eine gigantische Menge. Diese fünfzig Dollar, die dir Tommy zwischen die Möpse gesteckt hat? Yeah, in New York werden es wohl eher eintausend Dollar sein. Hast du schon mal einen Tausenddollarschein gesehen?“ Suzy lehnte sich an die Wand und stieß ein atemloses Seufzen aus.

„Ich bezweifle, dass irgendjemand tausend Dollar zwischen meine Möpse stecken wird.“

Suzy schüttelte den Kopf. „Du hast recht, so sind sie dort nicht drauf.“ Sie beugte sich näher zu mir und flüsterte kichernd: „Sie werden versuchen, es dir in deine Pussy zu schieben!“

Ich schlug nach ihr und funkelte sie kurz finster an, bevor ich loszog, um ein weiteres Weinglas zu füllen. Als ich zurückkehrte, lachte sie noch immer.

„Aber im Ernst, Samara, du weißt, du wirst dort auf dich aufpassen müssen. Ich war noch nie dort, aber ich habe gehört, dass sie die Dinge in dem Laden etwas anders handhaben. Du weißt ja, was man sich so erzählt… über diesen Raum.“

Niemand, der mit dem Ruf des Club V nicht vertraut war, würde wissen, von welchem ‚Raum‘ Suzy redete, aber da ich mittlerweile seit einem Jahr für die New Jerseyer Filiale arbeitete, war ich nur allzu vertraut mit den Gerüchten, die sich um diesen Club rankten.

Die Leute behaupteten, es sei ein Auktionsraum, den Männer aufsuchen konnten, um Frauen für ihr Vergnügen und Zwecke zu kaufen. Das waren natürlich alles nur Gerüchte und niemand, den Suzy oder ich kannten, hatte jemals einen der Räume gesehen. Club V hatte Filialen im ganzen Land und wuchs mit jedem Jahr. Wenn die Gerüchte der Wahrheit entsprachen, dann besaß Club V einen Auktionsraum in allen größeren Filialen – New York, Los Angeles, Las Vegas, Chicago und Dallas. Was in diesen Auktionsräumen passierte, konnte man sich nur ausmalen, denn, soweit ich wusste, hatte noch keine lebende, atmende Person mit Verbindungen zum Club, die ich kannte, jemals auch nur einen Fuß in einen solchen Raum gesetzt.

„Dir ist schon klar, dass das alles nur eine Art urbanes Märchen sein könnte. Du weißt doch, wie solche Geschichten in Umlauf geraten. Vermutlich hat eine Kellnerin in einem der Läden etwas in einem der privaten Räume gesehen, das sie nicht verstanden hat. Sie hat es einer Freundin erzählt und da hast du es schon. Das ist wie Flüsterpost und niemand weiß, wo sie ihren Anfang genommen hat.“

Suzy zuckte mit den Achseln und reichte einem der Bargäste eine Rechnung zum Unterschreiben. „Ich sag ja bloß…“, sie rückte näher zu mir, um in gedämpftem Tonfall weiterzusprechen, „du musst in so einem Schuppen den Kopf hochhalten und stark bleiben. Weißt du, warum ich hier bin? Ich weiß, dass ich Stew vertrauen kann. Ich würde nicht hier arbeiten, wenn wir nicht die Sorte Manager hätten, bei dem ich weiß, dass ich ihm zu hundert Prozent vertrauen kann. Ich glaube zwar an die Club V Marke – du weißt genauso gut wie ich, wie gründlich sie ihre Mitglieder durchleuchten – aber NYC ist der größte Club, den sie besitzen, und ich habe Geschichten darüber gehört, was manche der Leute verlangen, die dort aufschlagen. Klar, hier wird auch BDSM betrieben, aber ich würde sagen, dass es ziemlich harmlos ist. New York hingegen bietet die elitärsten, exklusivsten Dinge an. Sie erfüllen jeden Kundenwunsch. Du musst nur darauf achten, dass du niemandes Aufmerksamkeit erregst oder zu einem Wunsch wirst.“

Ich verdrehte die Augen. „Schau, ich werde eine Uniform anhaben. Und wie du schon sagtest – der Laden ist super elitär und exklusiv. Wenn die Kerle hier wissen, dass wir nicht belästigt werden dürfen, dann bin ich mir sicher, dass die Mitglieder in dieser Filiale die Regel ebenfalls kennen.“

Suzy nickte schließlich. „Ich freue mich wirklich für dich, Samara. Ich weiß, dass die zusätzlichen Stunden und Lohn in NYC vermutlich fast den Einnahmen von zwei Wochen deiner regulären Arbeit hier entsprechen und ich weiß, dass du das Geld gebrauchen kannst. Ehrlich, ich bin wahrscheinlich nur ein bisschen neidisch.“ Sie sagte den letzten Teil mit einem Grinsen. „Und tu dir keinen Zwang an, meine Nummer allen verfügbaren Typen zu geben, die dir über den Weg laufen. Wenn sie Mitglieder des NYC Clubs sind, dann spricht nichts dagegen, dass ich sie date.“

 

Ich nickte und lächelte meine beste Freundin an. „Das stimmt, deine persönliche Kupplerin steht direkt vor dir. Was in aller Welt würdest du nur ohne mich machen?“

Sie winkte lässig mit der Hand ab. „Eindeutig weiterhin Loser daten.“

„Du hattest mehr Glück als ich“, erwiderte ich mit leichter Verbitterung in der Stimme. Es wäre wirklich super gewesen, wenn sich irgendeine der kurzlebigen Beziehungen, die ich seit Collegebeginn geführt hatte, als mehr als nur ein Zeitvertreib entpuppt hätte. Aber ich hatte mich fast schon damit abgefunden, mir keine Sorgen mehr darum zu machen, Dates zu finden. Es würde immer Männer geben, so viel wusste ich. Ich würde mir selbst einen Gefallen tun, wenn ich meine Zeit damit verbrachte, mich auf die Schule und Arbeit zu konzentrieren.

„Stimmt“, stimmte Suzy mir zu. Sie ließ ihren Blick über die Menge schweifen, die sich zu zerstreuen begann.

Später am Abend verzogen sich die Leute in die Nischen oder privaten Bereiche. Die privaten Zimmer füllten sich in der Regel schnell. Die ersten Zimmer, die besetzt wurden, waren stets die Voyeur-Räume, die über eine Glasscheibe zum Voyeur-Gang verfügten. Ich hatte diesen Gang mehrere Male durchschritten, aber es hörte nie auf, mich zu schockieren und zu erregen, wenn mir bewusstwurde, dass ich zu allen Seiten von nackten Körpern umgeben war, die sich vor Lust wanden.

Von unserem Standpunkt an der Haupttheke aus konnten wir die weite Fläche des großen Hauptbereiches überblicken und den Pool sehen, in dem sich einige Leute in mickrigen Badeanzügen oder gar nichts vergnügten. Zu diesem Zeitpunkt des Abends war alles ziemlich spektakulär, aber an der Bar begann sich die Lage zu beruhigen. Es würden dennoch ein paar Leute hierherkommen und Drinks verlangen. Diejenigen, die bereits an dem teilgenommen hatten, was auch immer sie im Club an diesem Abend hatten tun wollen, oder diejenigen, die die Bar als das nutzten, was sie war – ein Ort, an dem sie ihren Sorgen bei einem freundlichen Zuhörer Luft machen konnten. Und im Falle von mir, Suzy und allen anderen, die im Club V bedienten, erhielten unsere Gäste auch noch etwas fürs Auge, das sie jeden Abend in ihren Erinnerungen mit nach Hause nehmen konnten.

„Ich hätte allerdings nichts dagegen, einen reichen Kerl zu haben, weißt du. Einen von der Sorte, wie wir sie hier sehen“, meinte Suzy.

Ich ließ meinen Blick prüfend durch den Raum schweifen. „Meinst du wirklich, dass du einen Typen willst, der hierherkommen würde?“

Sie zuckte mit den Schultern, während sie anfing, den Bereich hinter der Bar zu putzen.

„Natürlich nicht unbedingt hier, da es nicht erlaubt ist. Aber ja, ich denke, ich hätte nichts gegen einen Kerl aus einem der anderen Clubs. Nur, um mal eine Weile gut behandelt zu werden.“

Ich dachte gründlich über das nach, was ich als Nächstes sagen würde. Niemand war in der Nähe, der mich hätte hören können, und ich würde niemals etwas vor einem Gast sagen, aber ich hatte meine Vorbehalte gegenüber einigen dieser Männer.

„Du hast nichts gegen… du weißt schon, das, worauf sie stehen? Manche von denen können ziemlich Furcht einflößend werden.“

„Ich weiß, was du meinst. Aber es gibt hier auch ein paar richtige Vanilla Kerle. Ich bin mir sicher, dass es in NYC auch einige Leute gibt, die nur zum Vögeln dort sind oder um andere zu beobachten. Nicht jeder steht auf Analplugs und Ballknebel, aber ich verurteile deinen Geschmack nicht, Samara.“ Sie rempelte mich mit ihrem Ellbogen an und lachte.

Ich lächelte nur und winkte ab. „Yeah, ich glaube wirklich nicht, dass das mein Stil ist.“

Suzy schenkte mir ein schiefes Lächeln. „Das wirst du erst wissen, wenn du es ausprobierst. Hast du da schon mal drüber nachgedacht?“

„Analplugs und Ballknebel?“

Suzy rollte mit den Augen. „Nein, endlich deine Jungfräulichkeit zu verlieren. Ich möchte dich niemals unter Druck setzen und ich weiß, du hast deine Gründe, aber ich denke, es könnte eine gute Idee sein, wenn du einfach ein bisschen lockerlässt. Es muss beim ersten Mal nicht perfekt sein. Ich würde sogar sagen, dass du Schwierigkeiten haben wirst, viele Leute zu finden, die ihr erstes Mal als perfekt beschreiben würden. Es ist normalerweise unbeholfen und chaotisch und peinlich.“

Ich räumte ein paar Gläser weg und stapelte sie in einer Kiste, in der sie später nach hinten zum Spülen getragen werden würden.

„Bei dir hört sich das Liebemachen nach so viel Spaß an, Suzy. Wirklich, jeder sollte es kaum erwarten können, so was zu machen.“

Sie hielt einen Finger in die Luft. „Ah, ich verstehe! Das ist der Punkt, an dem du dich irrst. Du redest von Liebe und ich rede von gutem, altmodischem Ficken. Lass einfach los und treib es mit einem Kerl. Such jemanden, der ein bisschen älter ist, und achte darauf, dass er weiß, was er tut. Man sagt, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn er tanzen kann. Such dir einfach einen und dann tu es.“ Suzy streckte eine Hand aus und rieb über meinen Arm. „Du hast den Körper einer Göttin! Hier sind jede Nacht Dutzende Typen, die dafür sterben würden, mit dir ins Bett zu gehen. Und wenn sie wüssten, dass du noch Jungfrau bist… heilige Scheiße, Samara. Männer verehren Frauen in so einer Situation.“

Ich blickte sie düster an. Sie wusste ganz genau, dass das nicht die Reaktion war, die ich von Kerlen, die ich gedatet hatte, erhalten hatte, wenn sie herausfanden, dass ich noch nie Sex gehabt hatte.

„Ähmm, was? Auf keinen Fall. Keiner von den Typen, mit denen ich ausgegangen bin, ist darauf abgefahren. Und wenn das nicht der Fall war, wollten sie mich so weit und so schnell drängen, dass ich die Reißleine ziehen musste.“

„Das liegt daran, dass du mit Jungs ausgehst, Baby. Es ist an der Zeit, dass du dir einen Mann zum Daten suchst. Ich meine das ernst. Du musst einen ausgewachsenen Gentleman finden, der weiß, was Sache ist. Halt in NYC die Augen offen. Diese Managertypen drängen sich immer zu Hauf in solchen Schuppen. Du musst dir einen suchen, der dir hilft und dann lässt du ihn nie wieder gehen.“

3

Die U-Bahnfahrt in die Stadt am nächsten Abend war lang und mir unbekannt. Ich hätte mit dem Auto fahren können, aber das wäre einfach nur ein Albtraum gewesen. Auf meinem Handy hatte ich eine U-Bahnkarte gefunden, die ich jetzt immer mal wieder rauszog, um mich zu vergewissern, dass ich meine Haltestelle nicht verpasste. Weil ich nicht irrtümlich für einen Touristen gehalten werden wollte, hielt ich den Kopf hoch erhoben und versuchte, den Anschein zu erwecken, als wüsste ich, was ich tue, obwohl ich ein bisschen Angst hatte, allein durch die Stadt zu reisen. So etwas machte ich nicht oft und obwohl ich Vertrauen in meine Fähigkeiten hatte, durfte ich in meiner Wachsamkeit nicht nachlassen und die Verbrechen vergessen, die Frauen manchmal in öffentlichen Verkehrsmitteln passierten.

Einige Haltestellen später wurde ich auf gruselige Weise daran erinnert, als ein älterer Mann den Wagon betrat und sich direkt vor meinen Platz stellte, sodass ich seinen Schritt beinahe im Gesicht hatte. Ich stand auf und lief durch den Wagon, nur um festzustellen, dass er mir dicht auf den Fersen war. Da ich mir seiner Absichten nicht sicher war – ob sie pervers oder schlichtweg kriminell waren – stellte ich mich neben eine andere Frau. Ich beobachtete den Mann, als er stoppte und mich anstarrte, während sich ein breites Grinsen, bei dem mehrere Goldzähne aufblitzten, auf seinem Gesicht ausbreitete.

Es war ein Fehler gewesen, bereits in meiner Arbeitskleidung in die U-Bahn zu steigen. Netzstrümpfe, Heels und ein Minirock riefen bei den Leuten im Zug nur eine hervor und ich hoffte einfach, dass ich wenigstens nach High-end aussah, wenn sie schon Vermutungen anstellten. Für die Dauer der Fahrt ignorierte ich die unerwünschte Aufmerksamkeit und erreichte schließlich meine Haltestelle. Ich sprang auf und eilte aus den Türen, die Plattform entlang und die Treppe zur Straße hinauf.

Der Club V lag nur ein paar Blocks von der U-Bahn-Haltestelle entfernt und ich war innerhalb kürzester Zeit dort, ohne auf weitere Probleme mit Menschen zu treffen, denen ich auf der Straße begegnete. Dieser Club V machte, wie auch der bei uns zu Hause, von außen nicht viel her. Hier schien es jedoch aus Diskretionsgründen zu sein, da viele der Clubbesucher tatsächlich Mitglieder der Gesellschaftselite waren. Klar, zu Hause hatten wir die auch und unterhielten oft Männer, die bekanntermaßen Mitglieder von Mafiafamilien waren, aber hier bespaßten sie Schauspieler, Diplomaten, Medienleute und Politiker, die in der Stadt waren und in mehreren Nachrichtensendern auftraten.

Das Gebäude des Club V war einst eine Textilfabrik. Es umfasste zwei Stockwerke, wovon jedes übermäßig hoch war und über die hohen Fenster verfügte, die so typisch für die Fabriken waren, die vor über hundert Jahren gebaut worden waren. Der Großteil dieser Fenster schien von Innen verdunkelt worden zu sein, um das Ambiente, für das Club V bekannt war, zu kreieren. Doch von außen war die Schönheit des alten Gebäudes recht eindrucksvoll. Wären da nicht die Worte „Club V“, die in eine Messingplatte in der Nähe der Eingangstür eingraviert waren, würde man niemals vermuten, was hinter diesen Wänden vor sich ging. Ich hegte den Verdacht, dass es viele trotzdem nicht wussten, da man nicht Google um Hilfe bitten konnte, um irgendetwas über diesen Laden rauszufinden. Ich wusste das, weil ich es viele Male probiert hatte, bevor ich vor über einem Jahr das ursprüngliche Jobangebot angenommen hatte.

Ich lief um die Seite des Gebäudes und drückte einen Knopf am Personaleingang.

„Ja?“, erklang eine Stimme über die Sprechanlage.

„Ähm… hi. Ich bin Samara, Samara Tanza. Von der Filiale in New Jersey. Ich bin hier, um heute Abend an der Bar auszuhelfen.“

Es entstand eine Pause und einen Moment fragte ich mich, ob ich weggeschickt werden würde und mir grauste es bereits vor der langen U-Bahnfahrt nach Hause.

„Richtig, richtig. Ich lass dich rein.“

Es summte und dann klickte es und ich konnte die schwere Tür aufdrücken, die zwischen mir und dem Inneren des Club V stand. Sie war so schwer, dass sie schnell und fest hinter mir ins Schloss fiel, wodurch ich in das kleine Foyer gestoßen wurde. Einen Augenblick war alles in undurchdringliche Schwärze gehüllt und ich musste meinen Augen eine Sekunde Zeit geben, damit sie sich an die Abwesenheit von Licht gewöhnen konnten. Nach einigen Sekunden wurde deutlich, dass es nicht richtig dunkel im Gebäude war, nur dämmrig und das insbesondere in diesem kleinen Bereich des Clubs.

Eine Frau in einem kurzen, hautengen roten Bandage-Kleid tauchte aus dem Nichts auf, lächelte mich an und streckte mir zur Begrüßung ihre Hand entgegen.

„Samara… es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen. Ich bin Elle, die Personalchefin hier. Warum folgst du mir nicht. Jake wollte dich noch sehen, bevor du zur Einarbeitung mit einem unserer leitenden Barkeeper geschickt wirst.“

Ich wusste nicht, wer Jake war, aber ich nahm an, dass er die NYC Version von Stew war und daher folgte ich Elle durch den Flur zu einem der Büros.

„Jake ist einer der Miteigentümer. Er möchte dir nur kurz die Firmenregeln erklären und dir die Erwartungen, die wir hier in der NYC Filiale haben, mitteilen. Ich bin mir sicher, das meiste kennst du schon aus New Jersey, aber es könnte vielleicht ein paar Unterschiede geben. Wir rühmen uns damit, eine sehr exklusive Mitgliederliste zu führen und tun alles, das in unserer Macht steht, um ihre Privatsphäre zu schützen. Ich denke, du verstehst, worauf ich damit hinauswill.“

Ich nickte, dann realisierte ich, dass sie mich nicht sehen konnte, weil ich ihr folgte, und daher sprach ich: „Oh, richtig. Natürlich. Ja, außerhalb des Clubs reden wir nie über unsere Gäste.“

„Das ist großartig“, sagte Elle. Ich konnte das Lächeln in ihrer Stimme hören. „Ich bin mir sicher, es wird dir Spaß machen, Jake kennenzulernen. Hier ist sein Büro.“

Das Büro lag in der gegenüberliegenden Ecke und die Tür schwang auf, um einige dieser gigantisch hohen Fenster zu offenbaren, die ich von außen gesehen hatte. Nur waren diese nicht verdeckt und das spätabendliche Licht drang in das schummrige Büro.

 

„Jake, das ist Samara“, stellte Elle mich vor. Sie lächelte und schloss die Tür hinter sich, sodass ich allein dort stehen blieb, während Jake langsam seinen Bürostuhl umdrehte und sich erhob, um mich zu begrüßen.

Er grinste, während er mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen dastand. Der hellgraue Anzug, den er anhatte, war gut geschnitten und passte ihm perfekt. Er war ein großes, umwerfendes Bild von einem Mann mit rabenschwarzen Haaren, vollen Lippen, olivfarbener Haut und Augen, die irgendwo zwischen blau und grau rangierten.

Ich schwieg und realisierte, dass ich ihn angestarrt und er das ebenfalls getan hatte. Unsicher, von wem erwartete wurde, zuerst das Wort zu erheben, sprach ich schließlich.

„Hi… Jake.“

Er nickte. „Ich lerne gerne alle neuen Leute, die wir an Bord holen, kennen. Nur um eine Vorstellung davon zu bekommen, wer neu in diesem Bereich ist und wer vielleicht Unterstützung braucht.“ Er trat um seinen Schreibtisch und nach vorne, um mich zu begrüßen, wobei er eine Hand ausstreckte, um meine zu schütteln. „Samara? Hübscher Name.“ Seine Worte waren wie Butter. Ich war mir nicht sicher, aber es klang auch, als hätte er einen ganz leichten Akzent und das machte diesen ohnehin schon unglaublich gut aussehenden Adonis sogar noch attraktiver.

„Dankeschön“, sagte ich in dem Versuch, mich so cool wie möglich zu geben. Wenn jeder in diesem Laden nur halb so gut aussah wie Jake, dann würde es eine lange, aber spaßige Nacht mit jeder Menge Sahneschnittchen werden.

„Ich hoffe, dir wird deine Zeit hier gefallen. Und nicht, dass ich darauf aus bin, jemanden von einer unserer anderen Filialen abzuwerben, aber du solltest wissen, dass jemand von deinem Kaliber hier im Club V NYC immer willkommen ist. Ich habe gehört, was für eine fantastische Barkeeperin du in Jersey bist und du bist mir wärmstens empfohlen worden.“

Ich spürte, wie mir Hitze ins Gesicht stieg. „Nun, Stew ist zu freundlich. Die Arbeit im Club V im vergangenen Jahr hat mir wirklich Spaß gemacht und ich könnte mir keinen besseren Arbeitsplatz für mich vorstellen.“

Jake rieb sich nachdenklich über das Kinn. „Wie sehen deine Langzeitziele bezüglich deiner Beschäftigung bei uns aus?“

Niemand hatte mir jemals zuvor diese Frage gestellt, mit Ausnahme von Stew, als er mich zur Barkeeperin befördert hatte, nachdem ich einige Monate gekellnert hatte.

„Mir macht die Arbeit hinter der Bar wirklich Spaß. Um ehrlich zu sein, ist es das, was ich tue, um meine Collegegebühren bezahlen zu können. Dafür ist es super. Das Trinkgeld ist wunderbar und bis jetzt konnte ich alles selbst bezahlen, ohne Hilfe von meinen Eltern.“

Etwas schien über Jakes Gesicht zu huschen. „Wie alt bist du?“

„Neunzehn“, antwortete ich, ohne zu zögern.

„Wow… ich schätze, ich bin einfach davon ausgegangen, dass du etwas älter als das bist. Oh nun gut, immer noch legal.“

Der Satz erschütterte mich und ich war mir sicher, dass meine Augen weit aufgerissen waren.

„Ich meine… legal, um in New Jersey und New York hinter der Bar zu stehen“, fügte er mit einem Lachen an. „Aber im Ernst, hast du jemals den Wunsch verspürt, im Club einen Schritt weiter als diese Stelle zu gehen?“

Es dämmerte mir allmählich, was Jake, einer der Mitinhaber des Club V, mich fragte. Diesem Mann gehörte nicht nur der Club, er war auch Teilhaber all der anderen Clubs in den Vereinigten Staaten und mittlerweile gab es einen in jedem Staat.

Beruhig dich, Samara. Er stellt jeder einzelnen Frau, die durch diese Tür tritt, die gleiche Frage. Jetzt antworte ihm.

„Du meinst… ob ich daran interessiert bin, im Hauptbereich zu arbeiten?“

Im Hauptbereich arbeiten. Das war die Bezeichnung, die wir benutzten. Es war die Bezeichnung, die die Frauen, die es machten, benutzten, anstatt allzu offen darüber zu reden. ‚Ich arbeite im Hauptbereich des Club V‘ war etwas, das man in der Öffentlichkeit erzählen konnte und dabei noch immer respektabel klang. Dabei war ‚im Hauptbereich arbeiten‘ in Wahrheit eine Umschreibung dafür, dass man für Sex mit einem oder vielen Männern bezahlt wurde, wobei noch unterschiedliche Grade an BDSM und andere Akte dazukamen.

„Das ist genau das, was ich dich frage, ja.“

Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich noch nie zuvor darüber nachgedacht hätte, im Hauptbereich zu arbeiten. Ich wusste, wie viel Geld die Mädels machten, und es war sehr verlockend. Obgleich sie Verträge mit dem Club hatten, war es ihnen auch erlaubt mit den meisten der Eliteclubmitglieder außerhalb des Clubs ‚professionelle Beziehungen‘ zu unterhalten. Der Club V agierte dabei als eine Art Mittelmann oder Vermittler der Geschäfte. Dieser Teil wurde jedoch totgeschwiegen. Was im Club vor sich ging, war privat und jeder wusste das. Niemand sprach außerhalb des Clubs davon. Mitglieder bezahlten hohe Preise, damit diese Informationen nicht in den Nachrichten landeten.

Alle Angestellten wussten jedoch, dass das etwas war, das mehrere unterschiedliche Gesetze umging, und es lediglich einer einzigen Razzia bedurfte sowie einer falschen Sache in den Büchern und das Ganze würde in Rauch aufgehen. Es handelte sich um organisierte Prostitution in gigantischem Ausmaß. So würden zumindest die Gesetzeshüter und die Regierung es sehen, wenn sie jemals beschlossen, tief genug zu graben. Meine Vermutung war schon immer, dass Club V seine Krallen tief in einen großen Fisch geschlagen hatte und dieser dafür sorgte, dass in keiner der Filialen Razzien durchgeführt wurden.

Aber hatte ich Interesse daran, dieser Art von Arbeit nachzugehen? Ich wusste, dass es uns erlaubt war, unsere eigenen Komfortlevel festzulegen. Ich könnte dort draußen im Hauptbereich herumgehen und nichts anderes tun, als mich auf Schöße zu setzen, hier und da ein paar Küsse zu verteilen sowie ab und zu vielleicht einen Handjob anzubieten. Doch ich wusste, dass die Frauen, die in dieses Geschäft mit dem Plan einstiegen, nur so weit zu gehen, ihre Grenzen selten einhielten. Es war verführerisch, wenn man erst einmal dort draußen war, insbesondere, wenn man von einem der edelsten Männer, den man jemals gesehen hatte, nach allen Regeln der Kunst umworben wurde. Wenn er einem immer und immer wieder erzählte, wie sehr er einen wollte. Dass er dich in eines der Zimmer mitnehmen, deine Beine spreizen und mit dem Kopf voran in deine Pussy tauchen möchte. Allein der Gedanke daran erzeugte in meinem ganzen Körper ein Prickeln.

Natürlich hatte ich darüber nachgedacht. Und ich hätte es vielleicht sogar getan, wäre ich nicht noch immer Jungfrau. Für mich war das der Knackpunkt. Nur für Geld würde ich mich nicht hergeben. Die Bezahlung war gut, aber sie war nicht so gut. So dringend brauchte ich das Geld auch wieder nicht.

Ich schüttelte verneinend den Kopf. „Nein, ich habe momentan kein Interesse daran, im Hauptbereich zu arbeiten.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Momentan nicht, also vielleicht in der Zukunft?“

Ich lächelte und senkte leicht den Blick. „Es gibt ein paar Dinge in meinem Privatleben, die ich gerne klären würde, bevor ich so etwas in Erwägung ziehe.“

Jake nickte und musterte mich nachdenklich, während er näher zu mir trat. Ich atmete scharf ein, weil mir bewusstwurde, dass wir nur Zentimeter voneinander entfernt waren. Ich war mir nicht sicher, ob es eine Nebenwirkung des Clubs war oder ob ich mich wirklich zu diesem Mann hingezogen fühlte oder ob es eine Kombination aus beidem war. Er streckte eine Hand aus und strich mir die Haare aus dem Gesicht.

„Nun, behalt es im Kopf, falls du jemals Interesse hast. Was mich angeht, so wartet hier jederzeit ein Job auf dich.“