BGB-Erbrecht

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3. Die ordentlichen Testamentsformen

a) Das privatschriftliche Testament, § 2247
aa) Vor- und Nachteile

161

Das eigenhändige Testament ist für den Erblasser relativ einfach und kostengünstig: Er kann es schnell und an nahezu jedem Ort errichten. Die Hilfe anderer Personen (insb. eines Notars) wird nicht benötigt. Außerdem entstehen dem Erblasser keine Kosten, da auch eine amtliche Verwahrung nicht vorgeschrieben ist (vgl. § 2248). Andererseits steigen die Risiken der Fälschung, unbefugten Vernichtung oder der Unauffindbarkeit im Todesfall. Der Verzicht auf eine rechtskundige Beratung birgt darüber hinaus die Gefahr, dass Unklarheiten über den Inhalt der letztwilligen Verfügung entstehen.

Wer ein Testament, das nicht in besondere amtliche Verwahrung gebracht ist, im Besitz hat, ist nach § 2259 Abs. 1 verpflichtet, es unverzüglich, nachdem er von dem Tod des Erblassers Kenntnis erlangt hat, an das Nachlassgericht abzuliefern. Im Falle der Verletzung der Aufklärungspflicht sind alle Nachlassbeteiligten nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 2259 Abs. 1 zum Schadensersatz berechtigt.[65]

bb) Eigenhändige Niederschrift

162

Nach § 2247 Abs. 1 ist das Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung zu errichten. Es genügt also gerade nicht die einfache Schriftform i.S.d. § 126 Abs. 1, sondern das Testament muss insgesamt eigenhändig geschrieben sein. Dadurch soll die Nachprüfung der Echtheit des Testaments anhand der individuellen Schriftzüge ermöglicht werden.[66] Eine mittels einer Maschine (Schreibmaschine, Computer, etc.) hergestellte Niederschrift genügt daher gerade nicht.[67] Sind einzelne Passagen mechanisch geschrieben, so sind diese Teile gem. § 125 S. 1 formnichtig; die übrigen Verfügungen bleiben jedoch gem. § 2085 (→ Rn. 477) wirksam, es sei denn, dass der Erblasser diese ohne die unwirksamen Teile nicht getroffen haben würde.[68] An einer eigenhändigen Niederschrift fehlt es ferner auch, wenn der Erblasser lediglich ein Pfeildiagramm zeichnet.[69] Die Bezugnahme auf Schriftstücke, die der Testamentsform nicht genügen (sog. testamentum mysticum) ist grundsätzlich nicht zulässig[70]; etwas anderes gilt nur, soweit die Bezugnahme lediglich der Erläuterung dient[71]. Eine Unterstützung durch Dritte beim Schreiben ist zulässig, solange der Erblasser das Testament errichten wollte und der Schreibvorgang von seinem Willen abhängig blieb.[72] Das eigenhändige Testament muss nicht „in einem Stück“ errichtet werden; zwischen der Niederschrift einzelner Teile kann ein längerer Zeitraum liegen.[73] Zudem kann sich der Erblasser jeder beliebigen Sprache (inkl. sog. „toter“ Sprachen wie Latein oder Altgriechisch) bedienen.[74] Irrelevant ist auch das Schreibmaterial[75]; als wirksam angesehen wurden z.B. Testament auf Schiefertafel mit Schieferstift[76], mittels einer Blaupause[77], auf einem Briefumschlag[78] oder auf einem Grundbuchauszug[79].

cc) Unterschrift

163

Die gem. § 2247 Abs. 1 ebenfalls zwingend erforderliche eigenhändige Unterschrift hat – wie sich aus § 2247 Abs. 3 S. 2 ergibt – drei Funktionen: Erstens soll sie eine einwandfreie Feststellung der Urheberschaft ermöglichen (Identitätsfunktion).[80] Zweitens soll sie die Ernstlichkeit der Erklärung gewährleisten.[81] Drittens hat die Unterschrift Abschlussfunktion:[82] Sie zeigt daher außerdem an, dass es sich um eine vollständige letztwillige Verfügung handelt und soll vor Verfälschungen durch Nachträge schützen.

164

Gem. § 2247 Abs. 3 S. 1 „soll“ der Erblasser mit Vor- und Zunamen unterschreiben. Gem. § 2247 Abs. 3 S. 2 kann er aber auch in anderer Weise unterschreiben, wenn dies zur Feststellung seiner Urheberschaft und der Ernstlichkeit seiner Erklärung ausreichend ist. Dementsprechend genügt unstreitig auch eine Unterzeichnung mit einem Künstlernamen, Pseudonym, Spitz- oder Kosenamen[83]; ebenso genügt auch eine Unterzeichnung durch Angabe des Verwandtschaftsverhältnisses (z.B. „Eure Mutter“[84])[85]. Umstritten ist, ob auch eine Unterzeichnung mit den Initialen genügt. Dies wird teilweise abgelehnt, weil die Person dadurch nicht hinreichend erkennbar würde.[86] Mit Blick auf das Ziel, dem wirklichen Erblasserwillen zur Geltung zu verhelfen, ist es jedoch überzeugender, die Verwendung von Initialen zumindest dann genügen zu lassen, wenn der Erblasser schon vorher regelmäßig so unterzeichnet hat und sich die Urheberschaft eindeutig klären lässt.[87]

165

Aus dem Begriff selbst folgt, dass die Unterschrift grundsätzlich unterhalb des Textes stehen muss. Dies ist aber nicht zwingend. Entscheidend ist, dass die Unterschrift den Urkundentext räumlich abschließt, um ihn damit vor nachträglichen Ergänzungen oder Zusätzen zu sichern[88] (sog. Abschlussfunktion, → Rn. 163). Wenn unter dem Text nicht mehr genügend Raum vorhanden ist, kann die Unterschrift daher formwirksam auch quer zum bzw. neben dem Text[89], oberhalb des Textes[90] oder (mit Hinweis auf die Vorderseite) auf der Rückseite[91] geleistet werden.

166

Problematisch sind in diesem Kontext Fälle, in denen der Erblasser nach erfolgter Unterschrift weitere Zusätze anbringt (sog. Postskripta). Diese sind jedenfalls dann wirksam, wenn sie keine neue Verfügung beinhalten, sondern lediglich der Erläuterung, Ergänzung oder Klarstellung des bisherigen Inhalts dienen.[92] Postskripta, die eine neue Verfügung beinhalten, sind hingegen nur dann wirksam, wenn sie nach dem feststellbaren Willen des Erblassers von der Unterschrift gedeckt sein sollen und das äußere Erscheinungsbild der Urkunde nicht entgegensteht; andernfalls müssen sie nochmals gesondert unterzeichnet werden.[93]

167

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass nicht das Testament selbst, sondern der Umschlag, in dem sich das Testament befand, unterschrieben wurde. Nach der Rechtsprechung genügt dies der Form des § 2247 Abs. 1 dann, wenn der Unterschrift auf dem Umschlag keine eigenständige Bedeutung zukommt und sie mit dem Text der einliegenden Erklärung in einem so engen Zusammenhang steht, dass sie sich nach dem Willen des Erblassers als äußere Fortsetzung und Abschluss der in der Urkunde verkörperten Erklärung darstellt.[94] Ferner muss der Umschlag verschlossen sein[95].

dd) Orts- und Zeitangabe

168

Gem. § 2247 Abs. 2 „soll“ das Testament zwar eine Orts- und Zeitangabe enthalten; dies ist aber für die Formwirksamkeit nicht zwingend erforderlich. Diese Angaben müssen daher auch nicht eigenhändig erfolgen.[96] Wenn der Erblasser Zeit und/oder Ort der Errichtung nicht angibt, läuft er allerdings Gefahr, dass das Testament nicht beachtet werden kann. Denn § 2247 Abs. 5 bestimmt, dass sich in den Fällen, in denen sich aus dem Fehlen von Orts- und/oder Zeitangabe Zweifel an der Gültigkeit des Testaments ergeben, dieses nur dann als gültig angesehen werden kann, wenn sich die Zeit und/oder Ort der Errichtung anderweitig feststellen lassen. Relevant wird dies insb. dann, wenn zwei sich widersprechende Testament ohne Zeitangabe vorliegen und sich die zeitliche Reihenfolge nicht anderweitig feststellen lässt: Da ein älteres Testament durch ein neueres Testament widerrufen werden kann (→ Rn. 189 ff.), heben sich die beiden Testamente insoweit gegenseitig auf, als sie einander widersprechen.[97]

b) Das öffentliche Testament
aa) Vor- und Nachteile

169

Ein öffentliches Testament hat zum einen Vorteile für den Erblasser: Aufgrund der Rechtsberatung durch den Notar wird es ihm erleichtert, seinen Willen in gültige Verfügungen von Todes wegen umzusetzen. Vor Fälschungen ist er weitgehend geschützt, da das öffentliche Testament in amtliche Verwahrung beim Amtsgericht gebracht werden soll (§ 34 BeurkG, §§ 346, 347 FamFG). Zudem besteht eine Mitteilungspflicht des Notars an das zentrale Testamentsregister (§ 78d Abs. 1, 2 BNotO, § 34a Abs. 1 BeurkG); die dortige Registrierung erleichtert die Auffindbarkeit der Verfügung nach dem Todesfall. Von der Rechtsklarheit profitieren auch die Erben: Zweifel, ob überhaupt ein Testament vorliegt und ob es echt ist, können vermieden werden; Auslegungsfragen sollten nicht auftreten. Ein Nachteil sind allerdings die für den Erblasser entstehenden Kosten: Die Notarkosten hängen von der Höhe des Vermögens, über das verfügt wird, ab (§§ 34, 102 GNotKG); hinzu kommen die Kosten für die amtliche Verwahrung (75 €, Nr. 12100 KV-GNotKG) und für die Eröffnung des Testaments (§ 348 FamFG; 100 €, Nr. 12101 KV-GNotKG). Auf der anderen Seite kann ein öffentliches Testament aber auch Kosten sparen, weil für die Umschreibung im Grundbuch anstelle eines Erbscheins (→ Rn. 1281 ff.) oder Europäischen Nachlasszeugnisses (→ Rn. 1334 ff.) auch ein öffentliches Testament zusammen mit der Niederschrift über die Eröffnung vorgelegt werden kann (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO).

 

bb) Die Errichtungsmöglichkeiten des § 2232

170

Ein öffentliches Testament kann gem. § 2232 in zwei verschiedenen Formen errichtet werden: durch Erklärung gegenüber dem Notar (→ Rn. 171) oder durch Übergabe einer (offenen oder verschlossenen) Schrift (→ Rn. 172). Die beiden Formen können auch miteinander verbunden werden.[98] Im Ausland kann ein öffentliches Testament auch durch Niederschrift eines Konsularbeamten errichtet werden; Konsularbeamte sollen Testamente aber nur beurkunden, wenn der Erblasser Deutscher ist (§ 11 Abs. 1 S. 1 KonsG).

171

Zum einen kann der Erblasser dem Notar seinen letzten Willen erklären (§ 2232 S. 1 Alt. 1). Die Erklärung kann mündlich erfolgen, aber auch in jeder anderen nonverbalen Form (z.B. Gebärden, Zeichen, Kopfnicken).[99] Ebenso ist es zulässig, dass der Erblasser auf Fragen und Vorschläge des Notars schriftlich antwortet (wenn der Erblasser allerdings lediglich eine schriftlich ausformulierte Erklärung übergibt, liegt ein Fall von § 2232 S. 1 Alt. 2, S. 2 vor).[100] In der Praxis wird meist so verfahren, dass der Notar den Erblasser zunächst berät, dann einen Entwurf erstellt, diesen dem Erblasser vorliest und mit ihm bespricht und der Erblasser die Richtigkeit der einzelnen Verfügungen bestätigt; hierzu genügt schon ein verständliches „Ja“ am Schluss.[101]

172

Zum anderen kann die öffentliche Testamentserrichtung durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift erfolgen. Die Schrift kann aus beliebigem Material bestehen (z.B. Papier, Pergament, Holz, Metall).[102] Der Erblasser braucht sie nicht eigenhändig zu schreiben (vgl. § 2232 S. 2 Hs. 2), sondern kann sie auch mit der Schreibmaschine schreiben, eine elektronische Fassung ausdrucken[103] oder die Schrift von einem Dritten erstellen lassen[104]. Mit Blick auf die Wertung des § 2065 Abs. 2 (→ Rn. 152 ff.) muss er aber jedenfalls Kenntnis vom Inhalt der Schrift haben.[105] Die Übergabe muss nicht zwingend „von Hand zu Hand“ erfolgen, sondern entscheidend ist, dass die Schrift mit dem Willen des Erblassers in den Besitz des Notars gelangt.[106] Die Schrift kann offen oder verschlossen übergeben werden (§ 2232 S. 2 Hs. 1). Bei einer offenen Schrift soll der Notar gem. § 30 S. 4 BeurkG vom Inhalt Kenntnis nehmen. Eine verschlossene Schrift darf der Notar hingegen ohne Zustimmung des Erblassers nicht öffnen; sie wird erst bei der Testamentseröffnung (§ 348 Abs. 1 FamFG) geöffnet.[107]

cc) Notarielles Verfahren

173

Die Einzelheiten des Verfahrens vor dem Notar ergeben sich aus dem BeurkG. So muss z.B. bei der Errichtung eines Testaments durch mündliche Erklärung die Niederschrift in Gegenwart des Notars dem Erblasser vorgelesen, von ihm genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden (§ 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG). Bedeutsam sind vor allem die notariellen Prüfungs- und Belehrungspflichten: Der Notar soll den Willen des Erblassers erforschen, den Sachverhalt klären, den Erblasser über die rechtliche Tragweite des Testaments belehren und seine Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben (§ 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG); im Falle von Zweifeln, ob das Testament dem Gesetz oder dem wahren Willen des Erblassers entspricht, soll er die Bedenken mit ihm erörtern (§ 17 Abs. 2 S. 1 BeurkG).

dd) Sonderfälle der Errichtung (§ 2233)

174

Minderjährigen Testierfähigen ist die Übergabe einer verschlossenen Schrift – ebenso wie die Errichtung eines eigenhändigen Testaments (vgl. § 2247 Abs. 4 Alt. 1, → Rn. 142) – verwehrt (§ 2233 Abs. 1). Dadurch wird gewährleistet, dass der Minderjährige stets eine Beratung durch den Notar erhält.[108]

Leseunfähige Erblasser können ein öffentliches Testament nur durch Erklärung gegenüber dem Notar errichten (§ 2233 Abs. 2). Leseunfähig ist der Erblasser, wenn er nicht in der Lage ist, die Schriftzeichen optisch wahrzunehmen und/oder den Schrifttext inhaltlich zu verstehen.[109]

Erblasser mit sonstigen Behinderungen können sowohl ein eigenhändiges als auch ein öffentliches Testament uneingeschränkt errichten.[110] Ihren besonderen Bedürfnissen wird durch Sonderregelungen im BeurkG Rechnung getragen (vgl. §§ 22-26 BeurkG).

ee) Rechtsfolgen von Formverstößen

175

Ein Verstoß gegen die Formvorgaben des § 2232 führt gem. § 125 S. 1 zur Nichtigkeit des öffentlichen Testaments.[111] Eine übergebene Schrift kann jedoch als privatschriftliches Testament wirksam bleiben, sofern sie den Anforderungen des § 2247 entspricht.[112] Pflichtverletzungen des Notars können eine Haftung gem. §§ 19, 39 Abs. 4, 46, 57 Abs. 1 BNotO begründen.[113] Der vom Erblasser in Aussicht genommene Testamentserbe muss sich jedoch ein Mitverschulden des Erblassers an der Formunwirksamkeit zurechnen lassen.[114]

4. Die außerordentlichen Testamentsformen

a) Zweck und Besonderheiten

176

Neben den ordentlichen Testamentsformen hat das BGB in den §§ 2249–2251 für Sonderfälle drei außerordentliche Testamentsformen vorgesehen: Das Nottestament vor dem Bürgermeister (§ 2249, → Rn. 178 f.), das Dreizeugentestament (§ 2250, → Rn. 180 f.) und das Seetestament (§ 2251, → Rn. 182). Ihre Aufnahme erklärt sich historisch daraus, dass in den ursprünglichen Entwürfen für das BGB als ordentliches Testament nur das öffentliche Testament vorgesehen war[115] und man deshalb ein Bedürfnis dafür sah, einen Ersatz für Fälle zu schaffen, in denen die Mitwirkung eines Notars nicht zu erlangen war[116]. Nachdem dann schließlich doch das eigenhändige Testament zugelassen wurde, war die praktische Bedeutung der Nottestamente von Anfang an gering. Ob für sie heute überhaupt noch ein rechtspolitisches Bedürfnis besteht, wird verbreitet bezweifelt; denn mit den heutigen modernen Verkehrs- und Kommunikationsmitteln sind Notare nahezu immer schnell und einfach erreichbar.[117]

177

Mit Blick auf den Ausnahmecharakter der außerordentlichen Testamentsformen hat der Gesetzgeber ihre Gültigkeitsdauer beschränkt: Gem. § 2252 Abs. 1 gelten sie als nicht errichtet, wenn seit der Errichtung drei Monate verstrichen sind und der Erblasser noch lebt. Beginn und Lauf der Frist sind jedoch gehemmt, solange der Erblasser außerstande ist, ein Testament vor dem Notar zu errichten (§ 2252 Abs. 2). Wenn der Erblasser die Sondersituation überlebt, wird ihm so eine angemessene Frist eingeräumt, um ein wirksames ordentliches Testament zu errichten.[118]

b) Die außerordentlichen Testamentsformen im Einzelnen
aa) Das Nottestament vor dem Bürgermeister (§ 2249)

178

Ein Nottestament vor dem Bürgermeister kann erstens errichtet werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Erblasser verstirbt, bevor die Errichtung eines Testaments vor einem Notar möglich ist (Gefahr vorzeitigen Ablebens, § 2249 Abs. 1 S. 1). Maßgebend ist, dass diese Besorgnis subjektiv beim Bürgermeister vorliegt.[119] Fehlt es hieran, ist das Testament aber gleichwohl wirksam, wenn sich später herausstellt, dass die Gefahr tatsächlich objektiv bestand (vgl. § 2249 Abs. 2 S. 2).[120] Der Besorgnis des vorzeitigen Ablebens gleichgestellt ist die Besorgnis einer bis zum Tod des Erblasser fortdauernden Testierunfähigkeit.[121] Zweitens kann ein Nottestament vor dem Bürgermeister auch errichtet werden, wenn sich der Erblasser an einem Orte aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist (sog. Absperrungstestament, § 2250 Abs. 1). Der Grund der Absperrung ist irrelevant; in Betracht kommen neben Naturereignissen (z.B. Erdrutsch, Lawine, Hochwasser) etwa auch Quarantänen, Kriege, Streiks, Fahrverbote etc.[122]

179

Der Bürgermeister muss zur Beurkundung zwei Zeugen zuziehen (§ 2249 Abs. 1 S. 2). Die Einzelheiten der Errichtung ergeben sich aus § 2249 i.V.m. dem BeurkG; insb. muss auch noch zu Lebzeiten des Erblassers[123] eine Niederschrift angefertigt werden (§ 2249 Abs. 1 S. 1, 4 i.V.m. § 8 BeurkG). Die Auswirkungen von etwaigen Formverstößen werden durch § 2249 Abs. 6 abgemildert: Wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass das Testament eine zuverlässige Wiedergabe der Erklärung des Erblassers enthält, ist die Beurkundung trotz Formverstoß wirksam.

 

bb) Das Dreizeugentestament (§ 2250)

180

Ein Dreizeugentestament kann errichtet werden, wenn der Erblasser sich entweder (1) an einem abgesperrten Ort aufhält (sog. Absperrungstestament, § 2250 Abs. 1, → Rn. 178) oder (2) in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich auch die Errichtung eines Nottestaments vor dem Bürgermeister nicht mehr möglich ist (sog. Notlagentestament, § 2250 Abs. 2). Diese Notsituation muss dabei entweder objektiv vorliegen oder subjektiv nach der Überzeugung aller drei Testamentszeugen bestehen.[124] Dass der Erblasser wegen einer fortgeschrittenen unheilbaren Erkrankung nur noch kurze Zeit zu leben hat, genügt hingegen für sich allein noch nicht, solange keine der genannten Notsituationen vorliegt.[125]

181

Das Dreizeugentestament wird durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichtet; hierüber muss eine Niederschrift aufgenommen werden (§ 2250 Abs. 3 S. 1). Der Erblasser und die Zeugen müssen der Sprache der Niederschrift hinreichend kundig sein (§ 2250 Abs. 3 S. 4); andernfalls ist das Testament nichtig.[126] Im Übrigen sind die Rechtsfolgen von Formverstößen auch hier gem. § 2250 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 i.V.m. § 2249 Abs. 6 abgemildert. So ist insb. auch eine „Oberschrift“ der Zeugen i.d.R. als unbeachtlicher Formfehler anzusehen.[127] Die Mitwirkung einer gem. §§ 6, 7, 27 BeurkG ausgeschlossenen Person stellt hingegen grundsätzlich keinen gem. §§ 2250 Abs. 3, 2249 Abs. 6 unbeachtlichen Formmangel dar, sondern führt zur Unwirksamkeit.[128] Etwas anderes gilt nur dann, wenn mindestens drei weitere Zeugen beteiligt waren, deren Mitwirkung keinen Bedenken unterlag.[129]

cc) Das Seetestament (§ 2251)

182

Anders als beim Bürgermeister- und Dreizeugentestament ist für das Seetestament keine besondere Notsituation erforderlich, sondern es kann von jedem errichtet werden, der sich während einer Seereise an Bord eines deutschen Schiffes außerhalb eines inländischen Hafens befindet (§ 2251). Die Errichtung erfolgt durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen gem. § 2251 i.V.m. § 2250 Abs. 3 (→ Rn. 181).

183-

184

Lösung der Ausgangsfälle

Fall 8 (→ Rn. 137):

Da sich Renate Rosenberger auf einer Seereise befand, könnte man zunächst an ein Seetestament (§ 2251) denken. Allerdings scheidet ein solches schon deshalb aus, weil es vor drei Zeugen errichtet werden muss und Renate Rosenberger sich allein in ihrer Kabine befand, als sie das Dokument abfasste. Es könnte aber ein wirksames eigenhändiges Testament gem. § 2247 vorliegen. Renate Rosenberger hat eigenhändig auf die Rückseite des Flyers geschrieben. Dass es sich um die Rückseite eines Flyers handelte und der Text mit einem rosafarbenen Glitterstift geschrieben wurde, ist unschädlich, denn das Schreibmaterial ist irrelevant (→ Rn. 162). Fraglich ist jedoch, ob eine formwirksame Unterschrift vorliegt. Die Unterzeichnung auf dem verschlossenen Briefumschlag genügt hier jedoch, denn der Unterschrift kommt keine eigenständige Bedeutung zu und sie steht – insb. auch aufgrund der Aufschrift „Testament“ – in so engem Zusammenhang mit der einliegenden Erklärung, dass sie sich nach dem Willen der Renate Rosenberger als äußere Fortsetzung und Abschluss der in der einliegenden Urkunde verkörperten Erklärung darstellt (→ Rn. 167). Dass die Unterschrift mit dem Künstlernamen „Rosarot“ erfolgt, ist irrelevant; da Renate Rosenberger diesen Künstlernamen seit Jahren benutzte, reicht dies i.S.v. § 2247 Abs. 3 S. 2 zur Feststellung ihrer Urheberschaft und der Ernstlichkeit ihrer Erklärung aus (→ Rn. 164). Schließlich führt auch das Fehlen von Ort- und Zeitangabe nicht zur Formunwirksamkeit, denn bei § 2247 Abs. 2 handelt es sich lediglich um eine Soll-Vorschrift. Im Übrigen: Selbst wenn später z.B. im Haus der Renate Rosenberger noch ein anderes Testament aufgefunden werden sollte, würden sich aus dem Fehlen von Zeit- und Ortsangabe keine Zweifel an der Gültigkeit des in der Kabine errichteten Testaments ergeben, weil die Erblasserin ja auf die Rückseite eines Flyers mit dem Menü für das Abendessen des Einschiffungstages schrieb. Es handelt sich folglich um ein wirksames eigenhändiges Testament i.S.d. § 2247.

Fall 9[130] (→ Rn. 137):

Der Bürgermeister hat konkludent durch das Einleiten der weiteren Förmlichkeiten erklärt, dass er subjektiv die Besorgnis eines vorzeitigen Ablebens des Erblassers für gerechtfertigt hielt. Ein Bürgermeistertestament kann dadurch errichtet werden, dass der Erblasser seinen letzten Willen mündlich erklärt und diese Erklärung in eine Niederschrift aufgenommen wird, § 2249 Abs. 1 i.V.m. § 2232 S. 1 Alt. 1. Der Erblasser hat seinen Willen mündlich erklärt. Weitere zwingende Voraussetzung für die Gültigkeit des Nottestaments ist jedoch eine Niederschrift (§ 2249 Abs. 1 S. 1, 4 i.V.m. § 8 BeurkG), die noch zu Lebzeiten des Erblassers angefertigt werden muss. Diesen Anforderungen genügt die aufgrund der Bandaufzeichnung vom Bürgermeister angefertigte Niederschrift nicht, da sie erst nach dem Tod des Erblassers hergestellt wurde. Als Niederschrift kommt jedoch das vom Erblasser übergebene Schriftstück in Betracht. Aus der Bezeichnung der Urkunde als Testament, dem Versehen mit Orts- und Datumsangabe und der Unterzeichnung durch Erblasser, Bürgermeister und die zwei Zeugen ergibt sich, dass alle die authentische Wiedergabe der vom Erblasser abgegebenen Erklärung bestätigen wollten. Die Mängel der Niederschrift (vgl. § 2249 Abs. 2 S. 1; §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1, 13 Abs. 1 S. 2, 28 BeurkG) sind – soweit es sich nicht ohnehin nur um Sollvorschriften handelt – nach § 2249 Abs. 6 unbeachtlich. Somit liegt ein formwirksames Bürgermeistertestament vor.