BGB-Erbrecht

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VI. Gesetzliche Erben der vierten und fernerer Ordnungen

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Erben der vierten Ordnung sind gem. § 1928 Abs. 1 die Urgroßeltern des Erblassers und ihre Abkömmlinge. Erben der fünften und fernerer Ordnungen sind gem. § 1929 Abs. 1 die jeweiligen entfernteren Voreltern des Erblassers. Hier verlässt die Regelung das gewohnte Muster: Ab der vierten Ordnung wird die Erbfolge nicht mehr nach Stämmen und Linien, sondern nach dem Gradualsystem bestimmt (§§ 1928 Abs. 2 und 3, 1929 Abs. 2): Die Verwandten näheren Grades schließen die Verwandten entfernteren Grades von der Erbfolge aus (§ 1928 Abs. 3). Repräsentationsprinzip und Eintrittsrecht gelten hier nicht, denn beide Prinzipien sind Elemente des Erbrechts nach Stämmen. Angehörige, die im selben Grade mit dem Erblasser verwandt sind, erben zu gleichen Teilen. Es erfolgt also eine Aufteilung der Erbschaft nach Köpfen. So erben noch lebende Urgroßeltern allein und zu gleichen Teilen, ohne dass es auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Linien ankommt (§ 1928 Abs. 2).

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Beispiel 10: Gesetzliche Erben der vierten Ordnung


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Da nur noch Erben der vierten und fernerer Ordnungen vorhanden sind, werden die Erben nach dem Gradualsystem bestimmt, wobei eine Verteilung nach Köpfen erfolgt. Leben im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nur noch U1, U5 und U7, so erben sie allein zu je 1/3, die Abkömmlinge Y2, Y3 und Z gehen leer aus (§ 1928 Abs. 2). Eine Differenzierung nach Linien findet nicht statt. Sind auch U1, U5 und U7 vorverstorben, erben Y2 und Y3 je zu 1/2, denn beide sind mit dem Erblasser im 5. Grade verwandt (Zahl der vermittelnden Geburten) (§§ 1928 Abs. 3, 1589 Abs. 1 S. 3). Schlägt Y2 die Erbschaft aus, erbt Y3 alleine, da Z mit dem Erblasser nur im 6. Grade verwandt ist.

Anmerkungen

[1]

Vgl. BeckOK/Hahn § 1589 Rn. 4.

[2]

D.h. die Geburt der die Verwandtschaft herstellenden Person wird nicht mitgerechnet, vgl. MüKoBGB/Wellenhofer, 7. Aufl. 2017, § 1589 Rn. 13.

[3]

Statt aller BeckOGK/Haßfurter § 1589 Rn. 5 m.w.N.

[4]

Beispiel: OLG Düsseldorf v. 27.10.2016 – I-3 Wx 294/15, ZEV 2017, 91.

[5]

Erman/Lieder, 15. Aufl. 2017, Vorbem. vor § 1924 Rn. 5.

[6]

Erman/Lieder, 15. Aufl. 2017, Vorbem. vor § 1924 Rn. 7.

[7]

Vgl. MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl. 2017, § 1924 Rn. 33.

[8]

Vgl. Staudinger/Werner, 2017, § 1925 Rn. 14.

Teil II Die gesetzliche Erbfolge › § 3 Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten

§ 3 Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten

Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeines

II. Erbrechtliche Auswirkungen der Zugewinngemeinschaft

III. Besonderheiten bei Gütertrennung

IV. Besonderheiten bei Gütergemeinschaft

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Fall 2:

Das Ehepaar Bruno und Berta Boldt, das im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, verunglückt in den Alpen bei einer Bergtour. Im Krankenhaus verstirbt zunächst Berta, wenige Stunden nach ihr auch Bruno. Beide hinterlassen die gemeinsamen Kinder Klaus und Karen und die Tochter Thea aus Bertas erster Ehe. Jeder Ehegatte hatte für sich ein Bankkonto angelegt, auf dem sich jeweils 120.000 € befinden. Die übrigen zur Erbschaft gehörenden Gegenstände sind praktisch wertlos. Lösung: → Rn. 115

Fall 3:

Gleicher Sachverhalt, nur Bruno stirbt zuerst. Lösung: → Rn. 116

Fall 4:

Beide werden in den Alpen tot aufgefunden. Es lässt sich nicht mehr feststellen, wer zuerst verstorben ist. Lösung: → Rn. 117

Literatur:

Coester, Die rechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten, JURA 2010, 105; Falkner, Der Umfang des Ehegattenerbrechts, JA 2013, 824; Herrler, Ehegattenerb- und -pflichtteilsrecht: „Kleiner“ oder „großer“ Pflichtteil?, JA 2008, 450; Kellermann, Die Auswirkung einer Scheidung auf das Ehegattenerbrecht, JuS 2004, 1071; Lorenz/Eichhorn, Das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten bzw. Lebenspartners, JuS 2015, 781.

Teil II Die gesetzliche Erbfolge › § 3 Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten › I. Allgemeines

I. Allgemeines

1. Der Ehegatte als gesetzlicher Erbe

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Falls der Erblasser verheiratet ist, ist sein Ehegatte gem. § 1931 gesetzlicher Erbe, wenn er den Erblasser überlebt. Hinsichtlich des Ehegattenerbrechts ist dabei maßgebend, ob die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers Bestand hatte. Ist die Ehe vor dem Tode des Erblassers rechtskräftig geschieden worden (§ 1564), dann besteht keine Ehe mehr, sodass das Ehegattenerbrecht nicht zur Anwendung kommt. Gleiches gilt für ein rechtskräftiges Urteil, durch das die Ehe aufgehoben wurde (§ 1313).

2. Ausschluss des Ehegattenerbrechts bei Versterben des Erblassers während des Scheidungsverfahrens

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Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist jedoch gem. § 1933 S. 1 ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe (vgl. §§ 1565–1568) gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.

Das Gleiche gilt gem. § 1933 S. 2, wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte (in diesen Fällen ist der Ehegatte gem. § 1933 S. 3 nach Maßgabe der §§ 1569–1586b unterhaltsberechtigt).

Abzustellen ist dabei nach Rspr.[1] und h.L.[2] auf die Rechtshängigkeit (nicht Anhängigkeit) des Scheidungsantrags (§§ 113 Abs. 5 Nr. 2-4, Abs. 1 S. 2, 124 S. 2 FamFG i.V.m. §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO). Denn erst mit Zustellung des Scheidungsantrags hat der andere Ehegatte gesicherte Kenntnis und kann nun wegen der erbrechtlichen Konsequenzen entsprechend reagieren, z.B. durch Errichtung oder Änderung seines Testaments. § 1933 gilt auch, wenn der überlebende Teil die Scheidung beantragt und der Erblasser dieser zugestimmt hat. Hat hingegen der überlebende Teil die Scheidung beantragt, während sich der Erblasser bis zu seinem Tod der Scheidung widersetzte, findet § 1933 keine Anwendung, d.h. das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten bleibt erhalten.[3] Die einseitige Rücknahme des Scheidungsantrags oder der Zustimmungserklärung nach dem Tod des Erblassers lässt das nach § 1933 weggefallene Erbrecht hingegen nicht wieder aufleben.[4]

 

Dies bedeutet also für das streitige Scheidungsverfahren: Stirbt der Ehegatte, der den Scheidungsantrag gestellt hat, so verliert der Antragsgegner sein gesetzliches Erbrecht. Verstirbt dagegen der Antragsgegner, so steht dem Antragsteller ein gesetzliches Ehegattenerbrecht zu, obwohl er als Antragsteller den Willen zur Eheauflösung hatte.[5]

3. Höhe des gesetzlichen Erbteils des Ehegatten

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Der gesetzliche Erbteil des Ehegatten fällt nicht an dessen Abkömmlinge (kein Eintrittsrecht), wenn der Ehegatte vorverstorben ist.[6] Die Höhe des Erbteils des (überlebenden) Ehegatten hängt von zwei Faktoren ab: Zum einen davon, in welchem Güterstand der Ehegatte mit dem Erblasser gelebt hat (→ Rn. 92, 95 ff.), zum anderen davon, welcher Ordnung die neben dem Ehegatten als gesetzliche Erben berufenen Verwandten angehören (→ Rn. 93 ff.).

a) Faktor 1: Güterstand

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Der Güterstand hat einen ganz erheblichen Einfluss auf das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten. Wenn die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft (→ Rn. 95 ff.) oder der Gütertrennung (→ Rn. 112) gelebt haben, kann dies zu einer Erhöhung des Ehegattenerbteils führen.

b) Faktor 2: Weitere Verwandte als gesetzliche Erben

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Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten und der Verwandten beruhen zwar gleichermaßen auf dem Prinzip der Familienerbfolge, stehen aber in einem starken Spannungsverhältnis zueinander.[7] Der Gesetzgeber hat insofern der engen persönlichen Verbundenheit in der Ehe den Vorrang vor der Verwandtschaft eingeräumt, als der Erbteil des Ehegatten umso größer wird, je entfernter die mit ihm erbenden Verwandten sind:[8]


Weitere existierende Verwandte Gesetzlicher Erbteil des Ehegatten
1. Ordnung ein Viertel (§ 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 1); beachte bei Gütertrennung aber § 1931 Abs. 4!
2. Ordnung Hälfte (§ 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 1)
Großeltern des Erblassers Hälfte (§ 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2); soweit auch Abkömmlinge von Großeltern vorhanden sind, erhält der Ehegatte zudem auch deren Anteile (§ 1931 Abs. 1 S. 2)
4. und fernere Ordnungen Ehegatte = Alleinerbe (§ 1931 Abs. 2)

c) Beispiele

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Die Beispiele gehen davon aus, dass Gütertrennung vereinbart war.

Beispiel 1:

Neben sämtlichen lebenden (vier) Großeltern beträgt der Ehegattenerbteil gem. § 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2 die Hälfte. Die andere Hälfte fällt gem. § 1926 Abs. 2 zu je 1/8 an die Großeltern.

Beispiel 2:

Es leben keine Großeltern mehr. In diesem Fall ist der überlebende Ehegatte gem. § 1931 Abs. 2 Alleinerbe. Ob Abkömmlinge von Großeltern existieren, spielt dann keine Rolle.[9]

Beispiel 3:

Es leben drei Großeltern und der vorverstorbene Großvater mütterlicherseits hat eine Tochter (also die Tante des Erblassers). Der Ehegatte erhält dann neben seiner Erbquote von 1/2 (§ 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2) auch den Erbteil von 1/8 des vorverstorbenen Großvaters (§ 1931 Abs. 1 S. 2). Leben keine Abkömmlinge des Großvaters mehr, dann fällt der Erbteil von 1/8 an die Großmutter mütterlicherseits, denn § 1931 Abs. 1 S. 2 ist jetzt nicht mehr anwendbar (§ 1926 Abs. 3 S. 2).

Beispiel 4:

Sind Großvater und Großmutter mütterlicherseits vorverstorben, ohne Abkömmlinge zu hinterlassen, so erhält gem. § 1926 Abs. 4 das andere noch lebende Großelternpaar deren Anteil.

Beispiel 5:

Lebt nur noch die Großmutter väterlicherseits, so geht bei einem vorhandenen Abkömmling des Großvaters väterlicherseits dessen Anteil von 1/8 auf den Ehegatten über (§ 1931 Abs. 1 S. 2). Leben keine Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits, so fällt deren Anteil von 2/8 zu 1/8 auf die Großmutter und zu 1/8 auf den Ehegatten (§ 1931 Abs. 1 S. 2); damit hat die Großmutter insgesamt 1/4, der Ehegatte 3/4.

Die Lösungen zeigen, dass es an einer gewissen Folgerichtigkeit mangelt: Das Gesetz bevorzugt den Ehegatten vor Abkömmlingen von vorverstorbenen Großeltern (§ 1931 Abs. 1 S. 2). Abkömmlinge vorverstorbener Großeltern werden wiederum vor noch lebenden Großeltern bevorzugt (§ 1926 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4). Also müsste eigentlich der Ehegatte auch Vorrang vor noch lebenden Großeltern haben, sodass er auch die Anteile von den Großeltern bekommen müsste, die keine lebenden Abkömmlinge haben. Die Lösung des Gesetzes ist aber die Konsequenz aus dem Grundsatz, dass der Ehegatte allein die Abkömmlinge, nicht aber die Großeltern von ihrem gesetzlichen Erbrecht ausschließt.

Teil II Die gesetzliche Erbfolge › § 3 Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten › II. Erbrechtliche Auswirkungen der Zugewinngemeinschaft

II. Erbrechtliche Auswirkungen der Zugewinngemeinschaft

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Sofern die Ehegatten nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren, leben sie gem. § 1363 Abs. 1 im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Begriff der „Zugewinngemeinschaft“ ist irreführend, da es sich gerade nicht um eine Vermögensgemeinschaft handelt, sondern die Vermögensmassen der Ehegatten getrennt bleiben. Jeder Ehegatte bleibt während der Ehe grundsätzlich Herr seiner eigenen Vermögenssphäre; erst bei Auflösung der Ehe wird die Zugewinndifferenz halbiert und in Geld ausgeglichen. Passender wäre daher eigentlich der Begriff „Gütertrennung mit Ausgleich des Zugewinns“[10].

1. Der Ehegatte als gesetzlicher Erbe

a) Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des Ehegatten gem. § 1371 Abs. 1

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Wenn die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, erhält der überlebende Ehegatte neben seinem gesetzlichen Erbteil gem. §§ 1371 Abs. 1, 1931 Abs. 3 ein weiteres Viertel als pauschalierten Zugewinnausgleich. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob tatsächlich ein Zugewinn erzielt wurde (vgl. § 1371 Abs. 1 Hs. 2), sog. erbrechtliche Lösung.

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Nicht ganz unproblematisch ist die Berücksichtigung des pauschalen Zugewinnausgleichs, wenn der Ehegatte mit Großeltern und Abkömmlingen von Großeltern zusammentrifft. Einer Ansicht nach wird der Erbteil zunächst nach § 1931 Abs. 1 berechnet und dann um ein Viertel erhöht.[11] Dies hätte zur Folge, dass der überlebende Ehegatte Alleinerbe wäre. Dies kann indes nicht richtig sein, denn dadurch würden die Großeltern völlig von der Erbfolge ausgeschlossen. Nach h.M.[12] ist dem Grunderbteil des Ehegatten (Hälfte gem. § 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2) zunächst das Viertel gem. § 1371 Abs. 1 zuzuschlagen, sodass der überlebende Ehegatte 3/4 erbt; das restliche Viertel geht grundsätzlich an die Großeltern, ein Teil davon fällt aber ggf. zurück an den Ehegatten.

Beispiel:

Neben seiner Ehegattin F hinterlässt der Erblasser seine Großeltern väterlicherseits und seine Großmutter mütterlicherseits; der Großvater mütterlicherseits ist vorverstorben, es lebt jedoch seine Tochter T.

F erhält 1/2 gem. § 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2 plus 1/4 pauschalierten Zugewinnausgleich gem. § 1371 Abs. 1. Von dem restlichen Viertel wächst der F gem. § 1931 Abs. 1 S. 2 1/16 zu. F erhält damit insgesamt 13/16.

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Ist der überlebende Ehegatte zugleich auch ein erbberechtigter Verwandter, so erbt er gem. § 1934 S. 1 auch als Verwandter. Es handelt sich insofern um zwei separate Erbteile (§ 1934 S. 2). Möglich ist dies nur, wenn der Ehegatte zugleich Verwandter 2. Ordnung ist, d.h. z.B. Ehen mit Onkel/Tante oder Großonkel/Großtante.[13]

b) Der Voraus des Ehegatten gem. § 1932

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Wenn der Ehegatte gesetzlicher Erbe wird, steht ihm gem. § 1932 Abs. 1 als sog. Voraus ein Anspruch auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke zu. Dadurch soll ihm die Fortsetzung des Haushalts in der bisherigen Weise ermöglicht werden.[14] Der Rechtsnatur nach handelt es sich um ein gesetzliches Vermächtnis (vgl. § 1932 Abs. 2). Es findet daher auch keine Anrechnung auf die Erbquote statt.[15]

100

Der Begriff der zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände ist grundsätzlich weit zu verstehen und umfasst nicht nur den gewöhnlichen Hausrat (wie z.B. Möbel, Geschirr und Elektrogeräte), sondern auch etwa wertvolle Bilder.[16] Entscheidend ist der funktionelle Bezug der Gegenstände zum ehelichen Haushalt.[17] Daran fehlt es bei Gegenständen, die dem persönlichen Gebrauch (z.B. Kleidung, Schmuck, Kosmetika) oder spezifischen beruflichen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder hobbymäßigen Interessen (z.B. Fachliteratur, Kunstsammlung, Angelausrüstung) eines Ehegatten dienen.[18] Einen Pkw wird man jedenfalls dann als Haushaltsgegenstand ansehen müssen, wenn er neben beruflichen auch ehelichen/familiären Zwecken dient.[19] Nach dem Normzweck sind zudem nicht nur Sachen, sondern auch Rechte erfasst (z.B. Anwartschaftsrecht an unter Eigentumsvorbehalt erworbenen Sachen, Schadensersatzansprüche wegen Zerstörung einer Sache).[20] Ausdrücklich ausgenommen sind jedoch Gegenstände, die Zubehör (§ 97) eines Grundstücks sind (insoweit wertet der Gesetzgeber die wirtschaftliche Einheit des Grundstücks als vorrangig). Weiterhin gehören zum Voraus die Hochzeitsgeschenke (selbst wenn sie keinen funktionellen Bezug zum Haushalt haben oder Grundstückszubehör sind).[21] Da Hochzeitsgeschenke aber im Zweifel im gemeinschaftlichen Eigentum beider Ehegatten stehen, richtet sich der Anspruch regelmäßig nur auf Verschaffung der ideellen Eigentumshälfte des Erblassers.[22]

 

101

Eingeschränkt ist der Voraus gem. § 1932 Abs. 1 S. 2 neben Abkömmlingen des Erblassers: Hier gebührt der Voraus dem Ehegatten nur insoweit, als er die betreffenden Gegenstände zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt.

2. Der enterbte Ehegatte: Die sog. güterrechtliche Lösung

a) Zugewinnausgleichsanspruch

102

Wurde der überlebende Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen und wurde ihm auch kein Vermächtnis zugewendet, so kann der (pauschalierte) Zugewinnausgleich nicht durch die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils erfolgen (vgl. § 1371 Abs. 2). Der enterbte Ehegatte hat stattdessen einen Anspruch gegen die Erben (§ 1967) auf Ausgleich des tatsächlich erzielten Zugewinns nach den §§ 1373–1383, 1390 (sog. güterrechtliche Lösung).

Die Berechnung erfolgt wie bei der Beendigung der Ehe durch Scheidung (§ 1372). Für jeden Ehegatten ist die Differenz zwischen seinem Endvermögen (= Vermögen bei Beendigung des Güterstandes, also hier bei Tod des Erblassers, § 1375) und seinem Anfangsvermögen (Vermögen bei Beginn des Güterstandes, also i.d.R. bei Eheschließung, § 1374) zu ermitteln. Der Differenzbetrag ist der Zugewinn, der während der Ehe erzielt wurde. Wenn der Erblasser einen höheren Zugewinn erzielt hat als der überlebende Ehegatte, so besteht gem. §§ 1371 Abs. 2, 1378 Abs. 1 ein Ausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten in Höhe der Hälfte des diesbezüglichen Überschusses.

Beispiel:

Erblasser M hat seinen Sohn S testamentarisch als Alleinerben eingesetzt. M und F verfügten bei Eheschließung jeweils über ein Vermögen von 1.000 €. Im Zeitpunkt des Todes von M verfügte dieser über ein Vermögen von 200.000 €, F hatte lediglich ein Vermögen von 10.000 €. M hat somit einen Zugewinn von 199.000 € erzielt, F von 9.000 €. F hat folglich gegen M einen Ausgleichsanspruch gem. §§ 1371 Abs. 2, 1378 Abs. 1 auf 95.000 €.

103

Hat dagegen der überlebende Ehegatte den höheren Zugewinn erzielt, wird überhaupt kein Zugewinnausgleich durchgeführt (d.h. die Erben des vorverstorbenen Ehegatten können keinen Ausgleichsanspruch geltend machen).[23]

Ein Anspruch auf Zugewinnausgleich kann nur in der Person des Ehegatten selbst entstehen, §§ 1371 Abs. 1 und 2, 1378 Abs. 3 S. 1. Daher muss ein Ehegatte die Beendigung der Zugewinngemeinschaft erlebt haben, um einen Ausgleichsanspruch erwerben und dann vererben zu können, § 1922 Abs. 1. Die §§ 1372 ff. betreffen nur die Regelung unter Lebenden.[24] Beim Todesfall vor oder gleichzeitig mit dem anderen Ehegatten entsteht somit kein Ausgleichsanspruch. Die Begünstigung des überlebenden Ehegatten bzw. der Erben des Ehegatten mit dem höheren Zugewinn bei gleichzeitigem Tod der Ehegatten war vom Gesetzgeber beabsichtigt.

b) Kleiner Pflichtteil

104

Neben dem güterrechtlichen Ausgleichsanspruch kann der enterbte Ehegatte seinen Pflichtteil geltend machen (vgl. § 1371 Abs. 2 Hs. 2). Gem. § 2303 Abs. 2 steht ihm gegen die Erben ein Anspruch in Geld in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils zu. Für die Berechnung ist gem. § 1371 Abs. 2 Hs. 2 vom nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil auszugehen, wie er aus § 1931 Abs. 1 und 2 folgt (sog. kleiner Pflichtteil). Sind Abkömmlinge des Erblassers als Erben berufen, beträgt der Pflichtteil des enterbten Ehegatten demnach 1/8 des Nachlasswertes, da der nicht erhöhte gesetzliche Erbteil in diesem Fall 1/4 ist (§ 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 1). Die Geltendmachung des kleinen Pflichtteils ist im Gesetz eindeutig geregelt und steht dem enterbten Ehegatten in jedem Fall zu.

105

Umstritten ist hingegen, ob der enterbte Ehegatte stattdessen auch die Option hat, den sog. großen Pflichtteil zu verlangen. Hintergrund ist, dass man die Formulierung „bestimmt sich in diesem Falle“ verschieden interpretieren kann. Nach der sog. „Wahltheorie“[25] bedeutet dies, dass der kleine Pflichtteil nur dann zu gewähren ist, wenn der Ehegatte den Zugewinnausgleich auch tatsächlich verlangt (nicht schon dann, wenn er ihn nur verlangen kann). Der Ehegatte habe somit die Wahl, ob er (1) den Zugewinnausgleich verlangt – und dann zusätzlich nur den kleinen Pflichtteil erhält –, oder ob er (2) den Zugewinnausgleich nicht verlangt und dann den sog. großen Pflichtteil erhält (= Hälfte des Wertes des nach § 1371 Abs. 1 erhöhten gesetzlichen Erbteils).

Wenn Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind, hätte der Ehegatte also die Wahl zwischen: (1) Zugewinnausgleich plus „kleiner Pflichtteil“ (= Hälfte von 1/4 = 1/8, §§ 1371 Abs. 2 Hs. 2, 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 1, 2303 Abs. 2), oder (2) kein Zugewinnausgleich, aber dafür „großer Pflichtteil“ (= Hälfte von 1/2 = 1/4, §§ 1371 Abs. 1, 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 1, 2303 Abs. 2). Der Ehegatte könnte also ggf. ausrechnen, welche Lösung für ihn finanziell günstiger wäre und dementsprechend sein Wahlrecht ausüben.

106

Ein derartiges Wahlrecht wird jedoch von der Rspr.[26] und h.L.[27] zu Recht abgelehnt. Die Formulierung „in diesem Falle“ in § 1371 Abs. 2 bezieht sich richtigerweise auf den gesamten ersten Halbsatz, d.h. den Fall, dass der Ehegatte nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer wird. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, den pauschalierten Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 zwingend vorzuschreiben. Dem Erblasser würde sonst die Möglichkeit genommen, seinen Ehegatten auf den tatsächlichen Zugewinn zu verweisen. Der tatsächliche Zugewinn ist aber genau der Betrag, der dem Ehegatten auch im Fall der Scheidung zusteht und eine eventuelle ungleiche Vermögensentwicklung bei den Ehegatten während der Ehe ausgleicht: Mehr kann der überlebende Ehegatte redlicherweise auch im Fall der Enterbung nicht für sich beanspruchen. Folglich ist der enterbte Ehegatte stets auf den kleinen Pflichtteil beschränkt (sog. Einheitstheorie); daneben besteht ggf. ein Zugewinnausgleichsanspruch.