Herzen der Nacht 2

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Herzen der Nacht 2
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Jill Korbman

Herzen der Nacht 2

Fantasy Vampir Liebesroman

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Herzen der Nacht – Band 2

Kapitel 1: Ellie

Kapitel 2: Colin

Kapitel 3: Ellie

Kapitel 4: Colin

Kapitel 5: Ellie

Kapitel 6: Ellie

Kapitel 7: Colin

Kapitel 8: Ellie

Kapitel 9: Colin

Kapitel 10: Ellie

Kapitel 11: Colin

Kapitel 12: Ellie

Kapitel 13: Colin

Impressum neobooks

Herzen der Nacht – Band 2

Ein Schloss. Ein Vampir. Eine große Liebe... Ellie und Colin sind zum Castle Greyborough zurückgekehrt, aber sie können ihre junge Liebe nicht genießen. Noch immer werden Menschen im Umkreis des Schlosses ermordet aufgefunden. Als Ellie Besuch von einem Werwolf bekommt, erfährt sie erschütternde Neuigkeiten. Wem kann sie nun noch trauen?

Kapitel 1: Ellie

Mein Herz klopfte wie wild. Sie waren hier, ich konnte sie bereits hören. Meine Hände wurden feucht und ich atmete schneller. Was sollte ich jetzt nur tun?

Panisch sah ich mich um, doch es gab keinen Ort, wo ich mich vor ihnen hätte verstecken können. Ich wusste, dass es völlig zwecklos war. Sie würden mich finden, das war ganz sicher.

Als die dichte Wolkendecke aufriss, fiel das fahle Mondlicht auf den nahen Waldrand, und plötzlich konnte ich die großen, muskulösen Körper von Wölfen erkennen. Immer mehr Tiere lösten sich aus dem Dunkel des Waldes und kamen geradewegs auf mich zu. Sie waren einfach überall. Ich hätte sie noch nicht einmal zählen können, wenn ich es gewollt hätte, so viele waren es.

Die Wölfe hatten ihre furchteinflößenden Augen starr auf mich gerichtet, als gäbe es auf meiner Stirn eine leuchtende Zielscheibe, die nur sie wahrnehmen konnten.

Ganz langsam, Schritt für Schritt, wich ich zurück, bis ich die kühlen Mauersteine von Greyborough Castle in meinem Rücken spüren konnte.

Ich fluchte innerlich und fragte mich, wo Colin, Mirja und Drake steckten. Warum ließen sie mich im Stich? Wussten sie denn nicht, dass ich in Gefahr war?

Ich musste an meine Mutter und an meinen Vater denken. Auch sie waren unter tragischen Umständen ums Leben gekommen, die nie vollständig geklärt worden waren. Ich bedauerte, dass ich nun keine Chance mehr haben würde, hinter ihr Geheimnis zu kommen.

Die Tränen stiegen mir in die Augen. Ich vermisste Colin so sehr. Zusammen mit ihm wäre es möglich gewesen, das Amulett zu aktivieren und die Bestien zu vertreiben.

Aber er war nicht da, und so wie es aussah, würde dies auch so bleiben. Alleine konnte ich den Stein unmöglich zum Leben erwecken, weshalb ich der Meute hilflos ausgeliefert war.

Ohne Vorwarnung fletschte der Leitwolf plötzlich die Zähne, legte den Kopf nach hinten und stieß dann ein schauriges Heulen aus, das mich erstarren ließ. Die anderen Tiere taten es ihm nach.

Es war offensichtlich, dass die Wölfe mich gleich angreifen würden. Ich wollte mich bewegen, wollte weglaufen, aber es funktionierte nicht. Meine Beine fühlten sich an, als wären sie festgewachsen. So sehr ich auch an ihnen riss und zerrte, ich konnte meine Füße keinen Millimeter vom Boden anheben.

Erneut stieg Verzweiflung in mir auf und ich verspürte ein Gefühl der Hilflosigkeit.

Der Leitwolf fixierte mich mit einem Blick, der geprägt war von Hass und Wut. Warum hegten diese Tiere einen solchen Groll gegen mich? Was hatte ich ihnen denn getan? Während ich noch darüber nachdachte, setzte das Tier ohne weitere Vorwarnung zum Sprung an.

Schreiend erwachte ich aus meinem Traum. Mein Gesicht war nass, offenbar von Schweiß und Tränen. Ich brauchte einige Sekunden um zu realisieren, dass ich mich in meinem Bett befand und dass nichts Schlimmeres passiert war. Erleichtert atmete ich mehrmals tief durch und wischte mir mit der Hand über die Augen.

Seit meiner Begegnung mit den Werwölfen vor einigen Wochen hatte ich fortlaufend Angstträume. Bisher war das Rudel zwar nicht mehr in der Gegend gesichtet worden, dennoch rechneten die Vampire täglich mit einem Angriff.

Die dauernde Anspannung war zermürbend und die Nerven aller waren zum Zerreißen gespannt.

In meinem Schlafzimmer war es dunkel und sehr warm. Ich drehte mich herum und tastete nach Colin, doch seine Seite des Bettes war leer. Warum hatte ich nur das Gefühl, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte?

Ich knipste die kleine Nachttischlampe an, erhob mich und streifte meinen Morgenmantel über. Ein Blick in den antiken Wandspiegel verriet mir, dass ich müde und abgespannt aussah, was aber bei dem Stress der letzten Wochen auch nicht verwunderlich war. Dunkle Augenringe verunstalteten mein Gesicht und meine Haut hatte einen ungesunden, blassen Teint angenommen.

Bestimmt würde ich in absehbarer Zeit auch noch das erste graue Haar auf meinem Kopf entdecken, wenn es so weiterging. Die ständige Angst vor einer erneuten Attacke strapazierte meine Nerven und machte mir gewaltig zu schaffen.

Meine blonde Mähne hatte ich am Vorabend zu einem dicken Zopf geflochten, aus welchem sich nun einige widerspenstige Härchen befreit hatten, die wild um den Kopf herum abstanden.

Mein Versuch, diese mit den Händen wieder an Ort und Stelle zu bringen, scheiterte. Daher löste ich den Zopf ganz und kämmte die Haare einmal gut durch.

Schon besser. Nun sah ich aus wie ein Engel mit gelocktem Haar. Colin gefiel es, wenn ich die Haare so trug, er fand diese Frisur sexy.

Mein Blick fiel auf das Medaillon meiner Mutter, welches ich immer bei mir hatte, auch nachts. Ich nahm es in die Hand und betrachtete es ehrfürchtig.

Der Anhänger war alles, was mir von ihr geblieben war, und zusammen mit ihm hatte sie mir auch jede Menge Geheimnisse vermacht.

Er bestand aus dünnen Silberfäden, die kunstvoll ineinander verschlungen waren und den dunklen Stein in der Mitte umrahmten. Er glänzte matt im schwachen Licht, das von der kleinen Lampe ausging.

Dieses Schmuckstück hatte mich schon einmal vor einem Angriff der Wölfe gerettet und es zu spüren, gab mir ein gewisses Gefühl von Sicherheit, wenngleich ich auch noch immer nicht in der Lage war, die besonderen Kräfte des Steins selbst zu erwecken.

Bisher hatte dies immer nur funktioniert, wenn Colin und ich das Amulett gemeinsam berührt hatten. Niemand wusste genau, warum dies so war, noch nicht einmal der Dunkelrat, welchen wir konsultiert hatten, hatte uns eine Antwort auf diese Frage liefern können.

Also blieb mir keine andere Wahl, als selbst Nachforschungen anzustellen, wobei ich nicht wusste, ob ich jemals eine zufriedenstellende Antwort erhalten würde.

Ein paar geflüsterte Wortfetzen drangen an meine Ohren und ich versuchte zu verstehen, um was es bei dem Gespräch, das draußen im Flur geführt wurde, ging.

Die Tür war nur angelehnt und ich spähte durch den geöffneten Spalt hinaus.

Colin und Drake schienen sich angeregt zu unterhalten und es hatte den Anschein, als würde sich Colin über irgendetwas aufregen. Als ich mich noch weiter näherte, verstummten die beiden plötzlich.

Mist. Bestimmt hatte Colin mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten gespürt, dass ich auf dem Weg zu ihnen war.

Er konnte zwar keine Gedanken lesen, aber er war empathisch veranlagt. Deshalb war es ihm auch möglich, die Gefühle anderer Personen in seiner Nähe zu erkennen, und sein Verhalten dementsprechend anzupassen. Die Scharniere knarrten ein wenig, als ich die Tür öffnete und vors Zimmer trat.

„Ellie, warum bist du denn aufgestanden?“ Colin zog mich an sich und streichelte liebevoll meinen Rücken.

„Geh wieder ins Bett, alles ist in Ordnung.“

Er küsste mich aufs Haar und gerne hätte ich seinen Worten Glauben geschenkt.

„Colin, irgendetwas stimmt doch nicht“, erwiderte ich leise, „wenn alles in Ordnung wäre, dann würdest du dich jetzt nicht zu dieser unmenschlichen Uhrzeit hier auf dem Gang herumtreiben und im Flüsterton reden, sondern neben mir im Bett liegen und schlafen.“

Drake stand mir direkt gegenüber und obwohl es mitten in der Nacht war, trug er einen seiner teuren Designeranzüge samt farblich passender Krawatte.

Ich konnte mich nicht daran erinnern, ihn einmal in ganz normaler Freizeitkleidung gesehen zu haben, seit ich hier war. Colins Cousin legte sehr viel Wert auf ein korrektes Auftreten, auch in der Nacht, falls dies erforderlich sein sollte.

 

Als Colin mir einen Kuss gab, konnte ich erkennen, dass Drake die Augen verdrehte. Dies tat er immer, wenn er genervt war, insbesondere, wenn Colin mir offen seine Zuneigung zeigte.

Er warf mir einen finsteren Blick zu, welcher ein ungutes Gefühl in mir auslöste.

Drake machte mir manchmal Angst. Ich wusste, dass Colin in ihm einen Vertrauten sah, aber dennoch lief mir in seiner Gegenwart regelmäßig ein kalter Schauer über den Rücken.

Täglich beklagte er sich darüber, dass Colin und ich als Paar zusammenlebten, aber noch nicht offiziell den Ritus vollzogen hatten, der uns zu Gefährten machte. Dies war nach den Vampir-Gesetzen eigentlich streng verboten.

Drake wies uns ständig auf unser vermeintliches Fehlverhalten hin, da er als Familienoberhaupt für die Angehörigen verantwortlich war und dafür Sorge zu tragen hatte, dass sich auch jeder an die strengen Regeln der Vampire hielt.

„Also, was ist los?“ Ich hasste es, wenn alle hier mich so behandelten, als wäre ich gar nicht anwesend. Ständig versuchten die Vampire, etwas vor mir zu verheimlichen, jedenfalls kam es mir so vor. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich nicht für voll nahmen, da ich nur ein Mensch war.

Wobei dies gar nicht endgültig bewiesen war, denn es gab Hinweise darauf, dass meine Mutter ebenfalls ein Vampir gewesen sein könnte. Colin beteuerte stets, dass alle seine Familienangehörigen mich bedingungslos respektierten, aber daran hatte ich manchmal meine Zweifel.

„Nichts ist los, Ellie“, erwiderte Colin, „alles ist gut.“

„Colin?“ Ich warf ihm einen tadelnden Blick zu. „Bitte hör auf, mich anzulügen. Ich bin kein kleines Kind mehr.“

„Du solltest ihr die Wahrheit sagen, sie erfährt es ja am Ende doch.“ Drakes trockener Kommentar überraschte mich. Sonst war er immer derjenige, der mir wichtige Informationen vorenthielt, und nun schlug er sich plötzlich auf meine Seite? Dies war in der Tat sehr ungewöhnlich und ich fragte mich, ob diese Verhaltensänderung einen bestimmten Grund hatte. Vielleicht hatte er aber auch einfach nur Fortschritte im Umgang mit Menschen gemacht.

„Nun gut.“ Colin suchte offenbar nach den richtigen Worten. „Wir haben Berichte erhalten, dass einige Wölfe ins Schloss eingedrungen sein könnten.“

„Was?“ Mein Magen krampfte sich zusammen und ich spürte, wie mir übel wurde. „Werwölfe? Hier im Gebäude? Warum habt ihr mich denn dann nicht geweckt?“, fragte ich aufgekratzt.

Sollte ich vor einigen Sekunden noch in irgendeiner Form schläfrig gewesen sein, so war dies jetzt vorbei. Aufgeregt und hellwach begann ich, im Gang auf und ab zu laufen.

„Wir wollten erst ganz sicher sein, bevor wir dich informieren“, erwiderte Colin beschwichtigend, „das verstehst du doch, oder? Außerdem hat sich die ganze Sache als Fehlinformation herausgestellt. Wir haben alle Zimmer im Gebäude durchsucht, auch die der menschlichen Bediensteten. Wir haben einfach vorgegeben, dass es irgendwo im Haus einen technischen Defekt gibt.“

„Und das haben euch die Angestellten geglaubt?“

„Ja, Mirja hat ein wenig mit ihren Kräften nachgeholfen.“ Mirja war Drakes Gefährtin und hatte die Fähigkeit, Gedanken zu manipulieren. Sie hatte gestanden, diese Technik auch einmal bei mir benutzt zu haben, aber nur ein einziges Mal. Ich hoffte, dass dies auch tatsächlich der Wahrheit entsprach. Auf alle Fälle hatte ich mir ein solches Vorgehen für die Zukunft ausdrücklich verboten.

„Wir können davon ausgehen, dass das Schloss sauber ist. Es wurden keine Eindringlinge festgestellt.“ Colin bemühte sich, seine Stimme möglichst gleichgültig klingen zu lassen, um mich zu beruhigen.

Normalerweise hätte diese Taktik auch sicher funktioniert, nur nicht in diesem Augenblick, nicht nach diesem Traum. Die Angst in meinem Inneren wurde auf einmal übermächtig und umklammerte mein Herz mit eisernem Griff. Ich begann zu zittern und als Colin es bemerkte, legte er schützend seine Arme um mich.

„Alles ist in Ordnung, Ellie. Komm, lass uns wieder reingehen.“ Er schob mich vorsichtig durch die Tür und ich ließ es geschehen.

„Drake, vielen Dank für deine Hilfe. Ich schlage vor, dass du dich jetzt auch ein paar Stunden hinlegst. Die Nacht war anstrengend genug.“ Drake nickte ihm kurz zu, dann drehte er sich um und verschwand die Treppe hoch in die Gemächer der Adelsfamilie.

Ich setzte mich auf mein Bett und schlug die Hände vors Gesicht. Langsam wurde mir das Ganze alles zu viel. Colin gesellte sich zu mir und nahm meine Hand in seine.

„Ellie, was ist denn los mit dir? Du bist ja ganz neben der Spur. Mach dir keine Sorgen, wir haben die Situation unter Kontrolle.“ Er schaute mich mitfühlend an. „Da ich weiß, wie sehr dich die Sache mit den Wölfen belastet, dachte ich, ich lasse dich lieber erst einmal schlafen. Außerdem war es ja tatsächlich falscher Alarm.“

„Bist du dir da sicher?“ Ich erschauderte, als ich an mein letztes Zusammentreffen mit den Wölfen dachte.

„Ja, wir haben alles durchsucht. Glaubst du mir etwa nicht?“ Er erhob sich und zog seine Kleidung aus, dann legte er sie zusammengefaltet über den Sessel in der Ecke.

Ich seufzte. „Doch, natürlich… Aber es ist nur… ich habe gerade von ihnen geträumt… von den Wölfen.“

Colin runzelte die Stirn. „Ach ja? Was hast du denn genau geträumt?“

„Sie waren direkt vorm Schloss und hatten mich in die Enge getrieben. Es war alles total realistisch. . . und so furchtbar.“

Ich lehnte meinen Kopf an Colins Schulter. „Ich habe mich so schrecklich hilflos gefühlt… und dann werde ich wach und du erzählst mir, dass es einen Sicherheitsalarm gab. Das ist schon seltsam, findest du nicht?“

Er zögerte kurz, bevor er mir mit fester Stimme antwortete.

„Es war einfach ein Zufall und hat nichts zu bedeuten. Du weißt, Träume sind Schäume. Jetzt beruhige dich und komm ins Bett“, säuselte Colin mir verführerisch ins Ohr. „Du stehst unter großer Anspannung, das kann ich fühlen. Ich glaube, du brauchst dringend etwas Ablenkung.“

Er strich mir die Haare aus dem Nacken und begann, die freie Stelle an meinem Hals, welche sich ihm nun bot, mit kleinen Küssen zu bedecken.

Colins Plan schien zu funktionieren, denn augenblicklich begann ich mich zu entspannen. Mein Körper reagierte sofort auf seine Berührungen und ich bekam eine Gänsehaut, die sich langsam über meinen ganzen Rücken ausbreitete.

Seine Hände streiften meinen Morgenmantel ab und massierten meine verspannten Schultern.

Ich ließ mich voll und ganz auf ihn ein, spürte die geradezu magische Berührung seiner Hände auf meiner Haut.

„So ist es schon besser“, flüsterte er nach einer Weile zufrieden, „und jetzt komm zu mir.“

Blitzschnell zog er mich zu sich aufs Bett, und einen Augenblick später fand ich mich in seinen Armen wieder, tief eingebettet in den weichen Kissen.

Colin beugte sich über mich und begann, mich langsam und zärtlich zu küssen. Ich spürte seine weichen, kühlen Lippen auf den meinen und genoss dieses berauschende Gefühl.

Colin und ich waren zusammen, die Welt um uns herum schien zu verschwimmen. Wir waren dabei, in unser eigenes Universum einzutauchen, in welchem nur zwei Menschen existierten... er und ich.

Kapitel 2: Colin

Ich sorgte mich um Ellie. Seit unserem Abenteuer beim Dunkelrat waren etwa vier Wochen vergangen, die wir aufgrund der angespannten Lage größtenteils im Schloss verbracht hatten. Ich wusste, dass Ellie sehr unter diesem Zustand litt, aber ich konnte ihr im Augenblick nicht helfen, so sehr ich es auch wollte.

Über die Motive der Werwölfe herrschten bei uns die unterschiedlichsten Meinungen. Es gab Stimmen, die behaupteten, dass das Rudel mit den Morden den Dunkelrat provozieren wollte. Andere Vampire dachten, dass die Wölfe die Menschen getötet hätten, um ihre Jungen vor ihnen zu beschützen.

Meines Erachtens waren diese Theorien haltlos. Es handelte sich dabei lediglich um Spekulationen, niemand wusste etwas Konkretes.

Diese Unsicherheit führte dazu, dass auch wir Vampire uns seit den Zwischenfällen der letzten Zeit nicht mehr so frei bewegen konnten wie bisher.

Drake hatte die Anweisung gegeben, dass niemand mehr alleine vor die Tür gehen sollte, damit man im Falle eines Angriffs besser reagieren konnte.

Wir Vampire konnten uns zwar schneller bewegen als die Wölfe, doch diese waren dafür sehr stark und konnten uns mit ihren spitzen Zähnen tiefe Verletzungen zufügen.

Je schlimmer die Wunden waren, desto länger dauerte die Heilung, auch bei Vampiren. Wir besaßen zwar generell sehr gute Selbstheilungskräfte, dies jedoch auch nur begrenzt. Große Verletzungen mit hohem Blutverlust waren auf alle Fälle kritisch zu sehen, selbst für einen Vampir. Dies war der Grund, warum wir Blutsauger die Wölfe so fürchteten.

Ich hatte damals, als die Auseinandersetzungen noch offen zwischen den rivalisierenden Gruppen ausgetragen worden waren, etliche Vampire sterben sehen, darunter viele meiner Freunde. Sie waren einfach vor meinen Augen verblutet und ich hatte nichts dagegen tun können. Diese Ereignisse hatten mich gelehrt, dass man sich eigentlich besser von diesen wilden Bestien fernhalten sollte.

Wir hatten keine Ahnung, wo das Rudel sich gerade aufhielt, geschweige denn, warum die Tiere wieder mordeten. Alle unsere bisherigen Versuche, mit den Wölfen in Kontakt zu treten, waren kläglich gescheitert.

Drake und Marcus hatten sich auch im Dorf umgesehen, denn es war nicht ausgeschlossen, dass die Mitglieder des Rudels sich dort irgendwie versteckt hielten. Werwölfe waren nämlich durchaus in der Lage, für ein paar Stunden am Tag die Form eines Menschen anzunehmen. Vielleicht war dies ja der Grund dafür, warum wir sie einfach nicht aufspüren konnten.

Inzwischen hatten uns immer mehr Vampir-Familien ihre Unterstützung zugesichert. Das gehäufte Auftauchen der Werwölfe hier in der Gegend hatte viele von ihnen aufgeschreckt.

Mirja und Drake hatten die meisten unserer Leute dazu eingeteilt, das Schloss und den dazugehörigen Park zu bewachen, um die Sicherheit der Touristen zu gewährleisten. Wir konnten es uns nicht leisten, dass die ganze Sache an die Öffentlichkeit drang, denn dies würde die Schließung des Schlosses für Besucher bedeuten und damit den kompletten Ausfall unserer Einnahmen.

Nachts wurden ebenfalls Patrouillen durchgeführt, die allerdings stets erfolglos blieben. Es schien, als wären die Wölfe wie vom Erdboden verschluckt.

Wir konnten also nichts tun außer abzuwarten, und dies fiel gerade Ellie sehr schwer.

Sie liebte es, sich in der Natur zu bewegen und der unfreiwillige Aufenthalt hinter den dicken Mauern von Greyborough Castle war für sie wie eine Gefängnisstrafe, ausgerechnet jetzt, da der schottische Dauerregen endlich für eine Weile aufgehört hatte und draußen bestes Wetter herrschte. Sie beschwerte sich zwar nie, dennoch konnte ich ahnen, wie sehr die ganze Situation sie belastete.

Tagsüber hielt sie sich nun meist in der Schloss-Bibliothek auf, um sich abzulenken. Es war der einzige Ort, an welchem sie sich wohlfühlte, umgeben von uralten Büchern. Nach unserem gemeinsamen Frühstück, das wir auf ihrem Raum eingenommen hatten, begleitete ich sie dorthin.

Ellie hatte es abgelehnt, in mein Zimmer im obersten Stockwerk umzuziehen, wo auch meine Familie ihren Wohnbereich hatte. Sie hatte sich allem Anschein nach noch immer nicht so ganz an den Gedanken gewöhnen können, dass wir Vampire waren.

Im Prinzip machte es aber auch keinen Unterschied, in welchem Zimmer des Schlosses sie übernachtete, die Hauptsache war, dass ich bei ihr sein konnte. Und das musste ich, denn diese Frau machte mich verrückt. Sie hatte mein Leben vom Moment ihres Auftauchens an kräftig auf den Kopf gestellt. Ich war ihr komplett verfallen und würde sie auf alle Fälle zu meiner Gefährtin machen.

Damit wollte ich jedoch noch ein wenig warten, bis sich die aktuelle Gefahrensituation wieder ein wenig beruhigt hatte. Außerdem sollte sie die Gelegenheit haben, sich an ihr neues Leben hier im Schloss zu gewöhnen.

Wenn sie sich dazu entschied, die Verbindung mit mir einzugehen, dann würde es für immer sein. Sie sollte daher nicht unüberlegt handeln und keine voreilige Entscheidung treffen, die sie am Ende vielleicht bereute.

 

Ellie schritt vor mir die Treppe hinab und mein Blick folgte ihr bewundernd.

Diese Frau wusste anscheinend gar nicht, welche Anziehungskraft sie auf Männer hatte. Es gab unter den im Schloss anwesenden Vampiren etliche, die sie gerne zu ihrer Gefährtin gemacht hätten, dies konnte ich fühlen. Aber da hatte ich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Sie gehörte mir, und dies sollte auch so bleiben.

„Und du bist dir sicher, dass du wirklich den ganzen Tag in der Bibliothek verbringen willst?“, fragte ich sie, als wir durch die mit Intarsien verzierte Holztür schritten.

Der Geruch von alten Büchern stieg mir in die Nase und ich verstand nicht, wie man sich freiwillig stundenlang in einem solchen Raum aufhalten konnte. Nun ja, Ellie war von Beruf Bibliothekarin, das erklärte natürlich einiges.

„Wir könnten nachher ein wenig im Park spazieren gehen, wenn du willst.“

Ellie überlegte kurz, lehnte dann aber kopfschüttelnd ab.

„Es ist zu riskant, Colin. Ich habe keine Lust auf eine Konfrontation mit den Wölfen. Und ich habe momentan einfach keine Kraft mehr, verstehst du das?“ Sie blickte mich mit traurigen Augen an und ich konnte ihre Verzweiflung regelrecht spüren.

„Na gut, wie du möchtest. Soll ich dich später zum Mittagessen abholen?“

„Ja, gerne. Ich freue mich.“

Ihr Lächeln war unwiderstehlich. Schnell zog ich sie an mich und küsste sie innig. Als ich spürte, wie sie so sanft und anschmiegsam in meinen Armen lag, hätte ich sie am liebsten über die Schulter geworfen und wieder in mein Bett gebracht. Aber es gab einige Dinge, die ich dringend zu erledigen hatte.

Bevor ich nach oben zu meiner Familie ging, machte ich eine kleine Runde durch die Räumlichkeiten, welche der Öffentlichkeit zugänglich waren.

Es fand gerade eine Führung statt. Unauffällig schloss ich mich der Touristengruppe an und hörte kurz zu, ob der neue Museumsführer, welchen wir eingestellt hatten, seine Arbeit auch korrekt machte.

Heimlich beobachtete ich die Menschen, welche aufmerksam seinen Ausführungen lauschten. Die Gruppe bestand hauptsächlich aus älteren Leuten, aber auch ein junges Paar mit zwei kleinen Kindern, die andauend quengelten, war dabei.

Ich atmete auf. Keiner der Besucher verhielt sich in irgendeiner Form auffällig, was vermuten ließ, dass kein getarnter Werwolf anwesend war. Diese Menschen hier waren in jeglicher Hinsicht ahnungslos.

Sie hatten keine Kenntnis von den Auseinandersetzungen zwischen den Vampiren und unseren uralten Widersachern, den Wölfen. Sie mussten sich nicht mit dem Dunkelrat herumschlagen und auch keine sinnlosen und altmodischen Vampirgesetze befolgen. Und sie waren nicht dazu verdammt, viele Jahrhunderte lang ihr Dasein als Blutsauger zu fristen.

Natürlich hatte das Leben, wie wir Vampire es führten, auch Vorteile. Wir waren schnell und stark und hatten nur wenige natürliche Feinde. Dennoch zählte dies nichts, wenn man in seiner Existenz keinen Sinn mehr sah.

Dieses Gefühl kannte ich leider sehr gut. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit waren die Tage und Nächte für mich einfach so dahingeplätschert, ohne Höhen und ohne Tiefen. Mehrmals hatte ich damals den Gedanken gehegt, mein Leben - sofern man es überhaupt so nennen konnte - zu beenden. Einem Vampir boten sich dafür mehrere Möglichkeiten.

Die sicherste Art war es wohl, einen Werwolf um seine Hilfe zu bitten. Aber das kam für mich aus persönlichen Gründen nicht in Frage. Es gab auch unter unseren Leuten einige, die solche Aufträge annahmen und sich gut dafür bezahlen ließen. Ich wusste von einer Handvoll Vampiren, die sich so ihren dringlichsten Wunsch, endlich in die ewige Dunkelheit abtauchen zu können, erfüllt hatten.

Auch ich hatte mit diesem Gedanken gespielt, doch nun war ich froh, es nicht getan zu haben. Seit Ellie hier im Schloss aufgetaucht war, hatte sie mein Leben kräftig durcheinandergewirbelt.

In ihrer Nähe fühlte ich mich auf einmal so unglaublich lebendig, meine Existenz hatte schlagartig wieder einen Sinn bekommen. Wir liebten uns, ein Dasein ohne sie war für mich inzwischen einfach unvorstellbar. Sie war alles für mich, sie war mein Licht in dunkler Nacht.

Wenn ich auch nur an sie dachte, durchströmte mich sofort ein brennendes Gefühl, wie ich es nie vorher wahrgenommen hatte. Als ich sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte ich sofort ihre außergewöhnliche Ausstrahlung gespürt, die für einen Menschen eigentlich untypisch war. Sie hatte mich angelächelt und in diesem Augenblick war es um mich geschehen gewesen.

Gab es sie tatsächlich, die Liebe auf den ersten Blick? Vor jenem für mich schicksalhaften Moment hätte ich dies sicherlich verneint, aber nun war ich mir absolut sicher: Sie existierte wirklich.

Vor dem Vorfall mit den Werwölfen war Ellie immer mit ihrer Freundin Paula, der Museumsführerin, zum Essen gegangen, diese hatte sich aber bedauerlicherweise noch nicht von dem Angriff erholt. Sie befand sich nun in einem Sanatorium in der Nähe der Küste.

Die junge Frau hatte zwar keine körperlichen Schäden davongetragen, und die Erinnerung an den Zusammenstoß mit dem Rudel hatte Mirja aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Dennoch hatte sie offenbar unter so großem Stress gestanden, dass sie darunter unterbewusst noch immer litt und psychische Probleme entwickelt hatte.

Ellie war sehr traurig über den ganzen Vorfall, weshalb ich es mir zur Aufgabe gemacht hatte, sie aufzumuntern. Sie musste raus aus dem Schloss, mal wieder unter Leute, das würde sie ein wenig ablenken. Ich nickte dem neuen Museumführer zu und wandte mich von der Besuchergruppe ab.

Die Stufen, die zu den Gemächern meiner Familie führten, schienen einfach nicht enden zu wollen, weshalb ich die beiden letzten Absätze mit einem gewaltigen Satz überwand. In der nächsten Sekunde öffnete ich die Tür zu der Wohnung im obersten Geschoss des Gebäudes, zu welcher ausnahmslos die Familienmitglieder Zutritt hatten. Der beißende Geruch von Zigarren, der mir augenblicklich in die Nase stieg, verriet mir, dass Drake anwesend sein musste.

Ich schritt über den antiken Teppich aus dem 17. Jahrhundert und bog dann nach rechts in die Küche ab, die bei uns ähnlich aussah wie bei den Menschen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass wir nicht nur einen Kühlschrank hatten, sondern gleich mehrere. Die großen, silberglänzenden Geräte waren alle nebeneinander an einer Wand aufgestellt und verfügten über eine gut sichtbare Temperaturanzeige.

Ich öffnete einen von ihnen und ließ den Blick über die Reihen mit sorgsam geordneten Beuteln voller Blut schweifen. Vielleicht bildete ich es mir ja auch nur ein, aber ich war der Meinung, dass die Blutgruppe A am schmackhaftesten war, weshalb ich diese bevorzugte.

Drake und Marcus saßen im Wohnzimmer am großen Tisch. Sie hatten eine Landkarte vor sich ausgebreitet und diskutierten aufgeregt.

„Wo ist Mirja?“, erkundigte ich mich, ließ mich in einen der bequemen Sessel fallen und legte die Füße hoch.

„Sie hat sich ein wenig hingelegt. Die letzte Nacht steckt ihr noch in den Knochen.“ Drake zog herzhaft an seiner Zigarre und blies den dichten Rauch in die Luft. „Wie uns allen.“

Ich hustete laut. „Musst du das unbedingt hier drin machen?“

Doch anstatt sich über meine Bemerkung künstlich aufzuregen oder mich anzufauchen - wie er es üblicherweise immer tat - bedachte mich Drake nur mit einem genervten Blick und wandte sich sofort wieder der Karte zu.

Ich legte die Stirn in Falten. Die Tatsache, dass mein Cousin sich so ruhig verhielt, war bedenklich. Irgendetwas stimmte hier nicht.

„Habt ihr noch etwas herausbekommen?“, wollte ich wissen.

Marcus schüttelte den Kopf. „Nein, leider nicht. Sie sind einfach weg, unauffindbar.“

„Sollten wir jetzt nicht bald einen Fortschritt in dieser Sache erzielen, dann ist es erforderlich, das Schloss zu schließen“, ergänzte Drake. „Am Ende müssen wir alle noch in einem dieser schrecklichen Schnellrestaurants arbeiten und totes, gebratenes Rindfleisch verkaufen, um unser Geld zu verdienen.“

Dieser Gedanke war in der Tat nicht sehr verlockend, obwohl ich zugeben musste, dass ich Drake gerne einmal mit Schürze und Haube hinter der Theke stehend gesehen hätte, wie er gerade geschnittene Kartoffeln frittierte. Das Bild, das sich augenblicklich in meinem Kopf formte, ließ mich grinsen.

„Findest du das etwa lustig, Colin?“ Drakes Reaktion amüsierte mich nur noch mehr.

„Nein, natürlich nicht“, log ich, „ich habe nur gerade an etwas gedacht.“

Ich lächelte still in mich hinein, nahm die Blutkonserve und durchbohrte mit einem Strohhalm den weichen Kunststoff. Zum Glück war das Blut gut gekühlt, dies nahm ihm ein wenig den unangenehmen Geschmack. Ansonsten hätte ich es wahrscheinlich umgehend wieder herausgespuckt.

„Igitt! Wie ich es hasse, dieses Zeug zu mir nehmen zu müssen! Es ist einfach widerlich“, stieß ich hervor und verzog das Gesicht. Wie hatten die Vampire in früheren Zeiten nur warmes Blut direkt vom Wirt trinken können?

Marcus blickte mich entgeistert an. „Also langsam glaube ich, dass bei dir irgendetwas schiefgelaufen ist. Bist du etwa gar kein richtiger Vampir?“, meinte er scherzend.