Gottes Weg mit den Menschen

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Mt 18 handelt von der „Bruderschaft“192, d. h. von den inneren Beziehungen193 derer, die sich zur Nachfolge Jesu entschlossen haben.194 Um die Konturen des Jüngerseins in der Nachfolge Jesu zu schärfen, verdeutlicht Jesus die Grundbotschaft von der Himmelsherrschaft (vgl. Mt 4,17; 4,23; 9,35) durch fünf große, einprägsame Reden195: Nachdem die Bergpredigt (Mt 5-7) die Botschaft Jesu konkretisiert, die Aussendungsrede (Mt 10) die missionarische Aufgabe der Jünger196 einschärft, nämlich das Evangelium der Himmelsherrschaft zu verkünden, und die Gleichnisrede (Mt 13) den Jüngern als ersten Verkündern Offenbarungsqualität zuspricht, thematisiert die vierte Redekomposition (Mt 18) das Gemeinschaftsleben der Jünger in der Praxis197, also „ihre Beziehungen untereinander“198, welche stets von innergemeindlichen Problemen durch Sünde und persönliches Versagen bedroht, aber durch die Vergebung geheilt werden. Die letze große Rede Jesu (Mt 24-25) lässt die Jünger auf die Endzeit blicken, in der das letzte Gericht Gottes erscheint, aber auch Hoffnung aufgezeigt wird. Matthäus bestimmt in Mt 18 „das Bild wahrer Jüngerschaft und gibt Hilfen und Weisungen, das Jünger-sein in Konfliktsi-tuation[en] zu verwirklichen“199. Er idealisiert allerdings nicht, was „Jüngersein“ auf dem Weg der Nachfolge bedeuten kann. Der Umgang mit Schuld und Sünde200 ist eine geschichtliche Realität, die zum Bestandteil der Jüngerschaft gehört.201

Die Lehre Jesu über die wahre Bruderschaft

Um das Thema über die Bruderschaft zu entfalten, hätte Matthäus die markinische Beschreibung über den Rangstreit der Jünger (vgl. Mk 9,33-35) in sein Evangelium aufnehmen können. Das ist aber nicht geschehen. An diese Stelle tritt die Frage der Jünger, wer der Größte im Himmelreich sei (Mt 18,1). Sie greift damit die „Himmelsherrschaft“ als Leitthema der matthäischen Theologie wieder auf, so dass die Redekomposi- Lösegewalt, 83). Mt 18 richtet sich an alle Gemeindemitglieder als die Jüngerschaft Jesu. Vgl. W. Pesch, Seelsorger, 68-71, hier 68; A. Sand, Mt 18: Weisungen für eine Gemeinde in der Bewährung, in: H.J.F. Reinhardt (Hg.), Theologia et Jus Canonicum [FS Heribert Heinemann], Essen 1995, 51-57, hier 54; W. Trilling, Israel, 122f.; I. Maisch, Christsein, 251. Hingegen J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 111998, 36 („die große Anweisung für die Führer der Gemeinden“); G. D. Kilpatrick, The Origins of the Gospel according to St. Matthew, Oxford 1948, 79 („intended for the leaders of the community rather than those its threshold“). tion mit der vorhergehenden (Mt 13) und der folgenden (Mt 24-25) verbunden ist. Jesus, der das Evangelium von der Himmelsherrschaft verkündet (vgl. Mt 4,17.23; 9,35), ist der Sprecher der Rede und lehrt „das Leben der Jünger coram Deo.“202 Ihm geht es nicht darum, „wer jetzt, innerhalb der Jüngerschaft, der Größte ist, sondern wer im einst vollendeten Königtum Gottes der Größte sein wird“203. Im Kontext von der Herrschaft Gottes zeigt der Größte im Himmelreich den absoluten, d. h. „vor Gott allein gültigen Maßstab“204 des Jüngerseins auf. „Nicht die Relativierung von bestimmten Machtverhältnissen innerhalb der Gemeinde steht zur Debatte, sondern das, was das Selbstverständnis der Jünger Jesu wesentlich konstituiert; die Gestalt des Kindes drückt es aus.“205 Kinder sind das Modell für die Jüngerschaft. Die Jünger entdecken darin ihr Selbstverständnis. Insofern sie von Jesus aufgefordert sind, umzukehren und auch vor Gott klein zu werden, d. h. sich zu erniedrigen wie ein Kind (vgl. Mt 18,3f.), wird das Kind zum Leitbild des Lebens der Jünger.

Nach der Rede Jesu über die Sorge für die „Kleinen“ (Mt 18,6-14) setzt ein neuer thematischer Abschnitt ein.206 Darin ist nicht mehr die Rede von den „Kleinen“ (Mt 18,6.10.14), die sich mit einem „Kind“ (vgl. Mt 18,2-5) identifizieren sollen.207 Matthäus thematisiert jetzt neu den „Bruder“ (Mt 18,15.21.35), indem er in Anbindung an die Logienquelle (vgl. Q 17,3f.) und die lukanische Parallele (vgl. Lk 17,3b)208 das zweite Themawort „dein Bruder“ (0 άδeλφός σoυ) in Mt 18,15 einführt. „Bruder“ wird mit „Sünde“ (ἁμαρτάνω: Mt 18,15.21) und „Vergebung“ (ἀφίημι,: Mt 18,21.35) verbunden. Diese beiden Begriffe werden zu einem wichtigen Ausgangspunkt der Interpretation. Dass Matthäus schon in Mt 18,15 explizit die „Sünde“209 des Bruders thematisiert, verweist auf die inneren Konflikte der Jüngergemeinde. Weil die Sünde gegen den anderen die Gemeinde spaltet und damit die Gemeinschaft zerstören kann, fordert Jesus seine Jünger auf, zur Versöhnung mit den Brüdern bereit zu sein, um das Gut der Bruderschaft zu bewahren (vgl. Mt 5,21-26). Sie verfallen jedoch dem Bösen, das in der Gemeinde als ein geschichtliches Faktum da ist. Die Jünger schwanken immer wieder im Spannungsfeld zwischen Gut und Böse210 (vgl. Mt 13,24-30. 27-50). Ihr Leben in der Gemeinde ist eine „Zeit der Bewährung“211. Deshalb werden sie von ihrem Lehrer Jesus immer wieder zur Umkehr aufgefordert (vgl. Mt 18,3). Dafür erhalten sie die Gemeinderegel, die sich nicht nur mit den inneren Problemen der Gemeinde beschäftigt, sondern auch nach Lösungen sucht.

Diese Problematik der Jüngergemeinde löst das Disziplinarverfahren gegen den sündigen Bruder (Mt 18,15-17), das auch in der Qumran-Gemeinde eine Sachparallele (1QS 5,25-6,1; vgl. Dam 9,2-4) hat.212 In der Sprache des Rechtes, d. h. in der Perspektive der urchristlichen Halacha213 (vgl. Mt 5,22b. 34-36; 19,12; 23,8-10. 20-22), wird eine Disziplin aufgestellt, die das Vorgehen der Gemeinde gegenüber dem Sünder regelt. Die disziplinäre Ordnung besteht aus drei Schritten:

1) Die erste Phase beginnt mit der individuellen, „zwischen dir und ihm allein“ ausgeübten Zurechtweisung214 (Mt 18,15), „bringing up the aspect of closeness and mutual responsibility within the familia Dei (cf. 12:46-50)“215. Das Wort κερδαίνω hat die Integration des Sünders als Ziel vor Augen216.

2) Im Fall der Unbußfertigkeit oder Unversöhnlichkeit dieses Sünders sollen zwei oder drei andere Gemeindemitglieder gemäß der alttestamentlichen Zeugenregel (Dtn 19,15)217 hinzugeholt werden (Mt 18,16), „nicht um als Zeugen gegen den Sünder aufzutreten, sondern um dem Verweis des einen mehr Geltung zu verschaffen“218. Hiermit steigert sich die Öffentlichkeit des Verfahrens.

3) Dieser sündige Bruder soll, falls er trotz der zweiten Instanz nicht zur Umkehr kommt, in einem letzten Verfahren vor der „Gemeinde“ (ἐκκλησία), nämlich in einer öffentlichen Versammlung, zurechtgewiesen werden. Meint „Ekklesia“ in Mt 16,18 die Gesamtkirche, hat Mt 18,17 kontextgemäß die einzelne Ortsgemeinde im Blick.219 Wer auf den Mitbruder oder die Ekklesia notorisch nicht hört, hat keinen Ort mehr in der Gemeinde. „So sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner“ (Mt 18,17). Die beiden Termini „Heide“ (ἐθνικός) und „Zöllner“ (τελώυης), die auf dem judenchristlichem Hintergrund220 charakterisiert werden, gehören zur „Kategorie der Ausgegrenztheit“221; sie zeigen im negativen Sinn den konkreten Ausschluss aus der Gemeinde. „The sinner has shown that he does not share the community’s understanding of the will of God based on the teaching of Jesus and, thereby, he has expressed his extraneousness. The exclusion from the community implied in 18:17 draws the formal consequence of it.“222 Die Wiederzulassung dessen, der der Exkommunikation verfallen ist, aber später umkehrt, bleibt jedoch offen. Aber „dass einer für die Gemeinde wie Heiden und Zöllner wird, kann höchstens die Folge, niemals aber das Ziel ihres Handelns sein“223. Die Pointe des Verfahrens ist nicht der definitive Endpunkt einer Beziehung untereinander, sondern vielmehr der Anfang einer neuen Versöhnungsarbeit (Mt 18,21f.).

Auf die Gemeinderegel (Mt 18,15-17) folgt die autoritative Rede Jesu (ἀμήν λέγω ύμῖv: Mt 18,18).224 Dabei geht es um die Binde- und Lösegewalt, die erst in Mt 16,19 Petrus gegeben und hier in Mt 18,17 auf die Ekklesia ausgeweitet wird.225 Mt 18,18 ist also „ein grundsätzliches Wort über die Tragweite gemeindlicher Entscheidungen“226. Nach dem alttestamentlich-jüdischen Verständnis ist Sündenvergebung allein Gott zugeschrieben (vgl. Mt 9,2f.). Aber die Vollmacht zur Sündenvergebung ist auch dem Sohn gegeben (vgl. Mt 9,6). Aufgrund seines autoritativen Binde- und Lösewortes (Mt 18,18; vgl. 16,19) erhält die ganze Jüngergemeinde diese Vollmacht zur Sündenvergebung.227 An der Autorität zur Vergebungsvollmacht ist Jesus als der Sohn Gottes erkennbar, weil er das tut, was der Vater auch tut. Die Jünger ihrerseits nehmen ihre qualifizierte Position dadurch wahr, dass sie das tun, was Jesus tut, und was er sie tun lässt. Ihre Entscheidung zur Vergebung oder auch gegen den, der gesündigt hat (Mt 18,15-17), bekommt ihre Legitimität228, insofern Jesus den Jüngern die Binde- und Lösegewalt zuspricht (Mt 18,18). Die Vollmacht, die von den Jüngern ausgeübt werden darf, spiegelt „die Verbindlichkeit des Binde- und Lösewortes für die Ekklesia“229 wider, die eine rechtliche Dimension hat. Sie ist „Ausdruck der bleibenden Verbundenheit der nachösterlichen ἐκκλήσία mit dem Herrn“230. Angesichts dieser von Gott beglaubigten Binde- und Lösegewalt darf die Jüngergemeinde den sündigen Bruder im Fall der Ablehnung der Zurechtweisung disziplinär exkommunizieren. Es gibt allerdings auch die Möglichkeit, den sündigen Bruder wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen, wenn er auf die Zurechtweisung seiner Mitbrüder hört.231

 

Die Ekklesia ist ermächtigt, das Recht zum Ausschluss auszuüben, aber sie muss sich am Versöhnungsprozess für den Sünder aktiv beteiligen. Weil der Umgang mit Sündern in der Gemeinde nach Mt 18,21f. die Versöhnung voraussetzt, kann Schuld ohne Einschränkung vergeben werden. Die Jüngergemeinde hat den Auftrag, dem Heil eines sündigen Bruders zu dienen (vgl. ἐκέρδησας in Mt 18,15). Der Ausschluss aus der Gemeinde verhindert jedoch das heilbringende Kommen der Gottesherrschaft nicht. Dass der Gemeinderegel (Mt 18,15-17) das Gleichnis vom verlorenen Schaf vorangeht (Mt 18,12-14), ist als Vorzeichen für die Versöhnungsarbeit der Gemeinde zu werten.232 Das Bild erlaubt es aber nicht, die Anwendung des Gleichnisses nur in den internen Versöhnungsbemühungen zu sehen, der Ernstfall ist vielmehr dann gegeben, wenn ein Schaf wirklich in die Irre gegangen ist und in seiner Verlorenheit umkommen würde, wenn es der Hirte nicht suchen und retten würde.233 Die Binde- und Lösegewalt zeigt die beiden Seiten angesichts des Heils um der Gerechtigkeit Gottes willen (vgl. Mt 13,24-30).

Das Verfahren, das in Mt 18,15-17.18 beschrieben wird, scheint entgegen der Tendenz des Erzählrahmens, der es umgibt (Mt 18,12-14; 19-20; 21-22; 23-35), zu stehen. Indem dieser Rahmen es aber einfasst, kann es in diesem hier dargestellten Sinn gedeutet werden. Der Gedankengang des ganzen Kapitels 18 erschließt sich folgendermaßen234: Jesus gibt seinen Jüngern, die von der Problematik des Bösen betroffen sind, und die nach einer Lösung suchen, die Gemeinderegel. Mit den internen Problemen, für die schon Mt 18,15 und 18,6-9 eine Orientierung gegeben haben, befasst sich die Perikope von Mt 18,15- 17 eingehender. Diese thematisiert den Ausschluss aus der Gemeinde, wie er in Mt 18,17 zum Ausdruck gebracht wird. Aber die Exkommunikation ist „by no means the aim of the admonition, but only the worst-case-scenario. […] The goal of the admonition is, […], to gain the sinner back“235. Der Zusammenhang zwischen Mt 18,12-14 und Mt 18,15-18 macht anschaulich, dass Jesus der Thematik des Gleichnisses vom verlorenen Schaf treu bleibt.236 Im Handeln des Hirten, das das verlorene Schaf sucht, bekundet Jesus sein Verhalten zu den Sündern als die Erfüllung des Willens des himmlischen Vaters, dass keiner von den Kleinen verloren geht (Mt 18,14). Mit dem Verhalten des guten Hirten237 beantwortet Jesus die Frage, wie man in der Gemeinde den Verlorenen nachgehen soll. War das Gleichnis ein Vorzeichen, ist die Gemeinderegel seine Konkretion. „Daß es Gottes Wille ist, niemanden verlorengehen zu lassen, und wie der Mensch dem verirrten Schaf nachgegangen ist, so soll es in der Gemeinde geschehen.“238

Dass die Gemeinderegel dieses Gleichnis tatsächlich anwenden soll, wird im folgenden Text von Mt 18,21-35 eingefordert: Petrus – und allen Jüngern – gibt Jesus die unmissverständliche Aufforderung zur unbegrenzten Vergebung der Sünden (Mt 18,21f.). Unabhängig davon, ob die Jünger das können, sollen sie dennoch zur Vergebung stets bereit sein. Der Grund dafür ist die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes, die sich im anschließenden Gleichnis vom unbarmherzigen Schuldner widerspiegelt (Mt 18,23-35, besonders 18,24-27). Dieses Gleichnis ist aber zugleich eine Warnung. Die Jünger könnten nämlich auch so unbarmherzig sein wie ein (unbarmherziger) Schuldner im Gleichnis (vgl. Mt 18,28-30). Diese Gefährdung sollen die Jünger sehr ernst nehmen. Denn sie sollen Gottes Barmherzigkeit erkennen lassen, deren Grenzenlosigkeit sie bereits erfahren haben und die durch die Vergebung von Sünden im Jüngerkreis schon geschehen ist. Die Jüngergemeinde lebt also „aus der Vergebung Gottes, die daher auch ein Jünger dem anderen zu geben hat“239 (vgl. Mt 18,23-35; 6,14f.); „wer Vergebung von Gott erfahren hat, muss bereit sein, auch den anderen zu vergeben. Die Vergebung verlangt nach Weiterwirken, um dem Erbarmen Gottes konkrete Gestalt zu verschaffen.“240 Die unbegrenzte Vergebung der Sünden (vgl. Mt 18,22) ist der Weg zur Vollkommenheit, die der himmlische Vater will (vgl. Mt 5,48). Auf diesem Weg stehen die Jünger, die die Gerechtigkeit Gottes in ihrem konkreten Leben erfüllen sollen.241

Aus diesem Grundgedanken, der die ganze Redekomposition durchzieht, ergibt sich damit:

Matthäus hat mit der Gemeinderegel (Mt 18,15-17) eine judenchristlich geprägte Tradition übernommen. Er stellt ihr das Gleichnis vom verlorenen Schaf (Mt 18,12-14) voran und lässt ihr das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht (Mt 18,23-35) folgen. Die vom Evangelisten geschilderte Gemeindedisziplin ist „eingefasst von den Grundmotiven der Lehre Jesu, seiner Zuwendung zu den Geringen und seinem Ruf zur Demut, Jesu Liebesgebot und der Erwartung der kommenden Gottesherrschaft und des letzen Gerichtes“242. Der Evangelist sieht in der disziplinär und juristisch charakterisierten Verfahrensordnung „eine äußerste Möglichkeit“243, die im Blick auf die correctio fraterna (vgl. Lev 19,17f.) um des Miteinanders unter veränderten Verhältnissen unerlässlich ist. Ohne die stark rechtlich geprägte Verfahrensregel aufzuheben, führt Matthäus die Grundlinie der Lehre Jesu für seine Jünger fort und bringt das „Evangelium des Reiches“ (vgl. Mt 4,23; 9,35) zur Geltung. Weil die Jünger als corpus mixtum in der Versuchung zum Bösen stehen und damit „immer wieder vor die Notwendigkeit gestellt sind, die von Gott geforderte Entscheidung für das Gute gegen das Böse im Leben zu verwirklichen“244, sollen sie sich um die unermüdliche Fürsorge für den irrenden oder sich verfehlenden Bruder bemühen und um seine Wiederaufnahme in die Gemeinde besorgt sein.245 „Das Verhalten des Vaters im Himmel wird […] zum Vorbild für das Verhalten der Jünger in der Gemeinde.“246

Auf das Binde- und Lösewort (Mt 18,18) folgt die Verheißungsrede von der Erhörung des Gebetes (Mt 18,19), die nochmals (vgl. Mt 18,18) mit einer feierlichen Formulierung eingeleitet wird. Was zwei in der Gemeinde auf Erden mit gleichem Anliegen erbitten, wird vom Vater im Himmel erhört werden. Auf den ersten Blick scheint Mt 18,19 in keinem Zusammenhang mit Mt 18,15-17.18 zu stehen247 und damit ein neues Thema eingeführt zu werden. Aber die sprachliche Korrespondenz mit Mt 18,18 (Amen-Aussage und die Thematik von Himmel und Erde) ermöglicht eine inhaltliche Verbindung zwischen den beiden Textabschnitten Mt 18,15-17.18 und Mt 18,19f.248 Das gemeinsame Gebet (Mt 18,19) bekräftigt die den Jüngern zugesprochene Vollmacht zum Binden und zum Lösen (Mt 18,18).249 Die Autorität der Jünger legitimiert Gott selber, wenn sie im Gebet mit ihm verbunden sind. Der Vater im Himmel hört das Gebet der Jünger und bewirkt ihre Erfüllung auf Erden. Umgekehrt hat der Gebetsakt der Menschen seine Wirkung im Himmelreich. Indem durch das Beten eine Brücke zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen hergestellt wird, sind Himmel und Erde mit ihm verbunden.

Für die Gebetserfüllung ist das Eins-Werden bzw. die Einigkeit der Jünger innerhalb der Gemeinde vorausgesetzt,250 wie es im έάn -Satz von Mt 18,19 zum Ausdruck kommt (ἐἀυ δύο συμφωνήσωσιν ἐξ ύμῶn ἐπl τῆς γῆς). Die „Gemeinschaft als solche begründet das erhörungsfähige Gebet“251. Im Gebetsakt geht es um die Qualität des personalen Verhältnisses, das nicht nur zwischen Gott und den Betenden, sondern auch zwischen den Betenden untereinander gewonnen wird.252 Für die innere Übereinstimmung der Betenden ist zunächst die Vergebung der Sünde nötig. Das Wort συμφωνέω253 von Mt 18,19 ist im Zusammenhang mit Mt 18,16 ein Hinweis darauf, dass der sündige Bruder durch seine Zurechtweisung in die Gemeinde aufgenommen werden soll. Die Betenden können aber auch den sündigen Bruder in ihre Gemeinschaft aufnehmen, der eventuell noch nicht zur Umkehr gekommen ist und noch exkommuniziert ist. Sie sollen für ihn beten, so dass der sündige Bruder bußfertig und von der Gemeinde rehabilitiert wird. Es gibt keine Sünde, die nicht vergeben werden kann.254 Der barmherzige Gott kennt keine Grenze für das Heil der Menschen (vgl. Mt 18,12-14). Das gemeinsame Gebet profiliert das christliche Wesen der Jüngerschaft.255 Es stärkt die Gemeinschaft und damit die Beziehung zu Gott und untereinander.

Die Zusage der Gegenwart Jesu

Die gesamte Rede von der Bruderschaft (Mt 18) hat ihren Höhepunkt256 in der Beistandsverheißung des irdischen Jesus (Mt 18,20), die sich an seine Verheißung über die Gebetserhörung (Mt 18,19) anschließt: οὗ γάp είσιυ δύο ἤ τpεῖς συυηγμέυoἸ εἰς τò έμὸυ ὄυoμά, έκεῖ εἰμι ἐυ μἑσῳ αύτῶυ. Das Adverb γάp in Mt 18,20 gibt die Begründung für das Verheißungswort. Jesu Präsenz ist einerseits der Grund für die Gebetserhörung, andererseits für die den Jüngern gegebene Vollmacht zur Binde- und Lösegewalt:

1) Der Beistand Jesu in seiner Jüngergemeinde begründet zunächst die Gebetserhörung in Mt 18,19.257 Jesus verbindet seine Jünger mit Gott, dem Vater im Himmel (vgl. Mt 18,14). Ihre Gebete werden schon durch ihn und seine Gegenwart erhört. Der irdische Jesus ist der Sohn Gottes, der in der Gemeinde seinen himmlischen Vater vergegenwärtigt. „Dabei zählt nicht die Gemeinschaft um ihrer selbst willen, sondern der Immanuel, der vornehmlich dann bei seiner auf Erden wandernden Jüngergemeinde ist“258.

2) Jesu Gegenwart bewirkt, dass Gott als der Vater im Himmel die von der Gemeinde vollzogene Entscheidung des Bindens oder des Lösens bestätigt (vgl. Mt 18,18). Aufgrund der Übertragung der göttlichen Vollmacht auf Jesus repräsentiert der Sohn seinen Vater, dem allein die Sündenvergebung zugeschrieben ist. Seine Gegenwart in der Gemeinde garantiert ihr den Beistand Gottes.

Wenn die Gemeinde im Namen Jesu versammelt ist, dann ist er in ihrer Mitte gegenwärtig. Wo zwei oder drei sich im Namen Jesu versammeln, dort ist also der Ort seiner Gegenwart. Nicht nur im Gebet ist Jesus gegenwärtig, die Zusage seiner Gegenwart gilt vielmehr auch für jede Zusammenkunft in seinem Namen, wo zwei oder drei um Jesu willen versammelt sind.259 Nicht immer „im Wissen um seine Gegenwart, weil er unter ihnen ist, versammeln sie sich (vgl. Mt 10,41f)“260, sondern ebenfalls auch im Bemühen um die Rekonziliation des sündigen Bruders.261 Wenn die Jünger sich um seine Umkehr und Rettung kümmern, ist Jesus gegenwärtig, ist er doch gekommen, um die Sünde seines Volks wegzunehmen (Mt 1,21; vgl. 9,13). Ihre Gemeinde wird von der heilenden Gegenwart Jesu bestimmt. Die Versammlung in Jesu Namen hat die Gemeinschaft mit ihm als Ziel.262 Die Verheißungsrede Jesu an seine Jünger (Mt 18,20) ist umfassend: Er ist in der Mitte der Gemeinde gegenwärtig und konstituiert dadurch die Jüngerschaft; er inspiriert ihr Gebet und gibt ihnen die Vollmacht zum Binden und zum Lösen; er motiviert sie, die Verlorenen zu suchen und ihnen Schuld und Sünde zu vergeben. So „setzt Jesu Beistandwort, […], die ekklesiale Qualität der Glaubensversammlung ins Bild“263. Für Matthäus ist die Jüngerschaft im Namen Jesu die εκκλησία, die Jesu Gegenwart repräsentiert, und durch deren Verkündigungsdienst wird die nahekommende Himmelsherrschaft veranschaulicht. Jesu Präsenz ist keine Metapher, sondern zeigt als Realität seine bleibende Aktualität.264 Er selber ist der Grund dafür.

Die ekklesiale Dimension des Beistandswortes Jesu werden durch die Zahlen „zwei“ und „drei“ in Mt 18,20 angezeigt. Sie haben ihre Wurzel im alttestamentlichen Zeugenrecht: „damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt wurde.“ (Mt 18,16; Dtn 19,15; vgl. Joh 8,17). Diese Zeugenregel ist im Kontext sehr virulent: Konfliktbewältigung mit dem Ziel der Versöhnung oder – im äußersten Fall – Ausschluss aus der Gemeinde. Durch die Anwesenheit von „zwei“ oder „drei“ der Jünger wird das gemeindliche Instanzverfahren (Mt 18,15-17) ratifiziert. Die Erhörung des gemeinsamen Gebetes (Mt 18,19) wird ebenfalls der Anwesenheit von „zwei“ oder „drei“ Brüdern der Gemeinde zugesagt. Mt 18,15-17 gibt den leitenden Aspekt für die Existenz der Ekklesia und deren Funktion.

Zu beachten ist weiterhin eine Assoziation der Gegenwartsverheißung Jesu von Mt 18,20 an die rabbinische Tradition von der Gegenwart der Schekhina265 unter den Menschen266 (Aboth III, 2b. 6). Unter Berücksichtigung der Existenz des Göttlichen in der Welt der Menschen steht das Verheißungswort in Mt 18,20 parallel zur rabbinischen Schrift.267 Zwischen beiden bestehen literarische Gemeinsamkeiten. Die Schekhina-Vorstellung des Frühjudentums eröffnet damit einen möglichen Horizont zum Verständnis der matthäischen Christologie. Sie gilt jedoch weniger als Rezeptionskonzept für Mt 18,20.268 Denn an „Stelle der Tora ist das ὄυoμα Jesu, an Stelle der Schekhina ist er selbst getreten“269. Es bestehen auch Unterschiede zwischen dem jüdischen Theologoumenon und dem Verheißungswort Jesu. Anders als in der jüdischen Tradition ist das Beistandswort von Mt 18,20 ausdrücklich christologisch.270 Jesus schafft weder die Tora ab, noch ersetzt er sie. Er erfüllt vielmehr das Gesetz, und die Propheten durch seine messianische Sendung (vgl. Mt 5,17).271 In diesem „radikal christianisierten Sinn“272 ist der inmitten der Jünger gegenwärtig bleibende Jesus der Immanuel, „der durch seine Lehre das Gesetz gültig ausgelegt und erfüllt und für seine Gemeinde verbindlich gemacht hat“273.

 

Fazit: In der Perspektive von Mt 18 kommt die christologische Dimension in ekklesiologischer Weise in den Blick, die vom Leben der Jünger spricht. Jesus steht im Verstehenshorizont der Tora. Inmitten seiner Jünger legt er jedoch die Tora neu aus. Er ist zum einen der „Lehrer, der seine Jünger an die erfahrene Vergebung durch den Vater erinnert und sie vor allem zur grundlegenden Neu-Ausrichtung ihres Lebens auf die Kleinen, die Gemeinschaft und das Verzeihen hin auffordert“274. Zum anderen erscheint er – in der Mitte der Redekomposition – als der Immanuel, der seine Jünger mit seinem göttlichen, zugleich real menschlichen Beistand begleitet. Wie er den Jüngern seinen Beistand versprochen hat, so ist er bei ihnen gegenwärtig. Umgekehrt sind die Jünger auch mit Jesus unterwegs. Aber sie versammeln sich nicht mehr um die Tora, sondern im Namen Jesu, um ihre Erfahrung mit dem Immanuel zu erneuern (vgl. Mt 18,6275). Sie leben „in der Gewissheit, dass der erhöhte Herr alle Zeit mit seiner Gemeinde ist.“276 In Erinnerung an die Immanuelverheißung (Mt 1,23) blicken sie voraus auf die Verheißung des Auferstandenen (Mt 28,20). Insofern erweitert die Verheißung Jesu von seiner Präsenz ihren Geltungsbereich. Es geht allerdings nicht um eine bloße Wiederholung von Mt 1,23; 18,20; 28,20, sondern um eine theologische Horizonterweiterung des Immanuelmotivs, wie es in der Formulierung mit ἐυ μέσῳ277 – nicht mit μeτά wie in Mt 1,23 und 28,20 – ausgedrückt ist. Die Immanuelverheißung ist das leitende Thema des Matthäusevangeliums. Sie ist „nicht ein überflüssiger Anhang, sondern das christologische Zentrum des ganzen Kapitels“278.

2.2.3 Die Verheißung des Auferstandenen (Mt 28,20)

Dreimal hat Jesus seinen Jüngern sein Leiden und seine Auferstehung vorausgesagt (Mt 16,21; 17,22f.; 20,18f.). Am Kreuz hauchte er seinen Geist aus (άφῆκεν τò πveύμά279: Mt 27,50); am dritten Tag wurde er auferweckt (ἠγέρθη280: Mt 28,6). Der auferweckte Gekreuzigte sagt den Jüngern seine bleibende Gegenwart und Nähe zu: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“ (ἐγὼ μeθ’ ύμῶν είμι πάσάς τάς ημέράς ἓως τῆς συυτελείάς τοῦ αἰῶυος: Mt 28,20b). Er tritt in die Mitte seiner Jünger (vgl. Mt 28,18a) und erweist sich ihnen als der Immanuel, indem er ihnen nachdrücklich seinen göttlichen Beistand zuspricht. Der „Gott-mit-uns“, dessen Wirklichkeit sich im Laufe des Evangeliums narrativ gezeigt hat, erreicht im letzten Wort des erhöhten Kyrios seinen Höhepunkt, welches nicht nur die Vergangenheit einschließt, sondern auf Zukunft hin ausgerichtet ist.281 Zu bemerken ist, dass hier der Fokus in der Christologie von Mt 28,1620 liegt. Die ekklesiologischen Momente als Konsequenz der Immanuel-Verheißung werden unten in 3.3.5 entfaltet.

Mt 28,16-20 als Höhepunkt des Osterevangeliums

Mt 28,16-20 ist am Ende des Evangeliums ein Schlüsseltext, der „eine große Vielfalt von Konnotierungsmöglichkeiten und Lesehinweisen“282 enthält. Diese letzte Erzählszene steht mikrokontextuell am Ende des Osterevangeliums. Darin kulminiert das Ostergeschehen, das der irdische Jesus vorösterlich vorausgesagt hat (Mt 16,21; 17,22f.; 20,18f.)283 und nachösterlich vom Auferstandenen selbst – im Rückgriff auf das Engelswort an die Frauen (Mt 28,7) – angekündigt ist (Mt 28,10). Damit wird deutlich, dass die Passionsgeschichte Jesu nicht mit dem Leiden und Tod abgeschlossen ist, sondern sich in der Auferstehung erfüllt.284 „Die Auferweckung Jesu ist so, theologisch gesehen, das entscheidende Ziel des Passionsberichts“285 und des gesamten Evangeliums. Der innere Konnex von Mt 28 zeigt, dass die Erscheinung des auferstandenen Jesus und sein Missionsauftrag (Mt 28,16-20) keineswegs eine isolierte und in sich geschlossene Einheit sind, sondern durch die drei vorangehenden Szenen (Mt 28,1-8; 28,9f. und 28,11-15) eingeführt werden. Mit den Vorgeschichten des Osterevangeliums „erreicht Matthäus eine Konzentration auf die letzte große Offenbarungsszene“286.

Für seine Ostergeschichte rezipiert Matthäus eine Vorlage aus Mk 16,1-8.287 Er folgt grundsätzlich der markinischen Geschichte vom leeren Grab, indem er wichtige Motive aus der markinischen Fassung, z. B. Galiläa, Vorangehen und Sehen, Jünger und Sendung (Mk 16,7 par. Mt 28,7) übernimmt. Aber er verändert einerseits mit seinem eigenen Duktus den markinischen Prätext, z. B. der „Engel des Herrn“ (Mt 28,2.5), die Öffnung des Grabes und ein damit verbundenes Erdbeben (Mt 28,2) und die Reaktion der Frauen „mit Furcht und großer Freude“ (Mt 28,8; diff. Mk 16,8); andererseits erweitert er den Grundtext von der Auffindung des leeren Grabes (Mt 28, [1]. 5-8) um die Berichte von der Einsetzung der Grabwächter (Mt 27,62-66), dem großen Erdbeben (Mt 28,2-4) und dem Betrug der Grabwächter (Mt 28,11-15).288 An die primär markinische Ostergeschichte schließen sich ferner zwei Szenen von der Begegnung des Auferstandenen mit den Frauen (Mt 28,9f. [par. Mk 16,9-11]) und mit den Jüngern (Mt 28,16-20) an, die ihre Quelle in einer vormatthäischen Überlieferung haben, die aber bei Matthäus inhaltlichsachlich aufeinander bezogen sind. Aus der Endgestaltung des matthäischen Osterevangeliums lässt sich erkennen, „dass Mt hier nicht vorgeformte Bahnen verlängert, sondern sein eigenständiges theologisches Anliegen zu Worte kommt“289, das er gezielt gestaltet.

Mt 28,1-8

Die Ostergeschichte verkündet bei Matthäus zuerst der „Engel des Herrn“, der vom Himmel herabkommt (Mt 28,2) – nicht der Auferstandene selbst. Während bei Markus die Frauen sich fragen (Mk 16,3) und ein „junger Mann“ zu den Frauen spricht (Mk 16,6f.), spricht bei Matthäus allein der Engel (Mt 28,5-7): „Er wurde auferweckt! (ὴγέρθη: Mt 28,6; vgl. 28,7). Die Auferweckung Jesu, vor der seine Opponenten Furcht hatten (vgl. Mt 27,63f.), ist geschehen. Sie ist ein göttliches290, und zwar „ein radikal transzendentales Geschehen, das sich als solches menschlicher Vorstellungskraft, Darstellbar- und Mittelbarkeit entzieht“291. Gott legt folgerichtig seinem Engel die Botschaft von der Auferweckung des Gekreuzigten in den Mund. Matthäus erzählt in seinem Evangelium nicht, wie Jesus auferweckt wurde (so PetrEv 10,39f.), sondern dass das Grab leer ist. Die Auferstehungsbotschaft, die durch den Engel als Himmelsbote ausgesprochen wird, begründet erzähllogisch das leere Grab (γάρ: Mt 28,6; vgl. Mk 16,6)292. Der Auferstehungsvorgang selbst wird nicht beschrieben. Das leere Grab ist bei Matthäus – so wie bei anderen Evangelisten – kein Beweis für die Auferweckung Jesu, sondern ein Zeichen dafür, dass sie von Gott als Wirklichkeit bestätigt wird.293 Jesus hat während seines irdischen Lebens den Jüngern seine Auferstehung angekündigt. Das Wort des Engels (Mt 28,6) nimmt die drei Leidens- und Auferstehungsankündigungen Jesu auf (Mt 16,21; 17,22f.; 20,18f.) und will das Faktum der Auferweckung „in erzählter Weise realisieren“294. „Für Matthäus ist Ostern kein von der Geschichte Jesu losgelöster Neueinsatz, sondern die göttliche Bestätigung seines Wortes und Weges.“295 Die Botschaft des Engels wird an zwei Frauen, Maria Magdalena und die „andere Maria“, übermittelt, so dass man die Begegnung des auferstandenen Jesus mit seinen Jüngern in Galiläa erwartet296 („Vorangehen“ [προάγει im Präsens] und „Sehen“ [ὄψeσθε im Futur]: Mt 28,7b). Hier scheinen die Frauen nur Randfiguren der Erzählung zu sein, ihre tragenden Rollen sind aber als „Scharnierfiguren zwischen der vorösterlichen und der österlichen Zeit“297 von großer Relevanz: Die Frauen, die unter dem Kreuz Jesu (Mt 27,55f.) und bei der Grablegung (Mt 27,61) dabei waren, kommen zu seinem Grab, um zu sehen (θεωpησαιἸ: Mt 28,1) – aber nicht, um ihn zu salben (vgl. Mk 16,1). Dass Jesus auferweckt ist, haben sie vom Engel des Herrn gehört (Mt 28,5f.). Nach seinem Auftrag (Mt 28,7) sind sie nicht mit Schweigen (vgl. Mk 16,8), sondern „mit Furcht und großer Freude“298 vom Grab Jesu weggegangen (ἒδpαμoυ [im Aorist]), um den Jüngern die Botschaft von der Auferweckung des Gekreuzigten zu verkünden (Mt 28,8). Diese Taten der Frauen („sehen“ – [„hören“] – „tun/reden“) will Matthäus durch seine redaktionelle Bearbeitung hervorheben. „So erreicht er szenisch die Situation für die Christophanie vor den Frauen (Mt 28,8-10) und kann auch vorbereiten, dass sich die Elf auf den Weg nach Galiläa machen [sollen], wo ihnen Jesus erscheint (28,16-20).“299