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Goethes Briefe an Leipziger Freunde

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Daß Cornelie ihrer Eltern nie erwähnt, ist begreiflich, da sie, wie Goethe erzählt, gegen den Vater, der sie mit seiner pedantischen Lehrhaftigkeit plagte und ihr so manche unschuldige Freude verhinderte und vergällte, die ganze Härte ihres Charakters wandte, zum großen Kummer ihrer Mutter, der sie aber, wie es scheint, auch nicht nahe stand.206 Von dem Bruder ist dagegen, obgleich diese Aufzeichnungen größtentheils ihre eigensten Angelegenheiten berühren, oft die Rede. Er war noch leidend von Leipzig zurückgekommen und sein Zustand machte den Seinigen Sorge.207 An ihrem Geburtstage (1768) ward er von einer heftigen Kolik befallen, so daß er die furchtbarsten Schmerzen litt, vergebens suchte man ihm einige Linderung und Ruhe zu verschaffen; sie hatte es nicht länger aushalten können, ihn in einem Zustande zu sehen, der ihr das Herz zerriß, ohne daß sie ihm helfen konnte. Zwei Tage hielt dieser schreckliche Zustand an, dann wurde er etwas besser, doch konnte er noch keine Viertelstunde sich aufrecht erhalten; indessen hofft sie, wenn nur die Schmerzen erst aufhören, werden die Kräfte sich schon wieder einstellen.208 Sein Zustand erregt allgemeine Theilnahme, wo sie sich in Gesellschaft zeigt, drängt alles sich um sie, Freunde und Freundinnen, um von seinem Befinden Nachricht zu erhalten. Anfang Januar 1768, da er ganz wieder hergestellt ist, giebt der Rath Moritz,209 um das frohe Ereigniß zu feiern, ihm eine Gesellschaft. Allein nicht lange nachher tritt ein neuer Anfall der Krankheit ein.210

Wie die Geschwister alles mit einander theilten, so auch das Interesse für ihre Freunde. Cornelie theilt ihrem Bruder Briefe von Katharine Fabricius mit, welche ihm so lebhaftes Interesse einflößen, das er, ohne sie gesehen zu haben, mit ihr in einen Briefwechsel tritt und auch für Cornelie die Correspondenz übernimmt; sie überläßt ihm um so lieber die officiellen Briefe zu schreiben, da sie mit dem Tagebuch beschäftigt ist, von welchem auch er nichts weiß. Übrigens meint sie, die Freundin werde gewiß an den Briefen ihres Bruders Freude haben, und bittet sie ihm zu antworten, dem das zumal in seiner Krankheit eine angenehme Zerstreuung sei;211 und an ihren Briefen finde er solche Gefallen, daß er ihrer jüngeren Schwester, welche ihm einen Brief von ihr gezeigt, so lange mit Bitten zugesetzt habe, bis sie ihm denselben überlassen habe. Je näher sie ihn kennen lerne und sein Betragen beobachte, desto mehr werde sie sich von seiner Aufrichtigkeit überzeugen und daß er nicht anders spreche als er denke: wie er das auch von sich selbst sagt.212 Wiederum vertraut sie ihr auch an, daß ihr Bruder sich mit seinem Freunde Müller nicht mehr so gut stehe wie früher; ihre Grundsätze seien zu verschieden, denn die Philosophie ihres Bruders gründe sich auf Erfahrung, die seinige nur auf Lectüre. Auch habe er sich bei der Krankheit des Bruders recht kalt benommen, und sie sehe nun wohl ein, daß seine Principien für das praktische Leben und die Welt nicht passen. Man sieht daraus, daß Goethe die Erfahrung, mit welcher ihm Behrisch so viel Noth machte und um die er sich so große Mühe gab,213 auch gegen Cornelie geltend machte, wie er sich denn auch sonst darauf nicht ohne Stolz beruft.214 Ein eigenthümlicher Beweis von Goethes Einfluß auf seine Schwester ist ihre Handschrift. Anfangs ist sie deutlich und fest, aber sehr steif, allmälig wird sie schlanker, freier und nähert sich der seinigen immer mehr, mit der sie zuletzt die größte Ähnlichkeit hat. Von seinen Arbeiten spricht sie leider weniger als man wünschte; er zeichnet ihr allerliebste Köpfe, von welchen sie der Freundin einige zu schicken verspricht, er liest ihr alles vor, was er schreibt, und sie hört ihm mit außerordentlichem Vergnügen zu;215 da sie schreibt (16. Nov. 1768), ist er gerade mit einer neuen Komödie beschäftigt. Ob die Mitschuldigen gemeint sind, an welchen er in Frankfurt fortwährend besserte,216 oder die oben (S. 153) erwähnte Farce, oder sonst etwas anderes – wer kann das wissen?

Goethes Briefe
an
Friedrich Rochlitz

I. 217

Sie sind überzeugt daß ich herzlichen Antheil an dem sonderbaren Glückswechsel nehme, der Sie so unvermuthet betroffen hat. Da dieser Faden gerissen ist so säumen Sie ja nicht andere wieder anzuknüpfen und wäre es auch nur zuerst sich zu zerstreuen. Mögen Sie mir manchmal schreiben, so soll es mir angenehm seyn. Ich bin zwar nicht der beste und treuste Correspondent, indessen ließe sich ja wohl manchmal etwas über dramatische Kunst verhandeln, in der Sie schon die artigen Proben gegeben haben.

In eben dem Sinn wiederhole ich meinen Wunsch daß Sie um den ausgesetzten Preis mit concurriren möchten.218 Denn indem Sie das thun, regt sich denn doch eine kleine Welt in Ihrer Einbildungskraft und zieht Sie ab, von andern Gedanken, die sich Ihnen in der Zeit vielleicht aufdringen würden.

 

Das kleine neue Stück219 gedenke ich, ohne Nahmen, aufführen zu lassen, nicht weil ich es für geringer halte als das vorige,220 sondern um desto reiner zu sehen welchen Effect es thut.

Ich werde einige kleine Veränderungen daran machen und Ihnen kürzlich alsdann die Ursachen anzeigen.

Für das überschickte Geld folgt hierbey die Quittung. Unsere Canzleyleute werden sich für den reichlichen Überschuß einen guten Feyertag machen.

Manches was ich über Ihren Fall schreiben könnte weiß sich ein gebildeter Mann selbst zu sagen, einiges, das ich aus meiner langen Erfahrung wohl darüber sagen möchte, darf ich nicht schreiben. Vielleicht treffen wir bald irgend wo zusammen und mein Vertrauen soll dem Ihrigen von Herzen begegnen.

Gehen Sie, mit völlig wieder erlangter Gesundheit, ins neue Jahrhundert hinüber und nehmen Sie, wie bisher, mit Geist und Talent an demjenigen Theil was etwa den Menschen zunächst bescheert seyn mag und erhalten mir eine freundschaftliches Andenken.

Jena am 25 Dec. 1800.

Goethe

II

Die Aufführung des kleinen Stücks ward von Zeit zu Zeit, wie es bey Theatern zu gehen pflegt, aufgeschoben; desto angenehmer ist mirs daß ich gegenwärtig von einer sehr guten Aufnahme desselben sprechen kann, ohngeachtet ich mit der Darstellung nicht ganz zufrieden war. Daß ich den Verfasser verschwieg erregte von einer Seite Neugierde und ließ von der andern den Eindruck desto unbefangner. Das nächstemal soll es noch besser werden, indessen hat doch schon eine Liebhabergesellschaft, die sich hier befindet, sich das Stück ausgebeten, welches denn auch ein gutes Zeichen ist.

Das Original sende ich mit Dank zurück. Die wenigen Veränderungen die ich gemacht habe, betreffen einige harte Worte, welche man unter Personen einer gewissen Art, besonders unter Soldaten, mit Recht vermeidet, sodann einige Scherze welche sich auf Philosophie beziehen, die ich im doppelten Sinne nicht billigen kann, weil man entweder dadurch keine Wirkung hervorbringt, oder weil man die Menge veranlaßt über etwas zu lachen das sie nicht versteht und das sie wenigstens verehren sollte.221

Verzeihen Sie diese Pedanterie; man weiß aber nicht eher als nach einem längern Lebenslauf was ächte Maximen, die uns über das Gemeine heben, für einen hohen Werth haben, der so selten anerkannt wird.

Darf ich Sie nun mit einigen Aufträgen beschweren?

Ich wünschte Nachricht von einem Manne, welcher sich Johann Leonhardt Hoffmann nennt, und einen Versuch einer Geschichte der Farbenharmonie 1786, in Hendels Verlag, zu Halle, herausgegeben. Die Dedication an Herrn Gottfried Winkler, in welcher sich der Verfasser einen Franken nennt, ist von Leipzig aus datirt, wo er sich eine Zeit lang aufgehalten und mit Oeser Umgang gehabt haben mag. Vielleicht haben Sie Gelegenheit etwas näheres über diesen Mann zu erfahren, der mir von gewissen Seiten interessant geworden ist.222

Alsdann hätten Sie wohl die Güte mir ein gebundnes Exemplar, von dem im October 1800 geschlossnen Jahrgang der musikalischen Zeitung zu verschaffen. Den ersten bis zum October 1799 besitze ich. Die Auslage werde ich mit Dank sogleich erstatten.

Sollte Ihnen nicht ein Liedchen bekannt geworden seyn, das von Capellmeister Himmel componirt ist, es drückt die Unruhe eines verliebten Mädchens aus, das sich seinen Zustand nicht erklären kann, jeder Vers endigt sich mit einer Partikel z. B. Ich weiß nicht woher, wohin, warum. Es ist ein Scherz, den man in einer Gesellschaft wohl gern einmal hören mag.

Die Fragen wegen Wilhelm Meisters möchte ich am liebsten einmal mündlich beantworten. Bey solchen Werken mag der Künstler sich vornehmen was er will, so giebt es immer eine Art von Confession und zwar auf eine Weise von der er sich kaum selbst Rechenschafft zu geben versteht. Die Form behält immer etwas unreines und man kann Gott danken, wenn man im Stand war so viel Gehalt hinein zu legen, daß fühlende und denkende Menschen sich beschäfftigen mögen, ihn wieder daraus zu entwickeln. Die Recension in der allgemeinen Litteraturzeitung223 ist freylich sehr unzulänglich, für jeden, der selbst über das Werk gedacht hat; doch ist sie nicht ohne Verdienst, wenn man sie als die Meinung eines einzelnen ansieht, der seine Gedanken darüber äußert. Freylich hat man Ursache von einer Recension mehr zu verlangen, besonders von einer so späten.

Ich wünsche, daß Ihre Gesundheit wieder hergestellt seyn möge, so wie ich mich auch von den Übeln, die mich betroffen haben, nach und nach wieder erhole.224

Darf ich bitten mich unserm verehrten Weise bestens zu empfehlen.

Weimar d. 29 März 1801

Goethe

III

Mögen Ew. Wohlgeb. mir noch bis zum neuen Jahre wegen des Stückes Frist geben so soll alsdann darüber die Schuldige Erklärung folgen. Bis jetzt hat die Beurtheilung der dießjährigen Kunstausstellung, mir und meinen Freunden viel Zeit weggenommen. Zum neuen Jahre soll der Aufsatz deshalb als Beylage der Litteraturzeitung erscheinen. Auch beym Theater haben uns einige kühne, doch glücklich vollbrachte Unternehmen, diese Zeit her, beschäftigt. Die Brüder nach Terenz von Herrn von Einsiedel und ein reducirter Nathan,225 beyde sind schon mehrmals wieder verlangt worden und sie gehen bey jeder Vorstellung besser.

Von Faust kann ich nur so viel sagen: dass in den letzten Zeiten wohl manches daran gearbeitet worden; in wie fern er sich aber seiner Vollendung, oder auch nur seiner Beendigung nahen dürfte, wüßte ich wirklich nicht zu sagen.226

Leben Sie recht wohl und erhalten mir ein freundschaftliches Andenken.

Weimar am 17 Dec. 1801.

Goethe

Noch einen Wunsch muß ich äussern, dessen Erfüllung ich durch Ihre Gefälligkeit hoffe. Ich besässe nämlich sehr gern, wenn die winklerische Auction vorbey sein wird, einen Katalogen derselben, wozu die Preiße geschrieben wären. Ich habe schon, bei vorhergegangenen Rostischen Versteigerungen, dem Secretair Thiele und andern ähnliche Aufträge gegeben; aber niemals, ich weiß nicht warum, zu meinem Zweck gelangen können. Vielleicht können Sie mir durch Ihre Verbindungen dazu verhelfen. Ich will sehr gern demjenigen, der die Bemühung übernimmt, was Sie für billig halten, bezahlen.

IV

Ob die Meynung, welche Sie mir über den Gegensatz der Recitation und des Gesanges, in Ihrem letzten Briefe äußern, die wahre und richtige sey, will ich nicht entscheiden; so viel aber kann ich sagen: daß sich die meinige selbst sehr dahin neigt.227 Sobald ich mich in einer ruhigen Lage befinde, theile ich meine Gesinnungen kürzlich mit.

Heute komme ich mit einem kleinen Ansuchen und zwar folgendem:

Zu der, durch den Tod unseres Batsch, erledigten Stelle, bey dem neuen Botanischen Institut, im Fürstengarten, zu Jena, ist unter andern auch Herr Doctor Schwägrichen228 aus Leipzig empfohlen. Von seiner litterarischen Laufbahn, so wie von seinen Reißen und andern Bemühungen, sind wir so ziemlich unterrichtet; nun möchte ich aber noch von Ihnen ein vertraulich Wort, über seine Person, sein Äußeres, seine Lebensweise und seinen academischen Vortrag vernehmen.

Es ist mir bey Besetzung dieser Stelle außer dem Wohl des Ganzen auch noch mein eigenes Verhältniß vor Augen, indem das Institut seit seiner Gründung geleitet worden und meine Neigung zu diesen Kenntnissen mir einen sittlichen mittheilenden und umgänglichen Mann wünschenswerth macht.

Nächstens auch ein Wort über die Oper.

Mich zu geneigtem Andenken empfehlend.

Weimar am 6 December 1802.

Goethe

V

Indem beyliegender Brief schon geschlossen229 ist fällt mir ein dass Sie mir ein freundliches in Berlin geschriebenes Wort über die Natürliche Tochter zusagten. Lassen Sie mich solches ja nicht entbehren. Bey dem seltenen Charivari, das gleich im deutschen Publicum entsteht, wenn man vor ihm irgend eine Production aufstellt, hat der Schrifftsteller warlich nöthig diejenigen zu vernehmen die sich einstimmend verhalten ich bitte daher um jenes Blatt um so mehr, als ich zur Fortsetzung wirklich Aufmunterung brauche.

 
G.

VI

Ew. Wohlgebornen seit langer Zeit auch wieder einmal zu schreiben veranlaßt mich die vorseyende Expedition unsres Theaters nach Leipzig, das ich Ihnen auf das beste zu empfehlen wünschte. Sie haben immer viel Güte für unsre braven Künstler gehabt, die sich gewiß viel Mühe geben, wenn ihnen auch nicht immer ihre Zwecke gelingen sollten.

Ew. Wohlgebornen werden gewiß den Vorstellungen mit Aufmerksamkeit beywohnen, und ich wünschte daß Sie Ihre Bemerkungen mir künftig mittheilten. Es ist noch manches das ich anders wünschte, und doch läßt sich theils nicht alles leisten wovon man überzeugt ist, und man gewöhnt sich auch nach und nach an Menschen und an Manieren und läßt geschehen was geschieht; Dagegen ein frischer scharfer Blick manches entdeckt und der gute Rath eines Fremden manches leichter und wirksamer anregt als die Lehren eines lange bekannten und gewohnten Vorgesetzten.

Diesen Ihren guten Rath bitte ich unsern Schauspielern bey ihrem Aufenthalt in Leipzig nicht zu entziehen, besonders da der Übergang von einem kleinen auf ein großes Theater für die erste Zeit immer seine Schwierigkeiten hat. Dringen Sie gefälligst besonders darauf, daß man die Schauspieler an allen Ecken und Enden des Hauses verstehen müsse.

Verschiedene von Ew. Wohlgebornen Stücken sind eingelernt. Haben Sie die Güte die Proben zu besuchen, damit sie zu Ihrer Zufriedenheit mögen gegeben werden.230

Diesen Wünschen füge ich noch eine Empfehlung hinzu. Wahrscheinlich kommt in einiger Zeit ein Engländer der Chevalier Osborn231 nach Leipzig, ein schon bejahrter, höchst erfahrner und interessanter Mann von dem besten Charakter. Er ist Mitglied der königl. Societät zu London und wünscht den Leipziger Gelehrten aufgeführt zu werden. Sie erzeigen ihm wohl um seinet- und meinetwillen diese Gefälligkeit. Der ich mich mit vorzüglicher Hochachtung unterzeichne

Weimar den 3 April 1807.

Goethe

VII

Ew. Wohlgebornen empfangen meinen lebhaften Dank für Ihren vertraulichen Brief, dessen Inhalt ich bestens zu benutzen gesucht habe. Unsre Regie wird sich gleich bey ihrer Ankunft Ihren fernern gütigen Rath erbitten.

Einen Prolog habe ich nach Ihren Wünschen auch mitgegeben.232 Wollten Sie die Gefälligkeit haben, ihn durchzusehen und zu beurtheilen ob er am Platz paßt, welches man in der Entfernung nicht so gut empfinden kann.

Da übrigens die älteren Schauspieler Ihnen schon bekannt sind und sich eher zu produciren wissen; so wollte ich Ihnen besonders unsere jüngeren empfehlen, den Nachwuchs, dessen Emporkommen uns bey der Lage unseres Theaters höchst angelegen seyn muß.

Demoisell Elsermann, ein munteres Kind, von gutem Betragen, wird Ihnen gefallen und Sie vielleicht anlocken ihr über diese oder jene Rolle etwas zu sagen. Sie hat etwas Manier von Berlin mitgebracht, worüber sie aber schon aufgeklärt ist und nur manchmal einer kleinen Erinnerung deshalb bedarf.

Die Herren Lorzing und Deny sind gute gesittete Leute, nicht ohne Talent und vom besten Willen. Da sie nun mehr in Routine kommen, so wird es auch mit ihnen vorwärts gehen.

Im Ganzen bin ich überzeugt, daß der Aufenthalt in Leipzig für unsre Gesellschaft sehr wohlthätig seyn wird, besonders wenn sich einige Kenner und Freunde zu Mittelspersonen zwischen ihr und dem Publicum machen wollen; welches höchst nothwendig ist, damit man sich bald wechselseitig befreunde und keine Mißverständnisse entstehen.

Ich wünsche, daß alles gut gehen möge, und daß Ew. Wohlgebornen zuletzt mit Zufriedenheit das Amt eines Epilogisten übernehmen möchten. Denn wenn man einen Prolog noch allenfalls in der Ferne schreiben kann, so darf der Epilog nur aus einer unmittelbaren Nähe entspringen.

Zu Ende dieses Monats geh' ich nach Carlsbad und hoffe dort für meine von Zeit zu Zeit sich wieder zeigenden Übel, wo nicht völlige Genesung, doch Linderung. Möge dieser mein Brief auch Sie von jedem Anfall befreyt antreffen. Gesundheit brauchte man wohl niemals mehr als gegenwärtig. Mich zu geneigtem Andenken empfehlend.

Weimar den 12 May 1807.

Goethe

VIII

Ew. Wohlgeboren haben mir ein sehr großes Vergnügen gemacht. Denn gewiß ist eine Theater-Direction ein sorgenvolles Geschäft, besonders wenn man den Kennern und der Menge zugleich gefallen, die Fortbildung der Künstler und gute Einnahmen zugleich erleben will. Ihr Schreiben setzt alle die Verhältnisse so klar auseinander, daß ich gegenwärtig zu seyn und sehr bekannte Zustände mit eigenen Augen zu sehen glaubte. Haben Sie die Güte den Antheil, den Sie dieser Anstalt gegönnt, immer fort zu erhalten, auch wenn einiges vorkommen möchte was nicht ganz Ihre Billigung hat. Leiten und Lenken Sie dieses Schifflein aufs Beste.

Sehr gern hätte ich Ihnen gegen Ihre Betrachtungen auch die meinigen mitgetheilt, die beym Lesen Ihres Briefs in mir erregt wurden; doch ist man durch diese Brunnen-Cur so zerstreut und verstört, daß man nicht leicht brieflich etwas kluges zusammen bringt. Haben Sie jedoch indessen die Güte mir von Zeit zu Zeit einige Nachricht zu geben, welche mir, je ausführlicher und umständlicher sie ist, nur zur angenehmeren Unterhaltung dienen wird. Für den Augenblick habe ich den Effect des Brunnens sehr zu loben. Könnte es in der Folge so bleiben, so wäre das sehr erwünscht. Mich bestens empfehlend

Carlsbad den 5 Juni 1807.

Goethe

IX

So ist denn unser theatralisches Unternehmen in Leipzig glücklich vollendet, mit Ehre und Vortheil belohnt und was mir gleich lieb ist, ich sehe unsre Schauspieler nach dieser Epoche froher williger thätiger, und hoffe sowohl für uns einen unterhaltenden Winter als auch künftig für Leipzig eine neubelebte Sommerunterhaltung. Denn wir haben mancherley artige und mitunter seltsame Dinge vor uns, an denen wir uns zu üben gedenken.

Haben Sie, mein werthester Herr Rath, den besten Dank für Ihren freundlichen Antheil. Ich weiß die stille geräuschlose Behandlungsart recht gut zu schätzen, mit der Sie den unsrigen nachzuhelfen wußten. Wenn es mit dem Epilog eine Irrung gab,233 so bin ich vielleicht selbst daran Schuld, weil ich mich nicht deutlich erinnere, ob ich unserer Regie deshalb geschrieben habe, mich auf einen natürlichen Gang der Sache und auf Ihr Einwirken, wie bey dem ersten Abschied,234 verlassen habe. Auch dafür nehmen Sie Dank, was Sie gewollt gethan und verschwiegen.

Ihre Briefe nehme ich manchmal wieder vor mich und habe sie schon öfter gelesen. Sie dienen mir zum Leitfaden in dem täglichen Theaterlabyrinth, das einer der wunderlichsten Irrgärten ist, die ein Zauberer nur erfinden konnte. Denn nicht genug, daß er schon sehr wunderlich bepflanzt ist, so wechseln auch noch Bäume und Stauden von Zeit zu Zeit ihre Plätze, so daß man sich niemals ein Merkzeichen machen kann, wie man zu gehen hat.

Leider ist hier in Weimar die sondernde Critik nicht sehr zu Hause. Man nimmt alles zu sehr im Ganzen. Stücke, Schauspieler, Aufführung, alles wird entweder nur gebilligt oder gemißbilligt, wobey denn Vorurtheil und Laune herrschend werden, und man sich weder des Lobes recht erfreuen, noch den Tadel sehr zu Herzen nehmen kann.

Daher ist es mir unendlich viel werth, daß unsere Schauspieler wenigstens gewahr geworden, daß eine solche Critik existirt, welche die Mängel begünstigter und die Tugenden gleichgültiger, ja unbegünstigter Personen zu würdigen weiß.235 Ich selbst werde diesen Winter das Schauspiel öfter besuchen, und meine innern und äußern Sinne zu genauerer Prüfung schärfen. Denn ich gestehe gern, das hiesige Publicum machte mir durch willkührliche Zuneigung und Abneigung oft so böse Laune, daß ich, jemehr ich mir in den Proben Mühe gegeben hatte, desto weniger Lust fühlte, der Aufführung selbst bey zu wohnen. Nun aber, da mich eine Stimme von außen her aufregt und bestätigt, so werde ich wieder eine Weile auf meinem Wege strecklings fortgehen und mich der Resultate vielleicht selbst erfreuen.

Die gute Aufnahme meiner Stücke hat mir eine besonders angenehme Empfindung gemacht. Ich dachte wohl, daß sie auch einmal Epoche haben könnten, aber nach der Lage des deutschen Theaters glaubte ich's nicht zu erleben. Artig ist es, daß sogar das kleine Schäferspiel, das ich 1768 in Leipzig schrieb, auch noch auftauchen mußte und gut empfangen ward.236

Nochmals vielen Dank, den ich gerne mündlich abgestattet hätte, wenn ich nicht, da mir die Brunnenkur ganz wohl bekommen ist, mich vor einer allzuraschen Geselligkeit gefürchtet hätte. Jetzt will ich sehen, ob ich meine stille Nachkur auch zu Ihrem und Ihrer Mitbürger künftigen Vergnügen benutzen kann. Leben Sie recht wohl, und wenn es möglich ist, so besuchen Sie uns diesen Winter.

Weimar d. 21. Sept. 1807.

Goethe
206Werke XXI. S. 150.
207Vgl. S.
208„Eine gestörte und man dürfte wohl sagen für gewisse Momente vernichtete Verdauung brachte solche Symptome hervor, daß ich unter großen Beängstigungen das Leben zu verlieren glaubte und keine angewandten Mittel weiter etwas fruchten wollten.“ Werke XXI. S. 156 f. Vgl. oben
209Werke XX. S. 135 f. XXII. S. 229 f. Reliquien der Frl. v. Klettenberg S. 244 f.
210Vgl. S.
211Vgl.
212Vgl.
213Werke XXI. S. 111 ff.
214Vgl.
215Werke XXII. S. 128. 149.
216Werke XXI. S. 165 f.
217Goethes Briefe an Rochlitz sind durch Vermächtniß in den Besitz des Hrn. Keil übergegangen, welcher deren Veröffentlichung gestattet hat. Es sind nur wenige von Goethe selbst geschrieben, diese sind mit einem Sternchen bezeichnet; nicht selten aber hat Goethe zum Schluß einige Worte mit eigener Hand hinzugefügt, diese sind mit gesperrter Schrift gedruckt.
218Vgl. Schillers Brief VI. S. 54 f. an Körner IV. S. 237 f. Goethe an Schlegel S. 45.
219Jedem das Seine. Lustspiel in einem Aufzuge.
220Es ist die rechte nicht. Lustspiel in 2 Akten.
221Vgl. Werke XXVII. S. 124.
222Vgl. XVIII. Werke XXXIX. S. 417 ff.
223Jen. Allg. Litt. – Ztg. 1801, I. N 1. f.
224Werke XXVII. S. 75 ff. Schiller Br. an Körner IV. S. 205. Goethe Br. an Friedr. v. Stein. S. 165 f.
225Schillers Briefw. m. Körner IV. S. 283.
226Vgl. Schiller Br. an Körner IV. S. 212.
227Rochlitz hatte die Ansicht ausgesprochen und weiter ausgeführt, daß in der alten Tragödie nur die lyrischen Stellen gesungen worden seien, wo der Chor am Dialog Theil nehme, sei alles vom Chorführer allein gesprochen. Veranlassung dazu gab ihm das Gerücht, in Weimar solle eine alte Tragödie aufgeführt werden. Diese Briefe scheint Goethe im Sinne zu haben, Werke XXVII. S. 120.
228Professor der Naturwissenschaften in Leipzig.
229Dieser Brief fehlt, er war vom Jahr 1804, in welchem „Revanche,“ ein Lustspiel in 2 Aufzügen von Rochlitz, in Weimar aufgeführt wurde, worauf Schillers Brief an Goethe (VI. S. 281) sich bezieht.
230Von Rochlitz wurde gegeben „Es ist die rechte nicht.“
231Werke XXVII. S. 220.
232Werke VI. S. 411 ff.
233Mad. Wolf sprach einen Epilog von Mahlmann. Vgl. 295.
234Am 5. Juli wurde Mehuls „Je toller je besser“ gegeben und zum Schluß ein „Lebewohl“ gesungen. Dann ging die Gesellschaft nach Lauchstädt und eröffnete am 4. August wieder ihre Vorstellungen in Leipzig, welche am 29. August beschlossen wurden.
235Eine Kritik in Goethes Sinne wurde in der Bibliothek der redenden und bildenden Künste III. und IV. ausgesprochen. Die „niederträchtige, detractive Opposition,“ welche früher von Berlin aus erfahren zu haben Goethe sich beschwert (Briefw. m. Zelter I. S. 281) machte sich in einer kleinen Schrift Luft: „Saat von Goethe gesäet dem Tage der Garben zu reifen. Ein Handbuch für Ästhetiker und junge Schauspieler.“ Weimar und Leipzig 1808. Man vergleiche damit, wie Goethe und Schiller über die frühere Leipziger Gesellschaft urtheilen, Briefw. mit Schiller V. S. 273 f., mit Körner IV. S. 232 f.
236Vgl.