Tasuta

Goethes Briefe an Leipziger Freunde

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

IV

An Mamsell F.

Am 14. Oct. (1770).

Soll ich Ihnen wieder einmal sagen, daß ich noch lebe, und wohl lebe, und so vergnügt als es ein Mittelzustand erlaubt, oder soll ich schweigen, und lieber gar nicht, als beschämt an Sie denken? Ich dächte nein. Vergebung erhalten, ist für mein Herz eben so süß als Dank verdienen, ja noch süßer denn die Empfindung ist uneigennütziger. Sie haben mich nicht vergessen, das weiß ich; ich habe Sie nicht vergessen, das wissen Sie, ohngeachtet eines Stillschweigens, dessen Dauer ich nicht berechnen mag. Ich habe niemals so lebhaft erfahren, was das sei, vergnügt ohne daß das Herz einigen Antheil hat, als jetzo, als hier in Straßburg. Eine ausgebreitete Bekanntschaft unter angenehmen Leuten, eine aufgeweckte muntre Gesellschaft jagt mir einen Tag nach dem andern vorüber, läßt mir wenig Zeit zu denken, und gar keine Ruhe zum Empfinden, und wenn man nichts empfindet, denkt man gewiß nicht an seine Freunde. Genug mein jetziges Leben ist vollkommen wie eine Schlittenfahrt, prächtig und klinglend, aber eben so wenig fürs Herz als es für Augen und Ohren viel ist.

Sie sollten wohl nicht rathen, wie mir jetzo so unverhofft der Einfall kömmt, Ihnen zu schreiben und weil die Ursache so gar artig ist, muß ich's Ihnen sagen.

Ich habe einige Tage auf dem Lande bei gar angenehmen Leuten zugebracht. Die Gesellschaft der liebenswürdigen Töchter vom Hause, die schöne Gegend und der freundlichste Himmel weckten in meinem Herzen jede schlafende Empfindung, jede Erinnerung an alles was ich liebe; daß ich kaum angelangt bin, als ich schon hier sitze und an Sie schreibe.

Und daraus können Sie sehen, in wiefern man seiner Freunde vergessen kann wenn's einem wohl geht. Es ist nur das schwärmende, zu bedaurende Glück, das uns unsrer selbst vergessen macht, das auch das Andenken an Geliebte verdunkelt; aber wenn man sich ganz fühlt, und still ist und die reinen Freuden der Liebe und Freundschaft genießt, dann ist durch eine besondere Sympathie jede unterbrochne Freundschaft, jede halbverschiedene Zärtlichkeit wieder auf einmal lebendig. Und Sie, meine liebe Freundin, die ich unter vielen vorzüglich so nennen kann, nehmen Sie diesen Brief als ein neues Zeugniß, daß ich Sie nie vergessen werde. Leben Sie glücklich u. s. w.

V

Saarbrück am 27 Juni (1771).

Wenn das alles aufgeschrieben wäre, liebe Freundin, was ich an Sie gedacht habe, da ich diesen schönen Weg hierher machte und alle Abwechselungen eines herrlichen Sommertages in der süßesten Ruhe genoß; Sie würden mancherlei zu lesen haben und manchmal empfinden und oft lachen. Heute regnet's, und in meiner Einsamkeit finde ich nichts reizenders als an Sie zu denken; an Sie, das heißt zugleich an alle, die mich lieben und auch sogar an Käthchen, von der ich doch weiß, daß sie sich nicht verläugnen wird, daß sie gegen meine Briefe sein wird, was sie gegen mich war, und daß sie – Genug, wer sie auch nur als Silhouette gesehn hat, der kennt sie.

Gestern waren wir den ganzen Tag geritten, die Nacht kam herbei und wir kamen eben auf's Lothring'sche Gebirg, da die Saar im lieblichen Thal unten vorbei fließt. Wie ich so rechter Hand über die grüne Tiefe hinaussah und der Fluß in der Dämmerung so graulich und still floß und linker Hand die schwere Finsterniß des Buchenwaldes vom Berg über mich herabhing, wie um die dunklen Felsen durchs Gebüsch die leuchtenden Vögelchen still und geheimnißvoll zogen; da wurd's in meinem Herzen so still wie in der Gegend und die ganze Beschwerlichkeit des Tags war vergessen wie ein Traum, man braucht Anstrengung, um ihn im Gedächtniß aufzusuchen.

Welch Glück ist's, ein leichtes, ein freies Herz zu haben! Muth treibt uns an Beschwerlichkeit, an Gefahren; aber große Freuden werden nur mit großer Mühe erworben. Und das ist vielleicht das meiste was ich gegen die Liebe habe; man sagt, sie mache muthig; nimmermehr! Sobald unser Herz weich ist, ist es schwach. Wenn es so ganz warm an seine Brust schlägt und die Kehle wie zugeschnürt ist, und man Thränen aus den Augen zu drücken sucht und in einer unbegreiflichen Wonne dasitzt, wenn sie fließen, o da sind wir so schwach, daß uns Blumenketten fesseln, nicht weil sie durch irgend eine Zauberkraft stark sind, sondern weil wir zittern sie zu zerreissen.

Muthig wird wohl der Liebhaber, der in Gefahr kommt, sein Mädchen zu verlieren, aber das ist nicht mehr Liebe, das ist Neid. Wenn ich Liebe sage, so verstehe ich die wiegende Empfindung, in der unser Herz schwimmt, immer auf einem Fleck sich hin und her bewegt, wenn irgend ein Reiz es aus der gewöhnlichen Bahn der Gleichgültigkeit gerückt hat. Wir sind wie Kinder auf dem Schaukelpferde immer in Bewegung, immer in Arbeit und nimmer vom Fleck. Das ist das wahrste Bild eines Liebhabers. Wie traurig wird die Liebe, wenn man so schenirt ist, und doch können Verliebte nicht leben, ohne sich zu scheniren.

Sagen Sie meinem Fränzchen, daß ich noch immer ihr bin. Ich habe sie viel lieb, und ich ärgerte mich oft, daß sie mich so wenig schenirte; man will gebunden sein wenn man liebt.

Ich kenne einen guten Freund, dessen Mädchen oft die Gefälligkeit hatte, bei Tisch des Liebsten Füße zum Schemel der ihrigen zu machen.146 Es geschah einen Abend, daß er aufstehen wollte, eh es ihr gelegen war; sie drückte ihren Fuß auf den seinigen, um ihn durch diese Schmeichelei festzuhalten; unglücklicher Weise kam sie mit dem Absatz auf seine Zehen, er stand viel Schmerzen aus, und doch kannte er den Werth einer Gunstbezeugung zu sehr, um seinen Fuß zurückzuziehen.

Unter einer nicht unbedeutenden Anzahl von Briefen und Concepten von Friederike Oeser, welche ich durchgesehen habe, fand sich leider keiner der an Goethe geschriebenen. Um ein lebendigeres Bild von seiner Correspondentin zu erhalten, wird es nicht ohne Interesse sein ein Bruchstück aus einem Briefe an einen Freund in Dresden vom 21. Jan. 1770 hier zu lesen.

„Ich war, wie Sie wissen, der Liebling meines Vaters und seine stete Gesellschaft, auch selbst bey seinen Geschäften. Tausend kleine Streiche, die ich meinem phlegmatischen Bruder Hanß spielte, verriethen ein anschlägisches Köpfchen und oft eine kleine ‘fühlbare’ Thräne, bei dem Unglück einer Yariko, und eine Erbitterung über Beatens harte Gabe, ein gutes Herz, bey alle dem wurde oft auch ein gut Theilgen Ehrgeiz wahrgenommen. Doch plötzlich kam der grausame Krieg, der mir, vielleicht auf ewig, meine geliebte Vaterstadt entrissen! wir flüchteten vor seiner Wuth auf ein gräfliches Schloß,147 wo wir uns 3 glückliche Jahre, von allen Unruhen entfernt, aufhielten. Hier l. N. wurde Ihre Freundin ein kleines Bauermädchen, die am liebsten Erdäpfel raufte oder zur Kirmes gieng! mein Vater war die meiste Zeit von uns entfernt, jeden Monat glaubten wir aufzubrechen, es wurde also kein Lehrer angenommen außer einem Schreibemeister, den seine gros gewachsene Schülerin noch täglich durch eine erstaunenswürdige Hand verewigt!148 meines Vaters kleine Reisebibliothek war alles womit ich mir bei grosen Regen die Zeit verkürzen konnte, ich las auch sehr fleißig, bey so traurigen Umständen und in diesen Zeiten erwarb ich mir meine Begriffe von der grosen Welt. Ich hatte von Jugend auf über mein verstümmeltes Gesichte klagen gehört, ich wußte also, schon in meinem 9. Jahre, daß ich nicht hübsch war (große Wissenschaft für junge Mädchen!) ich kannte das Unglück nur halb und wußte mich darüber zu trösten. „Hast du keinen schönen Körper, so sorge doch für andere schöne Tugenden (sagte ich zu mir selbst), du mußt geschickter werden als die ganze Welt, alles besser lernen als Mädchen die schön sind es zu lernen brauchen, denn dieses muß nothwendig der zweite Weg seyn, auf welchem man glücklich zu gefallen weiß. Es giebt lauter gute vernünftige Leuthe in der Welt. Und wenn du nur einmal gros bist, so mußt du dich in ihrer Gesellschaft ohne Nachteil zeigen können; wenn man diese oder jene wichtige Frage an dich thut, so mußt du dich in keiner Verlegenheit finden, darauf richtig zu antworten.“ Kurz l. N. meine Welt war ein gröserer Sammelplatz von Seltenheiten als Rolands Entdeckungen in dem Mond! und nie kann mehr Ehrgeiz in einem jungen Busen gelodert haben, doch Ehrgeiz ohne Stolz; ich war fast ganz unempfindlich wenn man mich über etwas lobte, besonders wie ich mich in meine Vorstellungen betrogen fand, und nach und nach die Leipziger Welt, als meine Welt, kennen lernte. Ich lernte sie und mich besser einsehen und da ich erst aus Ehrgeiz Beyspiele vor Augen genommen hatte (doch ist hier bloß von Geschicklichkeiten die Rede, denn mein Herz hatte seine besondere Ökonomie) die ich nie erreichen konnte, und ich endlich diese Kenntniß, als das sicherste Mittel, mich für mehr als gewöhnlicher Eitelkeit zu bewahren, zu nuzen suchte, so war es mir leicht, mich von dieser unglücklichen Sucht ziemlich zu heilen. Ich folgte nun ganz den Eingebungen meines ehrlichen guten Herzens, ich ward gegen eine Welt fast gleichgültig, in der ich böses hörte und viel unnüzes sah. Ich lernte meine Fehler nach und nach einsehen, und desto mehr Nachsicht gegen die Schwachheiten meiner Freunde (die ich nur zu gut entdeckte!) haben. Ich überließ mich gänzlich meinen Lieblingsneigungen, besonders dem Hange zum Lesen, wo ich dabey dem Rath vernünftiger Personen folgte, doch las ich nur solche Bücher, die mich reformireten und vergnügten, in dem grosen weitläuftigen doch unentbehrlichen Buch der menschlichen Erfahrungen lernte ich endlich auch ein paar Blätter umwenden. Und so bin ich das Mädchen geworden daß ich bin! daß Sie sehr gut kennen, l. N., und daß sich wohl schwerlich jemals von seinen Mängeln und grosen Fehlern ganz heilen wird. Wie ist nun dieses Mädchen geschickt, gründliche Urtheile über diese oder jene Abhandlungen zu sagen, da es nur die Schönheiten, die es fühlt, seinem Herzen und nicht seiner Kenntniß zu verdanken hat? und auch nicht eine Regel weiß, wodurch man das Gegentheil bei dieser oder jener Stelle beweisen könnte! Wollen Sie diese Urtheile meiner Empfindung anhören? so bin ich bereit Sie Ihnen bei jeder vorfallenden Gelegenheit mitzutheilen, aber um die Ursache, warum ich so empfinde, dürfen Sie mich nicht fragen! ich würde Ihnen höchstens: daß weiß ich selbsten nicht! antworten.“

 

Goethes Leipziger Lieder

Die Lieder, von welchen in diesen Briefen öfter die Rede ist, und von denen Goethe auch in Wahrheit und Dichtung erzählt, daß sie ohne seinen Namen gedruckt aber wenig bekannt worden seien, daß er später die besseren seinen übrigen kleinen Poesien eingeschaltet habe,149 diese „Knospen und Blüthen, die der Frühling 1769 trieb“150, erschienen unter folgendem Titel

Neue Lieder
in Melodieen gesetzt
von
Bernhard Theodor Breitkopf
Leipzig
bey Bernhard Christoph Breitkopf und Sohn
1770

Es geht indeß aus unseren Briefen (S. 96) hervor, daß die Sammlung bereits im Jahr 1769 gedruckt ist. Auf dieses „älteste Liederbuch“ hat zuerst Tieck wieder aufmerksam gemacht, welcher im sechsten Band der neuen Jahrbücher der Berlinischen Gesellschaft für Deutsche Sprache und Alterthumskunde die Lieder wieder abdrucken ließ, worauf sie auch Viehoff in seiner Erläuterung der Goetheschen Gedichte (I. S. 45 ff.) mitgetheilt hat.

Ein Theil dieser Gedichte ist auch im „Almanach der Deutschen Musen“ aufs Jahr 1773 (2. 3. 7. 16.) und 1776 (4. 6. 10. 13.), so wie in der Leipz. Zeitschrift „die Muse“ vom J. 1776 (3. 7. 11.) mitgetheilt worden und zwar mit einigen im Ganzen nicht wesentlichen Abweichungen, die einer früheren Bearbeitung angehören. Was sich vermuthen ließ, daß sie aus Abschriften entnommen seien, die aus Goethes Aufenthalt in Leipzig herrührten, ist jetzt zur Gewißheit geworden.

Es war nämlich im Nachlaß von Friederike Oeser das allerälteste Liederbuch Goethes aufbewahrt, ein geschriebenes Heft mit dem Titel

Lieder
mit Melodien
Mademoiselle
Friederiken Oeser
gewiedmet
von
Goethen

dieselbe Sammlung, von welcher in dem poetischen Briefe an sie (S. 142 ff.) die Rede ist. Es enthält nur zehn Lieder, von welchen neun in der gedruckten Sammlung sich finden;151 das zehnte ist nicht in dieselbe aufgenommen, aber auch dieses ist in der „Muse“ (S. 126 f.) abgedruckt, und im Inhaltsverzeichniß Goethe als Verfasser angegeben. Wie die Lieder so zeigen auch die Melodieen in dem handschriftlichen Heft hie und da Abweichungen, aber nur geringfügige, von den gedruckten. In demselben Nachlaß fand sich auch eine, aber nicht von Goethes Hand herrührende Abschrift des Hochzeitliedes vor, in welcher offenbar die erste Gestalt desselben aufbewahrt ist.

Da man die Leipziger Lieder an dieser Stelle ungern vermissen würde, lasse ich sie hier folgen und theile die Abweichungen jener älteren Bearbeitungen sowie am Schlusse das noch unbekannte Gedicht mit.

1. Neujahrslied

 
Wer kömmt! Wer kauft von meiner Waar!
Devisen auf das neue Jahr,
Für alle Stände.
Und fehlt auch einer hie und da;
Ein einz'ger Handschuh paßt sich ja
An zwanzig Hände.
 
 
Du Jugend, die du tändelnd liebst,
Ein Küßgen um ein Küßgen giebst,
Unschuldig heiter.
Jetzt lebst du noch ein wenig dumm,
Geh nur erst dieses Jahr herum,
So bist du weiter.
 
 
Die ihr schon Amors Wege kennt,
Und schon ein bißgen lichter brennt,
Ihr macht mir bange.
Zum Ernst, ihr Kinder, von dem Spaas!
Das Jahr! zur höchsten Noth noch das,
Sonst währt's zu lange.
 
 
Du junger Mann, du junge Frau,
Lebt nicht zu treu, nicht zu genau
In enger Ehe.
Die Eifersucht quält manches Haus,
Und trägt am Ende doch nichts aus
Als doppelt Wehe.
 
 
Der Wittwer wünscht in seiner Noth
Zur seelgen Frau, durch schnellen Tod
Geführt zu werden.
Du guter Mann, nicht so verzagt!
Das, was dir fehlt, das, was dich plagt,
Find'st du auf Erden.
 
 
Ihr, die ihr Misogyne heißt,
Der Wein heb' euern großen Geist
Beständig höher.
Zwar Wein beschweret oft den Kopf,
Doch der thut manchem Ehetropf,
Wohl zehnmal weher.
 
 
Der Himmel geb zur Frühlingszeit,
Mir manches Lied voll Munterkeit,
Und Euch gefall' es.
Ihr lieben Mädgen singt sie mit,
Dann ist mein Wunsch am letzten Schritt
Dann hab' ich alles.
 

2. Der wahre Genuß

 
Umsonst, daß du ein Herz zu lenken
Des Mädgens Schoos mit Golde füllst.
O Fürst, laß dir die Wollust schenken,
Wenn du sie wahr empfinden willst.
Gold kauft die Zunge ganzer Haufen,
Kein einzig Herz erwirbt es dir;
Doch willst du eine Tugend kaufen,
So geh und gieb dein Herz dafür.
 
 
Was ist die Lust die in den Armen
Der Buhlerinn die Wollust schafft?
Du wärst ein Vorwurf zum Erbarmen,
Ein Thor, wirst du nicht lasterhaft.
Sie küsset dich aus feilem Triebe,
Und Glut nach Gold füllt ihr Gesicht.
Unglücklicher! Du fühlst nicht Liebe,
So gar die Wollust fühlst du nicht.
 
 
Sey ohne Tugend, doch verliere
Den Vorzug eines Menschen nie!
Denn Wollust fühlen alle Thiere,
Der Mensch allein verfeinert sie.
Laß dich die Lehren nicht verdrießen,
Sie hindern dich nicht am Genuß,
Sie lehren dich, wie man genießen,
Und Wollust würdig fühlen muß.
 
 
Soll dich kein heilig Band umgeben
O Jüngling; schränke selbst dich ein.
Man kann in wahrer Freyheit leben,
Und doch nicht ungebunden seyn.
Laß nur für Eine dich entzünden,
Und ist ihr Herz von Liebe voll;
So laß die Zärtlichkeit dich binden,
Wenn dich die Pflicht nicht binden soll.
 
 
Empfinde Jüngling, und dann wähle
Ein Mägdgen dir, sie wähle dich,
Von Körper schön, und schön von Seele,
Und dann bist du beglückt, wie ich!
Ich, der ich diese Kunst verstehe,
Ich habe mir ein Kind gewählt,
Daß uns zum Glück der schönsten Ehe
Allein des Priesters Seegen fehlt.
 
 
Für nichts besorgt als meine Freude,
Für mich nur schön zu seyn bemüht.
Wollüstig nur an meiner Seite,
Und sittsam wenn die Welt sie sieht.
Daß unsrer Gluth die Zeit nicht schade,
Räumt sie kein Recht aus Schwachheit ein,
Und ihre Gunst bleibt immer Gnade,
Und ich muß immer dankbar seyn.
 
 
Ich bin genügsam, und genieße,
Schon da, wenn sie mir zärtlich lacht,
Wenn sie beym Tisch des Liebsten Füße
Zum Schemmel ihrer Füße macht.
Den Apfel, den sie angebissen,
Das Glas, woraus sie trank, mir reicht,
Und mir, bey halbgeraubten Küssen,
Den sonst verdeckten Busen zeigt.
 
 
Wenn in gesellschaftlicher Stunde,
Sie einst mit mir von Liebe spricht,
Wünsch ich nur Worte von dem Munde,
Nur Worte, Küsse wünsch ich nicht.
Welch ein Verstand der sie beseelet,
Mit immer neuem Reiz umgiebt!
Sie ist vollkommen, und sie fehlet
Darinn allein, daß sie mich liebt.
 
 
Die Ehrfurcht wirft mich ihr zu Füßen,
Die Wollust mich an ihre Brust.
Sieh Jüngling, dieses heißt genießen!
Sey klug und suche diese Lust.
Der Todt führt einst von ihrer Seite
Dich auf zum englischen Gesang,
Dich zu des Paradieses Freude,
Und du fühlst keinen Übergang.
 

3. Die Nacht

 
Gern verlaß ich diese Hütte,
Meiner Liebsten Aufenthalt,
Wandle mit verhülltem Tritte
Durch den ausgestorbnen Wald.
Luna bricht die Nacht der Eichen
Zephirs melden ihren Lauf,
Und die Birken streun mit Reigen
Ihr den süßten Weihrauch auf.
 
 
Schauer, der das Herze fühlen,
Der die Seele schmelzen macht,
Flüstert durchs Gebüsch im Kühlen.
Welche schöne, süße Nacht!
Freude! Wollust! Kaum zu fassen!
Und doch wollt' ich, Himmel, dir
Tausend solcher Nächte lassen,
Gäb' mein Mädgen Eine mir.
 
 
3, 2 ff. Meiner Schönen Aufenthalt,
Und durchstreich mit leisem Tritte
Diesen ausgestorbnen Wald.
5. Wandle mit vergnügtem Schritte. Alm.
7 f. Und die Birken, die sich neigen,
Senden ihr den Duft hinauf. Alm.
11. Wandelt im Gebüsch im Kühlen.
15. Tausend deiner Nächte lassen,
 

4. Das Schreyen

Nach dem Italienischen
 
Einst gieng ich meinem Mädchen nach
Tief in den Wald hinein,
Und fiel ihr um den Hals, und ach!
Droht sie, ich werde schreyn.
 
 
Da rief ich trotzig, ha! ich will
Den tödten der uns stört!
Still, lispelt sie, Geliebter, still!
Daß ja dich niemand hört.
 
 
4, 1. Jüngst ging ich meinem Mädchen nach
8. Damit dich niemand hört.
 

5. Der Schmetterling

 
In des Pappillons Gestalt
Flattr' ich nach den letzten Zügen
Zu den vielgeliebten Stellen,
Zeugen himmlischer Vergnügen,
Über Wiesen, an die Quellen,
Um den Hügel, durch den Wald.
 
 
Ich belausch ein zärtlich Paar,
Von des schönen Mädgens Haupte
Aus den Kränzen schau ich nieder,
Alles was der Tod mir raubte,
Seh ich hier im Bilde wieder,
Bin so glücklich wie ich war.
 
 
Sie umarmt ihn lächelnd stumm,
Und sein Mund genießt der Stunde
Die ihm güt'ge Götter senden,
Hüpft vom Busen zu dem Munde,
Von dem Munde zu den Händen,
Und ich hüpf um ihn herum,
 
 
Und sie sieht mich Schmetterling.
Zitternd vor des Freunds Verlangen
Springt sie auf, da flieg ich ferne.
„Liebster komm ihn einzufangen!
„Komm! ich hätt' es gar zu gerne,
„Gern das kleine bunte Ding.“
 
 
5, 1. Und („so“ Muse) in Pappillons Gestalt
 

6. Das Glück

An mein Mädgen
 
Du hast uns oft im Traum gesehen
Zusammen zum Altare gehen,
Und dich als Frau, und mich als Mann;
Oft nahm ich wachend deinem Munde
In einer unbewachten Stunde,
So viel man Küsse nehmen kann.
 
 
Das reinste Glück, das wir empfunden
Die Wollust mancher reichen Stunden
Floh, wie die Zeit, mit dem Genuß.
Was hilft es mir, daß ich genieße?
Wie Träume fliehn die wärmsten Küsse,
Und alle Freude wie ein Kuß.
 
 
6. Mit der Überschrift: An Annetten.
7 ff. Sie sind die süß verträumten Stunden,
Die durchgeküßten sind verschwunden,
Wir wünschen traurig sie zurück.
O wünsche dir kein größeres Glücke;
Es flieht der Erden größtes Glücke,
Wie des geringsten Traumes Glück.
 

7. Wunsch eines jungen Mädgens

 
O fände für mich
Ein Bräutigam sich!
Wie schön ists nicht da,
Man nennt uns Mama.
Da braucht man zum Nehen,
Zur Schul nicht zu gehen.
Da kann man befehlen,
Hat Mägde, darf schmählen,
Man wählt sich die Kleider,
Nach Gusto den Schneider.
Da läßt man spazieren
Auf Bälle sich führen,
Und fragt nicht erst lange
Papa und Mama.
 
 
7, 1. Ach fände für mich
9 f. Da schickt man zum Schneider
Gleich bringt der die Kleider.
 

8. Hochzeitlied

An meinen Freund
 
Im Schlafgemach, entfernt vom Feste,
Sitzt Amor dir getreu und bebt,
Daß nicht die List muthwillger Gäste
Des Brautbetts Frieden untergräbt.
Es blinkt mit mystisch heil'gem Schimmer
Vor ihm der Flammen blaßes Gold,
Ein Weihrauchwirbel füllt das Zimmer,
Damit ihr recht genießen sollt.
 
 
Wie schlägt dein Herz beym Schlag der Stunde,
Der deiner Gäste Lärm verjagt!
Wie glühst du nach dem schönen Munde,
Der bald verstummt und nichts versagt.
Du eilst, um alles zu vollenden,
Mit ihr ins Heiligthum hinein,
Das Feuer in des Wächters Händen
Wird wie ein Nachtlicht still und klein.
 
 
Wie bebt von deiner Küsse Menge
Ihr Busen, und ihr voll Gesicht,
Zum Zittern wird nun ihre Strenge,
Denn deine Kühnheit wird zur Pflicht.
Schnell hilft dir Amor sie entkleiden,
Und ist nicht halb so schnell als du;
Dann hält er schalkhaft und bescheiden,
Sich fest die beyden Augen zu.
 
 
8, Im Schlafgemach, fern von dem Feste
Sitzt Amor dir getreu und wacht
Daß nicht die List muthwill'ger Gäste
Das Brautbett dir unsicher macht.
Er harrt auf dich. Der Fackel Schimmer
Umgläntzt ihn, und ihr flammend Gold
Treibt Weihrauchdampf, der durch das Zimmer
In wollustvollen Wirbeln rollt.
 
 
Wie schlägt dein Herz, beym Schlag der Stunde,
Der deiner Freunde Lärm verjagt!
Wie blickst du nach dem schönen Munde,
Der dir nun bald nichts mehr versagt.
Du eilst dein Glücke zu vollenden
Mit Ihr ins Heiligthum herein,
Die Fackel in des Amors Händen
Wird wie ein Nachtlicht still und klein.
 
 
Wie glüht vor deiner Küsse Menge
Der Schönen reitzendes Gedicht,
Zum stillen Schertz wird Ihre Strenge,
Denn deine Kühnheit wird zur Pflicht.
Schnell hilft Ihr Amor sich entkleiden,
Und ist doch nicht so schnell als du,
Dann hält der kleine Schalck bescheiden
Sich fest die beiden Augen zu.
 
146Vgl. das in Leipz. gedichtete Lied „Der wahre Genuß“ : Ich bin genügsam, und genieße,Schon da, wenn sie mir zärtlich lacht,Wenn sie beym Tisch des Liebsten FüßeZum Schemmel ihrer Füße macht.
147Dahlen, ein Gut des Grafen Bünau.
148Ihre Hand ist sehr deutlich, fest und bestimmt.
149Werke XXI. S. 135.
150Briefe an Frau v. Stein I. S. 28.
151Es sind – in dieser Ordnung – 11. 7. 13. 3. 5. 4. 12. 6. 10.