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Italienische Reise — Band 1

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Durch dieses Gespräch ward bei mir die Frage wieder rege, ob ich den Vorsatz, Malta zu besuchen, aufgeben sollte. Allein die schon früher überdachten Schwierigkeiten und Gefahren blieben noch immer dieselben, und wir nahmen uns vor, unsern Vetturin bis Messina zu dingen.

Dabei aber sollte wieder nach einer gewissen eigensinnigen Grille gehandelt werden. Ich hatte nämlich auf dem bisherigen Wege in Sizilien wenig kornreiche Gegenden gesehen, sodann war der Horizont überall von nahen und fernen Bergen beschränkt, so daß es der Insel ganz an Flächen zu fehlen schien und man nicht begriff, wie Ceres dieses Land so vorzüglich begünstigt haben sollte. Als ich mich darnach erkundigte, erwiderte man mir, daß ich, um dieses einzusehen, statt über Syrakus, quer durchs Land gehen müsse, wo ich denn der Weizenstriche genug antreffen würde. Wir folgten dieser Lockung, Syrakus aufzugeben, indem uns nicht unbekannt war, daß von dieser herrlichen Stadt wenig mehr als der prächtige Name geblieben sei. Allenfalls war sie von Catania aus leicht zu besuchen.

Caltanisetta, Sonnabend, den 28. April 1787

Heute können wir denn endlich sagen, daß uns ein anschaulicher Begriff geworden, wie Sizilien den Ehrennamen einer Kornkammer Italiens erlangen können. Eine Strecke, nachdem wir Girgent verlassen, fing der fruchtbare Boden an. Es sind keine großen Flächen, aber sanft gegeneinander laufende Berg — und Hügelrücken, durchgängig mit Weizen und Gerste bestellt, die eine ununterbrochene Masse von Fruchtbarkeit dem Auge darbieten. Der diesen Pflanzen geeignete Boden wird so genutzt und so geschont, daß man nirgends einen Baum sieht, ja, alle die kleinen Ortschaften und Wohnungen liegen auf Rücken der Hügel, wo eine hinstreichende Reihe Kalkfelsen den Boden ohnehin unbrauchbar macht. Dort wohnen die Weiber das ganze Jahr, mit Spinnen und Weben beschäftigt, die Männer hingegen bringen zur eigentlichen Epoche der Feldarbeit nur Sonnabend und Sonntag bei ihnen zu, die übrigen Tage bleiben sie unten und ziehen sich nachts in Rohrhütten zurück. Und so war denn unser Wunsch bis zum überdruß erfüllt, wir hätten uns Triptolems Flügelwagen gewünscht, um dieser Einförmigkeit zu entfliehen.

Nun ritten wir bei heißem Sonnenschein durch diese wüste Fruchtbarkeit und freuten uns, in dem wohlgelegenen und wohlgebauten Caltanisetta zuletzt anzukommen, wo wir jedoch abermals vergeblich um eine leidliche Herberge bemüht waren. Die Maultiere stehen in prächtig gewölbten Ställen, die Knechte schlafen auf dem Klee, der den Tieren bestimmt ist, der Fremde aber muß seine Haushaltung von vorn anfangen. Ein allenfalls zu beziehendes Zimmer muß erst gereinigt werden. Stühle und Bänke gibt es nicht, man sitzt auf niedrigen Böcken von starkem Holz, Tische sind auch nicht zu finden.

Will man jene Böcke in Bettfüße verwandeln, so geht man zum Tischler und borgt so viel Bretter, als nötig sind, gegen eine gewisse Miete. Der große Juchtensack, den uns Hackert geliehen, kam diesmal sehr zugute und ward vorläufig mit Häckerling angefüllt.

Vor allem aber mußte wegen des Essens Anstalt getroffen werden. Wir hatten unterwegs eine Henne gekauft, der Vetturin war gegangen, Reis, Salz und Spezereien anzuschaffen, weil er aber nie hier gewesen, so blieb lange unerörtert, wo denn eigentlich gekocht werden sollte, wozu in der Herberge selbst keine Gelegenheit war. Endlich bequemte sich ein ältlicher Bürger, Herd und Holz, Küchen — und Tischgeräte gegen ein billiges herzugeben und uns, indessen gekocht würde, in der Stadt herumzuführen, endlich auf den Markt, wo die angesehensten Einwohner nach antiker Weise umhersaßen, sich unterhielten und von uns unterhalten sein wollten.

Wir mußten von Friederich dem Zweiten erzählen, und ihre Teilnahme an diesem großen Könige war so lebhaft, daß wir seinen Tod verhehlten, um nicht durch eine so unselige Nachricht unsern Wirten verhaßt zu werden.

Caltanisetta, Sonnabend, den 28. April 1787

Geologisches, nachträglich. Von Girgent die Muschelkalkfelsen hinab zeigt sich ein weißliches Erdreich, das sich nachher erklärt: man findet den älteren Kalk wieder und Gips unmittelbar daran. Weite flache Täler, Fruchtbau bis an die Gipfel, oft darüberweg; älterer Kalk mit verwittertem Gips gemischt. Nun zeigt sich ein loseres, gelbliches, leicht verwitterndes neues Kalkgestein: in den geackerten Feldern kann man dessen Farbe deutlich erkennen, die oft ins Dunklere, ja ins Violette zieht. Etwas über halben Weg tritt der Gips wieder hervor. Auf demselben wächst häufig ein schön violettes, fast rosenrotes Sedum und an den Kalkfelsen ein schönes gelbes Moos.

Jenes verwitterliche Kalkgestein zeigt sich öfters wieder, am stärksten gegen Caltanisetta, wo es in Lagern liegt, die einzelne Muscheln enthalten; dann zeigt sich's rötlich, beinahe wie Mennige, mit wenigem Violett, wie oben bei San Martino bemerkt worden.

Quarzgeschiebe habe ich nur etwa auf halbem Wege in einem Tälchen gefunden, das, an drei Seiten geschlossen, gegen Morgen und also gegen das Meer zu offenstand.

Links in der Ferne war der hohe Berg bei Camerata merkwürdig und ein anderer wie ein gestutzter Kegel. Die große Hälfte des Wegs kein Baum zu sehen. Die Frucht stand herrlich, obgleich nicht so hoch wie zu Girgent und am Meeresufer, jedoch so rein als möglich; in den unabsehbaren Weizenäckern kein Unkraut. Erst sahen wir nichts als grünende Felder, dann gepflügte, an feuchtlichen örtern ein Stückchen Wiese. Hier kommen auch Pappeln vor. Gleich hinter Girgent fanden wir äpfel und Birnen, übrigens an den Höhen und in der Nähe der wenigen Ortschaften etwas Feigen.

Diese dreißig Miglien, nebst allem, was ich rechts und links erkennen konnte, ist älterer und neuerer Kalk, dazwischen Gips. Der Verwitterung und Verarbeitung dieser drei untereinander hat das Erdreich seine Fruchtbarkeit zu verdanken. Wenig Sand mag es enthalten, es knirscht unter den Zähnen. Eine Vermutung wegen des Flusses Achates wird sich morgen bestätigen.

Die Täler haben eine schöne Form, und ob sie gleich nicht ganz flach sind, so bemerkt man doch keine Spur von Regengüssen, nur kleine Bäche, kaum merklich, rieseln hin, denn alles fließt gleich unmittelbar nach dem Meere. Wenig roter Klee ist zu sehen, die niedrige Palme verschwindet auch sowie alle Blumen und Sträuche der südwestlichen Seite. Den Disteln ist nur erlaubt, sich der Wege zu bemächtigen, alles andere gehört der Ceres an. Übrigens hat die Gegend viel ähnliches mit deutschen hügeligen und fruchtbaren Gegenden, z. B. mit der zwischen Erfurt und Gotha, besonders wenn man nach den Gleichen hinsieht. Sehr vieles mußte zusammenkommen, um Sizilien zu einem der fruchtbarsten Länder der Welt zu machen.

Man sieht wenig Pferde auf der ganzen Tour, sie pflügen mit Ochsen, und es besteht ein Verbot, keine Kühe und Kälber zu schlachten. Ziegen, Esel und Maultiere begegneten uns viele. Die Pferde sind meist Apfelschimmel mit schwarzen Füßen und Mähnen, man findet die prächtigsten Stallräume mit gemauerten Bettstellen. Das Land wird zu Bohnen und Linsen gedüngt, die übrigen Feldfrüchte wachsen nach dieser Sömmerung. In ähren geschoßte, noch grüne Gerste in Bündeln, roter Klee desgleichen werden dem Vorbeireitenden zu Kauf angeboten.

Auf dem Berg über Caltanisetta fand sich fester Kalkstein mit Versteinerungen: die großen Muscheln lagen unten, die kleinen obenauf.

Im Pflaster des Städtchens fanden wir Kalkstein mit Pektiniten.

Zum 28. April 1787

Hinter Caltanisetta senken sich die Hügel jäh herunter in mancherlei Täler, die ihre Wasser in den Fluß Salso ergießen. Das Erdreich ist rötlich, sehr tonig, vieles lag unbestellt, auf dem bestellten die Früchte ziemlich gut, doch, mit den vorigen Gegenden verglichen, noch zurück.

Castro Giovanni, Sonntag, den 29. April 1787

Noch größere Fruchtbarkeit und Menschenöde hatten wir heute zu bemerken. Regenwetter war eingefallen und machte den Reisezustand sehr unangenehm, da wir durch mehrere stark angeschwollene Gewässer hindurch mußten. Am Fiume Salso, wo man sich nach einer Brücke vergeblich umsieht, überraschte uns eine wunderliche Anstalt. Kräftige Männer waren bereit, wovon immer zwei und zwei das Maultier mit Reiter und Gepäck in die Mitte faßten und so durch einen tiefen Stromteil hindurch bis auf eine große Kiesfläche führten; war nun die sämtliche Gesellschaft hier beisammen, so ging es auf eben diese Weise durch den zweiten Arm des Flusses, wo die Männer denn abermals durch Stemmen und Drängen das Tier auf dem rechten Pfade und im Stromzug aufrecht erhielten. An dem Wasser her ist etwas Buschwerk, das sich aber landeinwärts gleich wieder verliert. Der Fiume Salso bringt Granit, einen übergang in Gneis, breccierten und einfarbigen Marmor.

Nun sahen wir den einzeln stehenden Bergrücken vor uns, worauf Castro Giovanni liegt und welcher der Gegend einen ernsten, sonderbaren Charakter erteilt. Als wir den langen, an der Seite sich hinanziehenden Weg ritten, fanden wir den Berg aus Muschelkalk bestehend; große, nur kalzinierte Schalen wurden aufgepackt. Man sieht Castro Giovanni nicht eher, als bis man ganz oben auf den Bergrücken gelangt; denn es liegt am Felsabhang gegen Norden. Das wunderliche Städtchen selbst, der Turm, links in einiger Entfernung das örtchen Caltascibetta stehen gar ernsthaft gegeneinander. In der Plaine sah man die Bohnen in voller Blüte, wer hätte sich aber dieses Anblicks erfreuen können! Die Wege waren entsetzlich, noch schrecklicher, weil sie ehemals gepflastert gewesen, und es regnete immer fort. Das alte Enna empfing uns sehr unfreundlich: ein Estrichzimmer mit Läden ohne Fenster, so daß wir entweder im Dunkeln sitzen, oder den Sprühregen, dem wir soeben entgangen waren, wieder erdulden mußten. Einige überreste unseres Reisevorrats wurden verzehrt, die Nacht kläglich zugebracht. Wir taten ein feierliches Gelübde, nie wieder nach einem mythologischen Namen unser Wegeziel zu richten.

 
Montag, den 30. April 1787

Von Castro Giovanni herab führt ein rauher, unbequemer Stieg, wir mußten die Pferde führen. Die Atmosphäre vor uns tief herab mit Wolken bedeckt, wobei sich ein wunderbar Phänomen in der größten Höhe sehen ließ. Es war weiß und grau gestreift und schien etwas Körperliches zu sein; aber wie käme das Körperliche in den Himmel! Unser Führer belehrte uns, diese unsere Verwunderung gelte einer Seite des ätna, welche durch die zerrissenen Wolken durchsehe: Schnee und Bergrücken abwechselnd bildeten die Streifen, es sei nicht einmal der höchste Gipfel.

Des alten Enna steiler Felsen lag nun hinter uns, wir zogen durch lange, lange, einsame Täler; unbebaut und unbewohnt lagen sie da, dem weidenden Vieh überlassen, das wir schön braun fanden, nicht groß, mit kleinen Hörnern, gar nett, schlank und munter wie die Hirschchen. Diese guten Geschöpfe hatten zwar Weide genug, sie war ihnen aber doch durch ungeheure Distelmassen beengt und nach und nach verkümmert. Diese Pflanzen finden hier die schönste Gelegenheit, sich zu besamen und ihr Geschlecht auszubreiten, sie nehmen einen unglaublichen Raum ein, der zur Weide von ein paar großen Landgütern hinreichte. Da sie nicht perennieren, so wären sie jetzt, vor der Blüte niedergemäht, gar wohl zu vertilgen.

Indessen wir nun diese landwirtlichen Kriegsplane gegen die Disteln ernstlich durchdachten, mußten wir zu unserer Beschämung bemerken, daß sie doch nicht ganz unnütz seien. Auf einem einsam stehenden Gasthofe, wo wir fütterten, waren zugleich ein Paar sizilianische Edelleute angekommen, welche quer durch das Land eines Prozesses wegen nach Palermo zogen. Mit Verwundrung sahen wir diese beiden ernsthaften Männer mit scharfen Taschenmessern vor einer solchen Distelgruppe stehen und die obersten Teile dieser emporstrebenden Gewächse niederhauen; sie faßten alsdann diesen stachligen Gewinn mit spitzen Fingern, schälten den Stengel und verzehrten das Innere desselben mit Wohlgefallen. Damit beschäftigten sie sich eine lange Zeit, indessen wir uns an Wein, diesmal ungemischt, und gutem Brot erquickten. Der Vetturin bereitete uns dergleichen Stengelmark und versicherte, es sei eine gesunde, kühlende Speise, sie wollte uns aber so wenig schmecken als der rohe Kohlrabi zu Segeste.

Unterwegs, den 30. April

In das Tal gelangt, wodurch der Fluß St. Paolo sich schlängelt, fanden wir das Erdreich rötlich schwarz und verwitterlichen Kalk; viel Brache, sehr weite Felder, schönes Tal, durch das Flüßchen sehr angenehm. Der gemischte gute Lehmboden ist mitunter zwanzig Fuß tief und meistens gleich. Die Aloen hatten stark getrieben. Die Frucht stand schön, doch mitunter unrein und, gegen die Mittagseite berechnet, weit zurück. Hie und da kleine Wohnungen; kein Baum als unmittelbar unter Castro Giovanni. Am Ufer des Flusses viel Weide, durch ungeheure Distelmassen eingeschränkt. Im Flußgeschiebe das Quarzgestein wieder, teils einfach, teils breccienartig.

Molimenti, ein neues örtchen, sehr klug in der Mitte schöner Felder angelegt, am Flüßchen St. Paolo. Der Weizen stand in der Nähe ganz unvergleichlich, schon den zwanzigsten Mai zu schneiden. Die ganze Gegend zeigt noch keine Spur von vulkanischem Wesen, auch selbst der Fluß führt keine dergleichen Geschiebe. Der Boden, gut gemischt, eher schwer als leicht, ist im ganzen kaffeebraun-violettlich anzusehen. Alle Gebirge links, die den Fluß einschließen, sind Kalk — und Sandstein, deren Abwechselung ich nicht beobachten konnte, welche jedoch, verwitternd, die große, durchaus gleiche Fruchtbarkeit des untern Tals bereitet haben.

Dienstag, den 1. Mai 1787

Durch ein so ungleich angebautes, obwohl von der Natur zu durchgängiger Fruchtbarkeit bestimmtes Tal ritten wir einigermaßen verdrießlich herunter, weil nach so viel ausgestandenen Unbilden unsern malerischen Zwecken gar nichts entgegenkam. Kniep hatte eine recht bedeutende Ferne umrissen, weil aber der Mittel — und Vordergrund gar zu abscheulich war, setzte er, geschmackvoll scherzend, ein Poussinsches Vorderteil daran, welches ihm nichts kostete und das Blatt zu einem ganz hübschen Bildchen machte. Wieviel malerische Reisen mögen dergleichen Halbwahrheiten enthalten.

Unser Reitmann versprach, um unser mürrisches Wesen zu begütigen, für den Abend eine gute Herberge, brachte uns auch wirklich in einen vor wenig Jahren gebauten Gasthof, der auf diesem Wege, gerade in gehöriger Entfernung von Catania gelegen, dem Reisenden willkommen sein mußte, und wir ließen es uns bei einer leidlichen Einrichtung seit zwölf Tagen wieder einigermaßen bequem werden. Merkwürdig aber war uns eine Inschrift, an die Wand bleistiftlich mit schönen englischen Schriftzügen geschrieben; sie enthielt folgendes: "Reisende, wer ihr auch seid, hütet euch in Catania vor dem Wirtshause zum goldenen Löwen; es ist schlimmer, als wenn ihr Kyklopen, Sirenen und Skyllen zugleich in die Klauen fielet." Ob wir nun schon dachten, der wohlmeinende Warner möchte die Gefahr etwas mythologisch vergrößert haben, so setzten wir uns doch fest vor, den Goldenen Löwen zu vermeiden, der uns als ein so grimmiges Tier angekündigt war. Als uns daher der Maultiertreibende befragte, wo wir in Catania einkehren wollten, so versetzten wir: "überall, nur nicht im Löwen!", worauf er den Vorschlag tat, da vorliebzunehmen, wo er seine Tiere unterstelle, nur müßten wir uns daselbst auch verköstigen, wie wir es schon bisher getan. Wir waren alle zufrieden: dem Rachen des Löwen zu entgehen, war unser einziger Wunsch.

Gegen Ibla Major melden sich Lavageschiebe, welche das Wasser von Norden herunterbringt. Über der Fähre findet man Kalkstein, welcher allerlei Arten Geschiebe, Hornstein, Lava und Kalk verbunden hat, dann verhärtete vulkanische Asche, mit Kalktuff überzogen. Die gemischten Kieshügel dauern immer fort bis gegen Catania, bis an dieselben und über dieselben finden sich Lavaströme des ätna. Einen wahrscheinlichen Krater läßt man links. (Gleich unter Molimenti rauften die Bauern den Flachs.) Wie die Natur das Bunte liebt, läßt sie hier sehen, wo sie sich an der schwarzblaugrauen Lava erlustigt; hochgelbes Moos überzieht sie, ein schön rotes Sedum wächst üppig darauf, andere schöne violette Blumen. Eine sorgsame Kultur beweist sich an den Kaktuspflanzungen und Weinranken. Nun drängen sich ungeheure Lavaflüsse heran. Motta ist ein schöner, bedeutender Fels. Hier stehen die Bohnen als sehr hohe Stauden. Die äcker sind veränderlich, bald sehr kiesig, bald besser gemischt.

Der Vetturin, der diese Frühlingsvegetation der Südostseite lange nicht gesehen haben mochte, verfiel in großes Ausrufen über die Schönheit der Frucht und fragte uns mit selbstgefälligem Patriotismus, ob es in unsern Landen auch wohl solche gäbe. Ihr ist hier alles aufgeopfert, man sieht wenig, ja gar keine Bäume. Allerliebst war ein Mädchen von prächtiger, schlanker Gestalt, eine ältere Bekanntschaft unseres Vetturins, die seinem Maultiere gleich lief, schwatzte und dabei mit solcher Zierlichkeit als möglich ihren Faden spann. Nun fingen gelbe Blumen zu herrschen an. Gegen Misterbianco standen die Kaktus schon wieder in Zäunen; Zäune aber, ganz von diesen wundersam gebildeten Gewächsen, werden in der Nähe von Catania immer regelmäßiger und schöner.

Catania, Mittwoch, den 2. Mai 1787

In unserer Herberge befanden wir uns freilich sehr übel. Die Kost, wie sie der Maultierknecht bereiten konnte, war nicht die beste. Eine Henne, in Reis gekocht, wäre dennoch nicht zu verachten gewesen, hätte sie nicht ein unmäßiger Safran so gelb als ungenießbar gemacht. Das unbequemste Nachtlager hätte uns beinahe genötigt, Hackerts Juchtensack wieder hervorzuholen, deshalb sprachen wir morgens zeitig mit dem freundlichen Wirte. Er bedauerte, daß er uns nicht besser versorgen könne: "Da drüben aber ist ein Haus, wo Fremde gut aufgehoben sind und alle Ursache haben zufrieden zu sein." — Er zeigte uns ein großes Eckhaus, von welchem die uns zugekehrte Seite viel Gutes versprach. Wir eilten sogleich hinüber, fanden einen rührigen Mann, der sich als Lohnbedienter angab und in Abwesenheit des Wirts uns ein schönes Zimmer neben einem Saal anwies, auch zugleich versicherte, daß wir aufs billigste bedient werden sollten. Wir erkundigten uns ungesäumt hergebrachterweise, was für Quartier, Tisch, Wein, Frühstück und sonstiges Bestimmbare zu bezahlen sei. Das war alles billig, und wir schafften eilig unsere Wenigkeiten herüber, sie in die weitläufigen vergoldeten Kommoden einzuordnen. Kniep fand zum ersten Male Gelegenheit, seine Pappe auszubreiten; er ordnete seine Zeichnungen, ich mein Bemerktes. Sodann, vergnügt über die schönen Räume, traten wir auf den Balkon des Saals, der Aussicht zu genießen. Nachdem wir diese genugsam betrachtet und gelobt, kehrten wir um nach unsern Geschäften, und siehe! Da droben über unserm Haupte ein großer goldener Löwe. Wir sahen einander bedenklich an, lächelten und lachten. Von nun an aber blickten wir umher, ob nicht irgendwo eins der Homerischen Schreckbilder hervorschauen möchte.

Nichts dergleichen war zu sehen, dagegen fanden wir im Saal eine hübsche junge Frau, die mit einem Kinde von etwa zwei Jahren herumtändelte, aber sogleich von dem beweglichen Halbwirt derb ausgescholten dastand: sie solle sich hinweg verfügen! hieß es, sie habe hier nichts zu tun. — "Es ist doch hart, daß du mich fortjagst", sagte sie, "das Kind ist zu Hause nicht zu begütigen, wenn du weg bist, und die Herren erlauben mir gewiß, in deiner Gegenwart das Kleine zu beruhigen." Der Gemahl ließ es dabei nicht bewenden, sondern suchte sie fortzuschaffen, das Kind schrie in der Türe ganz erbärmlich, und wir mußten zuletzt ernstlich verlangen, daß das hübsche Madamchen dabliebe.

Durch den Engländer gewarnt, war es keine Kunst, die Komödie zu durchschauen, wir spielten die Neulinge, die Unschuldigen, er aber machte seine liebreiche Vaterschaft auf das beste gelten. Das Kind wirklich war am freundlichsten mit ihm, wahrscheinlich hatte es die angebliche Mutter unter der Türe gekneipt.

Und so war sie auch in der größten Unschuld dageblieben, als der Mann wegging, ein Empfehlungsschreiben an den Hausgeistlichen des Prinzen Biscaris zu überbringen. Sie dahlte fort, bis er zurückkam und anzeigte, der Abbé würde selbst erscheinen, uns von dem Näheren zu unterrichten.

Catania, Donnerstag, den 3. Mai 1787

Der Abbé, der uns gestern abend schon begrüßt hatte, erschien heute zeitig und führte uns in den Palast, welcher auf einem hohen Sockel einstöckig gebaut ist, und zwar sahen wir zuerst das Museum, wo marmorne und eherne Bilder, Vasen und alle Arten solcher Altertümer beisammenstehen. Wir hatten abermals Gelegenheit, unsere Kenntnisse zu erweitern, besonders aber fesselte uns der Sturz eines Jupiters, dessen Abguß ich schon aus Tischbeins Werkstatt kannte und welcher größere Vorzüge besitzt, als wir zu beurteilen vermochten. Ein Hausgenosse gab die nötigste historische Auskunft, und nun gelangten wir in einen großen, hohen Saal. Die vielen Stühle an den Wänden umher zeugten, daß große Gesellschaft sich manchmal hier versammle. Wir setzten uns in Erwartung einer günstigen Aufnahme. Da kamen ein Paar Frauenzimmer herein und gingen der Länge nach auf und ab. Sie sprachen angelegentlich miteinander. Als sie uns gewahrten, stand der Abbé auf, ich desgleichen, wir neigten uns. Ich fragte, wer sie seien, und erfuhr, die jüngere sei die Prinzessin, die ältere eine edle Catanierin. Wir hatten uns wieder gesetzt, sie gingen auf und ab, wie man auf einem Marktplatze tun würde.

Wir wurden zum Prinzen geführt, der, wie man mir schon bemerkt hatte, uns seine Münzsammlung aus besonderem Vertrauen vorwies, da wohl früher seinem Herrn Vater und auch ihm nachher bei solchem Vorzeigen manches abhanden gekommen und seine gewöhnliche Bereitwilligkeit dadurch einigermaßen vermindert worden. Hier konnte ich nun schon etwas kenntnisreicher scheinen, indem ich mich bei Betrachtung der Sammlung des Prinzen Torremuzza belehrt hatte. Ich lernte wieder und half mir an jenem dauerhaften Winckelmannischen Faden, der uns durch die verschiedenen Kunstepochen durchleitet, so ziemlich hin. Der Prinz, von diesen Dingen völlig unterrichtet, da er keine Kenner, aber aufmerksame Liebhaber vor sich sah, mochte uns gern in allem, wornach wir forschten, belehren.

Nach dem wir diesen Betrachtungen geraume Zeit, aber doch noch immer zu wenig gewidmet, standen wir im Begriff, uns zu beurlauben, als er uns zu seiner Frau Mutter führte, woselbst die übrigen kleineren Kunstwerke zu sehen waren.

 

Wir fanden eine ansehnliche, natürlich edle Frau, die uns mit den Worten empfing: " Sehen Sie sich bei mir um, meine Herren, Sie finden hier alles noch, wie es mein seliger Gemahl gesammelt und geordnet hat. Dies danke ich der Frömmigkeit meines Sohnes, der mich in seinen besten Zimmern nicht nur wohnen, sondern auch hier nicht das geringste entfernen oder verrücken läßt, was sein seliger Herr Vater anschaffte und aufstellte; wodurch ich den doppelten Vorteil habe, sowohl auf die so lange Jahre her gewohnte Weise zu leben, als auch wie von jeher die trefflichen Fremden zu sehen und näher zu kennen, die, unsere Schätze zu betrachten, von so weiten Orten herkommen."

Sie schloß uns darauf selbst den Glasschrank auf, worin die Arbeiten in Bernstein aufbewahrt standen. Der sizilianische unterscheidet sich von dem nordischen darin, daß er von der durchsichtigen und undurchsichtigen Wachs — und Honigfarbe durch alle Abschattungen eines gesättigten Gelbs bis zum schönsten Hyazinthrot hinansteigt. Urnen, Becher und andere Dinge waren daraus geschnitten, wozu man große, bewundernswürdige Stücke des Materials mitunter voraussetzen mußte. An diesen Gegenständen sowie an geschnittenen Muscheln, wie sie in Trapani gefertigt werden, ferner an ausgesuchten Elfenbeinarbeiten hatte die Dame ihre besondere Freude und wußte dabei manche heitere Geschichte zu erzählen. Der Fürst machte uns auf die ernsteren Gegenstände aufmerksam, und so flossen einige Stunden vergnügt und belehrend vorüber.

Indessen hatte die Fürstin vernommen, daß wir Deutsche seien, sie fragte daher nach Herrn von Riedesel, Bartels, Münter, welche sie sämtlich gekannt und, ihren Charakter und Betragen gar wohl unterscheidend, zu würdigen wußte. Wir trennten uns ungern von ihr, und sie schien uns ungern wegzulassen. Dieser Inselzustand hat doch immer etwas Einsames, nur durch vorübergehende Teilnahme aufgefrischt und erhalten.

Uns führte der Geistliche alsdann in das Benediktinerkloster, in die Zelle eines Bruders, dessen bei mäßigem Alter trauriges und in sich zurückgezogenes Ansehn wenig frohe Unterhaltung versprach. Er war jedoch der kunstreiche Mann, der die ungeheure Orgel dieser Kirche allein zu bändigen wußte. Als er unsere Wünsche mehr erraten als vernommen, erfüllte er sie schweigend; wir begaben uns in die sehr geräumige Kirche, die er, das herrliche Instrument bearbeitend, bis in den letzten Winkel mit leisestem Hauch sowohl als gewaltsamsten Tönen durchsäuselte und durchschmetterte.

Wer den Mann nicht vorher gesehen, hätte glauben müssen, es sei ein Riese, der solche Gewalt ausübe; da wir aber seine Persönlichkeit schon kannten, bewunderten wir nur, daß er in diesem Kampf nicht schon längst aufgerieben sei.

Catania, Freitag, den 4. Mai 1787

Bald nach Tische kam der Abbé mit einem Wagen, da er uns den entferntern Teil der Stadt zeigen sollte. Beim Einsteigen ereignete sich ein wundersamer Rangstreit. Ich war zuerst eingestiegen und hätte ihm zur linken Hand gesessen, er, einsteigend, verlangte ausdrücklich, daß ich herumrücken und ihn zu meiner Linken nehmen sollte; ich bat ihn, dergleichen Zeremonien zu unterlassen. "Verzeiht", sagte er, "daß wir also sitzen, denn wenn ich meinen Platz zu Eurer Rechten nehme, so glaubt jedermann, daß ich mit Euch fahre, sitze ich aber zur Linken, so ist es ausgesprochen, daß Ihr mit mir fahrt, mit mir nämlich, der ich Euch im Namen des Fürsten die Stadt zeige." Dagegen war freilich nichts einzuwenden, und also geschah es.

Wir fuhren die Straßen hinaufwärts, wo die Lava, welche 1669 einen großen Teil dieser Stadt zerstörte, noch bis auf unsere Tage sichtbar blieb. Der starre Feuerstrom ward bearbeitet wie ein anderer Fels, selbst auf ihm waren Straßen vorgezeichnet und teilweise gebaut. Ich schlug ein unbezweifeltes Stück des Geschmolzenen herunter, bedenkend, daß vor meiner Abreise aus Deutschland schon der Streit über die Vulkanität der Basalte sich entzündet hatte. Und so tat ich's an mehrern Stellen, um zu mancherlei Abänderungen zu gelangen.

Wären jedoch Einheimische nicht selbst Freunde ihrer Gegend, nicht selbst bemüht, entweder eines Vorteils oder der Wissenschaft willen, das, was in ihrem Revier merkwürdig ist, zusammenzustellen, so müßte der Reisende sich lang vergebens quälen. Schon in Neapel hatte mich der Lavenhändler sehr gefördert, hier in einem weit höheren Sinne der Ritter Gioeni. Ich fand in seiner reichen, sehr galant aufgestellten Sammlung die Laven des ätna, die Basalte am Fuß desselben, verändertes Gestein, mehr oder weniger zu erkennen; alles wurde freundlichst vorgezeigt. Am meisten hatte ich Zeolithe zu bewundern aus den schroffen, im Meere stehenden Felsen unter Jaci.

Als wir den Ritter um die Mittel befragten, wie man sich benehmen müsse, um den ätna zu besteigen, wollte er von einer Wagnis nach dem Gipfel, besonders in der gegenwärtigen Jahreszeit, gar nichts hören. "Überhaupt", sagte er, nachdem er uns um Verzeihung gebeten, "die hier ankommenden Fremden sehen die Sache für allzu leicht an; wir andern Nachbarn des Berges sind schon zufrieden, wenn wir ein paarmal in unserm Leben die beste Gelegenheit abgepaßt und den Gipfel erreicht haben. Brydone, der zuerst durch seine Beschreibung die Lust nach diesem Feuergipfel entzündet, ist gar nicht hinaufgekommen; Graf Borch läßt den Leser in Ungewißheit, aber auch er ist nur bis auf eine gewisse Höhe gelangt, und so könnte ich von mehrern sagen. Für jetzt erstreckt sich der Schnee noch allzuweit herunter und breitet unüberwindliche Hindernisse entgegen. Wenn Sie meinem Rate folgen mögen, so reiten Sie morgen bei guter Zeit bis an den Fuß des Monte Rosso, besteigen Sie diese Höhe; Sie werden von da des herrlichsten Anblicks genießen und zugleich die alte Lava bemerken, welche dort, 1669 entsprungen, unglücklicherweise sich nach der Stadt hereinwälzte. Die Aussicht ist herrlich und deutlich; man tut besser, sich das übrige erzählen zu lassen."

Catania, Sonnabend, den 5. Mai 1787

Folgsam dem guten Rate, machten wir ans zeitig auf den Weg und erreichten, auf unsern Maultieren immer rückwärts schauend, die Region der durch die Zeit noch ungebändigten Laven. Zackige Klumpen und Tafeln starrten uns entgegen, durch welche nur ein zufälliger Pfad von den Tieren gefunden wurde. Auf der ersten bedeutenden Höhe hielten wir still. Kniep zeichnete mit großer Präzision, was hinaufwärts vor uns lag: die Lavenmassen im Vordergrunde, den Doppelgipfel des Monte Rosso links, gerade über uns die Wälder von Nicolosi, aus denen der beschneite, wenig rauchende Gipfel hervorstieg. Wir rückten dem roten Berge näher, ich stieg hinauf: er ist ganz aus rotem vulkanischem Grus, Asche und Steinen zusammengehäuft. Um die Mündung hätte sich bequem herumgehen lassen, hätte nicht ein gewaltsam stürmender Morgenwind jeden Schritt unsicher gemacht; wollte ich nur einigermaßen fortkommen, so mußte ich den Mantel ablegen, nun aber war der Hut jeden Augenblick in Gefahr, in den Krater getrieben zu werden und ich hintendrein. Deshalb setzte ich mich nieder, um mich zu fassen und die Gegend zu überschauen; aber auch diese Lage half mir nichts: der Sturm kam gerade von Osten her über das herrliche Land, das nah und fern bis ans Meer unter mir lag. Den ausgedehnten Strand von Messina bis Syrakus mit seinen Krümmungen und Buchten sah ich vor Augen, entweder ganz frei oder durch Felsen des Ufers nur wenig bedeckt. Als ich ganz betäubt wieder herunterkam, hatte Kniep im Schauer seine Zeit gut angewendet und mit zarten Linien auf dem Papier gesichert, was der wilde Sturm mich kaum sehen, viel weniger festhalten ließ.