Feinde des Lebens

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Sari: Sternenlicht #7
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*

Coach Juli erstarrte, als die Daten von Kappa 2 eintrafen. Die Basis befand sich auf einer Eiswelt, die von Vögeln, Fischen und süßen kleinen Pelzwesen bevölkert wurde. So war es zumindest vor vier Wochen noch gewesen, als die MCLANE auf ihrem Weg in unerforschte Bereiche der Galaxis dort einen Zwischenstopp eingelegt hatte. Jetzt maßen die Sensoren keinerlei Leben mehr an. Die Temperatur auf dem Planeten war um hundertsiebzig Grad gefallen.

„Laurenz!“ Ein Schrei entfuhr Swo. „Was ist mit Laurenz?“

„Unbekannt“, meldete ALLISTER.

„Wir müssen sofort da runter und nachsehen!“, verlangte Swo.

„Storm, wir beide gehen“, bestimmte die Kommandantin.

„Ich will gehen!“, schrie Swo. „Laurenz ist mein Freund!“

„Überlass das den Profis“, ließ Zaya ihn abblitzen.

Die einzig mögliche Entscheidung, stimmte Eden innerlich zu. Falls sich der Planetenmörder noch dort unten befand, musste sich ihm das schlagkräftigste Team der MCLANE in den Weg stellen. Lass mich das machen, bat sie Coach Juli. Ich bin Veteranin. Mit Kampfeinsätzen kenne ich mich aus. Coach Juli trat innerlich zurück und überließ ihr das Kommando über ihren gemeinsamen Körper.

Kurz darauf steuerte Eden eine Phönix aus der MCLANE und ließ sie auf kürzestem Weg in die Basis stürzen, um möglichen Gegnern kein leichtes Ziel zu bieten. Nach der harten Landung verließen sie das Beiboot in ihren Raumanzügen. Die Gebäude der Basis waren alle von einer dicken Eisschicht eingeschlossen.

„Versuchen wir es mit den HM-6“, schlug Eden vor.

Sie zogen die kleinen Handstrahler und entfernten mit ihnen das Eis von der Eingangstür eines Gebäudes. Drinnen fanden sie einen toten Bewohner an seinem Schreibtisch sitzen.

„Er sieht aus wie schockgefroren“, stellte Zaya mit wachsendem Entsetzen fest.

„Der Temperatursturz muss sehr plötzlich gekommen sein“, stimmte Eden zu.

„Vielleicht hat sich noch jemand in der zentralen Leitstelle verschanzen können?“

Mit ihren Handstrahlern verschafften sie sich auch dort Zugang. Computer und Konsolen der Leitstelle arbeiteten nicht mehr. Sie waren für derart niedrige Temperaturen nicht ausgelegt. In einem der hinteren Räume fanden sie ein weiteres Basismitglied.

„Das ist Amanda“, stellte Zaya fest. „Laurenz’ Frau.“

„Immerhin trägt sie einen Raumanzug.“

„Aber die Energie ist ihr ausgegangen.“ Zaya deutete auf ein Kabel, das aus dem Anzug ragte und an eine Konsole angeschlossen war. „Sie hat noch versucht, Energie nachzutanken. Aber es hat nicht gereicht. Die gesamte Basis ist ohne Energie.“

„Unsere Anzüge halten auch nicht ewig. Die sind nur für kurze Ausflüge konzipiert. Wir sollten gehen.“

„Moment!“

Amandas erstarrter Zeigefinger deutete auf einen Speicherstick, der vor ihr auf der Konsole lag.

„Den nehmen wir mit“, sagte Zaya und steckte den Stick ein.

„Jetzt aber los, zurück zur Phönix!“

„Nicht bevor wir Laurenz gefunden haben!“

„Laurenz kann es nicht überlebt haben.“

„Ich will ihn sehen, bevor wir gehen.“

Sie durchforsteten alle Räume, bis sie an ein verschlossenes Schott kamen.

„Das muss den hinteren Bereich beim Temperatursturz automatisch verriegelt haben“, vermutete Zaya.

„Es wird schwer zu öffnen sein.“

„Wir geben nicht auf. Vielleicht lebt dahinter noch jemand.“

„Unwahrscheinlich. Aber gut. Ich habe ein paar schwere Waffen in der Phönix. Dann gehe ich die mal holen.“

Eden kam mit einer Thermowaffe zurück und begann, ein Loch in die zentimeterdicke Metallwand zu schneiden.

Nach zwanzig Minuten hatten ihre Raumanzüge nur noch 15 % Energie. Endlich fiel das kreisrunde Metallstück aus dem Schott, das Eden ausgeschnitten hatte. Die Ränder kühlten schnell aus.

„Wir schaffen es nicht mehr“, befürchtete Eden.

„Hast du das gehört?“

„Was denn?“

„Da hinten! Ein Geräusch!“

Sie kletterten durch das Loch, rannten dorthin, wo Zaya das Geräusch vermutete, und fanden Laurenz. Er hatte mehrere Raumanzüge zusammengeschlossen, aber die Energie war nun trotzdem am Ende. Durch den Raumhelm sah man seine blauen Lippen bibbern. Er brachte kein Wort heraus.

„Ich nehme ihn bei mir mit dran“, sagte Zaya und löste das Kabel.

„Nein, lass mich das machen!“, widersprach Eden. „Dein Anzug ist fast leer, du schaffst es vielleicht nicht mehr zurück zur Phönix. Bei mir verbraucht nur ein halber Mensch Energie und Coach Juli bringt uns durch, wenn ich schlapp mache.“

„Also gut, dann los!“

Eden schloss Laurenz an ihre Energiezufuhr. Sie hakten ihn unter und schleppten ihn hinaus. Als sie an seiner toten Frau vorbeikamen, versteifte er sich und wollte nicht weitergehen. Edens Anzug zeigte nur noch 2 % Energie.

Zaya sah sie fragend an.

„Also gut, eine Sekunde haben wir noch“, nickte sie und zog Laurenz in den Raum zu seiner Frau. Der berührte ihren Helm mit seinem, um ihr einen letzten Blick zu schenken. Dann wurde er von den anderen fortgerissen und in die Phönix gezogen. Mit einem Alarmstart brachten sie ihn in die MCLANE, wo er medizinisch versorgt wurde.

*

Amandas Datenstick enthielt eine Holobotschaft. Das Holo zeigte sie in ihrem Raumanzug vor der Konsole sitzend. „Unsere Sensoren haben ein unbekanntes Raumschiff ausgemacht, das auf dem Planeten niederging“, erklärte sie. „Einige Tage später begann die Temperatur abzufallen. Eine Datenanalyse legte offen, dass sich die Treibhausgase inder Atmosphäre alarmierend schnell verflüchtigten. Dadurch wurde die Wärme des Planeten direkt ins All abgestrahlt.“

„Soweit habe ich es noch mitbekommen“, sagte Laurenz, der mit der übrigen Besatzung an der Astroscheibe stand.

„Was habt ihr unternommen?“, fragte Swo und unterbrach das Holo.

„Wir schickten eine Expedition zu dem Landeplatz des Schiffes. Aber dann kam es zu einem drastischen Temperatursturz um fast hundert Grad. Die Notschotten fuhren herunter und ich war im hinteren Bereich der Leitstelle eingeschlossen.“

„Vielleicht liefert uns das Holo deiner Frau noch mehr Informationen.“ Swo ließ es weiterlaufen.

„Die Expedition meldete sich nicht mehr und in der Basis mussten wir ums Überleben kämpfen“, fuhr Amanda fort. „Als die Temperatur abstürzte, schafften es einige nicht mehr in die Leitzentrale, wo wir Raumanzüge haben. Aber auch die Anzüge retten uns nicht. Ich hänge alle gesammelten Daten an diese Holobotschaft.“ Dann wandten sich ihre Augen direkt in die Kamera und sie sagte: „Laurenz, ich liebe dich über alles!“

Laurenz zitterte und griff nach Zayas Hand. „B-b-bin ich schuld?“, fragte er. „Ich habe mir fünf Anzüge genommen. Musste dafür jemand sterben? Hab ich Amanda auf dem Gewissen?“

„Nein“, beruhigte ihn die Kommandantin. „Sie war auf der anderen Seite des Schotts.“

„Ich hätte das Schott öffnen müssen!“

„Das wäre nicht so einfach gegangen.“

Aber vielleicht wäre es gegangen, meldete sich Coach Juli in Edens Gedanken. Wir sind ja auch durchgekommen.

Mag sein. Aber wenn er sich schuldig fühlt, hilft das jetzt niemandem weiter, antwortete Eden. Hätte er sich nicht die fünf Anzüge genommen, dann hätte gar keiner überlebt, und ändern können wir auch nichts mehr.

Laurenz ließ die Hand der Kommandantin los und sank zu Boden. Er verlor das Bewusstsein. Sie trugen ihn in den Krankenbereich.

„Was ist mit ihm?“, fragte Zaya und beugte sich über ihn.

„Es war alles zu viel für ihn“, antwortete ALLISTER, der sich als Bordarzt betätigte.

„Weck ihn auf!“, verlangte Zaya. „Wir brauchen die Koordinaten dieses Alienschiffs! Die haben auf dem Stick leider gefehlt.“

*

Die Phönix brachte sie zur Landestelle des fremden Schiffes. Es war etwa halb so groß wie die und sah aus wie ein Oktaeder mit abgeschnittenen Spitzen. Die Sensoren maßen im Inneren keine Energie an.

„Bei denen scheint auch alles tot zu sein“, mutmaßte Zaya.

„Wir müssen uns das wohl ansehen“, sagte Eden.

Sie stiegen in ihre Raumanzüge und schleusten sich in die Kälte aus. An dem fremden Schiff ließen sich keine Einstiegsluken erkennen.

„Wir müssen ihnen wohl ebenfalls ein Loch in den Pelz brennen“, schlugdie Kommandantin vor.

Eden erledigte das.

Sie drangen in das Schiff ein, fanden allerdings keine Gänge, über die man sich fortbewegen konnte. Sie mussten sich zwischen Aggregaten und Kabelgewirr hindurchwinden und -quetschen. Ihre Helmkameras zeichneten alles auf.

„Das Schiff hat keine Besatzung“, schlossCoach Juli aus dem Fehlen von Gängen, Räumen und Eingabegeräten. „Das ist eine Drohne!“

„Für eine Drohne ist sie riesig groß“, befand Zaya.

„Zu groß, um sie mitzunehmen und zu untersuchen. Wir müssen ein Wissenschaftsteam von Tyros anfordern.“

„Dann brechen wir jetzt ab. Es hatkeinen Sinn, in den toten Eingeweiden dieses Planetenmörders herumzukriechen.“

*

Als sie wieder an Bord waren, hatte Laurenz sich erholt. Sie versammelten sich in dem kleinen Konferenzraum der MCLANE, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Holos des Vergifters wurden über den Konferenztisch projiziert.

„Das ist ein Oktaeder des Grauens“, kommentierte Swo.

„Man kann es nicht anders nennen“, pflichtete Eden bei.

„Wir haben alle Daten über die Relaiskette an Tyros geschickt“, fasste Zaya den Stand der Dinge zusammen. „Und eine Nachrichtensonde ist mit einem weiteren Update zur MAGELLAN unterwegs. Mehr können wir nicht tun.“

 

„Wir müssen mehr tun!“, verlangte Laurenz mit bebender Stimme. „Diese Mörder haben unsere Basis ausgelöscht! Sie haben meine Frau auf dem Gewissen. Wir müssen es ihnen heimzahlen!“

Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird, meldete sich Coach Juli in Edens Gedanken.

Das sagst du jetzt lieber nicht laut, antwortete Eden. Die Stimmung ist zu aufgeheizt für solche Sprüche.

„Ich bezweifle, dass wir ihnen viel heimzahlen können“, wandte Swo ein. „Die Aufzeichnungen, die das Landungsteam aus dem Inneren der Drohne mitgebracht hat, lassen vermuten, dass sie uns technisch haushoch überlegen sind. Das Alienschiff wirkt auf mich wie ein Beiboot mit der Schlagkraft eines Mutterschiffs.“

„Wollen wir uns etwa ohne Gegenwehr abschlachten lassen?“, geiferte Laurenz. „Planet um Planet?“

„Natürlich nicht.“ Zaya versuchte, ihn zu beruhigen. „Aber es spricht auch nichts gegen ein überlegtes Vorgehen. Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird!“

Siehst du?, dachte Coach Juli. Zaya kennt den Spruch auch. Woher stammt der nur?

„Es spricht einiges dafür, aktiv zu werden“, erklang ALLISTERS Stimme. „Die Auslöschungen begannen im Unbekannten und haben sich bis zur Basis Kappa 2 ausgedehnt. Sie werden hier nicht Halt machen. Nach meiner vorläufigen Berechnung werden sie in 13,1 Tagen das Gebiet der Sternenlichtvereinigung erreichen.

Eden erbleichte. Sie hatte zwar selbst keine Verwandten mehr, aber es war schlimm genug, dass die Familien der anderen in Gefahr gerieten. Sie erinnerte sich daran, wie freundlich sie von Zayas Familie bei ihrem Besuch im Tyrossystem aufgenommen worden war.

„Dann nehmen wir den Kampf auf!“, befah lZaya.

3

Offene Rechnungen

Eine kleine Rettungskapsel steuerte mit gleichbleibender Geschwindigkeit durch das All. Das defekte Mutterschiff war fernab aller Routen von der Einstein-Rosen-Brücke gefallen, dort, wo wohl noch nie zuvor ein Mensch gewesen war. Welten voller Wunder und Geheimnisse taten sich vor ihr auf. Aber das merkwürdige Wesen, das sie beherbergte, hatte dafür keinen Sinn.

Eigentlich versetzten Rettungskapseln ihre Gäste in Kälteschlaf, damit sie möglichst lange durchhielten, bis sie irgendwann gefunden und geborgen wurden. Nur war das in diesem Fall nicht möglich, denn die komplizierte Physiologie des Wesens passte nicht in das einprogrammierte Schlafschema: Es war zur Hälfte ein Mensch und zur anderen Hälfte ein Roboter. So war das Wesen auch nach Monaten noch bei vollem Bewusstsein und trieb sich selbst in den Wahnsinn.

Die biologische Seite des Wesens kannte keine Sprache. Sie dachte in Bildern und Gefühlen. Immer wieder tauchte das Bild eines riesigen scharfen Metallteils auf, das von oben herabraste und das Wesen wie ein Fallbeil in zwei Teile hackte. Immer wieder fühlte es die absolute Panik, den Adrenalinsturm im Körper. Dann der Schock, als sie aufwachte und ihre linke Seite verschwunden war, sie, die rechte Seite von Eden Sturm. Die Enttäuschung. Die Leere. Und der unzureichende Ersatz. Man hatte ihm eine Prothese mit einem Logikprozessor angeflanscht, der die Bilder und Gefühle anfangs nicht verstand, die sie sandte.

Gesichter tauchten auf, die panischen Gesichter der Menschen, die sie für die Veteranenorganisation Gen-X getötet hatte. Nur als Killer hatte man sie noch akzeptiert. Omega hatte man sie genannt. Sie war das Letzte, was diese Menschen gesehen hatten. Sie war das Letzte. Kriegsmüll, den keiner brauchte. Angstverzerrte Fratzen. Überall!

Dann das Wiedersehen mit ihrer linken Hälfte, ihrem anderen Ich. Als es nach Jahren plötzlich auftauchte, hielt es eine Waffe auf sie gerichtet. Auch ihr anderes Ich brauchte sie nicht mehr.

Sie war Ausschuss.

Sie war mit sich entzweit.

Wieder sandte sie Bilder an den Logikprozessor. Das Mensch-Maschine-Interface hatte über die Jahre gelernt, sie in Sprache zu übersetzen. Biete mir Handlungsmöglichkeiten an!, schrie sie.

Die Bilder kamen durchgestrichen zurück. Wir können nichts machen, wiederholte der Logikprozessor zum milliardsten Mal.

Es ist deine verdammte Aufgabe, mir Optionen anzubieten!

Wir können a) uns gegenseitig fertigmachen oder b) Pläne für die Zeit nach unserer Rettung schmieden.

Ich will Optionen, die uns hier hinausbringen! Wie oft muss ich das noch sagen, verrottetes Stück Scheißdreck? Unappetitliche Bilder fluteten das Mensch-Maschine-Interface.

Der Prozessor sandte erneut durchgestrichene Bilder. Wir können nichts machen! Damit handelte er sich einen weiteren Schwall hässlicher Bilder ein.

Sie drehten sich seit Monaten im Kreis.

Also gut! Dann lass uns planen, wie es nach unserer Rettung weitergeht. Die biologische Seite wechselte das Thema und produzierte andere Bilder und Gefühle. Ich will, dass das andere Ich für das büßt, was es uns angetan hat. Sie allein ist schuld, dass wir fliehen mussten. Sie ist schuld, dass wir in dieser Kapsel stecken. Ich will sie dafür zu Tode foltern. Ich will sie leiden sehen. Ich will dem anderen Ich ein Messer in die Seite rammen. Blut muss fließen. Die Bilder waren drastisch: das andere Ich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einem Scheiterhaufen. Haare brannten. Metall schmolz. Hass. Wut. Zerstörung!

Das andere Ich hat die Waffe gesenkt. Das andere Ich hat uns die Hand gereicht. Wir selbst haben sie ausgeschlagen und sind geflohen!

Nein! Nein! Sie wollte uns nicht helfen! Sie wollte uns ausliefern! Sie will uns zerstören! Gib mir Optionen, wie wir sie fangen können! Sie ist unser größter Feind!

Angst! Panik!

Logik war nicht die Stärke, aber auch nicht die Aufgabe der biologischen Hälfte. Die Maschine lieferte die Optionen, die Gefühle trafen die Auswahl. So hätte es funktionieren können, wenn es nicht Gefühle des Teils von Eden Sturm gewesen wären, der keine Chance bekommen hatte, sein Kriegstrauma zu überwinden. Des Teils von Eden Sturm, dem die moralische Instanz vollständig abhanden gekommen war, weil sie nämlich in der anderen Hälfte ihres Gehirns logierte, die nicht mehr da war.

Weitere Monate vergingen und immer schlimmere Dramen spielten sich im Inneren der Kapsel ab. Immer schrecklichere Bilder und Vergeltungsphantasien wurden generiert und ausgemalt. Das Monster wurde mit stetig steigender Hysterie zu einem immer schlimmeren Monster.

Schließlich fiel ein dunkler Schatten auf die Rettungskapsel, der von einem großen Haufen zusammengeflickter Wrackteile geworfen wurde.

*

„Ich bin es leid, ständig auf Cosmo zu warten“, schimpfte Chazz. „Lasst uns endlich wieder an die Arbeit gehen!“

„Bestimmt findet er noch etwas“, entgegnete Ira. „Er hat immer etwas gefunden.“

Cosmo war im hinteren Bereich der Großküche verschwunden, die die Kantine der ehemaligen Fähre versorgte, als sie noch zwischen Moran und Campanula pendelte. Man hörte ein gelegentliches Scheppern von Töpfen und Pfannen.

„Die verdammte Ratte frisst uns noch die Haare vom Kopf!“, murmelte Sticks, während er an der Wand saß und mit den Füßen auf und ab wippte.

„Was schert es dich?“, fuhr Ira ihn an. „Du isst ja sowieso nichts!“

Das war nun nicht ganz falsch. Sticks grunzte unwirsch und schwieg. Die Drogen nahmen ihm die Energie weiterzustreiten. Und den Appetit.

Endlich kam Cosmo zurück und kletterte auf die Hand, die Ira ihm hinhielt. Dann lief er ihren Arm hinauf und setzte sich auf ihre Schulter. Es schien, als würde er ihr etwas ins Ohr flüstern.

„Was sagt er?“, fragte Chazz.

„Er hat etwas gefunden.“

Cosmo lief den Arm wieder hinunter und trippelte zurück in die Großküche. Ira stand auf und folgte ihm. Chazz schloss sich an, während Sticks energielos sitzen blieb. Die Ratte hatte mittlerweile einen Küchenschrank erreicht und witterte. Dann verschwand sie hinter einer halboffenen Schiebetür.

Ira krabbelte hinterher. „Ha!“, sagte sie. „Hier ist tatsächlich was!“ Es rumpelte ein wenig, dann kam sie mit einem halbvollen Flachmann hervor.

„Sieht aus wie Whisky“, sagte Chazz.

Ira betrachtete das Etikett. „Aberlour A'Bunadh“, las sie. „Single Malt Scotch. Der muss steinalt sein. Er hing in einer Ledermanschette hinter einer Schublade, war wohl das Geheimversteck eines Kochs.“

„Gib doch mal her!“

Ira grinste. „Das könnte dir so passen! Den hat Cosmo gefunden. Also gehört er mir! Du wolltest ja nicht mal warten, bis er zurückkommt!“

Während sie stritten, gingen sie zu Sticks zurück.

„Cosmo arbeitet für uns alle“, widersprach Chazz. „Schließlich geben wir ihm was von unseren Rationen ab. Also her damit!“

„Nichts da!“, protestierte Sticks. „Das Zeug gehört mir! Wenn einer etwas von seinen Rationen abgibt, dann bin ich das!“

Chazz und Ira sahen sich an.

Ira zuckte die Schultern. „Da hat er leider recht“, gab sie zu und reichte Sticks die Flasche. Der ließ sie in dem dreckigen Overall verschwinden, der über seinem abgemagerten Oberkörper schlotterte.

„Einen Schluck könntest du uns ja anbieten“, beschwerte sich Chazz.

„Später“, lispelte Sticks durch seine Zahnlücken. „Du hattest es doch so eilig, zur Arbeit zurückzugehen. Also los!“ Er schob sich mühsam an der Wand hoch und stakste auf seinen spindeldürren Beinen voran, die man durch Löcher in seiner Hose sehen konnte.

Chazz und Ira folgten, wobei Cosmo es sich in einem kleinen Lederrucksack bequem machte, den Ira für ihn genäht hatte.

„Was brauchen wir noch, um die Quest voll zu machen?“, fragte Ira.

Chazz sah auf seinen Armcomputer. „Eine Heist Engine und einen Aurora Kompensator, außerdem noch ein paar Teile von einem Affinity Framework.“

„Oje. Und was gibt es dafür?“

„Ein Kilo Reis und zwei Dosen Erdnussbutter.“

„Mal wieder zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben. Was fehlt für die andere Quest?“

„Ein Rune Tool, ein Jaeger Physics Beschleuniger, ein Beta 5 Stabilisator und …“

„Vergiss es! So etwas finden wir auf diesem uralten Kahn nicht. Meinst du, sie nehmen vielleicht auch einen Beta 3 Stabilisator?

„Kann man ein Arschloch verarschen?“

Ira schüttelte den Kopf. Keno, das Arschloch, würde sie eher verhungern lassen als einen Beta 3 Stabilisator zu akzeptieren. Also blieb nur die erste Quest. „Hoffentlich ist die Erdnussbutter nicht gesalzen. Dann frisst Cosmo sie wieder nicht.“

„Du und deine verdammte Ratte!“

*

Am Abend saßen sie bei einem Feuer in der Offiziersmesse der Fähre. Chazz war eine Ratte in die Falle gegangen, die er auf einem Spieß über den Flammen wendete. Er nahm sie herunter und hielt sie Ira hin.

Ira wandte sich angewidert ab. „Ratten sind meine Freunde!“, sagte sie. „Das weißt du doch.“ Sie würde eher verhungern, als eine Ratte zu essen.

Auch Sticks war nicht interessiert. Das verringerte Zucken seiner Gliedmaßen verriet, dass er wieder Hi-Hat genommen hatte und die Droge machte ihn appetitlos. Ira fürchtete sich vor dem Moment, an dem er seine letzte Tablette aufgebraucht haben würde. Dann würde er wieder mit Wahnvorstellungen durch das Wrack irren.

Cosmo hatte sich in seinem Rucksack verkrochen, er mochte es natürlich auch nicht, dass Ratten gegrillt wurden.

„Verdammt!“, fluchte Chazz. „Wir kriegen die Quests nicht voll! Hier gibt‘s weder eine Heist Engine noch den Beta 5.“

„Dann geben wir eine Quest zurück.“

„Du weißt, wie das läuft, Ira. Für die Ersatzquest gibt es nur die halbe Ration. In letzter Zeit läuft es wirklich schlecht. Früher, als dein Vater noch lebte, haben wir …“

Er verstummte, als er Iras Gesichtsausdruck sah. Ihr Vater hatte sich bei der Bergung eines Tachyonen Gleichrichters verletzt. Als endlich ein Arzt kam, war er schon zwei Wochen tot.

„Scheiße!“, sagte Ira.

Chazz sagte nichts mehr. Statt sich weiter im Elend zu suhlen, knabberte er an der gegrillten Ratte.

Plötzlich sprang Sticks auf. „Habt ihr das gehört?“, schrie er und hielt die Hände hoch wie ein Messias.

„Was sollen wir gehört haben?“, fragte Ira. Hatte Sticks schon Wahnvorstellungen? Eigentlich kamen die erst mit fortschreitendem Entzug. Oder hatte er tatsächlich etwas wahrgenommen? Das Hi-Hat schärfte ja auch die Sinne.

„Ein neues Schiff!“, behauptete er. „Ich habe gehört, wie es von der Brücke kam! Los, Chazz, jag die Bewerbung raus!“

 

Die Holotastatur von Chazz Armcomputer blitzte auf und Chazz hämmerte mit fliegenden Fingern darauf herum. Wenn ein Schiff über die Einstein-Rosen-Brücke kam, durfte man nicht zögern.

„Die Liste!“, rief Ira. „Zeig uns die Liste!“

Chazz und Ira sprangen ebenfalls auf und tanzten um das Feuer herum. Sie hatten es geschafft: Sie standen oben auf der Liste. Würde ihnen jemand den Auftrag streitig machen? – Nein, einige der Teams, die sich jetzt noch meldeten, hatten zwar bessere Bewertungen, aber das half ihnen nicht mehr, sie kamen zu spät.

Ein Beta 5“, sang Ira, „wir bekommen einen Beta 5!

Die anderen stimmten mit ein und tanzten um das Feuer herum, obwohl sie noch gar nicht wussten, was für ein Schiff angekommen war.

Cosmo schnüffelte verschreckt aus einer Öffnung des Rucksacks heraus.

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?