Klassiker der Erotik - Fanny Hill 2 - 12 Kapitel

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könnte.

Auch die Königin wußte lediglich, daß es sich um wichtige Dokumente handelte, die mit einer versiegelten Schnur gebündelt waren.

Damit konnte Lady Douglas nichts anfangen. Sie beschloß, den Herzog von D*** ins Vertrauen zu ziehen. Vielleicht konnte er weiterhelfen. Daß er auch hier seine Hand mit im Spiel hatte, glaubte sie allerdings nicht.

Sie gab der Königin ein Beruhigungsmittel, führte sie ins Schlafgemach, entkleidete und bettete sie mit besorgten Worten und Gesten. Sie rückte den Toilette-Sessel an das Bett und hielt die Hand Ihrer Majestät, bis der Schlaf den Kummer in das Land der Träume verbannte. Noch wälzte sich die Königin unruhig auf ihrem Lager, dann schlief sie fest ein.

Der Türklopfer dröhnte durch das Haus. Fanny, auf dem Treppenabsatz, um nach den Kindern zu schauen, drehte sich um und lief zur Haustür, um selbst zu öffnen. Draußen stand der Herzog von D * * *. Fanny, überrascht wegen dieses Besuches zu einer so ungewöhnlichen Zeit, fragte völlig unkonventionell: „Nanu — Sie???“ Erst dann kam ihr zum Bewußtsein, wen sie vor sich hatte. Verlegen fuhr ihre Hand zum Mund und ein linkischer, verunglückter Knicks unterstrich ihre Unbeholfenheit.

Der Herzog übersah diese Folge höfischer faux pas geflissentlich. „Ich muß Sie in einer wichtigen Angelegenheit sprechen, Mrs. Burton!“

„Treten Sie bitte ein, Euer Gnaden!“ Fanny führte den Herzog in die Kaminecke des Salons. Sie rückte zwei Stühle zusammen und holte aus einem geschnitzten Wandschrank eine Flasche Portwein und zwei Gläser.

Nach dem ersten Schluck sah sie den Herzog erwartungsvoll an, der ohne Umschweife auf sein Ziel losging: „Eben war Lady Douglas bei mir. Sie vertraute mir ein eminent wichtiges Staatsgeheimnis an, über das ich nicht näher sprechen kann. Jedenfalls handelt es sich um einen folgenschweren Diebstahl. Das bedingt, daß ich in spätestens vierzehn Tagen nach Paris fahren muß. Ich würde mich freuen, Madame, wenn Sie Ihrer Tochter Frances die Erlaubnis erteilen würden, mich zu begleiten.“

„Um Himmels Willen, Euer Gnaden, wozu denn das???“ In Fannys Gesicht stand helle Verblüffung.

Der Herzog erklärte mit wenigen Worten, es sei für die Pläne, die im Namen Englands auch ihr Gatte Charles in Canada verfolge, von größter Wichtigkeit, daß Frances ihn begleite.

Er werde sie am Hofe von Versailles einführen; dort habe er viele Freunde und Gönner.

Außerdem könne Frances bei dieser Gelegenheit auch ihre französischen Sprachkenntnisse vervollkommnen. Er wisse zudem eine Familie in Paris — Monsieur und Madame Sautier —, bei denen Frances gut aufgehoben sei. Im übrigen habe er, ihr Einverständnis vorausgesetzt, bereits an Madame Sautier geschrieben, um Frances’ Ankunft mitzuteilen. — Das stimmte zwar mit den Tatsachen nicht überein, aber es verlieh seinen Ausführungen mehr Nachdruck.

Fanny entsann sich des Namens Sautier. Charles, ihr Mann, hatte die Sautiers gelegentlich als Pariser Freunde bezeichnet. So beruhigend dieser unmittelbare Familienanschluß hätte sein können, schien es ihr trotzdem unmöglich, Frances den Gefahren auszusetzen, die zweifellos in diesem Falle auf sie zukommen würden. Sie war noch zu jung — und der Herzog ein Mann, dessen politische Ambitionen vor einem jungen Mädchen nicht Halt machen würden, wenn es galt, sie den Interessen einer ehrgeizigen Clique zu „opfern“. Dazu kam, daß der Ruf des Herzogs in Liebesdingen nicht anders als der aller Hofleute war. Überdies wußte sie ja, daß Frances den Herzog verehrte. Was würde die Cole, jene Frau im Hauswesen der Burtons, die nach außen hin nicht in Erscheinung trat, aber eine entscheidende Stimme besaß, dazu sagen?! Nach wie vor war sie eine stille Gegnerin des Herzogs. Frances in dessen Obhut zu geben, würde sie nie gutheißen.

Andererseits konnte Fanny es nicht wagen, ein klares „Nein“ zu sagen. Zuviel hing für Charles davon ab, daß der Herzog ihm, wie den Burtons allesamt, gut gesonnen blieb. Desinteresse oder gar Gegnerschaft konnten unliebsame Folgen haben. Der Herzog galt als unberechenbar. So entschloß sich Fanny für den Augenblick zu einem Kompromiß. Sie bat um Bedenkzeit bis zum anderen Tag. „Ich erwarte Euer Gnaden zum Tee!“ sagte sie, als sie ihn hinausgeleitete.

Mrs. Cole wartete schon auf der Treppe zur Balustrade. Als Fanny die Tür hinter dem Herzog geschlossen hatte, fragte sie eisig: „Was wollte der denn??“ Das „der“ dehnte sie verächtlich. Um ihrer Frage Gewichtigkeit zu geben, stieg sie, betont Autorität, Schritt für Schritt die Treppe hinab.

Fanny ging auf sie zu und zog sie mit sich in die Kaminecke. Sie schenkte sich und Mrs. Cole ein Glas Portwein ein, trank hastig und zog die Luft ein. „Wie bringe ich es bloß der Cole bei?“ dachte sie.

Mrs. Cole maß Fanny mißtrauisch und fragte: „Nun?“ Fanny gab sich einen Ruck und berichtete ihr von der Unterredung mit dem Herzog und dessen Reiseplänen. Mit der Hauptsache, daß er Frances mitnehmen wolle, hielt sie allerdings noch zurück.

Die Cole spürte, daß da noch etwas anderes war. „Das ist doch nicht alles!“

Allmählich entlockte sie ihr die ganze Wahrheit. Ihre erste Reaktion war, mit lautem Redeschwall gegen ein solches Ansinnen zu protestieren. „Der Herzog,“ verteidigte sie ihre Meinung, „ist ein Windhund! Er hat nur politische Intrigen und Weibergeschichten im Kopf! Frances ist viel zu jung, zu unerfahren und zu schade, einem solchen Abenteurer ausgeliefert zu werden. Und das täten Sie, Fanny!“ Erst als diese auf die möglichen Folgen einer Ablehnung hinwies, wurde die Cole ruhiger. Zum Schluß behielt ihr Mißtrauen jedoch die Oberhand. Sie wies Fanny auf die unvermeidlichen Nachteile hin, wenn sie „das junge Ding“ mit dem Herzog reisen ließe.

Sie hatte sofort einen Plan bei der Hand, wie das zu verhindern sei, ohne das Risiko einer Verstimmung des Herzogs gegen Charles heraufzubeschwören. Fanny sollte dem Herzog ihre Tochter einfach ausspannen! Und damit müsse sie gleich beim morgigen Tee beginnen.

Fanny blickte die Cole zunächst verblüfft, dann skeptisch an. Je länger sie jedoch den Gedanken erwog, desto mehr mußte sie der Cole rechtgeben. Und nach einer Weile beschloß sie, diesem Rat zu folgen.

Pünktlich fand sich der Herzog im Hause Burton ein. Entgegen ihrer Gewohnheit erschien Fanny in einem duftigen Tüllkleid, das mehr von ihrem Körper sehen als ahnen ließ.

Mrs. Cole, die hinter ihrem Stuhl stand, grinste in sich hinein, als sie die erstaunten Augen Seiner Gnaden wahrnahm.

Mit einem gewinnenden Lächeln bot Fanny dem Herzog Platz an, schenkte ein und schob das feine, chinesische Porzellan sorgfältig zurecht. Sie legte Gebäck vor und kümmerte sich so betont aufmerksam um ihn, als ob sie ein Ehepaar in den Flitterwochen wären.

„Sie ist eine gute Schauspielerin“, dachte die Cole bei sich — das hatte sie früher schon häufiger feststellen können. Diese offensichtliche Liebenswürdigkeit der Hausherrin überraschte D ***. Sollte er das als Zustimmung zu seinen Plänen auf fassen? Aber nein — solch überbetonte Liebenswürdigkeit konnte nur Vorwand sein! Für was? Lag hier nicht der offensichtliche Versuch Mrs. Burtons vor, mit ihrer Tochter um seine Gunst zu buhlen? Hmm — eine schöne Frau! Zweifellos auch eine reife Frucht und zu verlockend, als daß er nicht geneigt gewesen wäre, sie zu pflücken. Er ließ sich den Flirt gefallen und erwiderte ihn.

Mrs. Cole bemerkte das mit Genugtuung.

Nach dem Tee bat Fanny den Herzog in den Salon. Sie hatte dafür sorgen lassen, daß im Kamin ein fröhliches Feuer brannte, daß die Sessel bequem standen, daß genügend Kissen vorhanden waren, um die Füße hoch zu legen. Erlesene Weine standen auf einem silbernen

Tablett griffbereit. Sogar eine Dose Schnupftabak, von dem Fanny wußte, daß ihn der Herzog bevorzugte, war vorhanden. Mit einem verheißungsvollen Lächeln geleitete Fanny den Gast an seinen Platz. Sie setzte sich ihm gegenüber und schlug die Beine so übereinander, daß Spitzen und Rüschen oberhalb der Knie sichtbar wurden. Ein schönes, formvollendetes Beinpaar zog die Blicke ihres Gegenübers auf sich. Leicht wippte sie mit dem Fuß, bis dem Herzog ein rosa Schuhchen entgegenflog.

Fannys Lachen sprang auf D *** über. Ihre Natürlichkeit, ihre Art, sich zu geben — ohne den Beigeschmack des Gewollten, Aufdringlichen — bezauberten ihn. Ihr Charme betörte den Mann, der gewiß kein Verächter der Sinnenfreuden war, darüber aber kaum jemals vergaß, welche Aufgabe er sich gestellt hatte, wenn er schon Frauen in seine politischen Pläne einbezog. Jetzt aber war Seine Gnaden hilflos verliebt. Wie ein Fisch zappelte er in ihren Netzen. Es war ein ausgedehntes tete-a-tete, welches damit endete, daß der Herzog zu Fannys Füßen kniete und ihr seine Gefühle gestand.

Von Frances und der Reise nach Paris war keine Rede mehr.

„Maman — Sie sind gemein!!!“ Frances war zutiefst empört. Der Zufall hatte es ergeben, daß sie Augenzeuge des Schäferstündchens ihrer Mutter mit dem Herzog geworden war.

Über Fanny ergoß sich eine Flut hemmungsloser Anklagen. Ein wirres Gemisch kindlicher Begriffe von Anstand und Schicklichkeit, in das die Eifersucht des erwachenden Weibes hineinspielte. „Wie können Sie sich dem Herzog so an den Hals werfen! In einer Aufmachung, die mehr als eindeutig war!“

Frances’ Augen schossen Blitze. Zornbebend, mit geballten Fäusten, schleuderte sie ihrer Mutter — der Nebenbuhlerin — Unverschämtheiten ins Gesicht. Was Frances so erregte, war die Tatsache, daß der Herzog seine Gunst der Mutter geschenkt hatte. Und das offensichtlich bedingungslos! Sie kochte vor Eifersucht. Sie schrie und stampfte mit den Füßen. Dann warf sie sich über das Bett und schluchzte hemmungslos.

Fanny setzte sich neben sie und versuchte, sie zu trösten. Die aber stieß ihre Hand fort und krallte die Finger in die Kissen. Auch der Versuch, das Mädchen davon zu überzeugen, wie unsinnig ein Verhältnis zwischen ihr und einem Mann seines Alters wäre, erzeugte nur einen neuen Ausbruch der Verzweiflung.

 

„Sie muß sich aus weinen — abreagieren“, dachte Fanny, erhob sich und verließ das Zimmer. Schließlich war nichts „passiert“, noch beabsichtigte sie, sich jemals zu Intimitäten mit dem Herzog hinreißen zu lassen.

Kaum hatte Fanny ihr Zimmer erreicht, als Frances hereinstürmte und dramatisch verkündete: „Wenn Sie nicht sofort mit dem Herzog aufhören, tue ich mir etwas an!!“ Und mit Nachdruck, wenn auch leiser, setzte sie hinzu: „Oder ich verlasse das Haus auf der Stelle!“

Fanny beschwichtigte und versuchte, die von Furien der Liebe und Enttäuschung gehetzte Tochter zu sich auf den Diwan zu ziehen, um ihr in Ruhe auseinander zu setzen, daß nichts geschehen sei, was sie nicht selbst gesehen hätte. Aber das Mädchen riß sich los. Wut, ja Haß, verzerrte ihr Gesicht.

Fanny war nicht sicher, wie weit die Drohungen ihres Lieblingskindes zu Konsequenzen führen würden. Am ehesten glaubte sie, daß Frances versuchen würde, mit dem Herzog Verbindung aufzunehmen, um mit ihm „durchzubrennen“. Diese Annahme bewog sie, alles daran zu setzen, D*** zu betören, unbedingt für sich zu gewinnen. Sie sah darin die einzige Möglichkeit, das Kind vor einem Schicksal zu bewahren, das sie selbst hatte auf sich nehmen müssen. Wenn notwendig, würde sie vor keiner Konsequenz zurückschrecken, um ihr Ziel zu erreichen. Sie erwog sogar, sich notfalls von Frances überraschen zu lassen, um damit zu beweisen, wie sinnlos deren Gefühle für den Herzog wären.

Es war ein gewagtes Spiel, aber möglicherweise das einzige Mittel, um Frances vor Schlimmerem zu bewahren.

Mrs. Cole war mit diesem Vorhaben einverstanden. Sie fand Fannys Plan zwar kühn, aber akzeptabel.

Schon bald sollte sich eine Gelegenheit ergeben, ihn auszuführen.

Fanny saß vor ihrer Frisier-Toilette und kämmte ihr welliges, dunkles Haar. Sie war mit einem Morgenmantel bekleidet. Eine schmale Silberbordüre faßte die himmelblaue, lose fließende Seide ein. Ein leicht geknotetes Band schloß das Neglige in der Hüfte. Das durchsichtige Gewebe ließ die Haut ihres Körpers matt durchschimmern. Es betonte den Reiz der Nacktheit.

Strähne um Strähne zog sie den silberbeschlagenen Kamm durch die Lockenpracht, ließ sie über die Schultern fallen. In natürlichen Wellen floß das dichte Haar bis zur Sitzfläche des Sessels hinab.

Dann griff sie zu einem der vielen Fläschchen auf der

Frisiertoilette, kippte es ein-, zweimal und verrieb mit einem Tüchlein duftendes Wasser über Gesicht, Hals und Nacken. Sie griff zu einem anderen Flacon und tupfte Parfüm hinter die Ohrläppchen. Dann netzte sie die Achselhöhlen und die Innenseiten der Oberschenkel. Sie

entnahm einem zierlichen Porzellangefäß rosarote Creme und verstrich sie über Gesicht und Hände.

Als sie beginnen wollte, die Lippen mit einem langen Rougepinsel nachzuziehen, öffnete sich vorsichtig die Tür. Verschmitzt meldete Mrs. Cole den Herzog von D * * *. Ehe noch Fanny die Erlaubnis zu dessen Eintritt geben konnte, zwängte er sich zwischen der Cole und dem Türrahmen in das Boudoir und näherte sich Fanny mit einer tiefen Verbeugung. Mrs. Cole zwinkerte aufmunternd und zog die Tür behutsam hinter sich zu.

Mit einem gewinnenden Lächeln streckte Fanny dem Herzog die Hand hin, die er länger als schicklich mit den Lippen berührte. Dann trat er hinter sie und betrachtete ihr reizvolles Spiegelbild.

Seine Finger teilten ihr Haar, und verliebt küßte er ihren Nacken. Da Fanny sich nicht sträubte, wurde er kühner. Seine Lippen faßten ihr linkes Ohrläppchen. Zärtlich biß er hinein, um gleich darauf mit dem Mund bis zu ihrer Schulter hinabzugleiten. „Madame“, flüsterte er, „Ihr Parfüm ist berauschend . . .!“

Fanny war sich der Konsequenz ihres Verhaltens bewußt. Dennoch erschrak sie bei dem Gedanken an Charles. Sie betrog ihn — hinterging ihn schändlich. Doch auch er würde wohl in Canada kaum ein Mönchsleben führen . . . Die Liebkosungen des Mannes hinter ihr schwemmten jegliche Bedenken fort. Zu lange hatte sie Zärtlichkeit entbehren müssen. Eine unwillkürliche Bewegung gab die Schulter frei. Der Herzog preßte seine Lippen darauf, drückte dann sein Gesicht in ihr offenes Haar. Fanny lief ein wohliger Schauer über den Rücken.

Sie bog sich ein wenig nach hinten. Entblößt bot sich das reizvolle Doppelprofil ihrer Brüste dar. Des Herzogs Hände glitten hinunter, streichelten die dunklen Spitzen der beiden Hügel. Fannys Hände verkrampften sich in den Lehnen des Frisier-Sessels — ihre Knie zitterten.

Und dann fanden sich ihre Lippen. Der Herzog küßte herausfordernd — Fanny zahlte mit gleicher Münze zurück . . .

Der erste Rausch verflog. Fanny wollte auf begehren — aber das Gefühl der körperlichen Sehnsucht wurde übermächtig: sie drängte ihre Brüste gegen seine Handflächen.

Der Morgenmantel fiel von ihren Schultern. Sanft hob er sie aus dem Frisiersessel. Das Neglige glitt zu Boden — nackt lag sie in den Armen des Herzogs.

Ihre Sinne, ihr Körper waren in Aufruhr — sie forderten Hingabe.

Ihr Kuß wurde ungezähmt, drängend und wild. Ihre Zähne bissen in des Mannes Lippen, sogen sich daran fest.

Die Glut des Weibes in seinen Armen hatte auch den Herzog erfaßt. Seine Hände spürten den weichen Rundungen ihres Körpers nach — tasteten — umfaßten — nahmen Besitz. Mit fahrigen Bewegungen, die jedes einzeln und alles zuhauf begehrten.

Der Körper dieser schönen, jungen Frau, ihr Verlangen ließen den Kopf des kühlen Rechners und Intriganten zum Hohlraum werden, in dem die Geister der Sinnenlust Tänze vollführten. Urgewalten — verzehrendes Fieber — das Kreatürliche — all das wußte nur noch ein Ziel: Hingabe, die sich in einem Schrei der Lust, der Wonnen löst!

Kapitel 3

Herzog von D * * * besaß eine Stadtwohnung, von der nur seine engsten Freunde und zahlreiche Damenbekanntschaften wußten. Sie lag ein wenig außerhalb, in der Nähe des St. James Parks. Eine komfortabel eingerichtete Wohnung, ein reizendes Liebesnest, das Geschmack, Geld und häufige Benutzung verriet. Eines Tages besuchte D*** eine Ausstellung der neuesten Gemälde Joshua Reynolds’, die großen Zuspruch hatte. Reynolds galt als der berühmteste Maler seiner Zeit. Unvermutet stand D*** Frances gegenüber, die gleich ihm durch die Ausstellung wanderte. Er versuchte, auszuweichen — sie zu übersehen. Aber sie sprach ihn an. Die Höflichkeit gebot ihm, das Mädchen ein Stück durch die Galerie zu begleiten.

Galant bot er ihr den Arm. Ihre Hand, die darauf ruhte, zitterte leicht, ihr Gesicht glühte. Es war das erste Mal, daß sie in der Öffentlichkeit mit dem Herzog gesehen wurde. Aber nicht nur er und die neugierigen Blicke ringsum waren der Grund ihrer Erregung. Die körperliche Berührung im Dahinschreiten mit dem Mann, den sie verehrte, versetzte sie in einen Zustand, der ihre Beine fast gefühllos machte. Schwer hing sie an seinem Arm.

Vor einigen Bildern blieben sie stehen. D*** hatte zu jedem ein paar passende Worte. Frances aber sah nichts, noch verstand sie etwas. Sie wagte kaum, den Herzog anzublicken. Nur wünschte sie, daß der Gang durch die Galerie kein Ende nähme.

Allmählich aber fing sie sich und begann in ihrer unkonventionellen Art, munter drauflos zu plaudern. Sie wurde unterbrochen, als D* * * einen Bekannten, Lord M* * *, begrüßte und diesen in ein lebhaftes Gespräch zog. Frances an seiner Seite hatte er vergessen.

Der Herzog schlug Lord M*** vor, ihn doch gelegentlich in seiner Stadtwohnung aufzusuchen; dort könne man sich über anstehende Fragen in Ruhe unterhalten. Er nannte die Adresse des Logis, und der Lord sagte sein Kommen zu. Frances hatte aufmerksam, ohne daß sie aufdringlich wirkte, zugehört. Die Anschrift der herzoglichen Stadtwohnung haftete fest in ihrem Gedächtnis.

Zwei Tage später fand sie Mrs. Cole gegenüber einen Vorwand, das Haus zu verlassen und fuhr mit einer Mietkutsche zum St. James Park. Sie fand des Herzogs Wohnung sofort und stieg klopfenden Herzens die Treppe zur ersten Etage hinauf.

Sie hatte Glück, der Herzog war anwesend. Er öffnete persönlich, da es Dienstboten hier nicht gab. Er war auch allein — welch ein Zufall!

D*** war überrascht und ungehalten: „Wie können Sie hierher kommen, ohne gebeten

worden zu sein?! Woher wissen Sie überhaupt diese Adresse?“ Ehe Frances einen Knicks machen konnte, zog er sie in den Vorraum und schloß die Tür. Dann fragte er scharf: „Nun??“

„Oh, Euer Gnaden, ich...“ stotterte Frances und sah in ihrer Verlegenheit bezaubernd aus.

Das stimmte D * * * freundlicher: „Also, Miß Frances, woher haben Sie die Adresse? Spionieren Sie mir etwa nach?“ „Nein, Euer Gnaden, ich spioniere nicht! Euer Gnaden haben sie mir doch selbst gesagt! Das heißt“, verbesserte sie sich, als D*** eine Augenbraue hochzog, „ich war doch dabei, als Sie Lord M*** die Adresse gaben!“

Der Herzog lächelte. So eine kleine Gaunerin — nutzte diese zufällige Kenntnis gleich für sich aus! Das war ihm jedoch keineswegs recht, wenn es ihn auch schmeichelte, daß ein so junges, hübsches Mädchen ihn begehrenswert fand. Nicht anders war nach seiner Meinung Frances Besuch zu deuten. Aber Tochter und Mutter ...??! Fanny hatte ihm alles gegeben — er würde ein Vertrauen mißbrauchen. Die Mutter ... ja! Die Tochter ... nein!

Frances sah sein Lächeln. Sofort waren Verlegenheit und Angst verflogen. Sie schlang die Arme um seinen Hals: „Oh — Sie werfen mich nicht hinaus ...“ und sie setzte hinzu: „Wann fahren wir zusammen nach Paris?“

Hatte D*** dieser Überschwang, mit dem sie ihn umarmte, das flammende Haar und der Duft ihres Parfüms einen Augenblick zärtlich gestimmt, so ernüchterte ihn jetzt diese Frage. Er faßte ihre Handgelenke, löste die Verschränkung in seinem Nacken und sagte kühl: „Das geht nicht, Miß Frances! Ihre Mutter wünscht es nicht, und ich ...“ hier stockte er ein wenig, „... möchte ihr nicht weh tun. Schlagen Sie es sich aus dem Kopf!“

Auf Frances’ Gesicht zeichnete sich tiefe Enttäuschung. Ihre Arme, die in kindlich-weiblichem Überschwang einen Höhenflug unternommen hatten, hingen schlaff in den Schultern. Aber D * * * konnte und Wollte ihr nicht helfen. Fanny galt ihm mehr, als das junge, unausgegorene Mädchen. Er wandte sich ab und trat ans Fenster. Auf ihre zaghafte Frage: „Warum weisen Sie mich ab?“ reagierte er nicht.

Seine Reserviertheit wirkte wie eine kalte Dusche, die ihr den Atem raubte. Gleichzeitig weckte sie das Gefühl verletzten Stolzes. Dann war es jugendlicher Trotz, ein Sichauflehnen gegen den Stärkeren, das keine Rücksichtnahme kennt — weder auf Person und Stand, noch auf Erziehung und Konvention.

„Was ist mit Paris?“ fragte sie hart und trat an D*** heran.

Ein Schulterzucken war die Antwort. Frances aber ließ sich von dieser Passivität nicht irritieren. Sie erinnerte ihn an sein Versprechen: „Ich glaubte, ein Ehrenmann habe den Vorschlag

gemacht — ein Mann, dessen Wort etwas gilt! Auch gegen eventuelle Widerstände meiner Mutter wollten Euer Gnaden...“ ein hämischer Unterton zog des Herzogs Adelstitel in den Staub — „ ... meine Mitreise nach Paris durchsetzen!“

D * * * suchte krampfhaft nach einem plausiblen Grund für die Ablehnung. Des Mädchens Worte hatten ihn tiefer getroffen, als er sich zugestehen wollte. Aber — er fand keinen.

Zornig, mit hochrotem Kopf verließ Frances das Zimmer. Sie schlug die Tür zu, rannte die Treppe hinunter und lief die Häuserzeilen entlang, bis der Zorn langsam verrauchte. Was übrig blieb, war maßlose Enttäuschung, waren Tränen, die den Blick verschleierten, ihr Gesicht überströmten. Sie achtete nicht auf die Passanten, die ihr mitleidig nachblickten. Eine Welt in ihr brach zusammen... die Welt der ersten Liebe. Sie war aus dem Reich der Träume und Phantasien entsprungen und in greifbare Nähe gerückt — sollte in verheißungsvolle Wirklichkeit führen . . . Vorbei! Sie war erschüttert — von der Haltung des Herzogs, über sich selbst, vom Leben ...

„Gräßlich!“ murmelte D***. Er wandte sich dem Spiegel zu, setzte seine Perücke auf und befestigte eine große Diamantnadel an seinem Jabot. Dann zupfte er die weißen Spitzenmanschetten zurecht, schob die Achseln nach vorn, um den Sitz des Jacketts zu korrigieren und verließ seine Wohnung mit dem Gefühl, eine Auseinandersetzung verloren zu haben. Und das ausgerechnet einem kleinen Mädchen gegenüber! Er, der in allen Sätteln der Diplomatie zu Hause war.

Nachdenklich stieg er die Treppe hinunter, machte der Wirtin, einer drallen Person, die in der Ausgangstür stand und mit einer Nachbarin schwatzte, eine galante Verbeugung und wandte sich dem Park zu. Er wollte ein Stück zu Fuß gehen, um nachdenken zu können.

 

Schade, daß er Fanny nicht mit nach Paris nehmen konnte. Aber das war mit Rücksicht auf Charles Burton unmöglich, den er als Geschäftspartner schätzte und — brauchte. Dazu kam, daß eine verheiratete Dame, mit der er offiziell reiste, von Stand sein mußte. Eine Mätresse, deren Ehemann nicht adlig war, wäre einem Herzog nie verziehen worden — sie war undenkbar.

Bei Frances dagegen, die unverheiratet, bildschön und sehr jung war, würde die bürgerliche Herkunft keine Rolle spielen. D*** sondierte, ordnete seine Gedanken. Da der Termin seiner Abreise näher rückte, mußte er bald eine Entscheidung treffen. Während er den Park durchquerte, überlegte er weiter:

Am Hofe Ludwigs XV. herrschten derzeit recht verworrene Verhältnisse. Der König war verschwenderisch. Auch in politischen Dingen stand er vielfach unter dem Einfluß seiner

Geliebten. Außenpolitische Mißerfolge und persönliche Willkür hatten der französischen Krone nicht nur erbitterte Gegner eingetragen, sondern auch eine Zerrüttung der Verwaltung und der Finanzen zur Folge gehabt. Seit dem Friedensschluß von Paris im Jahre 1763 war D * * * schon zweimal am französischen Hof gewesen. Bei Seiner Majestät stand er — der geschmeidige Diplomat — in hohem Ansehen. Nur Madame Pompadour, des Königs Geliebte konnte ihn nicht leiden. Wahrscheinlich, weil er Engländer war. Doch die Pompadour hatte vor drei Jahren das Zeitliche gesegnet, und allgemein hieß es, daß Ludwig unter seinen zahlreichen Geliebten noch keine neue Favoritin erkoren habe.

Was aber konnte er mit einer schönen Begleiterin am Hofe von Versailles erreichen? Nun, er würde jedenfalls nichts unversucht lassen, diese Seiner Majestät gegebenenfalls als Anwärterin auf den „Thron zur Linken“ zu präsentieren.

D * * * schnalzte mit der Zunge, wiegte den Kopf und sagte zu sich: „Kein dummer Gedanke!“ Doch welches weibliche Geschöpf brachte die hierzu erforderlichen Voraussetzungen mit — war für Ludwig attraktiv? Fanny kam nicht in Frage. Lind Frances?

Gegen Fannys Tochter sprach, daß sie Engländerin war. Zweifellos würde sie angesichts der Spannungen, die zwischen Frankreich und England immer noch bestanden, angefeindet werden. D * * * schüttelte den Kopf. Wohin verstieg er sich da nur?!

Außerdem besaß Frances weder auf dem Parkett der Diplomatie noch als Frau irgendwelche Erfahrungen. Sie konnte ihm unter Umständen eher schaden als nutzen. Ihre Vorteile waren Schönheit und Jugend — ein blonder Typ, völlig anders geartet als die Französinnen. Sie würde als Erscheinung in jedem Falle Furore machen — soweit kannte der Herzog den Geschmack am Versailler Hof. Hier gab es einflußreiche Persönlichkeiten, die ihm bei seiner Mission behilflich sein konnten. Unter diesem Aspekt würde Frances — nach seiner Anleitung, versteht sich — vielleicht doch nützlich sein können. Ihm und seiner Aufgabe.

Er hielt eine Mietkutsche an, stieg ein, nannte dem Kutscher eine Adresse und ließ sich in die Polster fallen. Während die Pferde anzogen, folgerte er: Frances wäre das einzige weibliche Wesen weit und breit, das wenigstens einige der notwendigen Voraussetzungen mitbrachte . . . Beider Gedanken bewegten sich wieder aufeinander zu.

Frances hatte den Herzog wenige Tage später noch einmal in seinem Stadtlogis aufgesucht. Ohne Umschweife war sie auf die Pariser Reise zurückgekommen. Sie schien nur noch dieser Idee zu leben, zu deren Verwirklichung ihr jedes Mittel recht war: Charme und Trotz, weibliche Reize und zornige Worte. Ihre Beharrlichkeit, die von einem starken Willen zeugte,

imponierte dem Herzog nicht minder als ihre Beredsamkeit, die, von kindlichen Äußerungen frei geworden, das erwachende, zielstrebige Weibchen erkennen ließ.

Dieser Besuch war für D * * * ausschlaggebend. Er entschied sich für Frances. Ein so hübsches, unverbildetes Mädchen würde ihm eine angenehme und wohl auch willfährige Gesellschafterin sein. In dem verlotterten Paris würde es ihm den Nimbus eines erfolgreichen Liebhabers eintragen — das, was seit eh und je am Hofe Ludwigs XV. zählte.

Schwierig war nur, wie er seine Entscheidung Fanny beibringen sollte. Er ahnte, daß Mrs. Cole — die er seit langem so gut kannte wie sie ihn — gegen ihn intrigierte. Für sie war er ein übler Bonvivant und nichts anderes. Er vermutete sogar, daß die Beziehungen zwischen ihm und Fanny ein Werk dieser ehemaligen Kupplerin war, deren Intrigenspiel ihm — wenn auch in einer anderen „Atmosphäre“ — sehr wohl geläufig war. Ein Grund mehr, sich an die Tochter zu halten und Fanny fallen zu lassen.

Schon am übernächsten Tag fuhr der Herzog am Hause der Burtons vor. Mrs. Cole ließ ihn ein. Ihr Blick zeigte offensichtliche Mißbilligung. Es war keine Besuchszeit. Die Cole schätzte diese Freiheit, die sich Seine Gnaden herausnahm, durchaus nicht. Aber die Sorge um den Lauf der Dinge, die sich verknäuelten und unheilschwanger auf dem herrenlosen Haus lasteten, mahnte sie zur Vorsicht. Sie hatte überdies viel zu großen Respekt vor Persönlichkeit, Herkunft und Einfluß des Herzogs, als daß sie es gewagt hätte, ihn zu brüskieren.

So meldete sie Fanny den Besuch unter betonter Wahrung der Etikette, hielt sich aber im Nebenraum auf, um vielleicht einiges von der Unterhaltung mitzubekommen. Neben der Neugier war echte Sorge die Triebfeder, denn es war ihr klar, daß Fanny ihr nur das wiedererzählen würde, was ihr geraten schien.

D * * * ging unmittelbar auf sein Ziel los. Nach seiner Meinung der einzig mögliche Weg, Fanny zu veranlassen, auf ihn zu verzichten und Frances mit ihm nach Paris reisen zu lassen: „Madame, Sie wissen, daß ich Sie liebe! Und ich darf mir schmeicheln, daß Sie die gleichen Gefühle für mich hegen.“

Fanny nickte, und D * * * fuhr fort: „Sie wissen auch, daß ich in Kürze für einige Zeit nach Paris reisen werde. Nun habe ich mich entschlossen, Ihre Tochter Frances — bitte unterbrechen Sie mich nicht! — also, ich habe Frances zu meiner Begleiterin erwählt. Unsere so reizvollen Beziehungen können im Hinblick auf Ihren geschätzten Gatten und unsere gemeinsame Freundschaft zu Lord Douglas unmöglich weiter ausgedehnt werden. Sie müssen ,Episodenc bleiben. Ich fühle mich aber Ihrem Hause so eng verbunden, daß ich verpflichtet bin,

auch einen dementsprechenden Beweis zu liefern. Ich möchte mich daher Ihrer so vielversprechenden Tochter in freundschaftlich-väterlicher Weise annehmen — selbstverständlich ohne persönliche Absichten!“ Dabei machte er eine leichte Verbeugung.

Er ließ Fanny nicht zu Wort kommen, sondern redete wie ein Advokat, der einen Delinquenten vor dem Galgen retten will. In glühenden Farben malte er aus, welche Aussichten sich für Frances am französischen Hofe böten — betonte, wie wertvoll diese Beziehungen für den weiteren Lebensweg des Mädchens wären, und vergaß auch nicht, zu erwähnen, daß Frances’ Begleitung auch den Plänen dienen würde, die Lord Douglas und Fannys Gatte gemeinsam verfolgten, um Englands Interessen zu wahren und daraus eigene Vorteile zu schöpfen. Er verstand es geschickt, immer wieder auf Charles hinzuweisen — auf Fannys „schwachen Punkt“.

Mrs. Cole hörte jedes Wort und dachte bei sich: „Das ist ja ein wahrer Wasserfall! Eine teuflisch geschickte Rede, die von vornherein jegliches Gegenargument zunichte macht!“ Sie biß sich auf die Lippen und drohte mit geballten Fäusten gegen die Tür, hinter der ein Mächtiger die Fäden zu einem dichten Netz zog. Er war doch mehr, viel mehr, als nur ein Bonvivant!

Fanny sah ein, daß es zwecklos sein würde, den Herzog von seinem Vorhaben abzubringen. Die versteckten und doch so deutlichen Anspielungen auf Charles, die einer Erpressung gleichkamen, ließen sie resignieren. Widerstand mußte befürchten lassen, daß dieser Mann, der über Leichen gehen konnte, Charles tatsächlich schaden würde. Die Furcht vor einem Fall ins Bodenlose und die Sorge um ihre Lieblingstochter stritten miteinander ... — Hier mußte der Verstand sprechen.

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