Drei Brüder

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3.





Hammelburg





»Kommando Eagle, stillgestanden! Zur Meldung an den Kommandeur, die Augen links!«



»Herr General, ich melde Ihnen Einsatzkommando Eagle angetreten!«



»Danke, Hauptmann Anderson.«



Brigadegeneral Wolf steht noch unter dem Eindruck der gestrigen Besprechung im Auswärtigen Amt. Er hat die Vorbereitung hier in Hammelburg bewusst gewählt, es ist der perfekte Ort.



Sie sitzen im Briefing-Raum. Wolf schaut auf die Gesichter seiner Truppe. Keiner älter als dreißig. Sie sind durch alle Höllen der zweijährigen Ausbildung gegangen, körperlich und psychisch, bis an ihre Grenzen. Und als sie dachten, sie seien fertig, kam das Verhörtraining. Wer die tagelange Tortur in grellem Licht, unter lauter Rockmusik, in Eiseskälte, den Eimern mit kaltem Wasser über dem Kopf und den Schreien der Befragungsoffiziere nicht durchhielt, konnte einen Code sagen. Dreimal hintereinander, dann war er draußen. Und viele waren draußen.



Der Kommandeur spricht bewusst leise und undramatisch, wie es seine Art ist, wie sie ihn kennen.



»Sie sind hier, weil Sie zu den Besten der Besten gehören. Ihr Auftrag: Befreiung der zwei deutschen Geiseln Helmut Weier und Josef Fischer im Nordirak. Wir kennen das Gebäude, in dem sie sind, und die Bewachung. Sie werden mit An- und Abmarsch vier Stunden unterwegs sein. Ihr Einsatz wird allerdings nur wenige Minuten dauern. Alles, was Sie gelernt haben, wird von Ihnen abgefordert: Belastbarkeit, Schnelligkeit und Entscheidungsfähigkeit in einer Situation mit Feindberührung. Wir geben Ihnen das Beste an Ausrüstung mit. Der neue Hubschrauber ist perfekt für den Nachteinsatz vorbereitet, Premiere sozusagen. Unsere beiden Luftwaffen-Crews aus dem Hubschraubergeschwader 64 in Laupheim sind nicht nur

Combat-Ready

-Einsatzpiloten, sondern auch ehemalige KSK-Kämpfer. Ebenfalls Premiere. Ich begrüße die Hauptleute Walter Schmidt und Henry Kirch sowie die Oberleutnante Fritz Jung und Willi Fröhlich!«



Die versammelten Soldaten klatschen.

Jung & Fröhlich

 ist im Kommando ein geflügeltes Wort für Spaß im Job.



»Das ist wirklich mal ’was Neues«, flüstert Thomas zu Tim rüber, »Kommandosoldaten als Hubschrauberpiloten.«



»Zwei tolle Typen«, flüstert Tim zurück, »ich mag sie, immer gut drauf, so schade, dass sie zur Luftwaffe gewechselt sind.«



Der General schaut zum Truppführer. »Wir werden unser mobiles Einsatzkommando in der Türkei haben. Hauptmann Anderson wird Sie jetzt einweisen.«



Über einen Beamer werden die Karten eingeblendet. Die Männer haben es sich inzwischen in den Sesseln bequem gemacht. Die lockere Atmosphäre ähnelt einem Briefing für Einsatzpiloten der Luftwaffe. Spezialisten wie diese dürfen so sein, auch beim deutschen Heer.



Der lange, schlanke, dunkelhaarige Marc hat den Einsatz gedanklich mehrmals durchgespielt. Wie man Geiseln befreit, muss er seinen Trupp-Kameraden nicht erzählen. Doch dieser Einsatz ist sehr speziell.



»Unsere Operation heißt EAGLE. Wir werden am 23. Dezember um 08.00 Uhr Zulu vom Taktischen Luftwaffengeschwader 33 Büchel in der Eifel mit zwei Airbus A400M und zwei Eurocoptern H145M verlegen. Ziel ist die Air Base Diyarbakir im Süden der Türkei, genauer gesagt in Südanatolien.«



»Da gibt’s gute Teppiche«, signalisieren sich Jung und Fröhlich.



»Die vier Kollegen in unseren fliegenden Teppichen kennt ihr aus alten Zeiten. Den Eurocopter Eagle Alpha fliegen Walter und Henry. Eagle Bravo Jung und Fröhlich. Die beiden Co-Piloten Henry und Willi sind Medics. Ihr wisst, was das heißt. Sie dürfen chirurgische Eingriffe durchführen, und sie sind für ihre Grobmotorik bekannt! Beim Abschneiden von Gliedmaßen mit der Zange aus der neuen Werkzeugkiste des Eurocopters sind sie überhaupt nicht zimperlich.«



Alles lacht.



»Nun zu uns. Ich bin Eagle One, Thomas Eagle Two, Tim Eagle Three. Tim verlässt uns bereits morgen. Er wird uns vor Ort die aktuelle Situation für unseren Einsatz liefern, bevor er dann am 23. in Diyarbakir wieder zu uns stößt. Eagle One, Two und Three sitzen im Eurocopter Eagle Alpha. Eagle Bravo planen wir als Back-up. Ihr wisst, was bei der Operation Geronimo im Hof von Osama bin Laden passierte: Ein Ghost Hawk-Hubschrauber machte Bruch. Gut, dass die Kollegen damals einen Chinook-Hubschrauber dabei hatten. Den brauchen wir hier nicht. Wir werden überraschend ins Zielgebiet eindringen und seilen uns blitzartig ab, so, wie wir das vom Fast Roping kennen. Die Hubschrauber werden sich so positionieren, dass sie uns mit ihren Bordwaffen Feuerschutz geben können und auch Licht.«



»Warum lassen wir euch nicht auf das Dach des Gebäudes ’runter?«, fragt der Hubschrauberpilot Fritz Jung.



»Danke, Fritz, für die Frage. War auch die erste Option. Drei Punkte sprechen allerdings dagegen. Erstens, das Gebäude ist zweistöckig. Die Geiseln sollen in der unteren Etage sein. Also müssten wir erst ’runter, entweder durch das Gebäude oder durch die Fenster. Da kann viel passieren. Zweitens, wir müssen die Wachen ausschalten, bevor sie aktiv werden. Das geht am schnellsten direkt und frontal. Drittens, ihr Helikopter-Crews seid Teil der kämpfenden Truppe. Wir brauchen euch an den Waffen. Deswegen wurde diese Strategie gewählt.«



»Klingt überzeugend«, kommentiert Willi.



»Wir sieben Eagles sind wie immer über Funk verbunden. Sollte ich ausfallen, übernimmt Thomas.«



Thomas weiß bereits um diese Funktion. Trotzdem hofft er, dass es nicht dazu kommt. Dieser Auftrag ist seinem Freund Marc wie auf den Leib geschnitten.



»Das Zusammenspiel werden wir jetzt durchsprechen und danach in zwei unterschiedlichen Lagen realitätsnah üben, solange, bis wir mit allen Eventualitäten vertraut sind.«



Marc zeigt die Fotos von den Geiseln und vom Objekt. Dann zeichnet er die Skizze des Zugriffs mit den Positionen für die Kampfhubschrauber und den Trupp.



»Wenn wir der Aufklärung glauben können, gibt es im Haus keine Feindberührung, also keine Tangos, sondern nur die zwei bewaffneten Milizen vor dem Haus. Sie werden alle acht Stunden abgelöst. Wir setzen auf Überraschung, rechnen aber mit Gegenwehr der beiden Wachen. Das heißt: Ausschalten, reinstürmen, rausholen!«



Die Männer nicken. Genau darum geht es.



»Thomas, du sicherst uns von hier, hinter diesem kleinen Wall, und hältst dich für Feuerschutz bereit. Bleib‘ am besten an dieser Position, das heißt außerhalb der Feuerlinie der Hubschrauber. Wenn im Haus unerwartet Tangos sind und wir festsitzen, übernimmst du auf meine Anweisung oder je nach Lage selbstständig. Okay, Tom?«



»Verstanden!«



»Die Hubschrauberbesatzungen bleiben mit laufendem Motor abflugbereit. Die beiden Geiseln werden in Eagle Alpha verbracht. Dort können wir sie auf dem Flug auch notversorgen, wenn nötig. Ich möchte nach spätestens vier Minuten und dreißig Sekunden mit allen sieben Eagles und den zwei Geiseln in der Luft sein. Irgendwelche Fragen?«



In den Köpfen der Männer läuft das Szenario ab: Abseilen in stockfinsterer Nacht, zwanzig Meter vor dem Gebäude, zwei aufgeschreckte Dschihadisten, die erledigt werden müssen, bevor sie losballern, zwei Geiseln, die jetzt in Panik sind, drei Eagles, die Feuerschutz brauchen, in unmittelbarer Nähe ein Dorf, von dem niemand Genaues weiß. Es muss also extrem schnell gehen!



»Okay, dann zu Plan B, soll heißen: Es kommt alles ganz anders.«



Marc spielt nun den Fall durch, dass es unerwarteten Feindkontakt gibt. Sie werden es gleich im Detail üben.



»Und nun etwas Neues. Ich werde so verkabelt sein, dass meine Videobilder direkt in das Krisenreaktionszentrum nach Berlin gehen.«



Tim hing bisher scheinbar abwesend im Sessel. Doch jetzt ist er blitzwach.



»Wer hat sich denn den Quatsch ausgedacht?«



»Die Bundeskanzlerin persönlich! Also nehmt eure Schminke aus dem Kosmetikkoffer mit und übt schon mal vor dem Spiegel«, und mit Blick zu Eagle Three, »Tim, du kannst entspannen, mit deinem Zauselbart glaubt die Chefin dir eh nicht, dass du zu uns gehörst. Einfach keine Chance als Germany‘s next KSK-Model.«



Die Truppe schmunzelt. Man weiß, jetzt bekommt Marc einen auf die Glocke.



»Mag sein, großer Meister«, kontert Tim etwas spitz und krault genüsslich seinen schwarzen Kinnbart, »wenn du allerdings diesmal wieder dein Ein-Euro-Deo-Spray vergisst, oder dein Deo mit deinem Gel verwechselst, sitzt du allein in Eagle Alpha!«



Die Truppe brüllt vor Lachen. Es wurde Zeit, dass der schöne Marc mal Einen abkriegt.



»Okay, Bruder, 1:1.«



Während Eagle One fortfährt, schaut Brigadegeneral Wolf auf Marc, Thomas und Tim, das Herz der Operation.



Wolf hatte nach langem Überlegen zugestimmt, dass der vierte Mann entfällt. Denn zur Not müssen neun Menschen plus Ausrüstung in einem der beiden leichten Hubschrauber mit einem maximalen Abfluggewicht von 3,5 Tonnen zurückfliegen. Und nach der deutschen Gesetzeslage auch die zwei festgenommenen Wachen. Doch darüber wollte er besser nicht weiter nachdenken.



Zusammen mit seinen Offizieren im Kommando und dem Truppenpsychologen, Oberstleutnant Gerrit Hinrich, hatte er sich in Calw die Drei aus dem 2. Zug der 3. Kommandokompanie noch einmal intensiv unter die Lupe genommen und die Ausbildung sowie alle Einsätze Revue passieren lassen.



»Meine Herren«, hatte er den Auswahlprozess eröffnet, »wir brauchen ein kleines Team für eine große Aufgabe! Was heißt das? Alle drei müssen sich intensiv kennen, schätzen und in den Grundfähigkeiten ersetzen können. Zwei müssen sich bedingungslos dem Leader anvertrauen. Wer könnte der Leader sein? Wir suchen einen Kämpfer mit hoher Einsatzerfahrung, einer, der führt und kämpfen kann, wie kein anderer.«

 



Er hätte gleich »Hauptmann Marc Anderson« sagen können. Die Entscheidung fiel sofort auf ihn. Mit seinen siebenundzwanzig Jahren und der strikten Ablehnung, truppendienstliche Karriere zu machen, hat er sich zu einer Art Vertrauensperson für viele entwickelt, die ein Problem haben, sei es mit dem Dienst, den Vorgesetzten oder den Frauen. Er zählt zu den wenigen Offizieren, die von den alten Hauptfeldwebel-Hasen als Truppführer hoch geschätzt werden.



»Marc«, sagte Hinrich, »ist der Inbegriff einer hochgezüchteten Rennmaschine. Zugegeben etwas eitel und sich seiner Fähigkeiten durchaus bewusst, aber nicht selbstgefällig. Sollte er einmal ausfallen, wird es mindestens fünf Jahre dauern, bis so ein Kaliber wieder verfügbar sein wird.«



»Okay, einverstanden. Wen brauchen wir als Zweiten? Ich nehme an einen Sprengstoffexperten und Scharfschützen. Ihr Vorschlag lautet: Hauptfeldwebel Thomas Heinrich. Warum gerade er?«, fragt er zum Psychologen schauend.



»Heinrich ist ein Allrounder, selbstbewusst und von Grund auf bescheiden. Er kommt aus einer frommen Freiburger Schlosserfamilie, war schon immer ein Fan von Waffen und Sprengstoff. Im Sportverein war er der beste Zehnkämpfer. Dann hörte er, dass die KSK-Leute immer die neuesten Waffen ausprobieren, bevor sie im Heer eingesetzt werden. Damit war sein Weg entschieden. Fachlich ist er spitze, und deswegen ist er auch bis zum Truppführer aufgestiegen. Eigentlich ein unauffälliger Typ, etwas introvertiert. Aber: was er anfasst, sitzt, als Mann im Team, aber auch als Führer.«



Die Offiziere nicken. Doch der General ist noch nicht zufrieden.



»Wenn er selbst Truppführer ist, wie verhält es sich mit seiner Fähigkeit, unter dem Eagle One Truppführer Anderson zu arbeiten?«



»Da ist tiefe Freundschaft und Respekt vor Marc. Mit ihm in den Einsatz zu gehen, ist für ihn, so abgedroschen das klingen mag, eine Frage der Ehre. Er kennt keinen Neid. Sein Verständnis von Freundschaft ist absolut ehrlich. Ich denke auch, in diesem kleinen Team ist er besonders wichtig. Es kann viel passieren, und Heinrich ist so etwas wie ein Fels in der Brandung. Wenn einer liegen bleibt, hebt er ihn auf und trägt ihn nach Hause. Er wird Marc gut ersetzen, wenn der ausfallen sollte.«



»Und seine Grenzen, wo sind die Grenzen dieses

Felsens in der Brandung

, wie Sie sagen?«



»Heinrich sucht Geborgenheit in einem System mit sehr festen hierarchischen und emotionalen Strukturen. Genau das bieten wir, mehr als jeder andere Truppenteil. Er ist sehr stark von Marc und Tim abhängig, kann beiden keinen Wunsch ausschlagen. Sein Bedürfnis nach Freundschaft ist ungewöhnlich tief. Er will nicht verlassen werden. Möglicherweise hat er homosexuelle Neigungen, weiß es aber nicht. Er ist wohl so etwas wie ein Kraftpaket mit Tiefen.«



Der Psychologe wusste nicht, wie Recht er mit seiner Analyse hatte. Thomas hatte an der Seite von Tim in Afghanistan eine Wohnung gesprengt, und anstelle von Terroristen einen durch den Sprengstoff schwer verletzten Hund vorgefunden. Der Hund kroch auf Thomas zu, leckte sein Sturmgewehr und starb dann winselnd in seinen Armen. Thomas war danach tagelang sehr ruhig. Zu ruhig. Tim erkannte, dass sich bei Thomas ein Problem entwickelte. Allmählich taute sein Freund etwas auf. Sie sprachen darüber, immer wieder. Es war eine Sache zwischen den beiden Männern.



Danach waren sie unzertrennlich, so unzertrennlich wie bei ihrem Rettungseinsatz der F-15-Piloten im Hindukusch.



Brigadegeneral Wolf hatte von der Sache mit dem Hund gehört. Er weiß, dass seine Elitesoldaten im besonderen Maße Trauma gefährdet sind. Dieses Mal mag es ein Hund sein, nächstes Mal eine Mutter mit Kinderwagen als Selbstmordattentäterin, die für Chaos in der Seele sorgt. Und er weiß: Freundschaften können oft schneller und effektiver therapieren als monatelange Supervisionen durch einen Psychiater eines Bundeswehr-Krankenhauses. Trotzdem sind seine »Rennpferde«, wie er sie gern nennt, oft nach zehn Jahren im Einsatz ausgebrannt.



Diese Männer aber sind noch lange nicht soweit. Sie brennen für den Einsatz im Nordirak, sie wollen unbedingt die beiden Geiseln herausholen. Auch wissend, dass sich eine derartige Aufgabe nicht oft bietet.



Während Hauptmann Anderson das Briefing hält, sieht Wolf sich den Dritten im Bunde an.



Sie suchten einen Häuserkampfspezialisten, der ein Objekt perfekt einnimmt, der stehend, aus der Drehung und im Sprung einhundertprozentig trifft, und dabei stets den Überblick bewahrt.



»Genau die Voraussetzungen, Herr General, die Feldwebel Tim Nader wie auf den Leib geschnitten sind!«, sagte der Psychologe.



Niemand würde in dem kleinen drahtigen Mann mit seinem Zauselbart und den ernsten Augen einen begnadeten Einzelkämpfer vermuten, der alle klassischen Disziplinen des KSK meisterhaft beherrscht. In der Graf-Zeppelin-Kaserne ist es Tim, der die alle zwölf Monate durchgeführten Stresstests seit Jahren traditionell als Bester besteht, ein guter Teamplayer aber kein Führungstyp.



»Wie kam er eigentlich zu uns?«, fragte Wolf den Psychologen.



»Marc Anderson und er kannten sich von der Schule in Hamburg und spielten gemeinsam in einer American-Football-Mannschaft. Marc brachte ihn nach Calw. Der sprachliche und der psychologische Dienst, mich eingeschlossen, überschlugen sich vor Begeisterung. Tim machte sich in der Kommandokompanie als Top-Mann rasant einen Namen. Marc, Tim und Thomas wurden schnell Freunde.« Doch Wolf war noch nicht zufrieden.



»Warum will der hochintelligente, sprachgewandte Kerl, der verschiedene arabische Dialekte, Englisch und Französisch spricht, nicht Karriere im Geschäft seines Vaters, der Hamburger Tee-Firma, machen und sich bei uns schinden?«



»Richtig, Nader hätte das nicht nötig. Er könnte in seiner reichen, muslimischen Familie leicht Karriere machen. Aber er sucht eine Anerkennung, die er im Geschäft offensichtlich nicht findet. Eine Anerkennung nicht durch andere, sondern bei sich selbst, und das mit großem Ehrgeiz, zum Teil mit Verbissenheit. Die Spezialkräfte sind für ihn das perfekte Betätigungsfeld. Hier kann er wachsen wie nirgendwo! Aber er ist trotzdem auf der Suche. Sein Freund Heinrich ist im KSK angekommen, und ihm ist das genug. Aber Naders weiteres Lebensziel dürfte langfristig außerhalb der Spezialkräfte liegen. Ich höre, er studiert parallel. Irgendwann wird er uns verlassen. Aber bis dahin können wir immens von seinen Fähigkeiten profitieren, einschließlich seiner Zugehörigkeit zum Islam und seinen Studien über eine Welt, die den meisten von uns fremd ist.«



»Gott sei Dank«, sagte Wolf, »denn er macht für den BND im arabischen Raum hervorragende Arbeit hinter den Linien. Er ist seine eigene Fernspähkompanie!«



Wolf ist stolz auf seinen Zögling. Tim Nader ist ein Juwel der besonderen Art beim KSK. Zunächst stand man bei der Eignungsüberprüfung dem Deutsch-Libanesen kritisch gegenüber. Ein Moslem im KSK war ein absolutes Novum. Die intensive Sicherheitsüberprüfung bei der Bewerbung ergab allerdings überhaupt keine Beanstandungen. Die Familie, das Umfeld, der Bewerber – alles völlig sauber.



Wolf hatte daraufhin einen genialen Einfall. Er erkannte schnell, dass Tim aufgrund seiner unschätzbaren, persönlichen Erfahrungen der arabischen Kultur, des Islams und des Korans ein idealer Späher sein könnte. In Absprache mit dem BND bekam Tim nach Beendigung seiner Ausbildung im KSK eine Spezialausbildung als verdeckter Ermittler hinter den Linien. Dafür brauchte er ein entsprechendes Aussehen. Er ließ sich in Abstimmung mit der Führung einen Backen- und Zauselbart wachsen. Zur Freude seiner KSK-Kameraden spielte Tim den Islamisten. Bald hieß er in der Kompanie nur noch »der Imam«. Tims Gebete auf dem Teppich wurden Alltag, und wenn er ein Gebet ausließ, zeigten seine Brüder schon einmal strafend auf die Uhr.



»Ich erbitte mir mehr Respekt, ihr Gottlosen!«



Anschließend tranken sie gemeinsam das Calwer Kult No. 1 Vollbier.



»Prost, Freunde!«, sagte Tim.



Ein Unding für einen Moslem.



Einmal, vor ein, zwei Jahren, nach dem Gebet, setzte sich Thomas zu seinem Freund Tim auf den Boden und fragte ihn: »Warum glaubst du eigentlich an Mohammed, Tim, und nicht an Gottes Sohn Jesus?«



»Jesus ist nicht Gottes Sohn. Er ist ein Prophet, wie Mohammed.«



»Das ist doch Blödsinn. Was glaubst du, wer an den Millionen Kreuzen in den Kirchen hängt? Jesus, Gottes Sohn, natürlich!«



»Gott braucht keinen Sohn«, fuhr Tim ihm dazwischen, »er schafft das allein! Ein Prophet hat lediglich den Job, die zentrale Dienstvorschrift unter das Volk zu bringen. Bei dir ist es die Bibel, bei mir der Koran. Mohammed und Jesus sind Kollegen auf Augenhöhe und dienen einem Gott, und der heißt Allah! Verstehst du das endlich, Trooper?«



»Das ist deine Auslegung von Gott, und sie ist verdammt intolerant!«



Doch Imam Tim ließ nicht locker. Es musste doch möglich sein, den Christen Thomas irgendwann einmal für den Islam zu gewinnen.



»Warst du schon mal in Istanbul?«, fragt er Thomas.



»Ja. Was kommt jetzt?«



»Auch in der Hagia Sophia?«



»Nein, die Besucherschlange davor war zu lang.«



»Geh‘ nächstes Mal rein! Da wirst du Jesus und Mohammed als Propheten an den Säulen darge