Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

b) Bilanzielle Überschuldung



32





Der betriebswirtschaftlich geprägte Terminus „bilanzielle Überschuldung“ ist von den Voraussetzungen des Insolvenzgrundes der Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) abzugrenzen. Bilanzielle Überschuldung ist Tatbestandsvoraussetzung des Eröffnungstatbestands sowohl nach aktuell geltender Rechtslage als auch nach der zuvor geltenden Fassung von § 19 InsO. Bilanzielle Überschuldung erfordert, dass die Passiva der Bilanz die Aktiva „übersteigen“. Hierzu ist anhand von Liquidationswerten die rechnerische Überschuldung des Vermögens festzustellen. Zur Beurteilung ist ein „Vergleich des Vermögens, das im Falle einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzmasse zur Verfügung stände, mit den Verbindlichkeiten, die im Falle der Verfahrenseröffnung gegenüber Insolvenzgläubigern beständen“, durchzuführen. Die Prüfung erfolgt durch die Gegenüberstellung sämtlicher Aktiva und Passiva innerhalb einer speziellen,

stichtagsbezogenen Überschuldungsbilanz

. Ein unmittelbarer Rückgriff auf eine bestehende Handelsbilanz ist auf Grund der darin berücksichtigten, formalisierten Bewertungsregeln (§§ 346 ff. HGB) ungeeignet. Die Handelsbilanz kann allenfalls wegen der enthaltenen Vermögensübersicht als Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines Überschuldungsstatus herangezogen werden. Relevante Aktiva sind alle Vermögenswerte, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwertbare Massebestandteile darstellen. „Stille Reserven“ sind zu berücksichtigen. Als Passiva werden alle Verbindlichkeiten angesetzt, die im Fall einer zeitnahen Insolvenzverfahrenseröffnung Insolvenzforderungen begründen. Erfasst werden Forderungen aus eigenkapitalersetzenden Darlehen, nicht aber Eigenkapital und freie Rücklagen.






c) Positive Fortführungsprognose



33





Die Prüfung, ob eine Fortführung des Unternehmens durch den Schuldner selbst oder durch die Veräußerung des Unternehmens „als werbende Einheit“ überwiegend wahrscheinlich ist, gestaltet sich rechtstatsächlich häufig schwierig. Entscheidend ist, ob die Fortführung des Unternehmens wahrscheinlicher ist als dessen Stilllegung. Grundvoraussetzung ist der „Fortführungswille“ des Betroffenen als subjektives Element. Darüber hinaus erfolgt die Prüfung am Maßstab objektiver Kriterien. Danach ist festzustellen, ob die ökonomische Ertrags- und Leistungsfähigkeit eines Unternehmens auf absehbare Zeit gewährleistet ist oder wiederhergestellt werden kann, so dass das Unternehmen künftig „lebensfähig“ ist und (wieder) am Markt agieren kann. Maßgeblich ist, ob sich ein ordentlicher Geschäftsleiter auf der Grundlage einer gewissenhaften, sachkundigen Prüfung aller erkennbaren maßgeblichen Umstände für die Fortführung des Unternehmens entscheiden würde. Hierzu ist ebenfalls eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gefertigte Liquiditätsplanung sowie die Prüfung des konkreten Unternehmenskonzepts erforderlich. Die Ausdehnung des relevanten Prognosezeitraums ist auch in diesem Zusammenhang umstritten. Notwendig ist jedenfalls eine

mittelfristige Prognose

. Ob der Prognosezeitraum mindestens bis zum Ablauf des nächsten Geschäftsjahres andauern oder darüber hinaus sogar mehr als zwei Jahre betragen sollte, ist im

Schrifttum

 umstritten. Es erscheint auch in diesem Kontext zweifelhaft, ob die Festlegung starrer Mindestprognosezeiträume sinnvoll ist, da ein im Einzelfall zu lang bemessener Zeitraum wiederum die Prognosesicherheit beeinträchtigt. Es wird daher von Teilen des

Schrifttums

 auch insoweit auf einen individuell, in Abhängigkeit des betroffenen Unternehmens zu bemessenden Zeitraum – damit auf eine für den jeweils betroffenen Gemeinschuldner betriebswirtschaftlich noch überschaubare Zeitspanne – abgestellt.



34





Die derzeit (und bereits vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung) geltende „Fassung“ des Überschuldungstatbestands und die nach Einführung der Insolvenzordnung zunächst geltende Rechtslage, führen durch eine abweichende gesetzliche Integration der positiven Fortführungsprognose in den Eröffnungstatbestand zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nach der aktuell, nunmehr unbefristet geltenden Rechtslage führt das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose ohne weiteres zum Ausschluss des Insolvenztatbestands (§ 19 Abs. 2 Hs. 2 InsO). Hiernach steht das exekutorische Element (Vermögensvergleich nach Liquidationswerten)

gleichwertig

 neben dem weiteren, prognostischen Element der Fortführungsprognose. Die Voraussetzungen einer Überschuldung liegen daher nur vor, wenn die Finanzkraft des Unternehmens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht, die Fortführungsprognose mithin negativ ausfällt. Diese „zweistufig-modifizierte“ Überschuldungsprüfung wurde bereits vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung durch den

BGH in Zivilsachen

 entwickelt (Dornier-Seaster-Fall).



35





Der Gesetzgeber ist dagegen im Anschluss, bei Verabschiedung der Insolvenzordnung von dem durch die insolvenzrechtliche

Rechtsprechung

 entwickelten Grundsatz, Überschuldung sei im Falle einer positiven Fortführungsprognose ausgeschlossen, bewusst abgewichen. In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 19.4.1994 ist hierzu ausgeführt: „Der Ausschuss weicht damit entschieden von der Auffassung ab, die in der Literatur vordringt und der sich kürzlich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (

BGHZ

 119, 201, 214). Wenn eine positive Prognose stets zu einer Verneinung der Überschuldung führen würde, könnte eine Gesellschaft trotz fehlender persönlicher Haftung weiter wirtschaften, ohne dass ein die Schulden deckendes Kapital zur Verfügung steht. Dies würde sich

erheblich zum Nachteil der Gläubiger

 auswirken, wenn sich die Prognose – wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – als falsch erweist“. Insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes hat der Gesetzgeber stattdessen eine „einfach-zweistufige“ Prüfung der Überschuldung in § 19 Abs. 2 InsO a.F. übernommen. Danach schließt eine positive Fortführungsprognose diesen Insolvenzeröffnungsgrund nicht per se aus. Sie wirkt aber auf die im ersten Schritt vorgenommene Prüfung bilanzieller Überschuldung in der Weise zurück, dass die Bewertung der Aktiva nicht mehr zu Liquidationswerten, sondern zu Fortführungswerten zu erfolgen hat. Der „going-concern-Wertansatz“ ist regelmäßig höher als die Taxierung der Vermögensgegenstände zu Zerschlagungswerten, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu erzielen wären. In § 19 Abs. 2 S. 2 InsO a.F. fand sich die Regelung: „Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist“. Bei Ansatz der (höheren) Fortführungswerte konnte daher auch nach diesem Modell Überschuldung im Einzelfall entfallen. Allerdings stehen beide Prüfungselemente hier nicht gleichwertig nebeneinander.



36





Der Gesetzgeber hat unter dem Eindruck der „Finanzkrise“ im Herbst 2008 trotz der Bedenken des Rechtsausschusses vor Erlass der Insolvenzordnung auf die „zweistufig-modifizierte“ Feststellung von Überschuldung zunächst als Interimslösung zurückgegriffen. Folge der Finanzkrise seien teilweise erhebliche Wertverluste bei Aktien und Immobilien gewesen, so dass bei Unternehmen, die besonders massiv betroffen seien, diese Wertverluste bilanziell teilweise nicht durch Aktiva ausgeglichen werden könnten. Dies gelte selbst in Fällen, in denen die Aktiva bereits nach geltendem Recht mit „going-concern-Werten“ angesetzt werden dürfen. In der Begründung des Gesetzentwurfs ist ausgeführt: „Der Gesetzentwurf will das ökonomisch völlig unbefriedigende Ergebnis vermeiden, dass auch Unternehmen, bei denen die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie weiter erfolgreich am Markt operieren können, zwingend ein Insolvenzverfahren zu durchlaufen haben. Deshalb wird mit dem neuen § 19 Abs. 2 InsO wieder an den sog. zweistufigen modifizierten Überschuldungsbegriff angeknüpft, wie er vom Bundesgerichtshof bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung vertreten wurde (vgl.

BGHZ

 119, 201, 214). Dieser Überschuldungsbegriff hatte den Vorteil, dass das prognostische Element (Fortführungsprognose) und das exekutorische Element (Bewertung des Schuldnervermögens nach Liquidationswerten) gleichwertig nebeneinander standen . Künftig wird es deshalb wieder so sein, dass eine Überschuldung nicht gegeben ist, wenn nach überwiegender Wahrscheinlichkeit die Finanzkraft des Unternehmens mittelfristig zur Fortführung ausreicht.“



37





Trotz dieser spezifischen Zielrichtung hat der Gesetzgeber auf eine weitergehende, etwa branchenbezogene, Beschränkung des Adressatenkreises verzichtet. Die Regelung gilt damit für sämtliche Gesellschaften, die vom Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 und 3 InsO umfasst sind, auch für kleine und mittlere Unternehmen. Die ursprüngliche Befristung der Gesetzesänderung war erst Folge der anschließenden parlamentarischen Beratung und wurde zunächst vorübergehend bis zum 31.12.2013 ausgedehnt. Die temporäre Beschränkung erfolgte maßgeblich aus den Erwägungen heraus, die bereits bei Einführung der Insolvenzordnung zur Aufnahme der einfachen (zweistufigen) Überschuldungsprüfung in § 19 Abs. 2 InsO a.F. veranlasst hatten, namentlich, im Interesse der Schadensminderung (Gläubigerschutz), der Gläubigergleichbehandlung und um Sanierungschancen zu verbessern. Die Rückkehr zum alten, im Allgemeinen unerwünschten Rechtszustand, sollte aus diesen Gründen nur vorübergehend erfolgen. Der Gesetzgeber hat die Befristung zuletzt allerdings aufgehoben, so dass die aktuelle Rechtslage bis auf Weiteres unbefristet gilt.

 



Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge

 ›

A

 › III. Zusammenhang zwischen Kreditgeschäft und Insolvenz





III. Zusammenhang zwischen Kreditgeschäft und Insolvenz






1. Kreditgeschäft der Banken



38





Der Kredit ist wesentlicher Bestandteil der Finanzierungsleistungen, die von Kreditinstituten angeboten werden. Das Kreditgeschäft wird volks- und einzelwirtschaftlich als die bedeutendste Aufgabe der Kreditwirtschaft bezeichnet. Es steht im Mittelpunkt des Kreditwesens und der unternehmerischen Tätigkeit der Banken. Die Kreditabteilung bildet dementsprechend das „Herzstück“ einer Universalbank. Die wirtschaftliche Bedeutung des Kredits liegt in der zeitweiligen Überlassung von Liquidität, die Unternehmen Produktion und Investition ermöglicht. Das Kreditgeschäft ist durch das Bestreben der Banken gekennzeichnet, das unternehmerische Risiko, mit einer Darlehensrückzahlung „auszufallen“, einzugrenzen und zu beherrschen. Sofern sich derartige Risiken in großem Ausmaß oder in „gehäufter“ Weise realisieren, so dass einzelne Kreditinstitute ihrerseits die zur Gewährleistung des Einlagengeschäfts erforderliche Liquidität verlieren, besteht die Gefahr, dass in Folge eines Vertrauensverlustes seitens der Kapitalanleger in die Kreditwirtschaft insgesamt auch unbeteiligte, wirtschaftlich „gesunde“ Kreditinstitute betroffen werden. Dieser Zusammenhang wird als eine der Kreditwirtschaft eigentümliche besondere „Vertrauensempfindlichkeit“ charakterisiert. Derartige „Störungen“ innerhalb des Kreditwesens sind darüber hinaus geeignet, schweren volkswirtschaftlichen Schaden zu verursachen, „da alle wesentlichen Zweige der Volkswirtschaft auf das Kreditgewerbe angewiesen sind“. Der Gesetzgeber verfolgt aus diesem Grund durch umfangreiche öffentlich-rechtliche Restriktionen, insbesondere durch Vorsorgeregelungen und Offenlegungspflichten zur Prüfung der Bonität eines Kreditnehmers nach dem KWG sowie durch Festlegung von Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Banken, die neben allgemeinen Regeln für die Risikosteuerung und Risikoüberwachung auch Vorgaben für die Behandlung von „Problemkrediten“ enthalten, das Ziel, diesen erheblichen gesamtökonomischen Risiken entgegenzuwirken.





2. Zivilrechtliche Grundlagen



39





Der Terminus „Kredit“ beschreibt einen wirtschaftlichen Sachverhalt, der rechtlich auf vielfältige Weise verwirklicht werden kann. Als geeignete Kriterien zur Unterscheidung verschiedener Kreditformen werden etwa die Person des Kreditgebers bzw. des Kreditnehmers, die Laufzeit oder Kündigungsfrist sowie die Besicherung und Dokumentationsform angeführt, ebenso eine mögliche Zweckgebundenheit des Darlehens. Normativ ist das Kreditgeschäft vor allem durch das Recht des Darlehensvertrags sowie des Sicherungsvertrags gekennzeichnet.






a) Darlehensvertrag



40





Mit dem Abschluss eines Darlehensvertrags verpflichtet sich der Darlehensgeber (Bank), dem Darlehensnehmer (Bankkunden) einen Geldbetrag (Darlehen) in vereinbarter Höhe für einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen (§ 488 Abs. 1 S. 1 BGB), oder kurz: ein Darlehensvertrag beinhaltet die entgeltliche Übertragung eines befristeten Kapitalnutzungsrechts. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, den vereinbarten Zins zu zahlen und das Darlehen bei Fälligkeit zurückzuerstatten (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Verpflichtung zur Überlassung des Kapitals einerseits sowie die Pflicht, das Darlehen abzunehmen und den vereinbarten Zins zu zahlen andererseits, stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Die

Rückerstattungspflicht

 ist dagegen nicht Bestandteil des Synallagmas, dennoch vertragliche Hauptpflicht. Sie wird bereits bei Abschluss des Darlehensvertrags als künftige Forderung begründet.



41





Der Darlehensvertrag ist seiner Natur nach ein Dauerschuldverhältnis. Die unterschiedlichen Fälligkeiten der vertraglichen Leistungspflichten prägen eine besondere Risikostruktur. Der Darlehensgeber (Bank) tritt durch die Überlassung des Darlehens (Kapitals) in Vorleistung. Die Unsicherheit bei Abschluss des Vertrags, ob zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit eine Rückzahlung des Darlehens durch den Darlehensnehmer erfolgen wird (erfolgen kann), begründet das typische wirtschaftliche Risikopotential dieses Rechtsgeschäfts. Der insoweit „riskante Charakter“ ist Kennzeichen des Darlehensvertrags. Hieraus folgt zugleich das schutzwürdige Interesse des Darlehensgebers an einer Sicherung seiner Forderungen.






b) Sicherungsvertrag



42





Banken sind im eigenwirtschaftlichen Interesse bestrebt, das dem Darlehensvertrag immanente Ausfallrisiko durch die Bestellung werthaltiger Sicherheiten zu begrenzen. Die Bestellung von Kreditsicherheiten gehört aus diesem Grund ebenfalls zum Kernbereich des Kreditgeschäfts. Ein Sicherungsanspruch (§§ 232 ff. BGB) der Bank resultiert nicht bereits aus dem Darlehensrückerstattungsanspruch (§ 488 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB) selbst. Erforderlich ist regelmäßig ein (auch rechtlich) selbständiger Sicherungsvertrag. Die Sicherungsabrede enthält häufig eine Eingrenzung des konkreten Sicherungszwecks, eine Beschreibung des Sicherungsfalls und begründet auf diese Weise eine inhaltliche Verknüpfung zwischen der zu sichernden Forderung und dem Sicherungsrecht. In der Bankpraxis erfolgt dies durch „Positiverklärungen“ (Sicherungsvorverträge), aus denen sich zunächst nur ein Anspruch gegen den Bankkunden ergibt, am Abschluss eines Sicherungsvertrags über bestimmte, konkretisierte (konkrete Positiverklärung) oder nicht näher bestimmte (weite Positiverklärung) bankmäßige Sicherheiten mitzuwirken.



43





Sofern eine einzelvertragliche Vereinbarung fehlt, ist die Bank berechtigt, auf Grundlage von Nr. 13 Abs. 1 S. 1 AGB-Banken „für alle Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung die Bestellung bankmäßiger Sicherheiten verlangen“. Dieser originäre Sicherungsanspruch ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft und erfasst auch bedingte oder befristete, nicht aber erst zukünftige Ansprüche von Banken. Der Bankkunde hat unter mehreren geeigneten, d.h. bankmäßigen, Sicherungsmitteln ein Wahlrecht (§ 232 BGB). In der Praxis des Kreditgeschäfts der Banken wird allerdings häufig eine Regelung mit konkreter Bezeichnung von Sicherheiten getroffen.



44





Darüber hinaus kann nach Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken ein

Nach

besicherungsanspruch der Bank auch dann entstehen, wenn bei Vertragsschluss ganz oder teilweise von der Bestellung von Kreditsicherheiten abgesehen wurde. Im Gegensatz zu Nr. 13 Abs. 1 AGB-Banken erfordert der Nachbesicherungsanspruch einen besonderen Anlass, namentlich eine

Veränderung des Kreditrisikos

. Diese Voraussetzung liegt etwa vor, sofern Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine erhöhte Risikobewertung der Ansprüche gegen den Bankkunden rechtfertigen (Nr. 13 Abs. 2 S. 2 AGB-Banken). Ein Nachbesicherungsanspruch des Kreditinstituts entsteht nach Nr. 13 Abs. 2 S. 3 AGB-Banken etwa, wenn „sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nachteilig verändert haben oder sich zu verändern drohen, oder sich die vorhandenen Sicherheiten wertmäßig verschlechtert haben oder zu verschlechtern drohen“. Der Nachbesicherungsanspruch besitzt damit erkennbar „Krisenbezug“. Abweichend hiervon kann einzelvertraglich vereinbart werden, dass der Nachbesicherungsanspruch an die Verschlechterung bestimmter, im Einzelnen benannter, Finanzkennzahlen geknüpft sein soll. Ein „Besicherungsanspruch“ der Bank wird durch die in Nr. 16 Abs. 1 AGB-Banken bestimmte Deckungsgrenze, d.h. „bis der realisierbare Wert aller Sicherheiten dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (Deckungsgrenze) entspricht“, beschränkt.





3. Kredit und Insolvenzeröffnungstatbestände



45





Ökonomisch gesehen beinhaltet eine Kreditvergabe durch Banken die Zuführung von Liquidität an Unternehmen. Umgekehrt führt eine Darlehensrückführung zu deren Entzug. Die Reduzierung liquider Mittel wirkt sich gerade in einer Unternehmenskrise, die häufig bereits mit einer zunehmend angespannten Liquiditätslage verbunden ist, nachteilig aus. Der Vorgang vertieft die ökonomische Krisensituation häufig sogar irreversibel. Über diesen wirtschaftlichen Zusammenhang hinaus sind die Auswirkungen der Kreditrückführung mit den rechtlichen Voraussetzungen der Insolvenzeröffnungstatbestände, zunächst der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), in Bezug zu setzen (sogleich unten

Rn. 46

 f.). Der Entzug von Liquidität in der Krise ist mit Blick auf § 19 InsO ebenfalls geeignet, die anzustellende Fortführungsprognose negativ zu beeinflussen. Deren Auswirkungen werden daher auch im Zusammenhang mit dem Eröffnungstatbestand der Überschuldung erörtert (unten

Rn. 48 f.

).






a) Kredit und Zahlungsunfähigkeit



46





Forderungen der Bank gegen den Kreditkunden aus Darlehensvertrag stellen aus Sicht eines Unternehmens regelmäßig eine betriebswirtschaftlich bedeutsame, nicht selten

die

 wesentliche Verbindlichkeit dar. Das Bankdarlehen gewährleistet regelmäßig die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderliche Liquidität, indem es die Finanzierung von betriebswirtschaftlich erforderlichen Investitionen im Bereich des Anlage- oder Umlaufvermögens eines Unternehmens ermöglicht. Eine Kündigung des Kredits in bzw. aufgrund einer wirtschaftlichen Krisensituation begründet die vorzeitige Fälligkeit dieser Verbindlichkeit (i.S.v. § 271 BGB), damit die zivilrechtliche Pflicht des Bankkunden, das Darlehen

vorzeitig

 vollständig zurückzuführen. Streben die Bankverantwortlichen die Rückführung des Kredits auch tatsächlich an, etwa indem sie die Kündigung mit einer Zahlungsaufforderung (ggf. unter Fristsetzung) verbinden, liegt auch ein „ernsthaftes Einfordern“ und damit Fälligkeit im insolvenzrechtlichen Sinn vor. Die hierdurch verursachte Liquiditätslücke wird in Abhängigkeit des betroffenen Kreditvolumens nicht selten den Umfang von 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten übersteigen. Die Kreditrückführung verursacht daher regelmäßig nicht nur ein „ganz geringfügiges“ Liquiditätsdefizit, das als „nicht wesentlich“ bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit außer Betracht bliebe.



47





Zudem werden im Anschluss an die Kündigung und Rückforderung eines Darlehens durch die Bank gerade in der Unternehmenskrise die Voraussetzungen einer nur vorübergehenden, zeitnah zu überwindenden Zahlungsstockung häufig nicht vorliegen. In der betriebswirtschaftlichen Krisensituation ist ein Unternehmen im Anschluss an die Kündigung eines Bankdarlehens allenfalls in der Lage, das Defizit an liquiden Mitteln innerhalb der von der

Rechtsprechung

 eingeräumten „dreiwöchigen Frist“ zu beseitigen und den Kredit zurückzuführen, sofern ein anderes Kreditinstitut bereit ist, in der Krise ein entsprechendes Darlehen zu gewähren. Eine kurzfristige „Umschuldung“ binnen drei Wochen ist in dieser Situation – wegen des gesteigerten Kreditrisikos und des zusätzlich „negativen Einflusses“ der erfolgten Kreditkündigung – häufig nicht realistisch. Gerade in einer wirtschaftlichen Krisensituation fehlt dem betroffenen Unternehmen die erforderliche Bonität, um das „Vertrauen“ eines anderen Kreditgebers zu gewinnen und diesen zu einer Kreditvergabe an das Unternehmen zu bewegen, wenn unmittelbar zuvor ein anderes Kreditinstitut ein Darlehen wegen der wirtschaftlichen Schieflage gekündigt hat. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass durch die Kreditkündigung in der Krise des Bankkunden regelmäßig Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 InsO eintritt, sofern es der Unternehmensleitung nicht gelingt, die Liquiditätslücke durch eine anderweitige Kreditaufnahme innerhalb von drei Wochen nach Ablauf der Rückzahlungsfrist zu schließen (Umschuldung bzw. Sanierungskredit durch andere Darlehensgeber) oder die Bankverantwortlichen im Anschluss an die Kündigung zu einer Stundung des Rückerstattungsanspruchs (ggf. als Sanierungsbeitrag der kündigenden Bank) zu veranlasse

Teised selle autori raamatud