Achtsamkeit Bd. 1

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DAS BAHIYA SUTTA

In einer kurzen und befreienden Lehre, dem Bahiya Sutta oder der Lehrrede an Bahiya, zeigt der Buddha den Weg zur Befreiung von dieser Abhängigkeit durch Ansichten über das Selbst. Es heißt, zu Lebzeiten des Buddha erlitt ein Mann namens Bahiya an der Südküste Indiens Schiffbruch. Er verlor alles, sogar seine Kleidung, und bedeckte sich daher mit Baumrinde. Die Leute, die ihn sahen, hielten ihn für einen großen Asketen und begannen ihn als einen Arahant, ein voll erleuchtetes Wesen, zu verehren. Und irgendwann glaubte es Bahiya selbst.

Nach ein paar Jahren erschienen ihm seine früheren Gefährten, die jetzt Deva (himmlische Wesen) waren, und erklärten ihm, er sei nicht nur kein Arahant, sondern noch nicht einmal auf dem Weg dorthin. Bahiya war darüber sehr erschrocken, doch er trug ein ernsthaftes Bestreben in sich und fragte, was er tun solle. Die Deva erzählten ihm von einem Buddha, einem voll erleuchteten Wesen, das in Nordindien lebe, und rieten Bahiya, ihn aufzusuchen.

Als Bahiya endlich beim Buddha ankam, war dieser gerade von Haus zu Haus auf Almosenrunde unterwegs. Bahiya bat ihn an Ort und Stelle um Belehrung. Der Buddha erwiderte, dies sei nicht der passende Zeitpunkt, er solle ihn im Kloster aufsuchen. Doch Bahiya bat ihn ein zweites und ein drittes Mal: »Meister, ihr könntet sterben. Ich könnte sterben. Bitte lehrt mich jetzt!«, flehte er. Beeindruckt von dieser ernsthaften Dringlichkeit, sprach der Buddha:

»So musst du dich üben: Wenn etwas gesehen wird, soll es nur Gesehenes sein; wenn etwas gehört wird, soll es nur Gehörtes sein; wenn etwas gedacht wird, soll es nur Gedachtes sein; wenn etwas erkannt wird, soll es nur Erkanntes sein. So musst du dich üben: Wenn das, was du siehst, (für dich) nur Gesehenes sein soll; wenn das, was du hörst, (für dich) nur Gehörtes sein soll; wenn das, was du denkst, (für dich) nur Gedachtes sein soll; wenn das, was du erkennst, (für dich) nur Erkanntes sein soll, dann bist du nicht dabei (beteiligt); wenn du nicht dabei (beteiligt) bist, dann bist du weder in dieser Welt noch in jener Welt noch zwischen beiden. Dies ist das Ende des Leidens.«4

In dieser Qualität des reinen Erkennens dessen, was gesehen, gehört, gefühlt oder erkannt wird, geht es nicht darum, verschiedene Sinneseindrücke auszuwerten oder zu vermehren. Indem wir auf diese Weise üben, verstehen wir die selbstlose Natur der Phänomene – wo es kein »Du« gibt – und wir leben und verweilen unabhängig, ohne uns an irgendetwas in der Welt zu klammern.

1. Walter Harding, The Days of Henry David Thoreau (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1983), 464–465.

2. Zitiert in Aldous Huxley, The Perennial Philosophy (New York: HarperPerennial, 2009), 285.

3. Zitiert in Anālayo, Der direkte Weg. Aus dem Englischen übersetzt von Ilse Maria Bruckner und Siegfried C.A. Fay, Verlag Beyerlein & Steinschulte, Stammbach 2010. Siehe Anmerkung Kapitel 1, Punkt 1.

4. »The Udana: Inspired Utterances of the Buddha, 1.10«, zitiert in: Ajahn Pasanno / Ajahn Amaro, The Island (Redwood Valley, CA: Abhayagiri Monastic Foundation, 2009), 62–63. Dt.: http://www.palikanon.com/khuddaka/ud_schmidt/udana.htm#ud_i.

Achtsamkeit auf den Körper
7. Achtsamkeit auf den Atem

Die vier Elemente des Refrains beziehen sich zwar auf alle Aspekte unserer Erfahrung, doch im Satipaṭṭhāna Sutta gibt der Buddha auch eine Fülle von spezifischen Meditationsanleitungen. An dieser Stelle können wir die große Bandbreite an geschickten Mitteln wertschätzen, mit denen er seine Lehren an sein jeweiliges Publikum anpasste.

Der Rest dieses Buches besteht aus einer Erörterung dieser Lehren und Anweisungen (auf die jeweils der Refrain folgt). Während wir uns mit den verschiedenen Übungsansätzen befassen, kann es hilfreich sein, darauf zu achten, welche besonders zu unseren eigenen Erfahrungen und Vorlieben passen. Wie in der Einleitung erwähnt, stellt jeder von ihnen ein Tor dar, das zu allem Übrigen führt.

Die Achtsamkeit auf den Körper ist der erste der vier Wege zur Entwicklung von Achtsamkeit. Der Buddha spricht an vielen Stellen darüber, wie lohnend es sei, den Körper als Objekt der Kontemplation zu nehmen; dies sei eine Quelle der Freude, die zu tiefer Konzentration führt. Und er spricht von Achtsamkeit auf den Körper als dem einfachsten und direktesten Weg, die Angriffe Māras, der Kräfte der Ignoranz und der Verblendung des Geistes, zu überwinden:

»Genauso, ihr Bhikkhus, findet Māra, wenn jemand die Achtsamkeit auf den Körper nicht entfaltet und geübt hat, eine Gelegenheit und einen Rückhalt in ihm.«1

»Genauso, ihr Bhikkhus, kann Māra, wenn jemand die Achtsamkeit auf den Körper entfaltet und geübt hat, keine Gelegenheit und keinen Rückhalt in ihm finden.«2

Eine schwere Steinkugel, die leicht in einen weichen Haufen Lehm eindringt, ist das Bild für die Leichtigkeit, mit der Māra Gelegenheit und Rückhalt finden kann. Wenn Māra hingegen keinen Rückhalt findet, ist es, als würfe man ein Wollknäuel gegen eine Tür aus massivem Holz. Es hinterlässt keine Spur.

Der Buddha bezeichnete die Achtsamkeit auf den Körper als die Grundlage all dessen, was wir auf dem Weg zu Nibbāna, zum Erwachen, erreichen können. Das ist eine ziemlich starke Behauptung. Nach dem Tod des Buddha erwähnte Ānanda, sein Cousin und jahrelanger enger Begleiter, dass Achtsamkeit auf den Körper als unser bester Freund betrachtet werden kann. Inmitten der endlosen Abschweifungen der Gedanken, der emotionalen Stürme und des energetischen Auf und Ab können wir immer wieder zu genau diesem Atemzug, genau diesem Schritt zurückkehren. Ich war oft dankbar, dass es so einfach ist. Wir können immer einfach zu den simpelsten Aspekten dessen zurückkehren, was bereits da ist.

MIT DEM ATEM PRAKTIZIEREN

An diesem Punkt seiner Lehrrede erklärt der Buddha diese Praxis noch näher. Er beginnt mit der nachstehenden Frage, die er dann im Folgenden beantwortet:

»Und wie, ihr Bhikkhus, wird die Achtsamkeit auf den Körper entfaltet und geübt, sodass sie von großer Frucht und großem Nutzen ist? Da setzt sich ein Bhikkhu nieder, nachdem er in den Wald oder zum Fuße eines Baumes oder in eine leere Hütte gegangen ist; nachdem er die Beine gekreuzt, den Oberkörper aufgerichtet und die Achtsamkeit vor sich gegenwärtig gehalten hat, atmet er völlig achtsam ein und achtsam atmet er aus.«3

In diesen wenigen Zeilen gibt uns der Buddha eine Menge Hinweise.

Wo praktizieren?

Als Erstes macht er Vorschläge dazu, wo wir praktizieren sollten. Im Wald, am Fuß eines Baumes, in einer leeren Hütte – all diese Orte vermitteln eine gewisse Abgeschiedenheit. Wir können uns überlegen, was dies im Zusammenhang unserer heutigen Lebensumstände bedeuten könnte. Es wäre ideal, sich in ein Retreat-Zentrum oder eine Waldhütte zurückziehen zu können. Aber wir können es auch als Empfehlung verstehen, uns in unserem Zuhause einen Platz einzurichten, welcher der Praxis gewidmet ist: ein Raum oder die Ecke eines Zimmers, wo wir eine Atmosphäre von Stille und Schönheit herstellen.

Als ich das erste Mal in Indien war, praktizierte ich in der burmesischen Vihāra in Bodh Gaya, jenem Ort, wo der Buddha Erleuchtung fand. Zu jener Zeit war es für burmesische Pilger schwer, nach Indien zu fahren, deshalb war die burmesische Vihāra für viele an Meditation interessierte Westler ein beliebter Aufenthaltsort. Sie lag zwar direkt an einer stark belebten Straße und in der Nähe eines Dorfes, wo über Lautsprecher ständig Hindi-Filmmusik lief, und direkt gegenüber war ein öffentlicher Trinkwasserbrunnen, aber ich war für diesen Ort zum Praktizieren unendlich dankbar. Er gab mir inmitten all der Geschäftigkeit ein Gefühl des inneren Rückzugs.

Sitzhaltung

Als Nächstes spricht der Buddha über die Sitzhaltung: die Beine kreuzen und den Oberkörper aufrecht halten. In vielen asiatischen Ländern sind es die Menschen von Kindheit an gewohnt, mit gekreuzten Beinen auf dem Boden zu sitzen, und es ist in der Tat eine gute Haltung für die Sitzmeditation. Doch vor dem Hintergrund unserer westlichen Erziehung und Gewohnheiten können wir diese Empfehlung anpassen und uns auf Sitzbänke oder Stühle setzen, falls wir es brauchen.

Am Anfang meiner Praxis war es mir unmöglich, auch nur zehn Minuten lang mit gekreuzten Beinen zu sitzen. Der Schmerz in meinen Knien war zu stark und meine Konzentration zu schwach, um einfach mit dem Schmerz zu sein. Ich setzte mich auf einen Stuhl, was das Meditieren deutlich erleichterte. Doch als große Person sitze ich auch auf den meisten Stühlen nicht bequem, vor allem, wenn ich längere Zeit sitze. Also legte ich Ziegelsteine unter die Stuhlbeine und ein, zwei Kissen auf den Stuhl, und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, drapierte ich noch ein Moskitonetz darüber. Es sah aus wie eine Kreuzung aus einem Thron und einem Schuhputzerstand.

Es war mir zwar immer etwas peinlich, wenn mein Lehrer mich so sah, aber es funktionierte. Ich konnte lange Zeit sitzen und mir so die Gelegenheit geben, meine Achtsamkeit und Konzentration zu vertiefen. Im Laufe der Zeit konnte ich schließlich auch für längere Zeit mit gekreuzten Beinen sitzen. Der Punkt ist hier jedoch, so zu sitzen, wie es für Sie funktioniert.

 

In den verschiedenen buddhistischen Traditionen wird die Bedeutung der Sitzhaltung unterschiedlich betont. Im Zen beispielsweise wird großer Wert auf eine korrekte Haltung gelegt: Die Form wird sowohl zum Gefäß als auch zum Ausdruck des erwachten Zustands. Im Theravāda gilt es als weniger wichtig, eine bestimmte Haltung einzunehmen. Doch wie das Satipaṭṭhāna Sutta empfiehlt, ist es in jeder Haltung sinnvoll, den Rücken aufrecht zu halten, ohne sich steif zu machen oder anzuspannen, um unermüdlich, wissensklar und achtsam zu bleiben, frei von Verlangen oder Unzufriedenheit in Bezug auf die Welt.

In unserer eigenen Praxis können wir eine Balance zwischen diesen beiden Ansätzen finden. Sind wir schläfrig oder abgelenkt, kann Zen-artiges Sitzen sehr unterstützend sein. Sowohl in der Meditation als auch im alltäglichen Leben kann weises Bemühen energetisieren. Wir meinen oft, wir bräuchten Energie, um uns zu bemühen. Doch auch das Gegenteil kann wahr sein. Denken Sie nur daran, wie es ist, wenn Sie müde und träge sind und sich dann aufraffen, Sport zu machen oder laufen zu gehen. Meistens fühlt man sich hinterher fitter und wacher: Das Bemühen hat Energie erzeugt.

Wenn Sie sich jedoch zu sehr anstrengen und bemühen, mag es hilfreich sein, die Haltung ein wenig zu entspannen, damit die Energie von innen aufsteigen kann. Mit zunehmender Achtsamkeit und Konzentration richtet sich der Körper von alleine auf. Der innere Energiefluss nimmt zu und hält den Körper mühelos aufrecht.

Als ich einmal in Burma praktizierte, hatte ich mich etwas festgefahren und drehte mich im Kreis. Ich hatte mit viel Willenskraft mit gekreuzten Beinen gesessen, aber es schien nichts zu nützen. Also wechselte ich zwischen dem Sitzen mit gekreuzten Beinen und dem Sitzen auf einem Stuhl. Es zeigte sich, dass dies gerade genug Entspannung war, damit sich die Praxis weiter entfalten konnte. Im Laufe der Zeit lernen wir, die Form zu nutzen und den aktuellen Bedürfnissen entsprechend anzupassen.

Die Aufmerksamkeit fokussieren

Also begeben wir uns an einen abgeschiedenen Ort und setzen uns auf die eine oder andere Weise mit aufrechtem Rücken hin. Nun empfiehlt das Sutta, »die Achtsamkeit vor sich gegenwärtig zu halten«. Dieser Ausdruck ist nicht eindeutig. In seinem Buch über die Satipaṭṭhāna-Lehrrede legt Anālayo verschiedene Interpretationen dar. Der Ausdruck »vor sich« lässt als Konzentrationspunkt zunächst an den Bereich der Nase denken – der Nasenspitze oder des Bereichs zwischen Nase und Oberlippe. Das traditionelle Bild dazu ist, diesen Bereich wie einen Torhüter zu betrachten, der aufpasst, wer die Stadt betritt oder verlässt. Der Torhüter folgt niemandem in die Stadt, und er verlässt seinen Posten auch nicht, um mit jemandem auf die Reise zu gehen.

Verschiedene Lehrer empfehlen andere Arten, Achtsamkeit »vor sich« zu entwickeln. Zwei der großen Meister der thailändischen Waldtradition, Ajahn Maha Boowa und Ajahn Dhammadaro, lehren ihre Schüler, die Aufmerksamkeit zunächst auf die Nase zu richten, sie jedoch später auf den Bereich der Brust oder des Solarplexus zu verlagern. In der Tradition von Mahasi Sayadaw liegt die Betonung auf dem Heben und Senken des Bauches. Genau genommen geht es hier weniger um die Achtsamkeit auf den Atem als vielmehr um die Kontemplation des Luftelements, was auch zu den Körper-Kontemplationen gehört.4 Ich persönlich mochte immer den Pragmatismus meines Lehrers Munindra-ji, der sagte: »Beobachte den Atem dort, wo es dir am leichtesten fällt, wo du ihn am deutlichsten wahrnimmst.«

Geistige Gegenwärtigkeit entwickeln

Der Ausdruck »Achtsamkeit vor sich halten« bedeutet auch, innerlich eine meditative Haltung einzunehmen. Es geht darum, geistige Gegenwärtigkeit hervorzubringen, sich mit Wachheit zu umgeben. Im chinesischen Satipaṭṭhāna Sutta heißt es an dieser Stelle: »Mit gut kontrollierten, nicht abschweifenden Gedanken.«5

Nach dem Einnehmen der Haltung betont der Buddha an dieser Stelle des Suttas die Bedeutung, bewusst die Absicht zu setzen, achtsam zu sein. Sie soll uns daran erinnern: »Ja, dies ist, wozu ich hier bin; dies ist, was ich hier tue.« Es bedeutet, sich einen Augenblick lang auf die eigene Absicht zu besinnen, statt sich nur hinzusetzen und möglicherweise in den üblichen Strom der Gedanken und Fantasien abzudriften. Die Art, in der wir beginnen, bestimmt oft die ganze Richtung unseres Sitzens.

In einer Lehrrede aus der Mittleren Sammlung hören wir von dem jungen Brahmanen Brahmayu, der dem Buddha sieben Monate lang wie ein Schatten gefolgt war und seine Qualitäten sowie sein Verhalten beobachtet hatte. Brahmayu beschreibt daraufhin, wie der Buddha sich zur Meditation hinsetzt:

»[Er setzt] sich mit gekreuzten Beinen und gerade aufgerichtetem Oberkörper hin und hält die Achtsamkeit vor sich gegenwärtig. Er denkt nicht daran, sich selbst Leid zuzufügen oder anderen Leid zuzufügen oder beiden Leid zuzufügen; er sitzt da, mit dem Geist auf sein eigenes Wohlergehen ausgerichtet, auf das Wohlergehen anderer und auf das Wohlergehen beider; sogar auf das Wohlergehen der ganzen Welt.«6

Wenn wir diese Worte auf unsere eigene Praxis anwenden, können wir all diese Aspekte des Achtsamkeit-vor-sich-gegenwärtig-Haltens einbeziehen: was den Ort betrifft, wo wir unsere Aufmerksamkeit hinrichten; was die Absicht anbelangt, achtsam zu sein; und was die Entwicklung des Wunsches für unsere Praxis angeht, dass sie allen Wesen dienen möge.

Achtsamkeit auf den Atem

An dieser Stelle des Satipaṭṭhāna Sutta haben wir also einen passenden Ort für unsere Praxis gefunden, eine angemessene Haltung eingenommen und Achtsamkeit vor uns entwickelt. Der Buddha lässt nun eine Reihe von weiterführenden Anweisungen für die Atmung folgen, was der ersten der Betrachtungen des Körpers entspricht. Wie in vielen anderen Lehrreden weist uns auch hier der Buddha auf einen unschätzbaren und häufig übersehenen Schatz hin: unseren eigenen Atem.

»Ihr Bhikkhus, wenn die Achtsamkeit auf den Atem entfaltet und geübt wird, ist sie von großer Frucht und großem Nutzen. Wenn die Achtsamkeit auf den Atem entfaltet und geübt wird, vervollkommnet sie die vier Grundlagen der Achtsamkeit. Wenn die vier Grundlagen der Achtsamkeit entfaltet und geübt werden, vervollkommnen sie die sieben Erleuchtungsglieder. Wenn die sieben Erleuchtungsglieder entfaltet und geübt werden, vervollkommnen sie wahres Wissen und Befreiung.«7

Dieser einfache Atem ist so ein gutes Objekt der Meditation, weil er immer da ist und für alle Personen funktioniert. Er führt zu tiefer Konzentration und tiefschürfenden Einsichten. Er ist das Gegenmittel zu Ablenkungen und abschweifenden Gedanken und wirkt zum Zeitpunkt des Todes stabilisierend. Nicht nur der letzte Atemzug unseres Lebens, auch der letzte Atemzug unseres Tages kann ein achtsamer sein. Eine herausfordernde, aber interessante Praxis dazu ist, zu bemerken, ob wir beim Einatmen oder beim Ausatmen einschlafen.

Einatmend weiß ich, dass ich einatme …

Wir beginnen unsere Praxis mit der schlichten Wahrnehmung: »Einatmend weiß ich, dass ich einatme, ausatmend weiß ich, dass ich ausatme.« Wir kontrollieren unseren Atem nicht und üben keinen Druck aus. Beim Einatmen wissen wir, dass wir einatmen; beim Ausatmen wissen wir, dass wir ausatmen. Das ist ganz einfach und doch am Anfang nicht so leicht. Der Geist neigt dazu, sich von Plänen, Erinnerungen, Bewertungen und Kommentaren davontragen zu lassen – alles Varianten geistiger Abschweifungen. Doch sobald wir merken, wir sind nicht beim Atem, lassen wir bei diesem Teil der Praxis einfach sanft los und fangen wieder an.

In der zweiten Gruppe von Anweisungen zum achtsamen Atmen sagt der Buddha: »Lang einatmend weiß ich, dass ich lang einatme. Kurz einatmend weiß ich, dass ich kurz einatme.« Die Idee hierbei ist, den Atem auf keine Weise zu beeinflussen, sondern einfach zu bemerken, wie er ist. Allein diese Übung kann helfen, die Gewohnheit der Atmungskontrolle loszulassen. Wir bemerken einfach achtsam, wie sich jeder Atemzug zeigt, ob er kurz oder lang ist. Diese Anweisung erinnert uns, dass es hier nicht um eine Atemübung geht, sondern um Achtsamkeit. Jede Art von Atmung passt dazu.

Wie bei vielen Anweisungen in diesem Sutta wird auch diese von verschiedenen Lehrern und Lehrerinnen unterschiedlich interpretiert. Der burmesische Meister der Mahasi-Tradition Sayadaw U Paṇḍita spricht davon, wie der Geist auf sein Objekt zustürmt, es machtvoll ergreift und tief durchdringt. Andere Lehrer betonen eher eine empfängliche Herangehensweise, als ob man lauscht (nicht in dem Sinne, dass man die Geräusche des Atems hört, sondern im Sinne einer lauschenden, empfangenden Haltung).

Wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, welcher Ansatz richtig ist, auch nicht innerlich. Wir können vielmehr all diese Ansätze als geschickte Mittel betrachten, Achtsamkeit, Konzentration und Einsicht zu entwickeln. Wenn sich der Geist zu sehr bemüht und sich anspannt, müssen wir etwas weicher und entspannter werden; wenn er viel abschweift oder schläfrig ist, kann das machtvolle Auf-das-Objekt-Zustürmen sehr hilfreich sein.

Der hoch verehrte Lehrer der thailändischen Waldtradition Ajahn Chaa verwendete ein bekanntes Beispiel für diese Art von Balance. Einmal kam jemand zu ihm und beschwerte sich über die widersprüchlichen Empfehlungen, die er seinen Schülern gab. Manchmal riet er zu einer Sache und etwas später zu genau dem Gegenteil. Ajahn Chaa antwortete: »Es ist so. Wenn ich sehe, wie jemand einen Weg entlangwandert und links in den Graben zu fallen droht, rufe ich: ›Geh rechts!‹ Geht später dieselbe Person oder jemand anderes einen Weg entlang und droht rechts in den Gaben zu fallen, rufe ich: ›Geh links, geh links!‹ Es dreht sich immer darum, auf dem Weg zu bleiben.«

Manchmal kann der Atem sehr fein werden, manchmal sogar nicht mehr wahrnehmbar sein. Wir sollten den Atem dann nicht verstärken, um ihn zu spüren, sondern eher den Geist von unserem Atem auf seine subtile Ebene sinken lassen. Es ist, als lauschte man auf das Flötenspiel von jemandem, der allmählich in der Ferne entschwindet. Die Feinheit des Atems kann genutzt werden, um den Geist zu verfeinern. Wenn der Atem tatsächlich verschwindet und wir ihn gar nicht mehr spüren, können wir einfach unseres sitzenden Körpers gewahr bleiben, bis der Atem von alleine wieder auftaucht.

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