Die Abenteuer des Kapitän Hatteras

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Viertes Kapitel – Kapitän Hund

Mit dem 5. April war der zur Ab­fahrt be­stimm­te Tag er­schie­nen. Die Auf­nah­me des Dok­tors an Bord be­ru­hig­te ein we­nig die Ge­mü­ter. Wo­hin der wür­di­ge Ge­lehr­te zu ge­hen sich ent­schloss, konn­te man ge­trost auch ge­hen. Doch wa­ren die meis­ten Ma­tro­sen et­was un­ru­hig, und Shan­don, in Be­sorg­nis, es möch­ten ei­ni­ge aus­rei­ßen, wünsch­te leb­haft auf ho­her See zu sein. War ein­mal die Küs­te au­ßer Sicht, so wür­de die Mann­schaft sich dar­ein er­ge­ben.

Die Ka­bi­ne des Dok­tor Cla­w­bon­ny lag im Hin­ter­grund des Hüt­ten­decks und nahm die gan­ze Rück­sei­te des Schif­fes ein. Die Ka­bi­nen des Ka­pi­täns und des Schiffs­lieu­ten­ants, wel­che mehr zu­rück­stan­den, hat­ten eine Aus­sicht aufs Ver­deck. Die des Ka­pi­täns blieb, nach­dem sie mit ver­schie­de­nen In­stru­men­ten, Mö­beln, Rei­se­klei­dern, Bü­chern, Klei­dern zum Wech­seln und Gerät­schaf­ten nach de­tail­lier­ter An­ga­be aus­ge­stat­tet wor­den, her­me­tisch ver­schlos­sen. Nach Wei­sung des Un­be­kann­ten wur­de der Schlüs­sel zu die­ser Ka­bi­ne ihm nach Lü­beck adres­siert zu­ge­schickt; er hat­te also al­lein Zu­tritt zu sei­nem Ge­mach.

Die­se Be­stim­mun­gen wa­ren Shan­don nicht nach dem Sinn und nah­men ihm viel Aus­sicht auf sein Ober­kom­man­do. Sei­ne ei­ge­ne Ka­bi­ne hat­te er voll­stän­dig nach den Be­dürf­nis­sen der pro­jek­tier­ten Rei­se ein­ge­rich­tet, da ihm die Er­for­der­nis­se für eine Po­lar­ex­pe­di­ti­on gründ­lich be­kannt wa­ren.

Das Zim­mer des drit­ten Of­fi­ziers lag in­ner­halb des falschen Ver­decks, wel­ches ein ge­räu­mi­ges Schlaf­ge­mach für die Ma­tro­sen bil­de­te; die Leu­te hat­ten es hier sehr ge­mäch­lich, und sie hät­ten schwer­lich an Bord ei­nes an­de­ren Schif­fes eine so be­que­me Ein­rich­tung ge­trof­fen. Man be­wies ih­nen eine Sorg­falt, wie ei­ner La­dung von Wert; ein ge­räu­mi­ger Ofen nahm die Mit­te des ge­mein­sa­men Saa­l­es ein.

Der Dok­tor Cla­w­bon­ny fand al­les nach Wunsch, er hat­te seit dem 6. Fe­bru­ar, dem Tage nach dem Sta­pel­las­sen des For­ward, sei­ne Ka­bi­ne in Be­sitz ge­nom­men und wie ein Kind Ver­gnü­gen dar­an ge­fun­den, sein wis­sen­schaft­li­ches Ge­päck in Ord­nung zu brin­gen. Sei­ne Bü­cher, Her­ba­ri­en, Mess­in­stru­men­te, phy­si­ka­li­schen Ap­pa­ra­te, sei­ne Samm­lung von Ther­mo­me­ter, Baro­me­ter, Hy­gro­me­ter, sei­ne Bril­len, Kom­pas­se, Sex­tan­ten, Kar­ten, Plä­ne, die Fio­len, Pul­ver, Fläsch­chen sei­ner sehr voll­stän­di­gen Rei­se­apo­the­ke, al­les dies war der­ma­ßen ge­ord­net, dass es hät­te das Bri­tish Mu­se­um be­schä­men kön­nen. Die­ser Raum von sechs Qua­drat­fuß ent­hielt schätz­ba­re Reich­tü­mer.

Er war stolz auf die­se Aus­stat­tung und glück­lich in sei­nem schwim­men­den Hei­lig­tu­me, das lei­der so eng war, dass es sei­ne zum Be­such hin­strö­men­den Freun­de nicht auf­neh­men konn­te.

Zur voll­stän­di­gen Be­schrei­bung der Ein­rich­tung des For­ward habe ich noch bei­zu­fü­gen, dass die La­ger­stät­te des Hun­des dicht un­ter dem Fens­ter der ge­heim­nis­vol­len Ka­bi­ne an­ge­bracht war; aber ihr wil­der Be­woh­ner zog vor, in den Gän­gen oder dem un­ters­ten Schiffs­raum um­her­zu­strei­fen, und bei Nacht hör­te man ihn jäm­mer­lich heu­len, dass es in den lee­ren Räu­men des Fahr­zeugs in un­heim­li­cher Wei­se wi­der­hall­te.

Tat er dies aus Sehn­sucht nach sei­nem ab­we­sen­den Herrn oder aus in­ne­rem Vor­ge­fühl dro­hen­der Ge­fah­ren? Die Ma­tro­sen wa­ren ge­neigt, das letz­te­re zu glau­ben.

Der Dok­tor Cla­w­bon­ny, des­sen Sanft­mut und Lieb­ko­sun­gen einen Ti­ger zäh­men konn­ten, be­müh­te sich ver­ge­bens um die Gunst die­ses Hun­des; er ver­lor Zeit und Mühe.

Da die­ses Tier üb­ri­gens auf kei­nen der Na­men hör­te, wel­che sich im Hun­de­ka­len­der ver­zeich­net fin­den, so ka­men die Leu­te an Bord zu­letzt dar­auf, ihn Ka­pi­tän zu nen­nen, denn er schi­en die Ge­bräu­che an Bord völ­lig zu ken­nen. Of­fen­bar hat­te er schon See­rei­sen ge­macht.

Un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den war Richard Shan­don nicht ohne Un­ru­he und sprach die­se am Abend vor der Abrei­se, dem 5. April, in sei­ner Un­ter­hal­tung mit dem Dok­tor, Wall und John­son aus.


Die­se vier be­fan­den sich im Ver­samm­lungs­zim­mer des Hüt­ten­decks beim zehn­ten Gläs­chen Grog, ih­rem letz­ten ohne Zwei­fel, da nach den Vor­schrif­ten des Schrei­bens aus Aber­de­en die gan­ze Mann­schaft, vom Ka­pi­tän bis zum Hei­zer an Bord, we­der Wein, noch Bier oder geis­ti­ge Ge­trän­ke be­kom­men soll­ten, au­ßer im Krank­heits­fall auf An­ord­nung des Arz­tes.

Seit ei­ner Stun­de sprach man von nichts als der be­vor­ste­hen­den Abrei­se. Den In­struk­tio­nen des Ka­pi­täns nach muss­te Shan­don mor­gen ein Schrei­ben mit den letz­ten An­ord­nun­gen er­hal­ten.

»Wenn dies Schrei­ben«, sag­te der Kom­man­dant, »mir nicht den Na­men des Ka­pi­täns an­gibt, muss es uns we­nigs­tens den Be­stim­mungs­ort des Schif­fes mel­den. Wo­hin­aus soll man sonst steu­ern?«


»Wahr­haf­tig«, er­wi­der­te der un­ge­dul­di­ge Dok­tor, »an Ih­rer Stel­le wür­de ich selbst ohne den Brief ab­rei­sen; er wür­de uns wohl ein­zu­ho­len ver­ste­hen, denk’ ich.«

»Sie ha­ben kei­ne Ver­mu­tung dar­über, Dok­tor! Aber in wel­cher Rich­tung wür­den Sie steu­ern, wenn es be­liebt?«

»Nach dem Nord­pol zu, of­fen­bar! Das ver­steht sich ja ohne al­len Zwei­fel.«

»Ohne al­len Zwei­fel!« ent­geg­ne­te Wall. »Und warum nicht nach dem Süd­pol?«


»Nach dem Süd­pol«, schrie der Dok­tor, »ge­wiss nicht!«

»Soll­te der Ka­pi­tän den Ge­dan­ken ha­ben, mit ei­ner Brigg durch den gan­zen At­lan­ti­schen Ozean zu fah­ren! Den­ken Sie doch ein­mal dar­an, lie­ber Wall.«

»Der Dok­tor hat auf al­les eine Ant­wort«, er­wi­der­te letz­te­rer.

»Gut, also nach Nor­den«, fuhr Shan­don fort. »Aber, sa­gen Sie mir, Dok­tor, mei­nen Sie nach Spitz­ber­gen? Grön­land? La­b­ra­dor? Oder die Hud­son­bai? Füh­ren die­se ver­schie­de­nen Wege auch alle zu dem­sel­ben Ziel, der un­durch­dring­li­chen Eis­de­cke, so wäre ich doch sehr in Ver­le­gen­heit, mich für einen oder den an­de­ren der­sel­ben zu ent­schei­den. Kön­nen Sie mir dar­über eine ent­schie­de­ne Ant­wort ge­ben, Dok­tor?«

»Nein«, er­wi­der­te die­ser in Ver­le­gen­heit, »aber schließ­lich, was wol­len Sie tun, wenn Sie kein Schrei­ben er­hal­ten?«

»Nichts; ab­war­ten.«

»Ab­fah­ren nicht?« rief Cla­w­bon­ny und schwang sein Glas in Verzweif­lung.

»Al­ler­dings nicht.«

»Das ist das Ge­schei­tes­te«, er­wi­der­te Meis­ter John­son ge­las­sen, wäh­rend der Dok­tor, der an sei­nem Platz kei­ne Ruhe hat­te, um den Tisch her­umspa­zier­te. »Ja, das Ge­schei­tes­te; doch kann ein zu lan­ges Ab­war­ten miss­li­che Fol­gen ha­ben: Erst­lich, die Wit­te­rung ist gut, und wenn es nach Nor­den zu geht, müs­sen wir den Eis­bruch be­nut­zen, um durch die Da­vis-Stra­ße zu fah­ren; über­dies wird die Mann­schaft im­mer un­ru­hi­ger; un­se­re Leu­te wer­den durch ihre Freun­de und Ka­me­ra­den ver­an­lasst, den For­ward zu ver­las­sen, und ihr Ein­fluss könn­te uns einen schlim­men Streich spie­len.«

»Man muss wei­ter an­neh­men«, fuhr Ja­mes Wall fort, »dass, wenn eine Pa­nik ein­trä­te, die Ma­tro­sen bis zum letz­ten Mann aus­rei­ßen wür­den; und ich weiß nicht, Kom­man­dant, ob es Ih­nen ge­lin­gen wür­de, Ihre Mann­schaft von Neu­em auf­zu­brin­gen.«

Clawbonny in seiner Cabine

»Aber was an­fan­gen?« schrie Shan­don.

»Was Sie ge­sagt ha­ben«, ver­setz­te der Dok­tor: »Ab­war­ten, aber nur bis mor­gen, ehe man den Mut sin­ken lässt. Die Ver­spre­chun­gen des Ka­pi­täns sind bis­her mit ei­ner Re­gel­mä­ßig­keit er­füllt wor­den, die eine gute Bürg­schaft ist; man hat also kei­nen Grund zu glau­ben, dass wir nicht zu rich­ti­ger Zeit über un­se­re Be­stim­mung wer­den in Kennt­nis ge­setzt wer­den; ich zweifle kei­nen Au­gen­blick, dass wir mor­gen auf dem Ir­län­di­schen Mee­re fah­ren; dazu, mei­ne Freun­de, schla­ge ich ein letz­tes Glas vor auf un­se­re glück­li­che Rei­se; sie be­ginnt zwar auf eine et­was un­kla­re Wei­se, aber mit See­leu­ten wie Ih­nen gibt es tau­send Wege zum gu­ten Ende.«

Und alle vier stie­ßen zum letz­ten Mal an.

»Jetzt, Kom­man­dant«, fuhr Meis­ter John­son fort, »darf ich Ih­nen einen Rat ge­ben, so be­steht er dar­in: Sie tref­fen alle Vor­be­rei­tun­gen zur Ab­fahrt: die Mann­schaft muss Sie ganz si­cher wis­sen. Mor­gen, mag ein Brief kom­men oder nicht, ma­chen Sie se­gel­fer­tig, zu hei­zen ist noch nicht nö­tig; es sieht aus, als wol­le der Wind gut hal­ten, und es ist leicht, die hohe See zu ge­win­nen; der Lot­se kom­me an Bord; zur­zeit der Flut ver­las­sen Sie die Docks und an­kern drau­ßen vor der Spit­ze von Bir­ken­head; dann ha­ben un­se­re Leu­te mit dem Lan­de kei­ne Ver­bin­dung mehr, und wenn der ver­teu­fel­te Brief end­lich kommt, wird er uns dort fin­den, wie an­der­wärts.«

»Brav ge­spro­chen, wa­cke­rer John­son!« sag­te der Dok­tor und reich­te dem al­ten See­mann die Hand.

»So wol­len wir es ma­chen!« er­wi­der­te Shan­don.

Je­der be­gab sich dann in sei­ne Ka­bi­ne und er­war­te­te in un­ru­hi­gem Schlaf den Son­nen­auf­gang.

 

Am fol­gen­den Mor­gen fand sich bei den ers­ten Brie­f­ab­ga­ben in der Stadt nicht ein ein­zi­ger an den Kom­man­dan­ten Richard Shan­don.

De­m­un­ge­ach­tet mach­te die­ser sei­ne Vor­be­rei­tun­gen zur Ab­fahrt; das Gerücht da­von ver­brei­te­te sich so­gleich in Li­ver­pool, und es ström­te eine au­ßer­or­dent­li­che Men­ge von Zuschau­ern auf die Kais von New-Prin­ces-Docks.

Es ka­men vie­le der­sel­ben an Bord der Brigg, die­ser, um von ei­nem Ka­me­ra­den Ab­schied zu neh­men, je­ner um ei­nem Freund ab­zu­ra­ten, ein an­de­rer, um sich das selt­sa­me Schiff zu be­se­hen, wie­der ein an­de­rer, um den Zweck der Rei­se zu er­fah­ren, und man murr­te, als man den Kom­man­dan­ten schweig­sa­mer und rück­hal­ten­der sah wie je­mals.

Da­für hat­te er wohl sei­ne Grün­de.

Es schlug zehn Uhr; elf so­gar. Ge­gen ein Uhr nach­mit­tags soll­te die Flut fal­len. Shan­don warf vom Hüt­ten­deck aus einen un­ru­hi­gen Blick auf die Men­ge; die Ma­tro­sen voll­zo­gen schwei­gend sei­ne Be­feh­le, stets die Au­gen auf ihn ge­rich­tet, in Er­war­tung ei­ner Mit­tei­lung, wel­che aus­blieb.

Meis­ter John­son mach­te se­gel­fer­tig; es war be­deck­ter Him­mel, und vor den Bass­ins drau­ßen ging die See sehr hohl; es weh­te ein ziem­lich star­ker Süd­ost, doch konn­te man leicht aus der Mer­sey her­aus­kom­men.

Um zwölf Uhr noch nichts. Der Dok­tor Cla­w­bon­ny ging un­ru­hig auf und ab, lor­gnet­tier­te,1 ges­ti­ku­lier­te. Er fühl­te sich auf­ge­regt, was er auch tun moch­te. Shan­don biss sich die Lip­pen blu­tig.

Jetzt trat John­son her­an und sag­te zu ihm:

»Kom­man­dant, wol­len wir die Flut be­nut­zen, so dür­fen wir kei­ne Zeit ver­lie­ren; vor Ablauf ei­ner gu­ten Stun­de kom­men wir nicht aus den Docks her­aus.«


Shan­don blick­te noch ein­mal um­her und sah auf sei­ne Uhr. Die Zeit der Brief­aus­ga­be zu Mit­tag war vor­über.

»Wohl­an denn!« sag­te er zu sei­nem Rüst­meis­ter.

Die­ser rief den Zuschau­ern zu, das Ver­deck zu räu­men.

Es ent­stand eine rege Be­we­gung, in­dem die einen auf den Kai eil­ten, die an­de­ren die Taue lös­ten.

In der Ver­wir­rung, da die Ma­tro­sen ohne viel Rück­sicht die Neu­gie­ri­gen weg­trie­ben, hör­te man den Hund heu­len.

Abfahrt des Forward

Dies Tier sprang auf ein­mal vom Vor­der­kas­tell mit­ten durch die dich­te Men­ge. Man wich ihm aus; er sprang auf das Hüt­ten­deck, und – tau­send Zeu­gen sa­hen es – der Ka­pi­tän Hund hielt zwi­schen den Zäh­nen einen Brief.

»Ein Brief!« rief Shan­don. »Aber da ist er ja an Bord?«

»Da ge­we­sen ist er ohne Zwei­fel, aber nun ist er nicht mehr da«, er­wi­der­te John­son und zeig­te auf das nun völ­lig ge­räum­te Ver­deck.

»Ka­pi­tän! Ka­pi­tän! Ici!«2 rief der Dok­tor und ver­such­te den Brief zu neh­men, aber der Hund wich ihm aus mit leb­haf­ten Sprün­gen. Es schi­en, er wol­le sei­ne Bot­schaft nur Shan­don selbst ein­hän­di­gen.

»Ka­pi­tän, ici!« rief die­ser.

Der Hund kam her­bei; Shan­don nahm ihm den Brief ab, und Ka­pi­tän bell­te drei­mal laut beim tie­fen Schwei­gen der Men­ge.

Shan­don zö­ger­te den Brief zu öff­nen.

»Ei, so le­sen Sie doch! Le­sen Sie!« rief der Dok­tor. Shan­don sah ihn an. Die Adres­se, ohne Ort und Da­tum lau­te­te:

»An den Kom­man­dan­ten Richard Shan­don, an Bord der Brigg For­ward.«

Shan­don öff­ne­te und las:

»Sie fah­ren nach dem Kap Fa­re­well zu. Am 20. April wer­den Sie dort ein­tref­fen. Wenn der Ka­pi­tän sich da nicht an Bord ein­fin­det, fah­ren Sie durch die Da­vis-Stra­ße und das Baf­fins-3 Meer hin­auf bis zur Mel­ville-Bai.

Der Ka­pi­tän des For­ward.

K. Z.«

Shan­don leg­te den la­ko­ni­schen Brief sorg­fäl­tig zu­sam­men, steck­te ihn in sei­ne Ta­sche und gab Be­fehl zur Ab­fahrt. Sei­ne im Pfei­fen des Ost­win­des hal­len­de Stim­me hat­te et­was Fei­er­li­ches.

Bald war der For­ward aus den Bass­ins her­aus und fuhr, von ei­nem Lot­sen aus Li­ver­pool ge­lei­tet, die Strö­mung des Mer­sey. Die Men­ge stürz­te auf den äu­ße­ren Kai längs der Docks Vic­to­ria, um das selt­sa­me Schiff noch ein­mal zu se­hen. Die Mast­bäu­me wa­ren rasch auf­ge­rich­tet, die Se­gel auf­ge­hisst, und mit de­ren Bei­stand fuhr der For­ward, nach­dem er um die Spit­ze Bir­ken­head ge­bo­gen, äu­ßerst schnell ins Ir­län­di­sche Meer.

1 durch die Lor­gnet­te be­trach­ten: scharf an­se­hen, ge­nau be­ob­ach­ten <<<

2 Hier­her <<<

3 Die Baf­fin Bay, Baf­fin-Bucht oder Baf­fin­bai ist ein nörd­li­ches Rand­meer des At­lan­ti­schen Ozeans. <<<

Fünftes Kapitel – Auf hoher See

Der Wind war un­gleich, doch güns­tig, mit star­ken April­stö­ßen. Der For­ward durch­schnitt rasch das Meer, und sei­ne Schrau­be be­sei­tig­te je­des Hin­der­nis. Ge­gen drei Uhr kreuz­te er mit dem Post­damp­fer zwi­schen Li­ver­pool und der In­sel Man. Der Ka­pi­tän rief ihn von sei­nem Bord aus an, das letz­te Le­be­wohl, wel­ches die Mann­schaft des For­ward zu hö­ren be­kam.

Um fünf Uhr gab der Pi­lot die Lei­tung des Schif­fes an Richard Shan­don zu­rück, und sein Kut­ter1 ver­schwand bald im Süd­west.

Ge­gen Abend fuhr die Brigg um das Sü­den­de der In­sel Man. Wäh­rend der Nacht ging das Meer sehr hohl; der For­ward hielt sich gut, ließ die Spit­ze von Ayr nord­west­lich und steu­er­te dem Nord-Kanal zu.

John­son hat­te recht; auf dem Meer ge­wann bei den Ma­tro­sen die Lie­be zur See die Ober­hand. Beim An­blick der Treff­lich­keit des Fahr­zeugs ver­ga­ßen sie das Be­sorg­li­che ih­rer Lage. Das Le­ben an Bord ge­stal­te­te sich re­gel­mä­ßig.

Der Dok­tor schlürf­te mit größ­tem Be­ha­gen die See­luft; er ging kräf­ti­gen Schrit­tes al­len Wind­stö­ßen ent­ge­gen, für einen Ge­lehr­ten auf ziem­lich see­män­ni­schem Fuß.

»Das Meer ist doch et­was Herr­li­ches«, sag­te er zu Meis­ter John­son, als er nach dem Früh­stück wie­der auf das Ver­deck sich be­gab. »Ich ma­che mich et­was spät mit dem­sel­ben ver­traut, aber ich wer­de mich bald dar­ein fin­den.«

»Sie ha­ben recht, Herr Cla­w­bon­ny; ich gäbe alle Kon­ti­nen­te der Welt für ein Stück­chen Ozean. Man be­haup­tet, die See­leu­te wür­den bald ihr Ge­schäft müde; nun bin ich schon vier­zig Jah­re See­fah­rer, und dies Le­ben ge­fällt mir noch so gut wie am ers­ten Tag.«

»Es ist doch eine wah­re Lust, ein gu­tes Schiff un­ter den Fü­ßen zu ha­ben, und irre ich nicht, so hält sich der For­ward treff­lich.«

»Sie ur­tei­len rich­tig, Dok­tor«, er­wi­der­te Shan­don, der zu den bei­den hin­zu­trat, »’s ist ein treff­lich Fahr­zeug, und ich sage of­fen, noch nie ist ein für die Fahrt ins Eis­meer be­stimm­tes Schiff bes­ser ver­se­hen und be­mannt ge­we­sen. Das er­in­nert mich, wie vor drei­ßig Jah­ren der Ka­pi­tän Ja­mes Ross,2 als er die nord­west­li­che Durch­fahrt such­te …«

»Er fuhr auf der Vic­to­ria«, sag­te leb­haft der Dok­tor, »ei­ner Brigg von etwa glei­chem Ton­nen­ge­halt wie die uns­ri­ge, und eben­falls mit ei­ner Dampf­ma­schi­ne.«

»Wie? Das wis­sen Sie?«

»Ur­tei­len Sie selbst«, fuhr der Dok­tor fort, »da­mals wa­ren die Ma­schi­nen noch in ih­rer Kind­heit, und die der Vic­to­ria ver­ur­sach­te der­sel­ben mehr wie eine nach­tei­li­ge Ver­zö­ge­rung: Nach­dem der Ka­pi­tän Ross sie Stück für Stück ver­geb­lich re­pa­riert hat­te, ließ er sie zu­letzt aus­ein­an­der­neh­men und gab sie bei sei­nem ers­ten Win­ter­auf­ent­halt auf.«

»Teu­fel!« rief Shan­don, »Sie wis­sen es ge­nau, sehe ich!«

»Was mei­nen Sie?« fuhr der Dok­tor fort. »Das hat man vom Le­sen. Ich habe die Wer­ke von Par­ry, Ross, Fran­klin, die Be­rich­te von Mac Clu­re, Ken­ne­dy, Kane, Mac Clintock ge­le­sen, und es ist da­bei et­was an mir hän­gen­ge­blie­ben. Ich sage wei­ter, dass die­ser näm­li­che Mac Clintock an Bord des Fox, ei­ner Schrau­ben­brigg, wie die uns­ri­ge, leich­ter und di­rek­ter zum Ziel ge­lang­te, als alle sei­ne Vor­gän­ger.«


»Sie ha­ben voll­kom­men recht«, er­wi­der­te Shan­don, »die­ser Mac Clintock ist ein küh­ner See­mann; ich hab’ ihn bei der Ar­beit ge­se­hen. Sie kön­nen bei­fü­gen, dass wir uns gleich ihm schon im April in der Da­vis-Stra­ße be­fin­den wer­den, und wenn es uns ge­lingt, zwi­schen den Eis­blö­cken durch­zu­drin­gen, so wird das un­se­rer Rei­se einen be­deu­ten­den Vor­schub ge­ben.«

»So­fern nicht«, ent­geg­ne­te der Dok­tor, »es uns geht wie dem Fox im Jah­re 1857, dass wir gleich im ers­ten Jah­re zwi­schen den Eis­blö­cken des nörd­li­chen Baf­fins-Mee­res ste­cken­blei­ben und mit­ten in der Eis­de­cke über­win­tern müs­sen.«

»Wir müs­sen hof­fen, dass wir glück­li­cher sein wer­den, Herr Shan­don«, er­wi­der­te John­son, »und wenn man mit ei­nem Fahr­zeug wie dem For­ward nicht drin­gen kann, wo­hin man will, muss man es ganz auf­ge­ben.«

»Üb­ri­gens«, fuhr der Dok­tor fort, »wenn der Ka­pi­tän an Bord ist, wird er bes­ser als wir wis­sen, was zu tun ist, und umso mehr, als es uns voll­stän­dig un­be­kannt ist; denn aus sei­nem gar zu la­ko­ni­schen Brie­fe kön­nen wir den Rei­se­zweck nicht er­ra­ten.«

»Es ist schon viel wert«, er­wi­der­te Shan­don leb­haft, »dass wir wis­sen, wel­chen Weg wir zu neh­men ha­ben; und jetzt, seit ei­nem Mo­nat, denk’ ich mir, wir kön­nen die über­na­tür­li­che Ein­wir­kung die­ses Un­be­kann­ten und sei­ner In­struk­tio­nen schon ent­beh­ren. Üb­ri­gens wis­sen Sie mei­ne Mei­nung über ihn.«

Der Forward steuert ein.

»Ho! Ho!« rief der Dok­tor aus. »Ich glaub­te wie Sie, die­ser Mann wer­de das Kom­man­do des Schif­fes Ih­nen las­sen und nie­mals an Bord kom­men, aber …«

»Aber?« ver­setz­te Shan­don et­was är­ger­lich.

»Aber seit An­kunft des zwei­ten Brie­fes hab’ ich in die­ser Hin­sicht mei­ne Ide­en än­dern müs­sen.«

»Und wes­halb, Dok­tor?«

»Weil die­ser Brief Ih­nen zwar die Rich­tung an­gibt, wel­che ge­nom­men wer­den soll, al­lein über die Be­stim­mung der For­ward kei­ne Aus­kunft gibt; man muss aber doch wis­sen, wo­hin man fährt. Wie kann, fra­ge ich, ein drit­ter Brief an Sie ge­lan­gen, weil wir uns auf ho­her See be­fin­den! Auf Grön­land muss der Post­dienst et­was zu wün­schen üb­rig las­sen. Se­hen Sie, Shan­don, ich den­ke mir, die­ser Schalk war­tet auf uns an ei­nem dä­ni­schen Plat­ze, zu Hol­stein­borg oder Up­per­na­wick; dort wird er zu sei­ner La­dung noch Rob­ben­fel­le, Schlit­ten und Hun­de kau­fen, kurz alle Gerät­schaf­ten, wel­che für eine Rei­se in das nörd­li­che Eis­meer nö­tig sind. Es wird mich da­her we­nig über­ra­schen, wenn wir ihn ei­nes schö­nen Mor­gens aus sei­ner Ka­bi­ne her­aus­kom­men und das Kom­man­do auf eine durch­aus nicht über­na­tür­li­che Wei­se füh­ren se­hen.«

Sonntagsfeier an Bord

»Mög­lich«, er­wi­der­te Shan­don tro­cken; »aber in­zwi­schen weht fri­scher Wind, und es ist nicht klug, zu sol­cher Zeit sei­ne Mas­ten ei­ner Ge­fahr aus­zu­set­zen.«

Shan­don ver­ließ den Dok­tor und gab Be­fehl, die ho­hen Se­gel auf­zu­gei­en.

»Es hält«, sag­te der Dok­tor zum Rüst­meis­ter.

»Ja«, er­wi­der­te letz­te­rer, »und das ist zu be­dau­ern, denn Sie könn­ten wohl recht ha­ben, Herr Cla­w­bon­ny.«

Am Sams­tag ge­gen Abend fuhr der For­ward am Vor­ge­bir­ge Gal­lo­way vor­über, des­sen Leucht­turm nord­öst­lich be­merk­lich ward; wäh­rend der Nacht ließ man das Vor­ge­bir­ge Can­ty­re im Nor­den und Kap Fair im Os­ten der Küs­te Ir­lands. Ge­gen drei Uhr früh lief die Brigg ne­ben der In­sel Rath­lin vor­bei aus dem Nord-Kanal in den Ozean.


Es war Sonn­tag, der 8. April; die Eng­län­der, be­son­ders die Ma­tro­sen, fei­ern die­sen Tag streng; da­her wid­me­te man einen Teil des Vor­mit­tags dem Vor­le­sen der Bi­bel, wel­ches der Dok­tor gern vor­nahm.

 

Der Wind wur­de dar­auf zum Or­kan, wel­cher die Brigg an die ir­län­di­sche Küs­te zu­rück­zu­wer­fen droh­te; die Wel­len wur­den stark, und das Schwan­ken des Schif­fes arg. Der Dok­tor spür­te nichts von der See­krank­heit, weil er nicht woll­te. Um Mit­tag ver­schwand im Sü­den Kap Mal­in­head, das letz­te Stück von Eu­ro­pa, wel­ches die küh­nen See­leu­te er­bli­cken soll­ten.

Man be­fand sich da­mals un­ter 55° 57' Brei­te und 70° 40' Län­ge.


Ge­gen neun Uhr abends leg­te sich der Sturm, und der For­ward blieb als gu­ter Seg­ler in nord­west­li­cher Rich­tung; er war nach dem Ur­teil der Ken­ner zu Li­ver­pool vor­zugs­wei­se Se­gel­schiff.

Wäh­rend der fol­gen­den Tage kam der For­ward rasch nord­wärts vor­an; der Wind schlug um in Süd, und das Meer ging ge­wal­tig hohl; die Brigg fuhr da­mals mit vol­len Se­geln. Ei­ni­ge Sturm­vö­gel flat­ter­ten über dem Hin­ter­ver­deck; der Dok­tor war so glück­lich, einen der letz­te­ren zu schie­ßen, und der­sel­be fiel an Bord. Er ver­stand es auch den­sel­ben schmack­haft zu­zu­be­rei­ten, in­dem er zu­erst al­les un­ter der Haut lie­gen­de Fett ab­lös­te, so­dass der ran­zi­ge Ge­schmack, wel­cher den See­vö­geln mit­un­ter ei­gen ist, völ­lig be­sei­tigt wur­de.

Wäh­rend des letz­ten Stur­mes hat­te Richard Shan­don Ge­le­gen­heit, sich von den Vor­zü­gen sei­ner Leu­te be­son­ders zu über­zeu­gen.

Ja­mes Wall, der Richard höchst er­ge­ben war, fass­te gut auf, ver­stand gut aus­zu­füh­ren, aber es moch­te ihm am selbst­stän­di­gen Auf­tre­ten feh­len; in ei­ner Stel­lung drit­ten Ran­ges war sein Platz.

John­son, ein er­fah­re­ner See­mann, er­graut in Fahr­ten nach dem Eis­meer, war an Kalt­blü­tig­keit und Kühn­heit un­über­treff­lich.

Der Har­pu­nier Simp­son und der Zim­mer­mann Bell wa­ren zu­ver­läs­si­ge Leu­te, an stren­ge Dis­zi­plin und Pf­licht­er­fül­lung ge­wöhnt. Der Eis­meis­ter Fo­ker, im See­dienst er­fah­ren, in John­sons Schu­le ge­bil­det, ver­sprach die treff­lichs­ten Diens­te zu leis­ten.


Von den üb­ri­gen Ma­tro­sen schie­nen Gar­ry und Bol­ton die bes­ten zu sein: Bol­ton, ein lus­ti­ger Ge­sel­le, mun­ter und red­se­lig; Gar­ry, ein Jung­ge­sel­le von fünf­und­drei­ßig Jah­ren, ener­gi­schen Ge­sichts­zü­gen, doch et­was blass und trau­rig.

Die drei Ma­tro­sen Clif­ton, Grip­per und Pen schie­nen we­ni­ger eif­rig und we­ni­ger ent­schlos­sen; sie murr­ten gern. Grip­per wäre bei der Ab­fahrt selbst den Dienst wie­der auf­zu­ge­ben ge­neigt ge­we­sen, hät­te ihn nicht ei­ni­ges Scham­ge­fühl ge­hal­ten. Ging es gut, wa­ren nicht all­zu viel Ge­fah­ren zu be­ste­hen oder Ma­nö­ver aus­zu­füh­ren, so konn­te man auf die­se drei Män­ner bau­en; aber man muss­te sie tüch­tig näh­ren. Trotz der Vor­schrift fiel ih­nen die Ent­halt­sam­keit schwer, und bei der Mahl­zeit ver­miss­ten sie den Brannt­wein oder Gin; sie ent­schä­dig­ten sich je­doch an Kaf­fee oder Tee, wel­che reich­lich an Bord ge­spen­det wur­den.


Die bei­den Ma­schi­nis­ten, Br­un­ton und Plover, und der Hei­zer Wa­ren wa­ren zu­frie­den, dass sie bis jetzt die Arme kreuz­ten. Shan­don wuss­te also, wie er mit je­dem dran war.

Am 14. April durch­schnitt der For­ward den großen Golf­strom, wel­cher, nach­dem er ent­lang der Ost­küs­te Ame­ri­kas bis zur Bank New-Found­lands nord­wärts ge­flos­sen, sich nord­öst­lich dem Ge­sta­de Nor­we­gens zu­wen­det. Man be­fand sich da­mals un­ter 51° 37' Brei­te und 22° 58' Län­ge, zwei­hun­dert Mei­len von der Spit­ze Grön­lands ab. Das Wet­ter wur­de käl­ter; das Ther­mo­me­ter fiel auf 0° des hun­dert­tei­li­gen, d. h. den Ge­frier­punkt.


Der Dok­tor hat­te noch nicht sei­ne Po­lar­win­ter­klei­dung an­ge­zo­gen, son­dern sein See­manns­ko­stüm, gleich den Ma­tro­sen und Of­fi­zie­ren. Es war eine Lust, ihn zu se­hen, wie er ganz in den ho­hen Stie­feln steck­te, mit sei­nem großen Hut von Wachs­lein­wand, Ho­sen und Ja­cke von glei­chem Stoff; durch die star­ken Re­gen und großen Wel­len, wel­che die Brigg über­schüt­te­ten, be­kam der Dok­tor das Aus­se­hen ei­nes See­tie­res, wor­auf er sich et­was ein­bil­de­te.


Zwei Tage lang war das Meer äu­ßerst un­ru­hig; der Wind schlug um nord­west­lich und hemm­te die Fahrt des For­ward. Vom 14. bis 16. April ging die See sehr hohl; aber am Mon­tag er­folg­te ein hef­ti­ger Platz­re­gen, der das Meer fast au­gen­blick­lich be­ru­hig­te. Shan­don mach­te den Dok­tor auf die­se ei­gen­tüm­li­che Er­schei­nung auf­merk­sam.

»Ei«, er­wi­der­te letz­te­rer, »dies be­stä­tigt die merk­wür­di­gen Beo­b­ach­tun­gen des Wal­fisch­fah­rers Sco­res­by, wel­cher Mit­glied der kö­nig­li­chen Ge­sell­schaft zu Edin­bur­gh ist. Sie se­hen, dass wäh­rend des Re­gens die Wel­len we­nig merk­bar sind, selbst bei hef­ti­gem Wind; da­ge­gen bei tro­ckenem Wet­ter wür­de die See auch bei min­der star­kem Wind mehr auf­ge­regt sein.«

»Aber, wie er­klärt man die­se Er­schei­nung, Dok­tor?«

»Sehr ein­fach, man er­klärt sie nicht.«

In die­sem Au­gen­bli­cke mach­te der Eis­meis­ter auf eine rechts vom Bord, etwa fünf­zehn Mei­len un­term Wind, schwim­men­de Mas­se auf­merk­sam.

»Ein Eis­berg in die­sen Stri­chen!« sag­te der Dok­tor.

Shan­don rich­te­te sein Fern­rohr nach der be­zeich­ne­ten Stel­le und be­stä­tig­te die An­ga­be des Pi­lo­ten.

»Das ist merk­wür­dig!« sag­te der Dok­tor.

»Dar­über stau­nen Sie?« sag­te der Kom­man­dant la­chend. »Soll­ten wir so glück­lich sein, auf et­was zu sto­ßen, das Sie in Er­stau­nen ver­setzt?«

»Es ist mir auf­fal­lend, ohne dass es mich in Stau­nen ver­setz­te«, er­wi­der­te lä­chelnd der Dok­tor, »denn die Brigg Ann de Poo­le aus Green­s­pond blieb im Jah­re 1813 un­term vierund­vier­zigs­ten Gra­de nörd­li­cher Brei­te in wah­ren Eis­fel­dern ste­cken, und ihr Ka­pi­tän Daye­ment zähl­te die Blö­cke nach Hun­der­ten!«

»Gut!« sag­te Shan­don. »Sie kön­nen uns noch dazu be­leh­ren!«

»Oh! Das will noch we­nig hei­ßen«, er­wi­der­te be­schei­den der lie­bens­wür­di­ge Cla­w­bon­ny, »ist man ja un­ter noch weit nie­de­ren Brei­ten­gra­den auf Eis­ber­ge ge­sto­ßen.«


»Da­mit sa­gen Sie mir nichts Neu­es, lie­ber Dok­tor. Als ich Schiffs­jun­ge an Bord der Kriegs­kor­vet­te Fly war …«

»Im Jah­re 1818«, fuhr der Dok­tor fort, »zu Ende März, oder auch April sind Sie un­term zwei­und­vier­zigs­ten Brei­ten­grad zwi­schen zwei große schwim­men­de Eis­in­seln ge­ra­ten.«

»Ah! Das ist zu arg!« rief Shan­don aus.

»Aber ’s ist wahr; ich brau­che also nicht in Stau­nen zu ge­ra­ten, wenn uns zwei Grad wei­ter nörd­lich ein schwim­men­der Eis­berg auf­stößt.«

»Sie sind wie ein Brun­nen, Dok­tor«, er­wi­der­te der Kom­man­dant, »aus dem man nur zu schöp­fen braucht.«

»Gut! Ich wer­de ra­scher seicht wer­den, als Sie sich den­ken, und jetzt, kön­nen wir die Er­schei­nung nä­her an­se­hen, Shan­don, so wür­de mir es eine große Freu­de sein.«

»So­gleich, John­son«, sag­te Shan­don zu sei­nem Rüst­meis­ter, »der Wind wird, scheint es, stär­ker.«

»Ja, Kom­man­dant«, er­wi­der­te John­son; »wir ge­win­nen je­doch we­nig, und die Strö­mung der Da­vis-Stra­ße wird sich bald fühl­bar ma­chen.«

»Sie ha­ben recht, John­son, und wenn wir am 20. April das Kap Fa­re­well in Sicht ha­ben wol­len, müs­sen wir mit Dampf fah­ren, oder wir wer­den an die Küs­te von La­b­ra­dor ge­trie­ben. Herr Wall, wol­len Sie also Be­fehl zum Hei­zen er­tei­len.«

Die­ser Be­fehl wur­de aus­ge­führt; nach ei­ner Stun­de hat­te der Dampf schon hin­rei­chen­de Treib­kraft; die Se­gel wur­den be­schla­gen, und die Schrau­be trieb den For­ward kräf­tig dem Nord­west ent­ge­gen.

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