Die Abenteuer des Kapitän Hatteras

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End­lich war die Mann­schaft, teils durch das Fort­zie­hen des Schif­fes längs der Eis­fel­der, teils durch das Fern­hal­ten dro­hen­der Blö­cke ver­mit­tels lan­ger Stan­gen, vor Er­mü­dung fast er­schöpft, und doch war Frei­tag, den 27. April, der For­ward noch auf der Li­nie des Po­lar­krei­ses zu­rück­ge­hal­ten.

Achtes Kapitel – Gespräche der Mannschaft

In­zwi­schen ge­lang es der For­ward, in­dem er ge­schickt in den Fahr­was­sern durch­g­litt, ei­ni­ge Mi­nu­ten wei­ter nörd­lich zu drin­gen; aber an­statt dem Feind aus­zu­wei­chen, muss­te man bald ihn an­grei­fen; Eis­fel­der von meh­re­ren Mei­len Um­fang wa­ren im An­zu­ge, und da die­se Mas­sen in Be­we­gung oft einen Druck von mehr als zehn Mil­lio­nen Ton­nen dar­stel­len, so muss­te man sich sorg­fäl­tig hü­ten, nicht er­drückt zu wer­den. Es wur­den da­her im In­nern des Schif­fes Eis­sä­gen her­ge­rich­tet, der­ge­stalt, dass sie un­ver­züg­lich in An­wen­dung ge­bracht wer­den konn­ten.

Ein Teil der Mann­schaft ließ sich die­se har­ten Ar­bei­ten phi­lo­so­phisch ge­fal­len, aber an­de­re be­klag­ten sich oder woll­ten gar den Ge­hor­sam ver­wei­gern. Als man zur Her­rich­tung der In­stru­men­te schritt, tausch­ten Gar­ry, Bol­ton, Pen und Grip­per ihre ver­schie­de­nen An­sich­ten.

»Beim Teu­fel!« sag­te mun­ter Bol­ton. »Es kommt mir, ich weiß nicht wie, der Ge­dan­ke, dass es in Wa­ter­street eine hüb­sche Schen­ke gibt, wo man zwi­schen ei­nem Glas Gin und ei­ner Fla­sche Por­ter nicht übel bei­sam­men sitzt. Du siehst das von hier aus, Grip­per?«

»Die Wahr­heit zu sa­gen«, ent­geg­ne­te der Ma­tro­se, der im All­ge­mei­nen meist üb­ler Lau­ne war, »ich ver­si­che­re dich, dass ich das von hier aus nicht sehe.«

»Es ist nur eine Re­dens­art, Grip­per; es ist wohl klar, dass es in den Schnee­städ­ten, wel­che Herr Cla­w­bon­ny be­wun­dert, nicht das kleins­te Wirts­haus gibt, worin ein bra­ver Ma­tro­se sich mit ei­ni­gen Gläs­chen Brannt­wein er­qui­cken könn­te.«

»Dar­über kannst du wohl si­cher sein, Bol­ton; und du könn­test wohl noch bei­fü­gen, dass man nicht ein­mal hier sich ge­hö­rig er­qui­cken kann. Eine son­der­ba­re Idee, den in den Nord­mee­ren Rei­sen­den je­den geis­ti­gen Trunk zu ver­sa­gen!«

»Schön!« er­wi­der­te Gar­ry. »Hast du denn ver­ges­sen, Grip­per, was dir der Dok­tor ge­sagt hat? Man muss sich je­des auf­re­gen­den Ge­trän­kes ent­hal­ten, wenn man dem Skor­but wi­der­ste­hen, sich ge­sund hal­ten und weit fah­ren will.«

»Aber ich be­geh­re nicht weit zu fah­ren, Gar­ry, und ich fin­de, dass es schon et­was Schö­nes ist, bis hier­her ge­kom­men zu sein, dann kann man sich wei­gern da­hin vor­zu­drin­gen, wo­hin der Teu­fel nicht lei­den mag, dass man drin­ge.«

»Ei nun, man wird es auch nicht tun«, ver­setz­te Pen. »Wenn ich den­ke, dass ich schon ver­ges­sen habe, wie der Gin schmeckt!«

»Aber«, sag­te Bol­ton, »er­in­ne­re dich doch, was der Dok­tor ge­sagt hat.«

»Oh!« ent­geg­ne­te Pen mit sei­ner gro­ben, bru­ta­len Stim­me. »Wer weiß, ob man nicht un­term Vor­wand der Ge­sund­heit sich ein­fal­len lässt, den Trank zu spa­ren?«

»Die­ser Teu­fel von Pen hat viel­leicht recht«, er­wi­der­te Grip­per.

»Geht doch!« ver­setz­te Bol­ton. »Da­für ist sei­ne Nase zu rot; und wenn Pen bei ei­ner Fahrt un­ter sol­cher Zucht ein we­nig von sei­ner Far­be ver­liert, so wird er es nicht zu be­kla­gen ha­ben.«

»Was geht mei­ne Nase dich an?« er­wi­der­te barsch der Ma­tro­se, der sich an wun­der Stel­le ge­trof­fen fühl­te. »Mei­ne Nase be­darf dei­nen Rat nicht, be­gehrt ihn nicht; küm­me­re dich doch um das, was dich an­geht!«

»Nun! Wer­de doch nicht böse, Pen, ich glaub­te nicht, dass du eine so emp­find­li­che Nase hast. Oh! Ich bin auch kein Veräch­ter ei­nes Gläs­chens Whis­ky, zu­mal bei sol­cher Käl­te; aber, wenn es schließ­lich mehr scha­det als nützt, so lass ich es auch ger­ne.«

»Du magst es las­sen«, sag­te der Hei­zer Wa­ren, der sich in das Ge­spräch misch­te; »ei, das tut wohl nicht je­der an­de­re!«

»Was meinst du da­mit, Wa­ren?« ver­setz­te Gar­ry, und sah ihm fest ins Ge­sicht.

»Ich mei­ne da­mit, dass es aus die­sem oder je­nem Grun­de Li­kör an Bord gibt, und den­ke mir, dass man da­hin­ten ihm sich nicht ganz ent­zieht.«

»Und was weißt du da­von?« frag­te Gar­ry.

Wa­ren wuss­te nichts zu ant­wor­ten.

»Du siehst wohl, Gar­ry«, fuhr Bol­ton fort, »dass Wa­ren nichts da­von weiß.«

»Nun«, sag­te Pen, »wir wol­len vom Kom­man­dan­ten eine Ra­ti­on Gin ver­lan­gen; wir ha­ben es wohl ver­dient, und da wer­den wir se­hen, was er ant­wor­ten wird.«

»Ich rate euch, so et­was nicht zu tun«, er­wi­der­te Gar­ry.

»Und wes­halb?« schri­en Pen und Grip­per.

»Weil der Kom­man­dant es euch ab­schla­gen wird. Ihr wuss­tet ja, als ihr mit in See gingt, die Schiffs­ord­nung; da­mals muss­tet ihr euch dar­über be­sin­nen.«

»Üb­ri­gens«, er­wi­der­te Bol­ton, der sich gern auf Gar­rys Sei­te stell­te, des­sen Cha­rak­ter ihm ge­fiel, – »Richard Shan­don ist ja nicht Herr an Bord; er hat zu ge­hor­chen, wie wir.«

»Und wem denn?« frag­te Pen.

»Dem Ka­pi­tän.«

»Ah! Im­mer der lei­di­ge Ka­pi­tän!« schrie Pen. »Und seht ihr nicht, dass es eben­so­we­nig einen Ka­pi­tän an Bord gibt als ein Wirts­haus auf die­sen Eis­bän­ken? Auf die­se Art will man uns nur höf­lich ver­wei­gern, was wir zu for­dern be­rech­tigt sind.«

»Ja doch, es gibt einen Ka­pi­tän«, ver­setz­te Bol­ton; »und ich woll­te um zwei Mo­na­te Sold wet­ten, dass wir ihn bald zu se­hen be­kom­men wer­den.«

»Gut«, sag­te Pen, »dem woll­te ich schon ein paar Wor­te ins An­ge­sicht sa­gen!«

»Wer re­det vom Ka­pi­tän?« frag­te ein an­de­rer der An­we­sen­den, der Ma­tro­se, der et­was aber­gläu­bisch war.

»Weiß man et­was Neu­es über den Ka­pi­tän?« frag­te er.

»Nein«, war die ein­stim­mi­ge Ant­wort.

»Nun, ich ver­se­he mich, dass wir ihn ei­nes schö­nen Mor­gens in sei­ner Ka­bi­ne zu Hau­se fin­den, ohne dass je­mand wüss­te, wie oder wo­her er an­ge­kom­men sei.«

»Geh doch!« er­wi­der­te Bol­ton. »Du meinst, Clif­ton, der Schelm sei so ein Ko­bold, wie sie in Hoch­schott­land um­ge­hen!«

»La­che, so viel du willst, Bol­ton; das än­dert mei­ne Mei­nung nicht. Tag­täg­lich, wenn ich vor der Ka­bi­ne vor­über­ge­he, schaue ich durch das Schlüs­sel­loch, und ei­nes schö­nen Mor­gens wer­de ich euch er­zäh­len, wem die­ser Ka­pi­tän gleicht und wie er aus­sieht.«

»Ei! Beim Teu­fel«, sag­te Pen, »dein Ka­pi­tän wird aus­se­hen wie alle an­de­ren Leu­te! Und wenn es ein Schelm ist, der uns an­füh­ren will, wo­hin wir nicht mö­gen, wird man ihm sa­gen, was sich ge­hört.«

»Schön!« sag­te Bol­ton. »Der Pen will schon mit ihm zan­ken und kennt ihn noch nicht!«

»Wer kennt ihn nicht?« ent­geg­ne­te Clif­ton wie ei­ner, der da­von zu ezäh­len weiß!

»Was Teu­fel meinst du da­mit?« frag­te Grip­per.

»Ich ver­ste­he mich dar­auf.«

»Aber wir ver­ste­hen dich nicht!«

»Ah! Hat nicht Pen schon Unan­nehm­lich­kei­ten mit ihm ge­habt?«

»Mit dem Ka­pi­tän?«

»Ja, dem Ka­pi­tän Hund, denn es ist ganz das näm­li­che.«

Die Ma­tro­sen sa­hen sich ein­an­der an, ohne dass sie zu ant­wor­ten wag­ten.

»Mensch oder Hund«, brumm­te Pen zwi­schen den Zäh­nen, »ich ver­si­che­re euch, dem Tier wird ein­mal wi­der­fah­ren, was ihm ge­bührt.«

»Seht doch, Clif­ton«, frag­te Bol­ton ernst­lich, »meinst du, wie John­son scher­zend ge­sagt hat, die­ser Hund sei der wah­re Ka­pi­tän?«

»Ge­wiss«, er­wi­der­te Clif­ton mit Über­zeu­gung; »und ver­stän­det ihr zu be­ob­ach­ten wie ich, so wür­det ihr schon das selt­sa­me Be­neh­men des Tie­res wahr­ge­nom­men ha­ben.«

»Wel­ches? Lass hö­ren, rede!«

»Habt ihr nicht ge­se­hen, wie er auf dem Hin­ter­ver­deck ein­her­spa­ziert mit ei­ner Amts­mie­ne, und be­sieht sich das Se­gel­werk des Schif­fes, als ge­hö­re er zur Wa­che?«

»Ja, so ist’s«, sag­te Grip­per; »und so­gar habe ich ihn ei­nes Abends über­rascht, wie er die Pfo­ten am Steu­er­ru­der hat­te.«

»Nicht mög­lich!« sag­te Bol­ton.

»Und jetzt«, fuhr Clif­ton fort, »ver­lässt er so­gar nachts das Schiff, um auf den Eis­fel­dern zu wan­deln, ohne sich we­der um Bä­ren noch um die Käl­te zu küm­mern.«

Kapitän Hund

»Ganz rich­tig, so ist’s«, sag­te Bol­ton.

»Seht ihr, wie das Tier als ein bra­ver Hund die Ge­sell­schaft der Men­schen sucht, um die Kü­che her­um­schleicht, und blickt mit zärt­li­chen Au­gen nach Meis­ter Strong, wenn er dem Kom­man­dan­ten einen gu­ten Bis­sen über­bringt? Hört ihr ihn nicht, wenn er nachts zwei bis drei Mei­len vom Schiff sich ent­fernt und heult, dass es ei­nem kalt über den Rücken läuft? End­lich, habt ihr je­mals ge­se­hen, wie das Tier sei­ne Nah­rung zu sich nimmt? Er nimmt nichts per­sön­lich; sein Fres­sen ist stets un­be­rührt; und so­fern nicht eine ge­hei­me Hand ihn nährt, darf ich sa­gen, das Tier lebe, ohne zu es­sen. Nun, wenn das nicht fan­tas­tisch ist, bin ich nur ein Stück Vieh.«

»Mei­ner Treu«, er­wi­der­te der Zim­mer­mann Bell, wel­cher zu­ge­hört hat­te, »das könn­te wahr­lich der Fall sein!«

»Kurz«, frag­te Bol­ton, »wo­hin fah­ren wir mit dem For­ward?«

»Ich weiß nicht«, er­wi­der­te Bell, »zu ei­ner be­stimm­ten Zeit wird Richard Shan­don die Er­gän­zung sei­ner In­struk­tio­nen er­hal­ten.«

»Aber durch wen?«

»Durch wen?«

»Ja, wie?« sag­te Bol­ton drin­gend.

 

»Nun, Bell, eine Ant­wort!« fie­len die an­de­ren Ma­tro­sen ein.

»Durch wen? Wie? Ja, das weiß ich nicht«, ent­geg­ne­te der Zim­mer­mann.

»Ei! Durch den Ka­pi­tän Hund«, rief Clif­ton. »Er hat ja schon ein­mal durch die­sen einen Brief ge­schickt, so kann er es auch wie­der ma­chen. Wüss­te ich nur die Hälf­te von dem, was das Tier weiß, so wür­de ich zum Lord-Ad­mi­ral tau­gen.«

»Also«, ver­setz­te schließ­lich Bol­ton, »du hältst fest dar­an, dass die­ser Hund der Ka­pi­tän ist?«

»Ja, wie ge­sagt.«

»Nun«, sag­te Pen halb­laut, »wenn das Tier nicht sein Hunds­fell spren­gen und Mensch wer­den will, wer­de ich ihm zu schaf­fen ma­chen.«

»Und wes­halb?« frag­te Gar­ry.

»Weil mir’s be­liebt«, er­wi­der­te Pen bru­tal, »ich habe kei­nem Men­schen dar­über Re­chen­schaft zu ge­ben.«

»Nun ge­nug ge­plau­dert, Kin­der«, rief Meis­ter John­son, und mach­te da­mit zu rech­ter Zeit ei­nem Ge­spräch ein Ende, das eben eine üble Wen­dung nahm. »An die Ar­beit, und rasch die Sä­gen be­reit ge­macht, wir müs­sen durch die Eis­de­cke hin­durch!«

»Gut!« er­wi­der­te Clif­ton mit Ach­sel­zu­cken. »Sie wer­den se­hen, dass man so leicht nicht den Po­lar­kreis über­schrei­tet!«

Wie dem auch sein mag, die An­stren­gun­gen der Mann­schaft wa­ren im Lau­fe die­ses Ta­ges, frei­tags, ohne hin­rei­chen­den Er­folg. Ob­gleich der For­ward mit vol­ler Dampf­kraft wi­der die Eis­ber­ge an­fuhr, ge­lang es ihm nicht, sie zu tren­nen; man muss­te wäh­rend der Nacht sich fes­t­an­kern.

Am Sams­tag wur­de in­fol­ge ei­nes Ost­win­des die Tem­pe­ra­tur noch nied­ri­ger; das Wet­ter hell­te sich auf, und der Blick konn­te weit­hin über die wei­ßen Ebe­nen schwei­fen, wel­che durch den Re­flex der Son­nen­strah­len blen­dend wur­den. Um sie­ben Uhr vor­mit­tags zeig­te das Ther­mo­me­ter acht Grad un­ter Null (-21° hun­dert­tei­lig).


Der Dok­tor war ver­sucht, ru­hig in sei­ner Ka­bi­ne zu blei­ben und Rei­se­be­schrei­bun­gen nach dem Po­lar­meer zu le­sen, aber er frag­te sich, sei­ner Ge­wohn­heit nach, was ihm in die­sem Au­gen­blick am un­an­ge­nehms­ten zu tun sein wür­de. Die Ant­wort war, bei die­sem Käl­te­grad sich auf das Ver­deck zu be­ge­ben und der Mann­schaft zu hel­fen, wäre nicht sehr er­quick­lich. Da­her ver­ließ er, treu an sei­ner Re­gel fest­hal­tend, sei­ne wohl­ge­heiz­te Ka­bi­ne und half mit beim Fort­brin­gen des Schif­fes. Er sah hübsch aus mit sei­ner grü­nen Bril­le, ver­mit­tels wel­cher er sei­ne Au­gen ge­gen den Re­flex der Son­nen­strah­len schütz­te; und bei sei­nen künf­ti­gen Un­ter­su­chun­gen war er stets sorg­fäl­tig mit Schnee­bril­len ver­se­hen, um Au­gen­krank­hei­ten zu ver­mei­den, wel­che un­ter die­sen ho­hen Brei­ten sehr häu­fig vor­kom­men.

Ge­gen Abend war der For­ward ei­ni­ge Mei­len nörd­lich vor­wärts­ge­kom­men, dank der Tä­tig­keit der Leu­te und der Ge­schick­lich­keit Shan­d­ons, der ge­wandt alle güns­ti­gen Um­stän­de zu be­nut­zen wuss­te; um Mit­ter­nacht kam er über den sechs­und­zwan­zigs­ten Brei­ten­grad, und da die Son­de drei­und­zwan­zig El­len Tie­fe er­gab, er­kann­te Shan­don, dass er sich über dem nied­ri­gen Grun­de be­fand, wor­auf die Vic­to­ria sit­zen­ge­blie­ben war. Drei­ßig Mei­len öst­lich war man dem Lan­de nahe.

Nun aber spal­te­te sich die bis­her un­be­weg­li­che Eis­mas­se und setz­te sich in Be­we­gung; die Eis­ber­ge schie­nen auf al­len Sei­ten am Ho­ri­zont auf­zu­wach­sen; die Brigg be­fand sich also zwi­schen ei­ner Rei­he schwim­men­der Klip­pen, wel­che mit un­wi­der­steh­li­cher Ge­walt zer­trüm­mern; die Len­kung ward sehr schwie­rig für Gar­ry, den bes­ten Steue­rer, am Ru­der­stock; die Ber­ge droh­ten sich hin­ter der Brigg wie­der an­ein­an­der­zu­schlie­ßen. Durch die­se Eis­flot­te muss­te man not­wen­dig hin­durch, und Klug­heit wie Pf­licht be­fahl, vor­wärts­zu­drin­gen. Die Schwie­rig­kei­ten wuch­sen noch da­durch, dass es Shan­don un­mög­lich ward, in­mit­ten die­ser wech­seln­den Punk­te, wel­che die Stel­le än­der­ten und kei­ne fes­te Per­spek­ti­ve ge­währ­ten, die Rich­tung des Schif­fes zu be­stim­men.

Die Mann­schaft war in zwei Rei­hen auf der rech­ten und lin­ken Sei­te des Schif­fes ver­teilt; je­der der­sel­ben hat­te eine lan­ge Stan­ge mit ei­ser­ner Spit­ze, um die all­zu be­droh­li­chen Eis­blö­cke zu­rück­zu­sto­ßen. Bald ge­riet der For­ward in eine so enge Gas­se zwi­schen zwei ho­hen Blö­cken, dass die En­den sei­ner Sten­gen1 an den Wän­den rie­ben, die so hart wie Fel­sen wa­ren; all­mäh­lich be­fand er sich mit­ten in ei­nem ge­wun­de­nen Tal voll wir­beln­dem Schnee­ge­stö­ber, wäh­rend die schwim­men­den Eis­blö­cke wi­der­ein­an­der stie­ßen und mit un­heim­li­chem Kra­chen zer­brö­ckel­ten.


Aber bald stell­te sich’s her­aus, dass die­se Gas­se ohne Aus­gang war; ein enor­mer Block, der in die­se Enge ge­ra­ten war, trieb rasch auf den For­ward zu; ihm aus­zu­wei­chen schi­en un­mög­lich, und eben­so un­mög­lich auf ei­nem be­reits ver­sperr­ten Weg rück­wärts zu fah­ren.

Shan­don und John­son er­wo­gen, vorn auf der Brigg ste­hend, ihre Lage. Der ers­te­re gab mit der rech­ten Hand dem Steue­rer die Rich­tung an, wel­che zu neh­men war, und mit der Lin­ken ließ er dem ne­ben dem In­ge­nieur ste­hen­den Ja­mes Wall sei­ne Be­feh­le für Lei­tung der Ma­schi­ne zu­ge­hen.

»Wie wird das en­den?« frag­te der Dok­tor John­son.

»Wie es Gott fügt«, er­wi­der­te der Rüst­meis­ter.

Der hun­dert Fuß hohe Eis­block war nur noch eine Ka­bel­län­ge von der For­ward ent­fernt und droh­te ihn zu zer­brö­ckeln.

»Don­ner und Teu­fel!« fluch­te Pen.

»Stil­le!« rief eine Stim­me, die man im Sturm nicht zu er­ken­nen ver­moch­te.

Der Block schi­en auf die Brigg stür­zen zu wol­len, und es ent­stand einen Au­gen­blick un­be­schreib­li­che Angst; die Män­ner lie­ßen ihre Stan­gen und flüch­te­ten trotz der Be­feh­le Shan­d­ons aufs Hin­ter­teil.

Plötz­lich ver­nahm man ein er­schreck­li­ches Ge­tö­se; eine wirk­li­che Trom­be2 fiel auf das Ver­deck des Schif­fes, das von ei­ner un­ge­heu­ren Woge em­por­ge­ho­ben wur­de. Die Mann­schaft stieß einen Schrei des Ent­set­zens aus, wäh­rend Gar­ry am Steu­er den For­ward trotz sei­nem er­schreck­li­chen Gie­ren in gu­ter Rich­tung hielt.


Und als nun die er­schro­cke­nen Bli­cke sich auf den Eis­berg rich­te­ten, war die­ser ver­schwun­den; die Fahrt war frei, und es war der Brigg über ei­nem lan­gen, von schie­fen Son­nen­strah­len er­hell­ten Kanal hin­aus wei­ter­zu­fah­ren ge­stat­tet.

»Nun, Herr Cla­w­bon­ny«, sag­te John­son, »kön­nen Sie die­se Er­schei­nung er­klä­ren?«

»Es ist eine sehr ein­fa­che Sa­che, Freund«, er­wi­der­te der Dok­tor, »und die oft vor­kommt. Wenn zur­zeit des Tau­wet­ters die­se schwim­men­den Mas­sen sich von­ein­an­der lö­sen, trei­ben sie iso­liert und in völ­li­gem Gleich­ge­wicht; aber all­mäh­lich, wenn sie süd­li­cher in ein ver­hält­nis­mä­ßig wär­me­res Was­ser kom­men, fängt ihre durch das An­sto­ßen an an­de­re Blö­cke be­reits er­schüt­ter­te Ba­sis an zu schmel­zen, schwä­cher zu wer­den; es kommt da­her ein Mo­ment, wo der Schwer­punkt die­ser Mas­sen sich än­dert, dann pur­zeln sie zu­sam­men. Wenn nun die­ser Eis­berg zwei Mi­nu­ten spä­ter ge­stürzt wäre, so wäre er über die Brigg ge­fal­len und hät­te sie im Fal­len zer­schmet­tert.«

1 Spen­ge: Ver­län­ge­rung des Mas­tes <<<

2 Eine be­stimm­te Art von Wir­bel­stür­men. <<<

Neuntes Kapitel – Eine Neuigkeit

End­lich war man über den Po­lar­kreis hin­aus; der For­ward fuhr am 30. April zu Mit­tag vor Hol­stein­borg vor­über; ma­le­ri­sche Ge­bir­ge er­ho­ben sich am öst­li­chen Ho­ri­zont. Das Meer schi­en, so­zu­sa­gen, frei von Eis, oder viel­mehr man konn­te den Eis­blö­cken leicht aus­wei­chen. Der Wind schlug um in Süd-Ost und die Brigg fuhr mit vol­len Se­geln das Baf­fins-Meer hin­ein.

Die­ser Tag war ganz be­son­ders ru­hig und die Mann­schaft konn­te sich ein we­nig er­ho­len; zahl­rei­che Vö­gel schwam­men und flat­ter­ten um das Schiff her­um.

An die­sem Tag be­gab sich an Bord ein ganz au­ßer­or­dent­li­ches Er­eig­nis.

Als Richard Shan­don um sechs Uhr früh von sei­ner Wa­che zu­rück in sei­ne Ka­bi­ne kam, fand er auf sei­nem Tisch einen Brief mit der Auf­schrift:

»An den Kom­man­dan­ten Richard Shan­don an Bord der For­ward, Baf­fins-Meer.«

Shan­don konn­te sei­nen Au­gen nicht trau­en; aber be­vor er von die­ser auf­fal­len­den Kor­re­spon­denz Kennt­nis nahm, ließ er den Dok­tor, Ja­mes Wall und den Rüst­meis­ter ru­fen und zeig­te ih­nen den­sel­ben.


»Das wird et­was ganz Be­son­de­res«, sag­te John­son.

»Das ist rei­zend!« dach­te der Dok­tor.

»Schließ­lich«, rief Shan­don, »wer­den wir doch das Ge­heim­nis er­fah­ren …«

Er zer­riss rasch den Um­schlag und las wie folgt:

»Kom­man­dant!

Der Ka­pi­tän der For­ward ist zu­frie­den mit der Kalt­blü­tig­keit, Ge­schick­lich­keit und dem Mut, wel­chen Sie mit Ihren Of­fi­zie­ren und Ih­rer Mann­schaft un­ter den letz­ten Um­stän­den ge­zeigt ha­ben; er bit­tet Sie, der Mann­schaft sei­nen Dank da­für aus­zu­spre­chen.

Wen­den Sie sich nun ge­ra­de nörd­lich zur Bai Mel­ville, und von da aus be­mü­hen Sie sich in die Stra­ße Smith zu drin­gen.

Der Ka­pi­tän des For­ward.

K. Z.

Mon­tag, den 30. April, dem Kap Wal­sin­g­ham ge­gen­über.«

»Und nichts wei­ter?« rief der Dok­tor.

»Nichts wei­ter«, er­wi­der­te Shan­don.

Der Brief fiel ihm aus der Hand.

»Ei!« sag­te Wall. »Die­ser ein­ge­bil­de­te Ka­pi­tän spricht kein Wort mehr da­von, an Bord zu kom­men; ich schlie­ße dar­aus, dass er nie kom­men wird.«

»Aber«, sag­te John­son, »wie ist denn die­ser Brief an­ge­kom­men?«

Shan­don schwieg.

»Herr Wall hat recht«, er­wi­der­te der Dok­tor, der den Brief auf­hob und um und her­um dreh­te; »der Ka­pi­tän wird nicht mehr an Bord kom­men aus treff­li­chem Grund …«

»Und aus wel­chem?« frag­te Shan­don leb­haft.

»Weil er be­reits da ist«, er­wi­der­te ein­fach der Dok­tor.

»Be­reits!« rief Shan­don. »Was mei­nen Sie da­mit?«

»Wie ist sonst zu er­klä­ren, dass die­ser Brief kam?«

John­son schüt­tel­te den Kopf zum Zei­chen der Bei­stim­mung.

»Nicht mög­lich!« ver­setz­te Shan­don nach­drück­lich. »Ich ken­ne je­den ein­zel­nen Mann an Bord; man müss­te denn an­neh­men, der Ka­pi­tän be­fin­de sich seit der Ab­fahrt des Schif­fes un­ter den­sel­ben? Das ist nicht mög­lich, sag’ ich Ih­nen! Es ist kein ein­zi­ger dar­un­ter, den ich nicht seit län­ger als zwei Jah­ren hun­dert­mal zu Li­ver­pool ge­se­hen hät­te; Ihre Ver­mu­tung, Dok­tor, darf man nicht gel­ten las­sen!«

»Was las­sen Sie also gel­ten, Shan­don?«

»Al­les, dies aus­ge­nom­men. Ich neh­me an, dass der Ka­pi­tän oder ein Mann, der ihn ver­tritt – was weiß ich? – die Dun­kel­heit, den Ne­bel be­nut­zen konn­te, um im Stil­len an Bord zu kom­men; wir sind nicht weit vom Land ent­fernt; die Es­ki­mos ha­ben Ka­jaks, die un­be­merkt zwi­schen den Eis­blö­cken durch­fah­ren; es war dem­nach mög­lich, dass je­mand bis zum Schiff kam und die­sen Brief ein­hän­dig­te … der Ne­bel war ziem­lich stark, um den Plan aus­zu­füh­ren …«

»Und auch um zu hin­dern, dass man die Brigg sah«, er­wi­der­te der Dok­tor; »ha­ben wir nicht ge­se­hen, wie ein Frem­der sich an Bord schlich, wie hät­te die­ser im dich­ten Ne­bel den For­ward er­ken­nen kön­nen?«

»Das ist son­nen­klar«, sag­te John­son.

»Ich kom­me also auf mei­ne Hy­po­the­se zu­rück«, sag­te der Dok­tor. »Was mei­nen Sie, Shan­don?«

»Al­les was Sie wol­len«, er­wi­der­te Shan­don hit­zig, »nur nicht, dass die­ser Mann sich an mei­nem Bord be­fin­de.«

 

»Vi­el­leicht«, füg­te Wall bei, »be­fin­det sich un­ter der Be­man­nung ei­ner, der von ihm sei­ne In­struk­tio­nen er­hal­ten hat?«

»Vi­el­leicht«, sag­te der Dok­tor.

»Aber wer soll­te das sein?« frag­te Shan­don. »Ich ken­ne alle mei­ne Leu­te, sag’ ich Ih­nen, und von lan­ge her.«

»Je­den­falls«, fuhr John­son fort, »wenn die­ser Ka­pi­tän er­scheint, Mensch oder Teu­fel, wird man ihn emp­fan­gen; aber man kann aus die­sem Brief noch wei­te­re Aus­kunft schöp­fen.«

»Und wel­che?« frag­te Shan­don.

»Dass wir näm­lich nicht bloß in die Mel­ville-Bai, son­dern auch in den Smith-Sund fah­ren sol­len.«

»Sie ha­ben recht«, er­wi­der­te der Dok­tor.

»Den Smith-Sund«, ver­setz­te Richard Shan­don me­cha­nisch.

»Es ist also klar«, fuhr John­son fort, »dass der For­ward nicht die Be­stim­mung ha­ben kann, die nord­west­li­che Durch­fahrt zu su­chen, denn wir sol­len den ein­zi­gen Weg da­hin, den Lan­cas­ter-Sund, links las­sen. Daraus ha­ben wir eine schwie­ri­ge Fahrt in die un­be­kann­ten Nord-Mee­re ab­zu­neh­men.«

»Ja, der Smith-Sund«, er­wi­der­te Shan­don, »ist der Weg, wel­chen im Jah­re 1853 der Ame­ri­ka­ner Kane ein­schlug, und mit wel­chen Ge­fah­ren. Lan­ge hielt man ihn für ver­lo­ren in die­ser er­schreck­li­chen Zone! Schließ­lich, weil es vor­ge­schrie­ben ist, wird man in den Sund fah­ren! Aber bis wo­hin? Etwa bis zum Pol?«

»Und warum nicht?« rief der Dok­tor.

Der Rüst­meis­ter zuck­te die Ach­seln.

»End­lich«, fuhr Ja­mes Wall fort, »um auf den Ka­pi­tän zu­rück­zu­kom­men, wenn er exis­tiert, so sehe ich an der Grön­län­di­schen Küs­te nur Dis­ko oder Up­per­na­wik, wo er uns er­war­ten könn­te; in ei­ni­gen Ta­gen wer­den wir also wis­sen, wor­an wir uns zu hal­ten ha­ben.«

»Aber«, frag­te der Dok­tor, »wer­den Sie nicht der Mann­schaft Kennt­nis von die­sem Brief ge­ben?«

»Mit Er­laub­nis des Kom­man­dan­ten«, er­wi­der­te John­son, »ich wür­de es nicht tun.«

»Und wes­halb?« frag­te Shan­don.

»Weil all die­ses Au­ßer­or­dent­li­che, Fan­tas­ti­sche ge­eig­net ist, die Leu­te ein­zu­schüch­tern. Sie sind be­reits sehr in Un­ru­he über das Schick­sal ei­ner so auf­tre­ten­den Ex­pe­di­ti­on. Wenn man sie nun zum Über­na­tür­li­chen hin­drängt, so kann dies schlim­me Fol­gen ha­ben, und wir möch­ten im Mo­ment der Ge­fahr nicht auf sie zäh­len kön­nen. Was sa­gen Sie dazu, Kom­man­dant?«

»Und Sie, Dok­tor, was hal­ten Sie da­von?« frag­te Shan­don.

»Meis­ter John­son«, er­wi­der­te der Dok­tor, »scheint mir ver­stän­dig zu ur­tei­len.«

»Und Sie, Ja­mes?«

»Bes­se­res vor­be­hal­ten«, ver­setz­te Wall, »tre­te ich der Mei­nung die­ser Her­ren bei.«

Shan­don sann ei­ni­ge Au­gen­bli­cke nach, las noch ein­mal acht­sam den Brief.

»Mei­ne Her­ren«, sag­te er, »Ihre An­sicht ist ge­wiss gut, aber ich kann sie nicht tei­len.«

»Und wes­halb, Shan­don?« frag­te der Dok­tor.

»Weil in dem Brief förm­lich vor­ge­schrie­ben ist, die Mann­schaft von sei­ten des Ka­pi­täns zu be­glück­wün­schen; nun hab’ ich bis­her stets blind sei­nen Be­feh­len ge­horcht, in wel­cher Wei­se auch sie mir zu­ge­stellt wur­den, und ich kann nicht …«

»Doch …«, ver­setz­te John­son, der mit Recht um die Wir­kung be­sorgt war, wel­che der­glei­chen Mit­tei­lun­gen auf den Geist der Ma­tro­sen ha­ben wür­den.

»Wa­cke­rer John­son«, ent­geg­ne­te Shan­don, »ich be­grei­fe, dass Sie dar­auf drin­gen, Ihre Grün­de sind vor­treff­lich, aber le­sen Sie:

Er bit­tet Sie, der Mann­schaft sei­nen Dank da­für aus­zu­spre­chen.«

»Nun so ver­fah­ren Sie dem­nach«, fuhr John­son fort, der üb­ri­gens sonst stren­ge den Ge­hor­sam zu wah­ren ver­stand. »Soll man die Mann­schaft auf dem Ver­deck ver­sam­meln?«

»Tun Sie das«, er­wi­der­te Shan­don.

Die Neu­ig­keit von ei­ner Mit­tei­lung des Ka­pi­täns ver­brei­te­te sich au­gen­blick­lich an Bord. Die Ma­tro­sen ka­men un­ver­züg­lich an den Platz für ihre Re­vue, und der Kom­man­dant las laut den ge­heim­nis­vol­len Brief.


Man hör­te mit dump­fem Schwei­gen dem Ver­le­sen zu; die Leu­te ga­ben sich tau­send Ver­mu­tun­gen hin; Clif­ton konn­te sich nun al­len Ab­schwei­fun­gen sei­ner aber­gläu­bi­schen Fan­ta­sie über­las­sen; er schrieb dem Ka­pi­tän Hund sei­nen red­li­chen An­teil da­bei zu und ver­fehl­te nicht ihn zu grü­ßen, als er zu­fäl­lig ihm in den Weg kam. Ein je­der war über­zeugt, dass des Ka­pi­täns Schat­ten oder Geist an Bord wach­te; die Ge­schei­tes­ten hü­te­ten sich von nun an, ihre Ver­mu­tun­gen ge­gen­ein­an­der zu äu­ßern.

Am 1. Mai er­gab die Auf­nah­me zu Mit­tag 68° Brei­te und 56° 32' Län­ge. Die Tem­pe­ra­tur war ge­stie­gen, und das Ther­mo­me­ter zeig­te fünf­und­zwan­zig Grad un­ter Null (-4° hun­dert­tei­lig).

Der Dok­tor hat­te das Ver­gnü­gen zu­zu­schau­en, wie eine wei­ße Bä­rin am Ran­de ei­nes, längs der Küs­te schwim­men­den Eis­blocks mit zwei Jun­gen spiel­te. Er mach­te mit Wall und Simp­son einen Ver­such, in dem Boot Jagd auf sie zu ma­chen; aber das eben nicht kampf­lus­ti­ge Tier schlepp­te rasch sei­ne Jun­gen mit sich fort, und man muss­te auf ihre Ver­fol­gung ver­zich­ten.


Vom Wind be­güns­tigt fuhr man wäh­rend der Nacht ums Kap Chid­ley her­um, und bald sah man am Ho­ri­zont die ho­hen Ber­ge von Dis­ko sich er­he­ben; rechts ließ man die Bai Go­dauhn, wo der Ge­ne­ral­gou­ver­neur der dä­ni­schen Nie­der­las­sun­gen re­si­dier­te. Shan­don hielt nicht für an­ge­mes­sen, sich hier auf­zu­hal­ten, und fuhr an den Pi­ro­guen der Es­ki­mos, wel­che zu ihm zu ge­lan­gen be­müht wa­ren, rasch vor­über.

Die In­sel Dis­ko heißt auch Wal­fi­schin­sel. Von hier aus schrieb am 12. Juli 1815 Sir John Fran­klin zum letz­ten Mal an die Ad­mi­ra­li­tät, und hier leg­te auch, am 29. Au­gust 1859, der Ka­pi­tän Mac Clintock bei sei­ner Rück­kehr an, in­dem er die nur zu si­chern Be­wei­se vom Un­ter­gang die­ser Ex­pe­di­ti­on mit­brach­te.

Bald ver­schwan­den die Hö­hen von Dis­ko vor den Bli­cken.

Es be­fan­den sich da­mals zahl­lo­se Eis­ber­ge an den Küs­ten, wel­che auch das stärks­te Tau­wet­ter nicht los­lö­sen kann; die­se un­un­ter­bro­che­ne Rei­he von Berg­spit­zen zeig­te die selt­sams­ten For­men.

Am fol­gen­den Mor­gen ge­gen drei Uhr ge­wahr­te man nord­öst­lich San­der­son Hope; das Land blieb etwa fünf­zehn Mei­len links lie­gen; die Ber­ge schie­nen röt­lich nuss­braun ge­färbt. Am Abend sah man ei­ni­ge Wal­fi­sche von der Sor­te, wel­che Flos­sen auf dem Rücken ha­ben, mit­ten zwi­schen den Eis­blö­cken sich be­lus­ti­gen.

Wäh­rend der Nacht vom 3. auf den 4. Mai konn­te der Dok­tor zum ers­ten Mal die Son­ne am Ran­de des Ho­ri­zonts strei­fen se­hen, ohne dass ihre leuch­ten­de Schei­be un­ter­tauch­te; seit 31. Ja­nu­ar hat­ten ihre Bahn­krei­se täg­lich zu­ge­nom­men, und es herrsch­te jetzt un­un­ter­bro­che­ne Ta­ges­hel­le.

Für Zuschau­er, die es nicht ge­wohnt sind, ist die­se un­un­ter­bro­che­ne Dau­er des Ta­ges et­was er­staun­lich Merk­wür­di­ges, das selbst be­schwer­lich wird; man kann kaum glau­ben, wie sehr die Dun­kel­heit nö­tig ist; es ver­ur­sach­te dem Dok­tor wirk­li­chen Schmerz, um sich an dies fort­wäh­ren­de Licht zu ge­wöh­nen, wel­ches durch den Re­flex der Strah­len auf den Ei­sebe­nen noch schmerz­haf­ter blen­de­te.


Am 5. Mai fuhr der For­ward über den zwei­und­sieb­zigs­ten Brei­ten­grad. Zwei Mo­na­te spä­ter hät­te er hier zahl­lo­se Wal­fisch­fah­rer ge­trof­fen, wel­che in die­sen ho­hen Stri­chen dem Fisch­fang ob­lie­gen; aber die Stra­ße war noch nicht frei ge­nug, dass die­se Fahr­zeu­ge es wa­gen konn­ten, ins Baf­fins-Meer zu drin­gen.

Am fol­gen­den Mor­gen kam die Brigg, nach­dem sie vor der Frauen­in­sel vor­über­ge­fah­ren, vor Up­per­na­wik an, der nörd­lichs­ten Nie­der­las­sung Dä­ne­marks an die­sen Küs­ten.