Oma und Opa

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Julia von Steinhagen

Oma und Opa

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Oma und Opa

Baltikum, Sommer 2005

Drei Monate später

Sechs Monate später

Impressum neobooks

Oma und Opa

Charlotte war sieben Jahre alt und liebte die Ferien bei Oma und Opa.

Es gab einen großen, langgestreckten Garten mit Kirsch,-Apfel- und Pflaumenbäumen. Hinter dem Garten floss ein kleiner Fluss, der mindestens einmal im Jahr das Grundstück überschwemmte. Dann reichte das Hochwasser bis in den Keller, was diesem einen ständig modrigen Geruch verlieh. Hinter dem Haus waren Gemüsebeete angelegt.

Neben dem Garten befand sich eine Pferdekoppel. Die Pferde wurden täglich von Charlotte und ihrer Schwester Franziska mit Äpfeln und Möhren gefüttert. Manchmal sprang ein Pferd über den Koppelzaun und landete im Garten der Großeltern. Dann durften die Kinder das Haus nicht verlassen und die Männer, bestehend aus Opa, Vater und diversen Onkeln, versuchten das Pferd wieder einzufangen während die Kinder und die Frauen der Familie, bestehend aus Oma, Mutter und diversen Tanten, johlend an den Fenstern hingen. Dieses Gebaren verschreckte wiederum selbst das stoischste Pferd und führte leider erst zu dem gewünschten Erfolg, wenn man endlich den Pferdebesitzer telefonisch erreichen konnte und dieser mit vor Anstrengung hochrotem Kopf und vielen Möhren seine Pferde wieder einfing.

Charlotte und Franziska waren nahezu den ganzen Tag an der frischen Luft. Jede hatte ihr eigenes Blumenbeet und zusätzlich zogen sie Tomaten und Zierkürbisse. Besonders beliebt waren die Fahrten auf dem Fluss mit einem selbstgebauten Floß. Charlotte, Franziska sowie die zahlreichen Cousins und Cousinen manövrierten das Floß über den Fluss und hatten riesigen Spaß, wenn sie es fast zum Kentern brachten.

Bereits Charlottes Vater und seine Brüder hatten dieses Vergnügen während ihrer Kindheit erfahren. Oft liefen ihnen andere Kinder nach, die ebenfalls Floßfahren wollten. Die drei Brüder waren früher für das Unkrautjäten im Garten zuständig. Kurzentschlossen gab es zum Floßfahren neue Spielregeln. Für eine Viertelstunde Floßfahren mussten die anderen Kinder eine Parzelle von 1 bis 2m2 umgraben.

Charlotte und Franziska lebten frei und es gab kaum Verbote für die Kinder. Man rief sie lediglich zum Mittag- und Abendessen in das große Haus und überließ sie ansonsten sich selbst.

Am Wochenende machte Opa seinen berühmten Schmorbraten, und die komplette Familie versammelte sich am Tisch. Dass der Opa ein guter Koch war, sah man ihm von weitem an. Er war groß und sehr dick. Während des Essens redete man über Politik und andere Dinge, die Charlotte nicht im Mindesten interessierten. Immer anwesend war ein Foto, welches Opa in Wehrmachtsuniform zeigte. Das Foto stand auf einer Anrichte, und auf diesem Bild blickte er mit einem strengen Blick auf die versammelte Familie. Über den Krieg wurde fast nie gesprochen.

„Ach, der Krieg“, sagte Opa, „das ist doch schon so lange her. Wen interessiert das denn noch“. In dem großen Haus gab es eine alte Holzkiste. „ Die Kiste stammt aus Russland, Opa hat sie aus dem Krieg mit nach Deutschland gebracht“, sagte Charlottes Vater. Die Kiste war spannend und Charlotte stellte sich jedes Mal vor, wenn sie sie sah, wie sie im kalten russischen Winter von Opa transportiert wurde. Sie wusste nicht viel über Russland. Außer, dass es wohl mal eine Zarenfamilie gab, die erschossen wurde. Zu der Zarenfamilie gehörte ein kleines Mädchen namens Anastasia, von dem niemand wusste, ob es auch erschossen wurde oder entkommen konnte. Über diese Geschichte gab es einen Kinderfilm namens „Anastasia“. Charlotte stellte sich vor, wie die kleine Anastasia, noch jünger als sie selbst, mutterseelenallein durch das tief verschneite Russland irrte und verzweifelt ihre Eltern und Geschwister suchte. Opa war wenigstens aus Russland zurückgekehrt, wenn leider auch nur mit einer leeren Kiste. Als Charlotte und ihre Cousins sie das erste Mal öffneten, waren die Kinder enttäuscht als sie nur in gähnende Leere blickten.

Der Opa war immer lustig und großzügig. Ostern ging er mit einer netten Großtante riesige Osterhasen –und Eier kaufen. Die Großtante füllte den Einkaufswagen mit immer mehr Schokolade und der Opa durfte an der Kasse alles bezahlen. Zu Hause angekommen wurde der Osterschatz in Nester verpackt und die Kinder mussten im Garten Eier, Nester und vereinzelte Osterhasen suchen.

Bei jedem Fund klatschten die Erwachsenen begeistert Beifall. Die Großtante erschien Charlotte ein wenig mysteriös. Sie erschien, wenn überhaupt nur ganz selten zu Familienfeiern. Sie konnte wunderbare Geschichten erzählen, animierte den Opa zu immer mehr Einkäufen für seine Enkel und dominierte innerhalb kürzester Zeit nach ihrer Ankunft die ganze Familie. „Euer Großvater durfte nach dem Krieg nicht arbeiten. Er wurde während der Entnazifizierung verurteilt“, sagte sie einmal. Charlotte verstand das Wort „Entnazifizierung“ nicht. „Was heißt nicht arbeiten“, grummelte Opa. „Ich durfte meinen Beruf nicht ausüben“ “Sie hat im Krieg unter der Eiche geheiratet“, wisperte Charlottes Mutter. „Alles frühere Nazis“ zischte sie wütend.

Charlotte hatte keine Ahnung was der Begriff „unter der Eiche geheiratet“ bedeutete und auch über Nazis sollte sie erst später in der Schule erfahren.

Diese Großtante hatte immer selbstständig als Hutmacherin gearbeitet. Ihre Arbeit hatte sie auch fortgeführt als sie ihre Kinder bekam. Manchmal fand man noch von ihr hergestellte Hüte auf dem Dachboden und die Kinder verkleideten sich als Haremsdamen oder Brautjungfern. Charlotte hörte einmal wie ihr Vater zu seinem Bruder leicht spöttisch sagte: „In diesem Punkt hatte sie wohl ihre nationalsozialistische Gesinnung verlassen. Sie wollte immer unabhängig sein und seltsamerweise hat ihr Nazibonze von Ehemann ihrer Arbeit auch immer zugestimmt.“ Charlotte verstand nicht, warum man seinen Ehemann um Erlaubnis bitten sollte, wenn man sein eigenes Geld verdienen wollte. Ihre Mutter arbeitete als Grundschullehrerin und Charlotte hatte noch nie gehört, dass sie ihren Mann um eine Arbeitserlaubnis bitten musste.

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