Tasuta

Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Drittes Kapitel.
Einlenken von der Abschweifung

Die Franzosen, welche von den Häuserzinnen ihrer Brüder tragisches Loos beobachtet hatten, geriethen in tiefe Trauer, und fürchteten grauenvoll für das eigne Schicksal. Getrennt, abgeschnitten vom Vaterlande, wenige Hoffnung, neue Verbindungsmittel bald wieder erscheinen zu sehen, und in einem Lande eingeengt, wo man der Feinde viel, und der Anhänger wenige zählte, konnten ihre Aussichten wohl nicht beruhigend sein. Dazu ließ sich fürchten, daß die Engländer nunmehr auch landen und einen Angriff auf Alexandrien machen würden, während des Heeres größter Theil tiefer eingedrungen war, um die Mammelukken zu bekämpfen; mindestens konnten sie in den Hafen dringen und die dort noch liegenden Transportfahrzeuge, von großer Wichtigkeit für den Augenblick, zerstören.

Aber der heroische Geist offenbart sich am edelsten, in den feindlichsten Anfällen der Gefahr. Wenn ihn Verzweiflung umgiebt, tritt er mit neuer Thatkraft hervor, und erbaut den Rettungstempel aus Ruinen.

Der muthige Kleber ließ plötzlich am Gestade Batterien emporsteigen. Ueberall kreuzte sich ihr Feuer. Der Eingang in den Hafen ward unzugänglich, kein Landungspunkt blieb unbewacht von der zeitigen Vorkehrung, worin der denkende Held furchtsam, aber der unverständige Praler sorglos ist.

Der hohe Feldherr, nachdem er erfuhr, was vorgegangen war, rief aus: Wohlan, so sind wir denn zu desto größeren Thaten gezwungen!

Es giebt eine Menge Gründe, womit sich der Mensch über die hereingebrochenen Unglücksfälle zu trösten sucht. Aber mag sie Philosophie oder Religion liefern, Leichtsinn thut dennoch mehr. Dieser glückliche Gemüthszug ward dem Franzosen vor allen Erdensöhnen, darum ist er auch mehr wie alle geeignet, das Widerwärtige zu bestehn. —

Nach einiger Zeit brach eine Truppenabtheilung nach Cairo auf, mit der Ring und Flore zogen. Sie bedienten sich der Esel, Postkutschen kennt man in Egypten noch nicht, wo man in vielen Bequemlichkeiten des Lebens nur wenige Schritte vorrückte. Bei dem allen brachte es der Europäer im angenehm Reisen eben auch noch nicht weit. Nur in Frankreich und England giebt es erträgliche Wege, Rußland und Schweden haben mindestens Anstalten, schnell fortzukommen. Doch in späteren Jahrhunderten wird man kleine Häuschen auf Räder stellen, deren Zimmer nach Art der holländischen Gondeln eingerichtet sind, und worin man sitzen und gehn, schlafen und lesen, schreiben und Clavier spielen kann. Oefen für den Winter, und chemische Küchen dürfen nicht fehlen. Ein lebhaftes Vergnügen wohnt schon in der Vorstellung einer solchen Reise, von einigen hundert Meilen; nichts wird sie übertreffen, als die noch später angelegte Luftpost, die auch das leiseste Stuckern vermeidet.

Es ging durch die Wüste. Die Natur hat die Laune gehabt, in Egypten viele Landstriche mit einer hundertfältigen Fruchtbarkeit auszustatten, dagegen öde, ewig unwirthliche, brennende Sandmeere zwischen die kleinen Elysäen hingeschlängelt. Es scheint, sie fürchtet aus ihrem Charakter zu fallen, wenn sie des Guten zu viel thut, denn die Weltregel will des Schlechten überall daneben. Ein ganz neuer, sonderbar ergreifender Anblick, solche Wüste, dies berichten alle, welche sie sahen. So weit das Auge reicht, eine starre weiße Fläche ohne anmuthigen Wechsel der Gegenstände, ohne erquickende Vegetation, ohne Zeugen des Lebens. Tief ist der heiße Sand, und qualvoll zu durchschreiten. Stürme, dort besonders die südlichen, wirbeln oft ungeheure Staubsäulen empor, die sich, dicken Nebeln gleich, über die geängsteten Pilger breiten. Dann unterscheidet man kaum das Nächste, gleich dem Schnee des Nordens hängt der Sand an den Kleidern, dringt aber weit feiner noch durch. Man athmet Sand, genießt Sand mit den Speisen, muß unaufhörlich die Augen davon reinigen. In einigen seltenen Fällen soll er sogar Caravanen begraben haben. Peinigt nun grimmiger Durst die Pilger, und sind die auf Kameelen fortgeführten Vorräthe erschöpft, so werden sie oft grausam getäuscht, da der Wüste ferner Horizont, mittelst salpetriger Ausdünstungen das vollkommene Bild eines klaren Sees darstellt. Hoffnungsvoll eilen nun die Lechzenden weiter, träumen das süße Labsal der Erfrischung, wie sie dort schöpfen, trinken, die Schläuche wieder füllen, die Glieder im stärkenden Bade erfreuen wollen. Doch sie reisen, und reisen, und erreichen des Sees Ufer nicht. Immer in dem alten Abstand glänzen sie vor ihren Augen. Sie sind schon lange in dem vermeinten Gewässer, da Nähe die Täuschung vernichtet, und sehen es doch immer wieder vor sich, bis sie endlich die Gränze der Wüste erreicht haben, und ein wirklicher Quell, zwischen blumigen Auen ihnen rieselt.

Ring und Flore unterhielten sich viel über ihre Zukunft und die Schicksale, welche sie erwarten dürften. Jener freute sich auf alle die hohen Seltenheiten, die es weiterhin zu sehen gäbe, sprach mit Begeisterung von den alten Königsgräbern, von Thebens Ruinen, die er in Kupfer gesehen, von denen er im Strabo und Herodot gelesen hatte; diese fürchtete die Wuth der Mammelukken, und bezeugte, wie Lessings Just, kein Verlangen, sich von einem Säbel den Kopf spalten zu lassen, wäre er auch mit Diamanten besetzt. Jener meinte, es würde ihm willkommen sein, lebenslang in dem warmen Klima zu wohnen, diese wünschte nur Gelderwerb im Handel, um einst in Frankreich im Wohlstande zu frieren.

Sie gelangten nach einer vierzigstündigen Reise zu jenen zauberischen Gefilden bei Raschid, im Contrast gegen die durchwanderte Oede, um so reicher an entzückender Anmuth. Die Reisfluren wogten üppig, die Reihne dufteten von Blumen, Jasminen rankten sich am Wege hin, die Häuser der Dörfer waren durch Akazien, Datteln und Sykomoren verdeckt, nur die Tempelartigen Moscheen ragten aus dem frischen Grün empor. Die Gärten prangten mit Orangen- Feigen- und Granatbäumen. Fette Heerden weideten im hohen Gras und auf dem majestätischen Nyl wimmelte es von bunten Fahrzeugen. Ueberall rege Geschäftigkeit.

In Raschid ergötzte Floren ein egyptischer Postmeister höchlich. Der Mann hatte einige kleine Briefe zur Bestellung nach mehreren Orten empfangen, und nun stieg er auf seinen Taubenboden, hing verschiedenen der geflügelten Boten die Papierchen um den Hals, und ließ sie durch die Luft ihre Straße ziehn. Es langten auch einige andere an, die Billetdoux, oder was es sein mogte, überbrachten. Warum sucht man das nicht auch in Europa nachzuahmen? Die Geschwindigkeit der Beförderung ist doch angenehm.

Jetzt schifften sich die Reisenden auf dem Nil ein, und fuhren mit einem günstigen Winde gegen den eben nicht reissenden Strom. Flore hatte viel von den Krokodilen im Nil gehört, und wagte daher keinen Finger ins Wasser zu stecken, aus Furcht, eine dieser Rieseneidechsen mögte Appetit darnach verspüren. Man beruhigte sie aber durch den Bericht, daß seit dem Gebrauch des Feuergewehrs die Krokodile sich immer höher hinauf nach Oberegypten zurückgezogen hätten, wie sich überhaupt die gefährlichen Thiere des Landes immer mehr verminderten.

Ein befremdendes Schauspiel zog aller Augen auf sich. Viele Wasservögel schwammen ruhig auf der Fläche dahin. Nicht weit von ihnen wurde man aber mehrere große Kürbisse gewahr, die in den Strom geworfen zu sein schienen. Mancher Vogel nahte unbesorgt der Frucht. Eh man sichs aber versah war er gepackt. In den Kürbissen steckten nemlich Menschenköpfe, die Tauchern gehörten, welche sich dieses listigen Mittels bedienten, die Thiere unter dem Wasser an den Beinen zu erhaschen.

Schöne Landschaft im morgenländischen Charakter zu beiden Seiten der Ufer. Angebaute Terrassen, Kanäle zum Bewässern gegraben, viel Spuren des Fleisses aus dem hohen Alterthum, und merkwürdige Ruinen. Ueberall hing das Auge des Reisenden an ihm neuen Gegenständen.

Doch die Menschen waren zurückstossend. Schmutzige sonnenverbrannte Bauern, arabischer Herkunft, schwärzliche Kopten mit mißgestalteten Gesichtern und struppig krausem Haar. Der Stolz des Europäers regt sich auf, je weiter er gegen Süden reist, weil sich ihm die Bemerkung immerhin lebendiger wieder aufdrängt: nur im Norden habe die Natur menschliche Schönheit erzogen. Das erkennt auch der reiche Afrikaner an, und läßt Mädchen in Georgien und Cirkassien kaufen. Bei dem allen ist dem wahren Neger, eine Schönheit eigner Art nicht streitig zu machen; und in den indischen Kolonien (auch wohl zu London und Paris) zeigt der Weissen Lüsternheit ebenfalls eine Vorliebe gegen eine Haut, welche Poesie mit dem Ebenholz gleichen kann; doch was zwischen den Extremen liegt, kann nur dem rohen eingebornen Sinn gefallen.

Unter der Fortsetzung dieser Fahrt entdeckte man die Pyramiden von Gizah, wiewohl in einer Entfernung mehrerer Meilen. Bergen gleich ragten die Steinmassen empor. Die Sehnsucht, sie in der Nähe zu betrachten, konnte aber noch keine Befriedigung finden.

Endlich erreichte man Cairo, die größte der Städte in Afrika, es sei denn, daß dieses Welttheils noch unbekannte Mitte Oerter von weiterem Umfange birgt.

Viertes Kapitel.
Cairo

Zu Bulak stieg man aus. Es ist eine an den Stromhafen gebaute Vorstadt. Schöner, könnte sie vielleicht mit den Umgebungen des alten Pyräus bei Athen verglichen werden, doch in der vorhandenen Häßlichkeit gebührt ihr eine solche Ehre nicht. Dagegen mögte das Gewühl vom Pyräus nach der Hauptstadt Griechenlands, wenn schon anständiger, doch nicht so bunt und mannigfach gewesen sein, wie das, was man auf dem Wege von Bulak nach Cairo antrifft, am meisten in der Art, wie unsere Reisenden es sahen.

Erst im Hafen ein Wald von Masten, schon lange zuvor erblickt, und von den Domen und Minarets des afrikanischen Paris überragt. Dann die zerstreuten Hütten, zwischen den Werften, Plätze mit Schiffbauholz, Waarenvorräthe und auf nebenliegenden Ebenen die bunten Gezelte der Araber. Handelsthätigkeit überall. Auf den Häusern dichte Schwärme Tauben, das am meisten geschätzte, und am zahlreichsten gehaltene Hausthier, die unaufhörlich ab und zuflattern, am Boden eben solche Haufen von Gabelgeiern und Krähen, die bald sich auf, bald niederschwingen, bei der wenigen Verfolgung die ihnen widerfährt, höchst dreist sind, und die Luft mit ihrem Geschrei füllen. Ebenfalls Tausende von Hunden, die in allen großen Städten des Orients, wie man zu reden pflegt, auf ihre eigene Hand leben, und von den, gegen Thiere sanftmüthigen Muselmännern, keine Störung fürchten dürfen. Nun ein unabläßiges Wogen zur Stadt und von der Stadt her, ein Drängen, Stossen, Zanken, Waaren schleppen, Kameeltreiben, Eselführen, Reiten auf stattlichen Barbarhengsten, Platzmachen durch stolze Diener der Polizei, mit langen Stöcken – die Menschenmenge, zusammengesetzt aus Türken, Kopten, Griechen, Syrern, Arabern, Negern, Juden, und Europäern, die unter den gegenwärtigen Umständen in ihrer Tracht erscheinen konnten, und das Schauspiel noch bunter ausschmückten. Und nun unter all dem Gewimmel hier einen französischen Grenadierkapitän, dort eine reitende Jägerpatroll, hier eine vorbeiziehende Infanteriewache, den wirbelnden Tambour an der Spitze, dort einen Ingenieur, der die Straßen aufnimmt, ein anderer der den Strom nivellirt, wieder ein Gelehrter, der die Inschrift eines alten Steines prüft, ein zweiter, der den Fang der Nilfischer naturhistorisch untersucht, ein dritter, der mit einer egiptischen Bajadere (die so zahlreich vorhanden sind, wie zu Wien auf dem Graben oder zu Hamburg auf dem Jungfernsteig die europäischen) scherzt – und jedermann muß bekennen, daß das Bild davon schon sehr anziehend ist, und daß ein ähnlicher Anblick durch ganz Europa vergebens gesucht wird. Weite Reisen müssen aber auch entschädigen, wer würde sich sonst zu ihren Beschwerlichkeiten verstehn wollen.

 

Wo möglich fand man dies Gewühl in den Hauptstraßen von Cairo noch vermehrt, wiewohl andere Gegenden der Stadt öde und menschenleer erschienen. Sie hatte überhaupt durch die Ankunft der Franzosen manches an ihrem eigenthümlichen Glanz und ihrer Menschenzahl eingebüßt. Jener bestand in der üppigen Pracht der Beis und ihrer hohen Beamten, diese in den Mammelukken, welche sich im Gefolge ihrer Herren entfernten, und wider die Europäer in den Streit zogen.

Jetzt wurde Cairo nach allen Richtungen durcheilt, um die Merkwürdigkeiten in Augenschein zu nehmen. Die Freiheit, mit welcher das jetzt geschehen konnte, war seit Jahrhunderten keinem Franken geworden. Denn vor Ankunft des europäischen Heeres waren sie großen Beschränkungen und quälenden Demüthigungen blosgestellt. Sie mußten morgenländische Kleidungen tragen, doch mit einem Abzeichen, welches in den Augen des Pöbels Verächtlichkeit hatte. Jedem Mammelukken, Priester oder Beamten, waren sie schuldig, eine tiefe Ehrenbezeugung zu machen, indem sie von den Eseln stiegen, sich neigten, und die Hand auf die Brust legten. Selten würdigte man diese Höflichkeit eines Dankes. Wurde sie vergessen, so brachten sie unsanfte Stockschläge der begleitenden Diener in Erinnrung, wobei gar nicht die Frage war: ob der Europäer vom ältesten Adel stammte, oder nicht? In entferntern Quartieren lief man leicht Gefahr, ermordet oder geplündert zu werden. Durch willkührliche Abgaben, Avanien genannt, mußten Sicherheit und Befugniß zum Handel von den oft wechselnden Herrschern, immer wieder aufs Neue erkauft werden. Man mögte glauben, unter solchen Umständen hätte jeder Europäer einen so gehässigen Aufenthalt geflohn, allein was thut die Liebe zum Gewinn nicht? Man konnte in einem Jahre oder in noch kürzerer Zeit dort reich werden. Man durfte nur Marseiller Tücher und Turbane, schweizerische Uhren, englische Eisenwaaren und dergleichen dahin bringen, nun für den gelöseten Preis Moccakaffee einhandeln, und das Glück haben, daß das Schiff, worauf sich die Ladung befand, seinen Hafen erreichte. Und welch einen freundlichen Wink giebt der Reichthum nicht? Man frage die allerehrenvollsten armen Männer, ob sie sich, wenn sie reich zu werden hoffen dürfen nicht der Gefahr einiger türkischen Stockschläge preisgeben wollen, und sie werden sogleich zu erwägen anfangen, daß in dem morgenländischen Stock die Beschimpfung nicht liegt, die der mystische europäische in sich enthält.

Ring, der Berlin, Manheim, Carlsruhe gesehen hatte, fand die Gassen in Cairo unleidlich, in ihrer engen finsteren Krümme, und verwünschte besonders die quer über, von Haus zu Haus gelegten Bretter, die vollends jeden architektonischen Prospekt hemmten. Flore aber war seiner Meinung nicht. Sie behauptete, der allgemeine Baldachin sei da vortrefflich, wo eine unmäßige Sonnenhitze dadurch abgehalten wird, und eine herrliche Facade bratend anzuschaun, mache ihr nicht das mindeste Vergnügen. Wie billig verwies er ihren geringen ästhetischen Sinn.

Diese Ueberdachung der Straßen findet sich auch in Tripolis, Algier u. s. w. und man muß doch eingestehn, daß, wie sehr die Bewohner dieser Städte uns in Erfindung anderer Bequemlichkeiten nachstehn, sie hier doch auf eine fielen, die wieder manche der unsrigen überwiegt. In Europa, besonders in seiner nordischen Hälfte drückt zwar die Hitze nur während einer kurzen Zeit, aber wären solche Hülfsmittel gegen unsere häufigen Regen, gegen unsern Schnee nicht willkommen? Einen hohen Grad von Vollkommenheit würden sie erreichen, wenn sie, (bei nicht zu breiten und mit Häusern von gleicher Höhe besetzten Straßen) Zugbrücken gleich, von den Dächern gegen einander herabgelassen werden könnten, unter der Neigung eines erhöhten Winkels, und mit Röhren zum Abzuge des Wassers versehn. Dichtigkeit und Zusammenpassen aller wäre eine unerlässige Bedingung. So könnten sie wider Sonnenhitze und nasse Witterung wohlthätig seyn, und bei sonst angenehmer Luft aufgezogen werden. Einige Fenster müßten die zu große Dunkelheit mindern. Sollten die Plätze auch den Nutzen theilen, so könnte es freilich nicht anders geschehn, als mittelst gewaltiger Schirme an hohen Masten. Eine ausschweifende Einbildungskraft hat sich sogar für Zeiten des größeren Unternehmungsgeistes die Möglichkeit eines Regen- und Wärmeschirms gedacht, der ganz Paris decken und nach Belieben entfaltet und zugefügt werden könnte; auch die Höhe des Thurms berechnet, woran er zu befestigen wäre, die Natur der Mittelstäbe erträumt (durch Hängewerke aneinander befestigt, durch Taue von der Thurmspitze aus getragen, von Mastbäumen gefertigt) und des Zeuges, (einem Gewebe von Strängen nach Bedürfniß mit Harz getränkt).

Doch Scherz bei Seite! So viel wir uns auf den Vorsprung in Wissenschaften und Künsten zu Gute thun, so giebts doch in Europa keine Stadt, der nur eine mäßige Bewunderung zu schenken ist, wenn man zugleich an das, zu erhabenen Conceptionen so aufgelegte und im Ausführen so beharrliche Alterthum zurückdenkt. Kleinlichen Flitterstaat zeigen unsere Hauptstädte gegen die Pracht von Theben, Memphis, Palmyra, Babilon, oder des römischen Roms. Stände Semiramis wieder auf, sie würde die Peterskirche im päbstlichen Rom allenfalls noch werth halten, wie ein kleiner Lustpavillon in einem ihrer Gärten zu stehn, viel weiter würde sich ihre Achtung nicht erstrecken. Wem fällt es denn wohl ein, einen Thurm aufzurichten, wie der Tempel des Bel in Babilon, einer war. Wer will Gärten in der Höhe schweben lassen, wer Schiffe zwischen den Schenkeln einer Bildsäule durchführen wem sind Strecken von zwanzig Meilen, durch Berge, die es zu trennen gilt, nicht zu weit, um nur besseres Wasser daherzuleiten?

Wir erschrecken vor den Gedanken, Hunderttausende von Arbeitern bei einem Bau anzustellen1, wüßten nicht die Menschen, die Summen aufzutreiben. Dagegen erschlugen wir seit mehreren Jahrhunderten, oft um die albernsten Zwecke Hunderttausende in Kriegen, und manches Volk hob dieserhalb schon der Kindeskinder Einkünfte, wälzte den noch späteren Enkeln Schulden auf. Erst wenn die irreligiösen unnützen Fehden werden geendet haben, wenn die Christenheit einen Staat bildet, und eine Völkerjustiz der Völker Zwiste entscheidet, wird die Zeit nahen, wo auch die gegenwärtige Menschheit der folgenden in wahrhaft hohen Denkmälern sich verkündigen kann.

In Einzelheiten legten wir allerdings vor den Ahnen große Strecken Weges zurück. Jene Memphis, jene Babilon entbehrten an ihren Marmortempeln und Pallästen der Glasfenster. Metastasio, indem er den Garten von Schönbrunn besang, wollte poetisch komplimentiren, und verglich ihn mit dem des Alkynous. Das war aber eine ziemlich prosaische Herabsetzung, denn bei aller prachtvollen Beschreibung des Homer2, tauschte doch kaum ein wohlhabender Pachter mit dem seinigen. Allein desto wundervoller, wenn jetzt der Geist des Großen einmal große Kräfte zu einem solchen Zweck vereinen wird. Man kann fragen: aber wozu das am Ende? Darauf weiß ich keine Antwort. Denn wollt ich sagen: Damit der Eindruck die Gemüther erhebe, so kann man das gewaltig zu Boden schlage, da in einer Stadt, welche das neue Palmyra genannt wird, und für die jetzigen Zeiten, doch schon ein Erhebliches an architektonischen Prospekten Tempeln, Pallästen, zeigt, die Gemüther – — – — – doch Stille Stille!

Fünftes Kapitel.
Fortsetzung

Was werden die Kritiker des Morgenblattes sagen, die sublimen Männer, welche nur eine mäßige Zahl von Alltagsköpfen in ihre Mitte treten ließen, daß dies Buch bis hieher noch so wenig That, so viel Betrachtung enthielt, daß die Kunst auszustellen, zu spannen, einzuleiten, mit so weniger Sorge gepflegt wurde? Geduld! es wird der Handlung Fülle erscheinen, ja der Verfasser wird es dahin bringen, daß man sich noch über Quantität und Qualität der Handlung ereifern soll.

Unser Paar lebte nun eine gute Zeit wohlbehalten in Cairo. Ring hatte seine Geschäfte beim Commissariat zu versehen, Flore, die immer wieder Mannskleider trug, suchte hie und da einen erlaubten Gewinn zu erzielen. Nach ihrer bekannten Aufgewecktheit, Gefügigkeit, nach ihrem schnellen Auffassungsvermögen, lernte sie bald etwas von der Einwohner Sprache, und verstand es auch, sich zu ihren sittlichen Ansichten zu bequemen. Daneben hatte sie bald eine Kenntniß von Dingen, nach denen die französischen Gelehrten begierig waren, als da sind aufgefundene alte Münzen, Mumienfragmente und andere Seltenheiten. Oft schwatzte sie dergleichen den Egyptern um ein Geringes ab, und veräußerte es gut. Gegenstände der Lieferung, die ihr Mann aufzutreiben hatte, schaffte sie so herbei, daß ein billiger und nicht unbeträchtlicher Vortheil daran hing. So gedieh es den beiden Leuten, doch sey es zu Florens Ehre gesagt, sie trieb es in allen Ehren.

Weltbekannt ist, wie viele treffliche Einrichtungen von den Franzosen in Egipten gemacht wurden. Man untersagte den Sklavenhandel, stiftete überall eine geordnete Polizei. Eine Versammlung der Scheiks aus verschiedenen Provinzen wurde zu Cairo ausgeschrieben, wo man die Verbesserungen der Gesetzpflege und Finanzverwaltung berathete. Den bürgerlichen Gewerben und dem Ackerbau ward der nöthige Schutz, und die Egypter hätten sich nur auf ihren wahren Vortheil verstehn müssen, um sich auf immer von der rohen Mammelukkentirannei befreit zu sehn.

 

Allein sie begriffen diesen Vortheil nicht, und unterstützten die gute Sache nur mit halben Willen. Englischer Einfluß, die Schritte, welche die Pforte gethan hatte, und Sinn für die alten Gewohnheiten verkehrten diese Gemüther, und während die französischen Waffen gegen alles, was in den Provinzen noch Widerstand leistete, glücklich waren, zettelte sich in der Hauptstadt ein gefährlicher Aufruhr an.

1Da Salomo seinen Tempel bauen wollte, sandte er Achtzigtausend Zimmerer nach dem Libanon, Zedern zu bereiten, und Siebenzigtausend Steinhauer aus, (1. B. der Könige Kap. 5. V. 15-18) was freilich um so unglaublicher klingt, als hernach (1. B. der Könige Kap. 6) gemeldet wird, der Tempel sey nur sechzig Ellen lang, zwanzig breit, und dreißig hoch gewesen.
2Außer dem Hof erstreckt ein Garten sich, nahe der Pforte;Einen Huf ins Geviert’, und rings umläuft ihn die Mauer.Dort sind ragende Bäume gepflanzt mit laubigen Wipfeln,Voll der balsamischen Birne, der süßen Feig und Granate,Auch gelbgrüner Oliven, und wohlgesprenkelter Aepfel.Diese tragen beständig im Jahr, nie mangelnd des Obstes,Nicht im Sommer, noch Winter, vom athmenden Weste gefächeltKnospen sie hier und blühen, dort zeitigen schwellende Früchte.Birn reift auf Birn, es röthen sich Aepfel auf Aepfel;Traub auf Traube verdunkelt, und Feigen schrumpfen auf Feigen.Dort auch prangt ein Gefilde von edlem Weine beschattet,Einige Trauben umher auf der Ebene hingeleitet,Dorren am Sonnenstrahl; und andere schneidet der Winzer.Andere keltert man schon; hier stehn die Herlinge in Reihen;Hier entblühn sie zuerst; hier bräunen sich leise die Beeren,Reich an Gewächs, und stets von Blumen umduftet.Auch sind dort zwo Quellen, die eine fließt durch den Garten,Schlängelnd umher, und die andere ergießt sich unter des HofesSchwell’ an dem hohen Pallast, woher sich schöpfen die Bürger.Odyssee 2ter Gesang. V. 112—131.nach Voß Uebersetzung.