Konstruktive Rhetorik in Seminar, Hörsaal und online

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1. Das konstruktive Gespräch

Olivias Stärken werden in der persönlichen Begegnung mit ihren Kunden offenbar. Sie lässt sie erzählen, stellt Fragen, ergänzt das Gehörte mit ihren eigenen Erfahrungen und leitet daraus die Ratschläge für Praxis und Training ab. Dogmen und Regeln stehen nicht am Anfang, sondern folgen erst da, wo sich der Gesprächspartner geöffnet hat. Zwar sind die Rollen klar verteilt, aber es ist ein konstruktives Gespräch unter Gleichberechtigten.

»Raum: gemeinsame Nutzung. Die Trainerin und ihr Gesprächspartner finden ihren Platz gemeinsam. Wie weit sie voneinander entfernt sitzen oder stehen, pendelt sich ein.

»Zeit: gemeinsames Management. Zwar ist die Dauer einer gemeinsamen Sitzung vorher abgesprochen; aber wer wie lange spricht oder schweigt, ergibt sich aus der Dynamik des Gesprächs. Stellt einer eine Frage, bleibt dem anderen Zeit, sie zu verstehen und erst dann zu antworten.

»Zielsetzung: flexibel. Obwohl die Aufgabenteilung klar ist – die eine ist Trainerin, der andere Kunde –, verfügen beide über das gleiche Spektrum an Handlungen. Beide fragen, antworten, stellen Thesen auf, widersprechen usw. Der Schwerpunkt liegt nicht auf Überredung, sondern auf Verständigung.

»Sprachliche Gestaltung: locker. Die sprachliche Formulierung ergibt sich ohne viel Überlegen. Und wenn einem ein Wort nicht gleich einfällt, hilft der andere aus. Wenn etwas unverständlich bleibt, wird wiederholt oder neu formuliert.

»Sprechweise: problemlos. Die Lautstärke, das Tempo, die Betonungen ergeben sich von selbst. Verlangsamung und Pausen entstehen, weil das Gegenüber signalisiert, ob es der Rede folgen kann.

»Körpersprache: organisch. Blickkontakt und Gestik sind kein Problem, weil man sich wohlfühlt und so verhalten kann, wie es einem im Moment entspricht. Ob jemand mit dem Kopf nickt oder mit dem Fuß scharrt, wird im Gespräch direkt aufgenommen. Es gibt keine falsche Mimik oder Gestik.

»Medieneinsatz: dialogisch. Es gibt Dinge, die man sich auf dem Tablet zeigt; Informationen müssen ad hoc im Internet gesucht werden. Das stört das Gespräch nicht, weil man gemeinsam auf das Gerät blickt und es wieder weglegt, wenn es seine Aufgabe getan hat.

2. Der Vortrag vor Publikum

Die Trainerin ist als Rednerin zu einer Veranstaltung eingeladen, zu der sich 250 motivierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingeschrieben haben, die etwas über ihr Motivationstraining lernen möchten. „Du bist der Schlüssel zu deinem Erfolg “ wird ihre Botschaft sein, und da sie von vielen erfolgreichen Kundinnen und Kunden berichten kann, wird niemand ihre Kompetenz anzweifeln. Aber man spürt auch, dass etwas fehlt. Sie wirkt unpersönlicher, kühler. Ihre Stimme klingt eher eintönig, einige Effekte, die sie sich gut überlegt hat, verpuffen im Saal. Sie bezeichnet das Reden vor Publikum als „Performance“, und das ist auch zu spüren: Sie wirkt, als ob sie unter Erfolgsdruck stünde, als ob es nur um Siegen oder Scheitern ginge.

»Raum: suboptimale Einrichtung: Im Seminarraum ist Platz für 250 Personen. Die Rednerin hat eine sechs Meter breite und drei Meter tiefe Bühne zur Verfügung, die sie mit einem großen Bildschirm teilt. Quer zur Bühne verlaufen die Tische, an denen das Publikum sitzt. Ein großer Teil der Leute sitzt mit dem Rücken zur Bühne, sie müssen sich also umdrehen, um etwas zu sehen.

»Zeit: ohne Beteiligung des Publikums: Die Rednerin spricht zwar nicht besonders schnell, sie macht immer wieder kurze Pausen. Aber diese dienen nicht dazu, das Publikum einzubeziehen. Wenn sie z.B. Fragen stellt, lässt sie diese nicht wirken. So stellt sie in der Einstiegsphase gleich mehrere Fragen:

„Wie sehen Sie sich selbst? Wie sehen Sie Ihr Umfeld? Wie schätzen Sie Ihre Ausgangschancen ein? Welche Bilder steigen in Ihnen auf, wenn Sie an Ihre letzte große Aufgabe denken?“

Niemand kann so viele Fragen verdauen, ohne dafür Zeit zu haben. Zwar sollen sich die Anwesenden nicht sich laut dazu äußern. Aber Fragen bleiben Fragen. Sie lösen eine Antwort aus und benötigen dazu etwas Zeit. Olivia gibt ihnen jeweils nicht einmal eine Sekunde, um die Frage zu verstehen und für sich zu beantworten.

»Zielsetzung: unbeirrtes Festhalten. Mehrere Male wird deutlich, dass die Rednerin ein Programm hat, das sie ohne Rückversicherung beim Publikum durchziehen will. Ein besonders drastisches Beispiel: Kurz vor Schluss will sie ein Buch verschenken und fragt: „Wer von Ihnen hätte gerne dieses Buch?“ – Niemand reagiert. Sie macht eine Pause, muss nochmals fragen. Erst nach qualvollen 15 Sekunden meldet sich jemand und kommt zur Bühne, um es in Empfang zu nehmen. – Sie hat sich während des Vortrags nicht die Zeit genommen, die Reaktionsbereitschaft der Anwesenden zu testen (etwa mit ernst gemeinten Fragen, bei denen erkennbar würde, wie weit das Publikum zu gehen bereit ist). Sie hätte erkannt, ob die Bereitschaft mitzumachen da ist, oder ob sie auf die Geste verzichten sollte.

»Sprachliche Gestaltung: verständlich, aber ohne Verknüpfungen. Der Vortrag ist von seiner Sprache her durchaus verständlich: einfache Sätze, keine unbekannten Ausdrücke. Aber viele Effekte verpuffen. Sie sind nicht eingebettet. Dies hängt mit dem Fehlen moderierender Übergänge zusammen: Einleitungen und Verknüpfungen fehlen; viele Aussagen stehen isoliert da und lassen den Zusammenhang vermissen.

»Sprechweise: monoton. Alle Aussagesätze enden melodisch gleich, Fragesätze sind akustisch fast nicht als solche zu erkennen. Wenn sie sich nicht als plakative Verkünderin, sondern als Gesprächspartnerin sähe (und die Fragen, die sie immer wieder stellt, würden das ermöglichen), ergäbe sich automatisch eine größere melodische Bandbreite.

»Körpersprache: unstet. Der Blickkontakt gelingt; sie sieht ins Publikum, und zwar mal hierhin, mal dorthin. Aber sie steht unsicher da. Sie hat ihr Gewicht mal auf dem linken, mal auf dem rechten Bein. Bei der dauernden Gewichtsverlagerung kommt sie nie recht zur Ruhe. In der rechten Hand hält sie eine Fernbedienung, die linke hebt sie, um eine Aussage zu betonen. Das unterstreicht die Einförmigkeit der Sprechweise.

»Medieneinsatz: zu viel. Die Rednerin muss ihre Aufmerksamkeit mit dem Bildschirm teilen, auf dem zur Illustration Bilder, Grafiken und Texte aufleuchten. Oft bleiben diese stehen, während der Vortrag weitergeht. Manchmal unterstützt die Visualisierung, was sie sagt, oft aber wird sie zu Konkurrenz.

3. Der Online-Auftritt

Olivia geht mit ihrer Botschaft auch online. Sie hat ihren eigenen YouTube-Kanal und lädt fast jede Woche ein neues Video hoch. Sie ist sich im Online-Vortrag ihrer Sache zwar ebenso sicher wie im direkten Gespräch. Aber die Ausstrahlung ist weg. Die Lebendigkeit, die im Gespräch noch da war und im Vortrag hin und wieder durchblitzte, ist einer Monotonie gewichen, die das Zuhören mühsam macht.

»Raum: nicht genutzt. Sie hätte volle Freiheit in der Wahl des Ortes ihrer Rede, der Beleuchtung, des Hintergrundes, aber sie wählt die engen Verhältnisse an einem Pult, dicht hinter ihr steht das Bücherregal mit Fachliteratur. Das ergibt ein zweidimensionales Bild ohne Tiefe.

»Zeit: unstrukturiert: Der Vortrag plätschert vor sich hin. Zwar kann man sich im Video die Dauer anzeigen lassen; aber da nicht erkennbar ist, was man zu erwarten hat, kommt keine Spannung auf. Und in diesem Fall wird man von A bis Z von einem gleichmäßigen Redefluss ohne klare Gliederung eingeschläfert.

»Zielsetzung: unklar. Natürlich kann die Rednerin bei der Aufnahme ihr Publikum nicht sehen. Aber es ist immer möglich, es als mitdenkenden Partner anzusprechen. Stattdessen entsteht eine Predigt ohne klaren Anfang und mit guten Ratschlägen, die aber in dem unstrukturierten Wortfluss verschenkt sind.

»Sprachliche Gestaltung: ohne roten Faden. Sie fängt gleich an zu erzählen, allerdings ohne zu verraten, wohin die Reise gehen wird. Und ähnlich wie beim Präsenzvortrag stellt sie unvermittelt Fragen – zu viele Fragen –, auf die es schwierig ist, zu reagieren. Die Sprache ist einfach, aber es fehlen Verknüpfungen: in der Online-Präsentation ist das besonders problematisch, weil niemand da ist, der die Stirne runzelt oder Rückfragen stellt.

»Sprechweise: noch mehr Monotonie. Die Variation im Tempo und Rhythmus, die Pausensetzung, die beim Präsenzvortrag noch für etwas Abwechslung gesorgt haben, sind weiter reduziert. Der Tonfall ist gleichförmig, man bekommt den Eindruck einer unendlichen Folge von Sätzen. Man kann zu einem beliebigen Zeitpunkt aussteigen, ohne fürchten zu müssen, etwas verpasst zu haben.

»Körpersprache: keine Bewegung. Von Olivia ist nur ein Ausschnitt zu sehen: von den Schultern bis zum Haaransatz. Zwar blickt sie zum größten Teil direkt in die Kamera, simuliert also Blickkontakt mit dem User, ist aber so nah, dass sie ihm auf die Pelle rückt und eine vertraute Nähe nicht entstehen kann.

»Medieneinsatz: unkommentiert. Sie verzichtet auf die Unterstützung durch visuelle Hilfsmittel. Aber gegen den Schluss taucht kommentarlos als Insert der Umschlag ihres Lehrbuchs auf. Während sie weiterspricht, hat man zehn Sekunden Zeit, sich den Titel zu merken, dann ist die Werbeeinlage vorbei. Ähnlich wie schon im Präsenzvortrag ist es eher mediale Konkurrenz als mediale Unterstützung.

Wie kommt Dialog in den Vortrag?

Aber wie kann jetzt die Rednerin „Dialog“ in ihre Vorträge bringen? – Nicht, indem sie sich sagt: „Alles hängt von mir ab.“ Sondern indem sie Verantwortung abgibt. Weil sie die Hauptperson ist, glaubt sie, für alles zuständig zu sein. Wenn jemand nichts mitbekommt, ist es vermeintlich ihre Schuld. Ihr Idealbild ist der Tausendsassa, der riesige Säle füllt und die Leute bis zum Schluss in Atem hält. Sie scheint vergessen zu haben, dass sie es auch anders kann. Im Gespräch ist ihr ja bewusst, dass sie ein gutes Resultat nur mit dem Gesprächspartner zusammen erreicht. Sie muss ihn zwar ins Boot holen; aber da soll er mitrudern. Er ist mitverantwortlich dafür, dass er von der Begegnung profitiert.

 

Dies ist auch in der öffentlichen Rede so. Diese Einstellung lässt sich in den Vortrag übernehmen. Keine Redner-Rolle ist so starr vorgegeben, dass sie sich nicht elastisch gestalten ließe, indem das Publikum wahrgenommen und so weit als möglich beteiligt wird.

»Raum: den Raum erlebbar machen: Ein Seminarraum lässt sich zwar nicht beliebig gestalten, besonders wenn man als Gastrednerin zu einer Veranstaltung eingeladen ist und sich ans Rahmenprogramm anpassen muss. Aber einen Versuch ist es immer wert. Toll wäre es, wenn alle Beteiligten einander mühelos sehen könnten. In diesem Fall hat das veranstaltende Unternehmen (spezialisiert auf Seminare und Konferenzen) Tischreihen aufgestellt, weil den BesucherInnen Kaffee und Mineralwasser serviert wird. Die erste Option – die Bestuhlung zu verändern – ist damit hinfällig. Die einzige Möglichkeit ist, die eigene Position als Rednerin zu verbessern. Ihr erster Gedanke: Ich beginne meinen Vortrag nicht auf der Bühne, sondern am Saaleingang. Ich beginne zu reden, und die Teilnehmerinnen – irritiert, weil sie mich nicht sehen – müssen sich alle mir zuwenden. Das kann funktionieren, unter zwei Bedingungen: genügend Zeit einsetzen und sich sprachlich über die Situation verständigen.

»Zeit: Sich und den anderen Zeit lassen. In einer ungewohnten Sitzordnung müssen sich die Teilnehmenden zuerst zurechtfinden. Und hier, wo die Rednerin sie aus einer überraschenden Perspektive anspricht (was eine gute Idee sein kann), bedeutet Timing: Lass den Leuten genügend Zeit, sich umzusehen, dich zu finden und ihre Überraschung zu genießen. Erst dann kannst du zum nächsten Schritt gelangen und dich mit ihnen darüber verständigen, was das Ganze soll. Das geht am leichtesten, indem du kommentierst, was gerade geschieht. Und das tut die Rednerin auch. Sie beginnt mit der Frage: „Ja, wo ist sie denn, die Olivia Grau?“ Und antwortet gleich selbst: „Hier hinten steht sie. Genau!“ Und sie lässt den Leuten Zeit, sich zu ihr umzudrehen. (Allerdings fehlt hier die direkte Ansprache des Publikums mit dem Personalpronomen Sie oder ihr.)

»Zielsetzung: Der Vortrag steht im Tagungsprogramm. Vorher und nachher sind andere Punkte geplant. Da würde eine Diskussion mit den 250 Zuhörenden über Sinn und Zweck des Auftritts merkwürdig wirken. Aber deklarieren lässt sich das Ziel. Und es ist möglich, dabei auf die Reaktionen zu achten. Viele so genannte Keynote- oder Impulsvorträge leiden darunter, dass an den Bedürfnissen des Publikums vorbei gesprochen wird. Man vertraut dem Veranstalter, der einem die Fragen nennt, die die Anwesenden angeblich haben, und kommt mit einer Lösung für Probleme daher, die niemand hat. Die Distanz zwischen Rednerin und Zuhörern wird so nicht aufgehoben. In vielen Fällen gäbe es aber die Gelegenheit, sich vorgängig unter das Publikum zu mischen und Erwartungen aufzuschnappen. Darauf auch nur mit ein paar Worten einzugehen, bringt mehr, als nur den vorbereiteten Text abzuspulen.

»Sprachliche Gestaltung: Verständigung und Feedback. Neben den Hauptaussagen, Argumenten und Beispielen wären Botschaften des Kontakts ebenso wichtig. Einige davon sind bereits genannt worden: Verständigung darüber, was im Publikum vor sich geht (wenn es wie hier eine gewollte Bewegung ist), Feedback zu Äußerungen aus dem Publikum. Hinzu kommen eingeschobene Erklärungen, wenn erkennbar ist, dass nicht alle folgen, aber auch die direkte Ansprache der Anwesenden mit „Sie“ oder „ihr“.

»Sprechweise: Abwechslung durch eine dialogische Haltung. Der einfachste Weg von der Monotonie zu einer lebendigeren Sprechweise führt über das Interesse an den Zuhörenden: Bekommen sie mit, was ich soeben gesagt habe? Beantworten sie die Frage für sich, die ich gerade gestellt habe? Nehmen sie an der Geschichte teil, die ich erzähle? – Hilfreich ist dabei das Bewusstsein für die Gliederung der eigenen Rede in Sprechhandlungen. (Mehr dazu in Kapitel 8.)

»Körpersprache: Eine Handlung aufs Mal. Kontakt mit dem Publikum ist nur möglich, wenn gesprochene Sprache und Körperbewegungen zusammenpassen. Oft geht das ganz natürlich vor sich (z.B. bei Zeigegesten). Oft aber ist man verleitet, zwei Dinge zugleich zu tun. Olivia zum Beispiel geht durch den Raum und stellt dabei bereits eine Aufgabe: „Machen Sie eine Liste: Welches sind die zehn wichtigsten Personen in Ihrem Leben?“ Damit fordert sie alle, die sie mit dem Blick verfolgen, auf, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Und sich selbst erschwert sie die Orientierung beim nicht ganz problemlosen Weg durch die engen Tisch- und Stuhlreihen. Der wichtigste Tipp im nonverbalen Bereich: Eine Sache aufs Mal tun. Das bedeutet zum Beispiel auch, 20 Sekunden lang zu schweigen, bevor man wieder auf der Bühne steht.

»Medieneinsatz: Im Vortrag teilt sich Olivia die Bühne mit dem Bildschirm. Darauf sind zum Teil einfache Bilder zu sehen (ein Flugzeug, wenn vom Fliegen die Rede ist, ein Strand, wenn sie vom Strand erzählt), zum Teil aber auch Grafiken und Texte, die gelesen werden wollen und den Blick von der Rednerin ablenken. Dialog ist aber nur möglich mit Blickkontakt. Das geht nur, wenn der Bildschirm keine Konkurrenz darstellt – am leichtesten, wenn darauf nichts zu sehen ist!

Chancen für Dialog im Präsenz-Vortrag

»Den Raum mit dem Publikum zusammen erleben: Lautstärke anpassen, Blickkontakt ermöglichen, Konkurrenz-Ereignisse (überflüssige visuelle Reize) vermeiden. (Über den konstruktiven Umgang mit Medien im Vortrag siehe Kapitel 16.)

»Sich und dem Publikum Zeit lassen: Fragen und Aufgaben müssen zuerst verstanden und dann umgesetzt werden. Erst danach kann der Vortrag weitergehen. Und er geht weiter, indem die Antworten bzw. Lösungen aus dem Publikum aufgenommen werden (Mehr zum Thema Fragen in Kapitel 14.)

»Überprüfen, was ankommt: Ob man sich versteht, wird nicht nur aus Antworten klar, sondern auch aus Blicken, Kopfnicken, Handzeichen usw.

»Aufgaben ernst meinen: Fragen, Problemstellungen usw. lösen in jedem Fall Reaktionen aus. Diese müssen – auch wenn sie nicht ausgesprochen sind – eingearbeitet werden: durch nonverbale Übereinkunft, Pausen, einzelne Antworten aus dem Publikum, Zitieren fremder Beiträge usw.

»Attraktive Sprechweise ermöglichen: Wer beim Sprechen mitdenkt, führt noch kein Gespräch, sorgt aber für den lebendigen Rhythmus eines Gesprächs und gibt damit dem Publikum die Möglichkeit, mitzudenken und, bei Bedarf, mitzusprechen. Der Anfang besteht in der Aufmerksamkeit für Sprechhandlungen. (Vgl. hierzu Kapitel 8.)

»Auf überflüssige PowerPoint-Folien verzichten: Viele Botschaften wirken überzeugender ohne Visualisierung. Wenn aber Medien eingesetzt werden müssen, dann muss die Rednerin sie gemeinsam mit dem Publikum betrachten (damit sie nicht völlig losgelöst ein Eigenleben führen).

Und was bedeutet Dialog im Online-Vortrag?

Auch der Online-Vortrag wird verbindlicher und attraktiver, wenn die Rednerin ihre Stärken aus dem direkten Gespräch nutzt. Das kann so aussehen:

»Raum: den eigenen und den fremden Raum verbinden: Rednerin und Publikum befinden sich in getrennten Räumen. Die Rednerin kann sie nur verbinden, indem sie in ihren eigenen Raum „einlädt“. Das setzt voraus, dass sie selbst in einem echten Raum – in einer dreidimensionalen Umgebung – zu sehen ist. Und sie muss die Möglichkeit schaffen, ihn zu „betreten“: indem sie sich darin bewegt (und sei es nur mit ihrer Gestik) und Dinge, die darin eine Bedeutung haben, anspricht. (Vgl. Kapitel 4.)

»Zeit: Verpflichtung zum Zeit-Management. Grundlage einer guten Kommunikation ist die Zeitabsprache. Online ist dies nur im Konferenz-Modus möglich. Aber nichts hindert die Rednerin oder den Redner daran, zu Beginn klar zu sagen, wie lange der Vortrag dauern wird. Zudem sollte das Publikum gerade bei Online-Vorträgen eine Übersicht über die zeitliche Gliederung haben. Es sollte in der Lage sein, einzelne Passagen zu überspringen, direkt zu bestimmten Punkten zu gehen oder Interessantes gezielt nochmals anzuhören. (Vgl. unten Kapitel 12.)

»Zielsetzung: Klare Angebote: Ein Online-Vortrag ist eine Kompaktlösung. Sie wird von Menschen gezielt gesucht und soll auch gezielt Antworten bieten. Die erste Auskunft, die gegeben werden muss, ist: Was nützt mir dieser Vortrag? Und wenn diese Information nicht schon aus dem Titel und anderen Kontext-Informationen klar wird, muss sie ziemlich schnell kommen. Wenn dann das Redeziel einfach und klar erkennbar ist, lassen sich Angebote zu Feedback und Beiträgen aus dem Publikum anschließen.

»Sprachliche Gestaltung: Dialogformen nutzen. Jeder Online-Vortrag kann durch Kommentare ergänzt werden. Diese sind zwar in einem anderen Medium (oder in einer Chat-Spalte) abzugeben und können deshalb nur in Live-Situationen direkt beantwortet werden. Aber man kann zumindest im Nachhinein auf die Beiträge aus dem Publikum eingehen und in einer Folgeveranstaltung darauf reagieren.

»Sprechweise: Helfer einsetzen. Wer minutenlang in eine Kamera blickt, wird garantiert monotoner klingen als im direkten Kontakt. Um dies zu verhindern, ist es notwendig, Elemente der Sprechweise aus dem alltäglichen Gespräch in die Online-Situation herüberzuretten. Das fällt leichter, wenn man jemanden bittet, sich als Zuhörerin dazu zu setzen. Nur schon durch die Anwesenheit und durch nonverbale Reaktionen wird sie die Sprechweise beeinflussen.

»Körpersprache: Raum für Gesten schaffen. Als Online-Vortragende fühlt man sich oft technisch eingeschränkt. Die Kamera ist zu nah, der Bildausschnitt zu eng, die Wirkung der Gestik schwer zu kontrollieren. Dennoch ist es immer möglich, sich so einzurichten, dass eine lebendige Körpersprache entsteht, eine Körpersprache, die das Gegenüber nicht ausschließt, sondern einbezieht. Hilfreich ist eine Einrichtung mit Hilfe von jemandem, der als „Regisseur“ mitplant.

»Medieneinsatz: Zurück zu den einfachsten Mitteln. Die Technik verführt dazu, parallel zur vortragenden Person eine Videoeinspielung, ein Foto-Insert oder eine ganze PowerPoint-Datei laufen zu lassen. Das spricht nicht an, sondern lenkt von der Rednerin ab. Ganz anders ist es, wenn sie das Buch, das sie vorstellen will, in der Hand hält, statt es im Video aufleuchten zu lassen. Eine Definition, über die sie spricht, kann sie auf einen großen Karton schreiben, statt mit ihr den Bildschirm zu füllen. Das hilft, das Reden und die Visualisierung zu koordinieren, man meldet sich nicht ab, sondern bleibt im Gespräch.

Diese Prinzipien kann der konstruktive Vortrag übernehmen

»vom Führer zum Partner des Publikums werden

online: realistische, begrenzte Ziele setzen

»die eigene Bedeutung nüchtern sehen

Dass ich am Rednerpult stehe oder vor der Kamera sitze, ist nur eine temporäre Sache. Morgen bin ich wieder auf der anderen Seite und möchte selbst als Partner angesprochen werden.

online: Ich relativiere die Vorstellung meines Impacts. Mir ist bewusst, dass meine Botschaft mit anderen konkurriert und dass das Publikum sein Wissen aus mehreren Quellen zusammensetzt.

»die klassischen Bedingungen (z.B. Zeitdruck) unterlaufen

 

online: Ich stelle mir einen Gesprächspartner oder eine Zuhörerin vor oder hole sie gar vor die Kamera, um mir Rhythmus und Pausensetzung zu erleichtern.

»sich vorbereiten, aber auch das Publikum einbinden

online: Ich spreche Publikum stärker an (du/Sie), lasse es mitdenken, beziehe es durch Pausen und Wiederholungen ein.

»dialogisch vorgehen: auf die Rückmeldungen aus dem Publikum eingehen

online: Ich fordere zu Rückmeldungen auf und nehme beim nächsten Mal darauf Bezug.