Recht im E-Commerce und Internet

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4. Folgen für das Online-Banking

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Auch im Online-Banking konnte das Handeln Dritter nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht bislang zugerechnet werden, da durch das PIN/TAN-Verfahren prinzipiell eine ausreichende Sicherheit der Daten bestand.175 Aufgrund der größeren Gefahren beim Online-Banking ist der Kunde in Bezug auf Speicherung und Aufbewahrung von PIN- und TAN-Nummern zu einer größeren Sorgfalt auch mithilfe eines Virenprogramms verpflichtet, sodass eine Kenntnisnahme von Dritten auszuschließen ist.176 Bei sog. Phishing-Attacken ist für den Nutzer des Online-Banking die missbräuchliche Verwendung seiner Daten hingegen auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht erkennbar, sodass eine Rechtsscheinhaftung dann nicht in Betracht gezogen werden kann.177

Fragen und Aufgaben

 1. Wofür stehen die Abkürzungen B2B und B2C? Ist die Differenzierung für die Anwendung des Fernabsatzrechts bedeutsam?

 2. Ist die Anfechtung eines über das Internet geschlossenen Vertrags möglich?

 3. Ist es rechtlich relevant, ob ein Internetsurfer bei einem Mausklick das Bewusstsein hat, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben? Begründen Sie bitte Ihre Ansicht.

 4. Handelt es sich bei Anpreisungen einer Ware oder Dienstleistung auf einer Internetseite um ein Angebot im Rechtssinne? Skizzieren Sie bitte Grundsätze und Ausnahmen.

 5. Der Verkäufer eines Luxusautos hat sich bei der Eingabe des Startpreises auf einer Versteigerungsplattform vertippt, indem er statt 10.000 € nur 100 € für das Auto verlangt. Der Käufer des Autos hat den Wagen für 500 € gekauft. Wie ist die Rechtslage?

 6. Wie ist die Rechtslage, wenn der Verkäufer 1.000 € als Startpreis in die Maske eingegeben hat, aufgrund eines unerkannten Softwarefehlers 100 € als Startpreis erscheint und ein Vertrag zum Preis von 500 € geschlossen wird?

 7. Wie ist ein Angebot auf einer Auktionsplattform rechtlich zu bewerten, das unter der Rubrik „Sofortkauf“ eingestellt wurde?

 8. Die Studentin A hat ihre Zugangsdaten für diverse Online-Verkaufsplattformen auf ihrem Schreibtisch unter ihrem Notebook liegen. Sie erlaubt regelmäßig ihrem Mitbewohner B, ihr Notebook zu nutzen und es mit in sein Zimmer zu nehmen. Ihr Mitbewohner bestellt ihr nun über ihren Account eine neue Winterjacke, weil er ihre Klagen über den kalten Winter nicht mehr hören kann. Muss die A diesen Mantel zahlen oder doch eher der B? Wovon hängt die Zahlungsverpflichtung ab?

163 BGH, Urt. v. 3.3.1966 – II ZR 18/64, BB 1966, 425. 164 Schubert, in: MüKo-BGB, 2018, § 164 Rn. 141, mit dem Beispiel eines unverbindlichen Spielvertrags nach § 762 BGB. 165 BGH, Urt. v. 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, K&R 2011, 496. 166 BGH, Urt. v. 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, K&R 2011, 496. 167 BGH, Urt. v. 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, K&R 2011, 496. 168 BGH, Urt. v. 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, K&R 2011, 496. 169 BGH, Urt. v. 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, K&R 2011, 496; Borges, NJW 2011, 2400. 170 Spindler, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2019, BGB, § 164 Rn. 10. 171 Borges, NJW 2011, 2400. 172 Borges, NJW 2011, 2400. 173 BGH, Urt. v. 11.3.2009 – I ZR 114/06, K&R 2009, 401. Siehe dazu auch Hecht, K&R 2009, 462. 174 Borges, NJW 2011, 2400. 175 Spindler, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2019, BGB, § 164 Rn. 10. 176 Kind/Werner, CR 2006, 353. 177 Kind/Werner, CR 2006, 353.

Kapitel 3
Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Übersicht


Rn.
I. Anwendungsbereich, § 310 BGB2
1. Eingeschränkte Kontrolle von AGB bei B2B-Verträgen3
2. Eingeschränkte Kontrolle in der Grundversorgung4
II. Vorliegen von AGB, § 305 Abs. 1 S. 1 und 3 BGB5
1. Vorformulierte Vertragsbedingung6
2. Absicht mehrfacher Verwendung7
3. Stellen der AGB durch Verwender8
III. Einbeziehung von AGB in den Vertrag10
1. Allgemeine Bedingungen für die Einbeziehung von AGB11
2. Bereitstellung in speicherbarem und druckfähigem Format13
3. Besonderheiten im M-Commerce14
4. Sprache der AGB15
5. Einverständnis mit Geltung der AGB17
6. Geltung überkreuzter AGB18
7. Vorrang der Individualabrede19
8. Verbot überraschender Klauseln21
IV. Verwenderfeindliche Auslegung von AGB23
V. Inhaltskontrolle von AGB25
1. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit27
2. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit30
3. Allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB32
a) Abweichung von Grundgedanken der gesetzlichen Regelung33
b) Gefährdung der Erreichung des Vertragszwecks36
c) AGB-rechtliche Generalklausel38
d) Intransparente Klauseln39
e) Unwirksamkeit unangemessen benachteiligender Klauseln41
VI. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen AGB-Vorschriften43
VII. Prozessuales45

1

 

Zur Vereinfachung und Standardisierung von Internet-Verträgen sind Anbieter von Waren oder Dienstleistungen bestrebt, diesen Allgemeine Geschäftsbedingungen (kurz „AGB“) zugrunde zu legen. Zum Schutz des jeweiligen Verwendungsgegners hat der Bundesgesetzgeber bereits 1977 im eigens dafür geschaffenen „Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGB-Gesetz oder kurz „AGBG“) besondere Schutzmechanismen geschaffen, um dem Umstand einer wirtschaftlichen Irrationalität des Überprüfungsaufwands von AGB im Geschäftsverkehr einerseits und dem oft bestehenden wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen Verwender und Verwendungsgegner andererseits durch eine verschärfte Kontrolle der AGB Rechnung zu tragen. Die Vorschriften aus dem AGBG werden unter Modifikation insbesondere im Hinblick auf das Verbraucherrecht seit dem 1.1.2002 in den §§ 305 bis 310 BGB weitergeführt.

I. Anwendungsbereich, § 310 BGB

2

Der Anwendungsbereich der AGB-rechtlichen Vorschriften richtet sich auch im Internet und E-Commerce nach § 310 BGB. Die § 305ff. BGB finden Anwendung, soweit sich aus den dort niedergelegten Grenzen nichts anderes ergibt.1

1. Eingeschränkte Kontrolle von AGB bei B2B-Verträgen

3

Die AGB-Kontrolle unterliegt im unternehmerischen Verkehr (B2B) erheblichen Restriktionen durch § 310 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB. Nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB finden die §§ 305 Abs. 2 und 3, 308 Nr. 1, 2 bis 8 und 309 BGB im unternehmerischen Verkehr keine Anwendung. Allerdings eröffnet § 310 Abs. 1 S. 2 BGB die Möglichkeit einer Beachtung der § 308f. BGB unter dem Blickwinkel des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Dabei sollen die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten berücksichtigt werden. Der BGH spricht jedenfalls in Bezug auf die Klauselverbote des § 309 BGB regelmäßig von einer Indizwirkung.2 Dies hat in der Praxis allerdings zur Konsequenz, dass häufig bei einem Verstoß gegen die §§ 308, 309 BGB die Unwirksamkeit der Klauseln herbeigeführt wird.3 Höchst selten wird eine anerkannte Praxis im unternehmerischen Verkehr den Fällen der §§ 308f. BGB zuwiderlaufen.4

2. Eingeschränkte Kontrolle in der Grundversorgung

4

Weiterhin sind nach § 310 Abs. 2 S. 1, 2 BGB Verträge der Wasser-, Energie- und Wärmeversorgung sowie der Abwasserentsorgung von den Beschränkungen der §§ 308 und 309 BGB teilweise ausgenommen. Hintergrund sind die diesbezüglich geschaffenen gesetzlichen Grundlagen, welche eine hinreichende Berücksichtigung der Interessen des Verwendungsgegners der AGB gewährleisten.5 Nur dann, wenn die AGB des Versorgers von diesen gesetzlichen Vorgaben abweichen, kommt eine AGB-Kontrolle in Betracht.

1 Weitere Einschränkungen ergeben sich aus § 310 Abs. 4 BGB; für dieses Buch nicht von Bedeutung. 2 Mittlerweile erstreckt der BGH im unternehmerischen Verkehr die Indizwirkung auch auf § 307 Abs. 2 BGB, vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, NJW 2017, 2986, 2989. 3 Schuster, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2019, BGB, § 310 Rn. 7. 4 So aber etwa bei § 309 Nr. 9 lit. a BGB, der eine reine verbraucherspezifische Schutzregelung darstelle, BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626, 627; OLG Stuttgart, Urt. v. 7.12.2016 – 3 U 105/16, BeckRS 2016, 121372 Rn. 29. 5 BT-Drs. 14/6040, S. 160.

II. Vorliegen von AGB, § 305 Abs. 1 S. 1 und 3 BGB

5

Ob AGB vorliegen, beurteilt sich nach §§ 305 Abs. 1 S. 1 und 3 BGB. Demnach sind AGB für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die der Verwender der anderen Vertragspartei stellt und die nicht im Einzelnen ausgehandelt sind.

1. Vorformulierte Vertragsbedingung

6

Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, wenn sie durch eine Partei vor Abschluss des Vertrags bereits vollständig konzipiert sind.6 Auf die Art und Weise der vorausgegangenen Konzeption kommt es nicht an. Sie müssen weder vorher einsehbar sein noch textuell vorliegen.7 Typischerweise ist dies aber im Bereich des E-Commerce ohnehin der Fall, wenn die AGB auf den Websites der Anbieter oder deren Präsenzen in sozialen Netzwerken abrufbar sind.

2. Absicht mehrfacher Verwendung

7

Die AGB sind auf eine Vielzahl von Verträgen ausgelegt, wenn der Verwender beabsichtigt, die AGB mindestens drei Mal gegenüber seinen Vertragspartnern zu nutzen.8 Ob es zu dieser Mehrfachverwendung kommt, ist unerheblich. Im Verbraucherrecht liegen hingegen AGB bereits dann vor, wenn sie durch den Unternehmer überhaupt gegen einen Verbraucher verwendet werden, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Auf diesem Gebiet verliert das Kriterium der mehrfachen Verwendungsabsicht seine Bedeutung als Abgrenzungsmerkmal zwischen AGB einerseits und Individualvertrag andererseits.

3. Stellen der AGB durch Verwender

8

Die AGB werden gestellt, wenn sie einseitig durch den Verwender eingebracht werden. Das Merkmal geht Hand in Hand mit der Frage, ob die Klauseln im Einzelnen ausgehandelt i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB sind. Im Einzelnen ausgehandelt werden Vertragsbedingungen dann, wenn der gesetzesfremde Kern der Vertragsbedingung ernsthaft zur Disposition gestellt wird.9 Erforderlich ist also, dass die einzelne AGB-Klausel durch den Verwendungsgegner auch vollständig hätten abgelehnt werden können.

9

Dies erscheint insoweit kongruent, als dass dadurch eine Gleichstellung mit einer Individualvereinbarung gewährleistet ist und folglich der Schutz des AGB-Rechts nicht eröffnet zu werden braucht. Andererseits führt dies in der Praxis dazu, dass selbst Vertragswerke, die zwischen Unternehmen über Monate oder Jahre ausgehandelt werden, trotzdem der AGB-Kontrolle unterliegen, weil die einzelnen Klauseln oft für die Vertragspartner nicht zur Debatte standen, letztlich der Kompromiss also nicht innerhalb der einzelnen Klausel, sondern durch die wechselseitige Anerkennung verschiedener Klauseln zustande kommt, was aber nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung nicht ausreichend ist.10 Für den E-Commerce heißt das, dass Klauseln praktisch nie einzeln ausgehandelt sein können. Die ohnehin realitätsferne Möglichkeit der Auswahl zwischen verschiedenen AGB ist jedenfalls nicht ausreichend.11

6 Basedow, in: MüKo-BGB, 2019, § 305 Rn. 13. 7 Zum Phänomen der „AGB aus dem Kopf“ erstmals BGH, Urt. v. 30.9.1987 – IVa ZR 6/86, NJW 1988, 410. 8 Basedow, in: MüKo-BGB, 2019, § 305 Rn. 17. 9 Zuletzt BGH, Beschl. v. 19.3.2019 – XI ZR 9/18, NJW 2019, 2080, 2081. 10 „Aushandeln bedeutet mehr als Verhandeln“ – zuletzt BGH, Beschl. v. 19.3.2019 – XI ZR 9/18, NJW 2019, 2080, 2081. 11 BGH, Urt. v. 3.12.1991 – XI ZR 77/91, BB 1992, 169; BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, BB 1996, 611.

III. Einbeziehung von AGB in den Vertrag

10

Die AGB müssen in den Vertrag einbezogen werden. Das Gesetz differenziert insoweit zwischen der Einbeziehung („werden ... Vertragsbestandteil“) und Wirksamkeit der Klauseln („sind unwirksam ...“). Die Einbeziehung zeichnet sich dadurch aus, dass die Klauseln aufgrund ihrer formalen, praktischen Gestaltung für den Verwendungsgegner nicht hinreichend als Vereinbarungsgegenstand erkennbar sind, wohingegen die Unwirksamkeit im Schwerpunkt auf die mangelnde inhaltliche Akzeptanz der Klausel nach objektiven Kriterien abstellt.12

1. Allgemeine Bedingungen für die Einbeziehung von AGB

11

§ 305 Abs. 2 BGB stellt zunächst allgemeine Bedingungen für die Einbeziehung von AGB auf. Gemäß § 305 Abs. 2 BGB muss der Verwender vor Vertragsschluss ausdrücklich bzw. unter Verweis auf einen deutlich sichtbaren Aushang (Nr. 1) und durch eine Möglichkeit zur zumutbaren Kenntnisnahme durch den Verwendungsgegner (Nr. 2) dessen Einverständnis mit der Geltung der AGB erzielen.

12

Die Einbeziehung wird im Internet häufig durch Checkboxen vollzogen, in welchen der Besteller durch aktives Setzen eines Häkchens die Kenntnisnahme der AGB bestätigen muss, bevor die Bestellung entgegengenommen wird. Dabei werden die AGB häufig innerhalb der Checkbox verlinkt. Diese Praxis begegnet keinen rechtlichen Bedenken.13 Im Gegenteil: Das LG Essen erachtete es als ausreichend, dass die AGB vor der Bestellung bei flüchtigem Blick erkannt und abgerufen werden konnten.14 Eine aktive Bestätigung durch den Besteller ist gerade keine zwingende Voraussetzung für die wirksame Einbeziehung von AGB im Internet.15 Unzureichend ist es allerdings, wenn die AGB nicht im Zusammenhang mit dem verbindlichen Bestellvorgang zur Kenntnis genommen werden können.16

2. Bereitstellung in speicherbarem und druckfähigem Format

13

Die Zurverfügungstellung hat dabei in einem speicherbaren und druckfähigen elektronischen Format zu erfolgen.17 Bloße Bildschirmdarstellung reicht, wie früher teilweise angenommen,18 nicht aus, weil dadurch die Vertragsbedingungen für den Verwendungsgegner möglicherweise nicht mehr nachträglich abrufbar sind. Das Problem dürfte aber schon deswegen von untergeordneter Bedeutung sein, weil sich aus § 312i Abs. 1 Nr. 4 BGB ohnehin die Pflicht zur Übermittlung der AGB in einem speicherfähigen Format ergibt. Nicht ausreichend ist es, wenn die AGB nur über ein kleines Scroll-Fenster abrufbar sind und nicht heruntergeladen werden können.19

3. Besonderheiten im M-Commerce

14

Besondere Herausforderungen bei der Einbeziehung von AGB stellen sich im M-Commerce. Auch hier gilt grundsätzlich das zuvor Geschriebene. Allerdings muss man unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten berücksichtigen, dass nicht jeder Betreiber einer Website zwangsläufig eine mobil unterstützte Variante seiner AGB bereithalten muss. Dies muss insbesondere deswegen gelten, weil eine Überprüfung der Art der Endgeräte durch den Betreiber nicht in jedem Fall zulässig ist.20 Vielmehr ist eine solche Pflicht nur dann anzunehmen, wenn sich der Verwender durch eine mobile Ansicht seiner Website bewusst für den M-Commerce entschieden hat. Erst dann erscheint es angemessen, ihm auch die aus dem M-Commerce erwachsende besondere Pflicht zur Bereithaltung mobil lesbarer AGB aufzubürden.21 Wiederum gilt aber auch hier: Unabhängig von den AGB-rechtlichen Konsequenzen ist der Anbieter im E-Commerce via § 312i Abs. 1 Nr. 4 BGB ohnehin zur Bereitstellung der AGB in speicherbarer Form verpflichtet, sodass schon allein deswegen eine Unterrichtung (typischerweise via E-Mail oder über ein Nutzer-Konto) zu erfolgen hat.

4. Sprache der AGB

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In welcher Sprache die AGB vorliegen müssen, um einbezogen zu werden, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Einerseits sind die Interessen des Verwendungsgegners zu berücksichtigen, welcher sich nicht von AGB in fremder Sprache überzogen sehen möchte, wenn und weil er diese nicht hinreichend verstehen kann.22 Andererseits wird es dem einzelnen Unternehmer beim geschäftlichen Verkehr im Internet kaum zumutbar sein, für Kunden aus aller Welt AGB in deren Sprache zu formulieren.

16

Vermittelnd wird daher vorgeschlagen, dass die AGB in der Sprache vorliegen müssen, in welcher sich auch die Internet-Präsenz des Verwenders bewegt.23 Das ist auch richtig, führt man sich vor Augen, dass es dem Nutzer eines Online-Angebots klar sein muss, dass die Vertragssprache mit einem Anbieter, der seine Leistung etwa auf Französisch anpreist, ebenfalls Französisch sein wird. Das Problem mildert sich aber jedenfalls dadurch ab, dass der Nutzer dem Schutzbereich der AGB-Kontrolle nicht entzogen wird. Regelmäßig werden die AGB ohnehin durch den Nutzer nicht gelesen, sodass die Sprachwahl schlussendlich keine entscheidende Rolle mehr spielt.

 

5. Einverständnis mit Geltung der AGB

17

Das Einverständnis mit Geltung der AGB spielt insbesondere im unternehmerischen Verkehr eine bedeutsame Rolle. Zwar findet § 305 Abs. 2 BGB keine unmittelbare Anwendung auf den unternehmerischen Verkehr, vgl. dazu § 310 Abs. 2 S. 1 BGB (siehe oben Rn. 3). Jedoch heißt dies nicht, dass AGB in jedem Fall einbezogen sind. Stattdessen ist auf die allgemeinen Grundsätze für vertragliche Einigungen nach §§ 145ff. BGB zurückzugreifen, wobei § 305 Abs. 2 BGB als eine Ausprägung dessen, was tatsächlich vertraglich vereinbart worden ist (= einbezogen wird in den Vertrag), auch im unternehmerischen Verkehr gilt. Der Entfall im Sinne des § 310 Abs. 2 S. 1 BGB bezieht sich lediglich auf die verbraucherbezogenen Schutzmechanismen der Vorschrift. So müssen AGB der anderen Partei auch im unternehmerischen Verkehr vor Vertragsschluss bekannt gemacht werden, allerdings ohne dass dies eine besondere Hinweispflicht nach sich zieht. Das Einverständnis mit deren Geltung ist daher schneller anzunehmen.

6. Geltung überkreuzter AGB

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Unter dem Stichwort der überkreuzten AGB wird die Konstellation diskutiert, dass zwei Unternehmer (zeitgleich oder nacheinander) wechselseitig AGB an die jeweils andere Partei stellen und anschließend den Vertrag vollziehen. Nach der sogenannten Theorie des letzten Wortes24 sollten für die Vertragsabwicklung die AGB Geltung finden, welche zuletzt von einer Partei an die andere gestellt worden sind, ohne dass diese sich dagegen zur Wehr setzte. Es wurde dabei auf die gesetzliche Systematik rekurriert, insbesondere auf § 150 Abs. 2 BGB. Diese Auffassung hat aber unberücksichtigt gelassen, dass der andere durch die eigene Stellung von AGB seinerseits der fehlenden Akzeptanz anderer AGB Ausdruck verliehen hat. Daher wird heute vorherrschend darauf abgestellt, inwieweit sich die von den Parteien gestellten AGB widersprechen. Soweit sie das tun, heben sie sich wechselseitig auf, sodass das dispositive Recht subsidiär eingreift, also das Gesetz gilt. Soweit sie das nicht tun, bleiben sie bestehen (Prinzip der Kongruenzgeltung).25

7. Vorrang der Individualabrede

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§ 305b BGB normiert den Vorrang der Individualabrede. Demnach werden AGB von schriftlich oder mündlich geschlossenen andersartigen Abreden überlagert. Dies soll dem Umstand Rechnung tragen, dass AGB typischerweise ein abstraktes, modulierbares Grundgerüst bilden, welches von den Parteien durch konkrete Vereinbarung für den einzelnen Vertrag angepasst werden kann.26 Da aber die ständige Anpassung der einzelnen Klauseln mit unverhältnismäßigen Mühen verbunden wäre, werden häufig mündliche Vereinbarungen getroffen, die dann auch – gesetzlich in § 305b BGB zum Ausdruck kommend – Vorrang genießen sollen.27 Zu beachten bleibt dabei, dass § 305b BGB nur dann Relevanz entfaltet, wenn die individuellen Vereinbarungen auch tatsächlich im Widerspruch zu den AGB stehen. Dies ist durch Auslegung der fraglichen Klausel und der Individualabrede zu ermitteln. Bloß ergänzende oder klarstellende Abreden überlagern die AGB entsprechend nicht.28

20

Der Vorrang der Individualabrede kann nicht durch eine sog. doppelte Formklausel in den AGB begrenzt oder ausgeschlossen werden. Eine doppelte Formklausel besagt, dass Änderungen der AGB einer bestimmten Form bedürfen sollen (z.B. der Schriftform) und auch die Aufhebung der Formklausel selbst dieser Form unterfällt. In anderer Form getroffene individuelle Abreden der Parteien wären dann wegen Nichtbeachtung der doppelten Formklausel unwirksam. Dem ist der BGH jedoch entgegengetreten und hat doppelte Formklauseln, mit denen der Vorrang individueller Abreden unterbunden werden konnte, für unwirksam erklärt und damit dem Parteiwillen Vorrang gegeben.29 Die doppelte Formklausel ist damit letztlich nur eine Beweisregel.

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