Recht im E-Commerce und Internet

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5. Elektronische Signaturen und elektronisches Siegel

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Neben der elektronischen Signatur, die weiterhin nur für natürliche Personen ausgestellt wird, enthält die eIDAS-Verordnung Regelungen zu sog. elektronischen Siegeln, die juristischen Personen nun elektronische Signaturen ermöglicht.

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Die Anforderungen an elektronische Signaturen entsprechen weitgehend den Anforderungen aus Art. 2 Nr. 2 Signatur-Richtlinie und § 2 Nr. 2 SigG. Neu ist lediglich, dass die Signatur dem Unterzeichner nicht mehr ausschließlich, sondern lediglich eindeutig zugeordnet sein muss. Darüber hinaus wird nur noch gefordert, dass der Unterzeichner die Signaturerstellungsdaten mit einem hohen Maß an Vertrauen unter seiner alleinigen Kontrolle verwenden kann, die alleinige Kontrolle ist nicht mehr Voraussetzung.

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Bisher konnte durch die vertretungsberechtigten natürlichen Personen einer juristischen Person lediglich ein Zertifikat verwendet werden, das auf die juristische Person als Pseudonym lautete.19 Nach der eIDAS-Verordnung können nun Zertifikate auch direkt auf die juristische Person lauten, was in Art. 35 bis 38 der Verordnung geregelt wird.

8 Roßnagel, NJW 2014, 3686. 9 Roßnagel, MMR 2015, 359. 10 Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über die elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. EU L 257/73. 11 Sosna, CR 2014, 825. 12 Ausführlich zum Datenschutz und zur DSGVO Kap. 8. 13 Siehe zur eIDAS-VO Dorndorf/Schneidereit, CR 2017, 21. 14 BVerfG, Beschl. v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BB 1987, 2111. 15 Einen Überblick bietet Söbbing, ITRB 2018, 269; eingehender Roßnagel, MMR 2018, 31. 16 Sosna, CR 2014, 825. 17 Roßnagel, NJW 2014, 3686, 3688. 18 Roßnagel, NJW 2014, 3686, 3687; eine Übersicht der Durchführungsrechtsakte zum elektronischen Identitätsnachweis (sog. eID) findet sich unter https://www.bmi.bund.de/Webs/PA/DE/verwaltung/eIDAS-verordnung-der-EU/verordnung-und-durchfuehrungsakte/verordnung-und-durchfuehrungsakte-node.html. 19 Roßnagel, in: Roßnagel, Recht der Telemediendienste, 2013, § 2 SigG Rn. 58.

IV. Anpassung der Formvorschriften im Privatrecht

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Durch das Signaturgesetz 2001 wurden nur die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um die qualifizierte elektronische Signatur in ihrer Rechtswirkung der eigenhändigen Unterschrift gleichzustellen. Im SigG selbst war dies nicht geregelt. Deshalb wurde am 13.7.2001 das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr beschlossen. Das Gesetz sollte, der EU-Richtlinie folgend, das deutsche Recht den Entwicklungen und Erfordernissen des modernen Rechtsverkehrs anpassen. Das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften im Privatrecht bildet noch heute mit dem VDG, dem sog. E-Government-Gesetz vom 25.7.2013 und dem De-Mail-Gesetz vom 28.4.2011 gemeinsam die Grundlage für den elektronischen Rechtsverkehr in Deutschland.

1. Elektronische Form, §§ 126 Abs. 3, 126a BGB

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Mit dem Formvorschriftenanpassungsgesetz wurde 2001 zunächst § 126 BGB um einen Absatz 3 dahingehend ergänzt, dass die gesetzliche Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden kann, sofern sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Zudem wurde § 126a BGB mit der Beschreibung der elektronischen Form eingeführt.

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§ 126a BGB regelt die Voraussetzungen der elektronischen Form. Haben die Vertragspartner die Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form durch eine (nicht formbedürftige) Vereinbarung zugelassen, so müssen sie die betreffenden (gleichlautenden) Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach der eIDAS-Verordnung versehen. § 126a BGB stellt ausdrücklich die rechtliche Gleichwertigkeit von qualifizierter elektronischer Signatur und eigenhändiger Unterschrift fest.20 Durch die technische Ausgestaltung stellt die der elektronischen Form zugrunde liegende qualifizierte elektronische Signatur einen Sicherheitsstandard auf, der nicht hinter dem der gesetzlichen Schriftform zurückbleibt (siehe oben Rn. 13). Sie genügt insofern der Funktion der Schriftform, sodass man auch von Funktionsäquivalenz spricht.

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Zu beachten ist, dass die elektronische Form gemäß §§ 126 Abs. 3, 126a BGB nicht deckungsgleich mit dem Begriff des elektronischen Formats auf europarechtlicher Ebene zu verstehen ist. Wenn etwa in Art. 28 Abs. 9 der DSGVO vom schriftlich abzufassenden Vertrag gesprochen wird, was auch „in einem elektronischen Format erfolgen“ kann, geht damit nicht das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur einher. Vielmehr genügt eine dauerhaft auf elektronischen Trägermedien verkörperte, abrufbare und lesbare Datei. Der Begriff entspricht somit nicht dem des § 126a BGB, sondern eher der Textform in § 126b BGB.21

2. Textform, § 126b BGB

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Mit § 126b BGB führte der Gesetzgeber 2001 die sog. Textform ein. Dies ist eine erleichterte Form der elektronischen Erklärung. Sie muss keine qualifizierte elektronische Signatur enthalten, sondern nach den Änderungen aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung22 als lesbare Erklärung auf einem „dauerhaften Datenträger“ abgegeben werden, in der die Person des Erklärenden genannt ist.23

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Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Hinsichtlich dieser Nomenklatur verfolgte der Gesetzgeber bewusst eine Angleichung an das europäische Gemeinschaftsrecht (z.B. Art. 2 lit. f. RL 2002/65/EG).24 Der Begriff „dauerhafter Datenträger“ wird zunehmend auch außerhalb der Textform eingesetzt, so etwa in dem ab dem 1.1.2022 geltenden § 327r Abs. 2 BGB (bei Änderungen an digitalen Produkten, dazu ausführlich Kapitel 7) und der Neufassung des § 479 Abs. 2 BGB zum 1.1.2022 (Bereitstellung von Garantieerklärungen). Besonders konsequent ist der Gesetzgeber dabei jedoch nicht: Für die ab dem 1.1.2022 geltenden Informationspflichten bei Aktualisierungen wird auf den dauerhaften Datenträger verzichtet.

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Für § 126b BGB genügt es, wenn die Information so erteilt wird, dass sie über einen angemessenen Zeitraum hinweg unverändert wiedergegeben werden kann. Dieser Anforderung genügt ein elektronisches Dokument wie eine E-Mail oder eine Speicherung z.B. auf CD/DVD, Festplatte, USB-Stick oder Speicherkarte.25 Eine Speicherung der Erklärung in Schriftzeichen ist, wie auch die unmittelbare Lesbarkeit, hingegen nicht erforderlich.26 Wegen des eindeutigen, auf Lesbarkeit abstellenden Wortlauts genügt die Nutzung gesprochener und digitalisierter Mitteilungen (also bspw. Sprachnachrichten in einem Messagingdienst) nicht den Anforderungen an eine Textform, auch wenn der Empfänger diese Erklärungen möglicherweise durch entsprechende Software „lesbar“ machen könnte.27

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Ausgeschlossen sein soll aus dem Anwendungsbereich der Textform die Website, weil diese nach dem BGH eine unveränderte Wiedergabe einer Erklärung nicht gewährleisten kann.28 Anders wäre dies nur, wenn die Website einen z.B. durch Benutzername und Passwort geschützten Bereich enthielte, in dem die Erklärung für den Empfänger abgelegt werde.29 Dann kann auch ein Cloud-Service wie z.B. Dropbox, Google Drive oder iCloud ein Träger von Erklärungen in Textform sein.30 Im Übrigen sei die Textform bei Websites aber nur gewahrt, wenn es tatsächlich zu einer Speicherung oder zum Ausdruck der Erklärung durch den Empfänger komme.31

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Zweck der Textform ist es, Erklärungen, die nicht von hoher Erheblichkeit für den Beweiswert, sondern zum Beispiel für Massenvorgänge geeignet und leicht wieder rückgängig zu machen sind, zu ermöglichen. Nach § 312f Abs. 2 BGB ist z.B. der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen verpflichtet, dem Verbraucher eine Bestätigung des Vertrages, in der der Vertragsinhalt wiedergegeben ist, innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsschluss, spätestens jedoch bei der Lieferung der Ware oder, bevor mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen wird, auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Diese Bestätigung muss die in Art. 246a EGBGB genannten Angaben, wie beispielsweise Informationen über die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistungen, in dem für das Kommunikationsmittel und für die Waren und Dienstleistungen angemessenen Umfang enthalten, es sei denn, der Unternehmer hat dem Verbraucher diese Informationen bereits vor Vertragsschluss in Erfüllung seiner Informationspflichten nach § 312d Abs. 1 BGB auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt.

 

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Demgegenüber ist die jahrelange Verpflichtung des Verbrauchers zur Erklärung des Widerrufs in Textform bei Verbrauchergeschäften im Fernabsatz zum 13.6.2014 entfallen; nunmehr genügt gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB jede formlose Erklärung des Verbrauchers, aus welcher gem. § 355 Abs. 1 S. 3 BGB der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf eindeutig hervorgeht.32

3. Ausschluss der elektronischen Form

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In verschiedenen Fällen schließt das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr die Anwendung der elektronischen Form aus. So sollen weder Bürgschaftserklärungen (§ 766 BGB) noch Kündigungen von Arbeitsverhältnissen (§ 623 BGB) in elektronischer Form erteilt werden können. Auch bei Zeugnissen für den Arbeitnehmer (§§ 630 BGB, 109 Abs. 1, Abs. 3 GewO) sowie bei Schuldversprechen und Schuldanerkenntnissen (§§ 780, 781 BGB) verbleibt es bei der herkömmlichen Schriftform. Allerdings ist zu beachten, dass Kaufleute im Sinne des HGB schon seit jeher gemäß § 350 HGB an die Formvorgaben der §§ 766, 780 und 781 BGB nicht gebunden sind, sodass hier auch eine Erklärung in elektronischer Form ausreichend ist.

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Lange Zeit war es gleichfalls nicht möglich, Verbraucherdarlehensverträge in elektronischer Form abzuschließen, § 492 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. Dies änderte sich aber durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht.33 Verbraucherdarlehensverträge müssen zwar nach dem Wortlaut gem. § 492 Abs. 1 S. 1 BGB weiterhin schriftlich abgeschlossen werden. Allerdings kann ein Verbraucherdarlehensvertrag jedoch nunmehr statt durch eigenhändige Unterschrift auch in elektronischer Form mit qualifizierter elektronischer Signatur (§ 126 Abs. 3, § 126a BGB), nicht aber in Textform (§ 126b BGB) abgeschlossen werden.34 Erklärungen des Darlehensgebers, die dem Darlehensnehmer gegenüber nach dem Vertragsabschluss abzugeben sind, müssen jedoch gem. § 492 Abs. 5 BGB auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen. Auch können die Angaben nach § 492 Abs. 2 BGB nach einem wirksamen Vertragsschluss oder in den Fällen des § 494 Abs. 2 S. 1 BGB nach Gültigwerden des Vertrages auf einem dauerhaften Datenträger nachgeholt werden, sofern der Vertrag diese Angaben nicht oder nicht vollständig enthält. § 494 Abs. 2 BGB sieht insoweit entgegen § 125 S. 1 BGB eine Möglichkeit zur Heilung des Formmangels zugunsten des Darlehensgebers vor.

4. Elektronischer Rechtsverkehr

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Das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr hat auch die ZPO erstmals für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten geöffnet.

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Zunächst sieht § 130 Nr. 6 ZPO vor, dass ein per Telefax übermittelter Schriftsatz die Unterschrift in der Kopie wiedergeben soll. Damit wird für vorbereitende Schriftsätze die Möglichkeit geschaffen, sie per Telefax einzureichen. § 130a ZPO n.F. regelt ergänzend die Gleichstellung von Schriftform und elektronischer Form für vorbereitende Schriftsätze, deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende sonstige Erklärungen, Übersetzungen und Gutachten dritter Personen. Dies richtet sich seit dem 1.1.2018 nach den Maßgaben der Absätze 26. Demgemäß kann das Gericht nach § 130a Abs. 2 S. 1 und Abs. 6 S. 1 ZPO das elektronische Dokument zurückweisen, sofern das Gericht dieses nicht bearbeiten kann. Dies entspricht grundsätzlich der Vorgängerregelung des § 130a Abs. 1 S. 1 ZPO a.F., allerdings mit dem Unterschied, dass die elektronische Übermittlung auch bei Ablehnung durch das Gericht nunmehr fristwahrend erfolgt, sofern der Absender im Anschluss an die Ablehnung unverzüglich das Dokument in einer geeigneten Form nachreicht, § 130a Abs. 6 S. 2 BGB. Wer das Dokument verantwortet, muss ihm eine qualifizierte elektronische Signatur nach der eIDAS-VO hinzufügen (§ 130 Abs. 3 Var. 1) oder eine einfache Signatur und einen sicheren Übermittlungsweg nach Abs. 4 wählen (§ 130a Abs. 3 Var. 2 ZPO). Zu Letzteren zählen allen voran das De-Mail-Verfahren (§ 130a Abs. 4 Nr. 1) und das besondere elektronische Anwaltspostfach beA (§ 130a Abs. 4 Nr. 2).

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Umstritten ist, ob bei der Nutzung eines solchen Weges eine einfache Signatur bei der Übermittlung durch einen Dritten ausreichend ist. Dies betrifft typischerweise den Fall, in welchem ein Mitarbeiter des Rechtsanwalts das elektronische Dokument mit bloß einfacher elektronischer Signatur über dessen beA versendet. Das OLG Braunschweig35 erachtet das Vorgehen jedenfalls bei der Mandatserteilung zugunsten einer Anwaltsgesellschaft für unzulässig und verlangt die qualifizierte elektronische Signatur durch einen vertretungsberechtigten Partner. Ob dies der Intention des Gesetzgebers, welche in der neuerlichen Fokussierung auf die Einhaltung sicherer Übermittlungswege unter Aufgabe des Erfordernisses qualifizierter elektronischer Signatur in § 130 Abs. 3 Var. 2 ZPO deutlich wird, hinreichend Genüge tut, ist zu bezweifeln.36

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Das elektronische Dokument ist eingegangen, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung am Gericht es gespeichert hat (§ 130a Abs. 5 ZPO). Ähnliche Regelungen finden sich in der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 55a VwGO), im Arbeitsgerichtsgesetz (§ 46c ArbGG), für die Sozialgerichtsbarkeit (§ 65a SGG) und in der Finanzgerichtsordnung (§ 52a FGO).

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Was die Akteneinsicht in elektronisch geführte Prozessakten betrifft, kann diese durch Ausdrucke erfolgen, die – genauso wie bei Abschriften aus Akten, die in Papierform vorliegen – von der Geschäftsstelle zu fertigen sind (§ 299 Abs. 3 S. 1 ZPO). Daneben besteht gemäß § 299 Abs. 3 S. 1 ZPO auch die Möglichkeit, Akteneinsicht durch Wiedergabe auf einem Bildschirm oder Übermittlung elektronischer Dokumente zu gewähren. Bevollmächtigte, also in der Regel Rechtsanwälte, haben außerdem nach § 299 Abs. 3 S. 2, S. 3 ZPO die Möglichkeit zum elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akten, z.B. durch einen Fernzugriff über eine vom Gericht hierfür über das Internet bereitgestellte Anwendung.

5. Beweiswert elektronischer Dokumente im Rechtsstreit

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Soll ein elektronisches Dokument zum Beweisgegenstand gemacht werden, kann der Beweis durch Übermittlung oder Vorlegung der entsprechenden Datei angetreten werden, die sodann bei Gericht in Augenschein genommen wird (§ 371 Abs. 1 S. 2 ZPO).

a) Beweiswert einfacher elektronischer Dokumente

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Der Beweiswert eines elektronischen Dokuments ohne qualifizierte elektronische Signatur wie etwa einer einfachen E-Mail ist umstritten.

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Eine Meinungsgruppe tendiert dahin, der E-Mail eines Erklärenden einen Anscheinsbeweis hinsichtlich seiner Identität zukommen zu lassen.37 Andere wiederum setzen den Beweiswert einer E-Mail mit dem einer nicht unterschriebenen Postkarte gleich.38 Der Beweiswert einer E-Mail ist wie der eines jeden nicht besonders gesicherten elektronischen Dokuments im Regelfall als gering einzustufen, wenngleich auf die konkreten Umstände der Korrespondenz und der beweisführenden Partei im Einzelfall einzugehen ist.39 Zu groß sind die Unsicherheiten des Internet, als dass davon ausgegangen werden kann, dass im Einzelfall keine Manipulation stattgefunden hat. Dies kommt schon durch einen Umkehrschluss aus § 371a ZPO (§ 292a ZPO a.F.) zum Ausdruck. Der Gesetzgeber hat dort eine besondere Beweiskraft für elektronische Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur wegen des dadurch gegebenen „hohen Sicherheitsstandards“ angeordnet, der der Signatur einen der eigenhändigen Unterschrift überlegenen Beweiswert einräumt.40 Ein Anscheinsbeweis oder besonderer Beweiswert für eine E-Mail mit einfacher oder fortgeschrittener elektronischer Signatur wurde gerade nicht normiert. Damit unterliegt die Bewertung des Beweiswertes eines elektronischen Dokuments ohne qualifizierte elektronische Signatur der freien richterlichen Beweiswürdigung, § 286 Abs. 1 ZPO.

b) Beweiswert elektronischer Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur und von De-Mails

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§ 371a ZPO ordnet an, dass der Beweiswert eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur dem Beweiswert einer Privaturkunde (§ 371a Abs. 1 ZPO) oder einer öffentlichen Urkunde (§ 371a Abs. 3 ZPO) entspricht. Damit gilt ein elektronisches Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur als richtig, vollständig und vom Erklärenden als Signaturschlüssel-Inhaber erteilt, solange nicht Tatsachen ernstliche Zweifel daran begründen, dass sie mit dem Willen des Signaturschlüssel-Inhabers abgegeben wurde.41 Hierin erschöpft sich bis dato wohl der Nutzen einer in elektronischer Form abgegebenen Willenserklärung für die Allgemeinheit.

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Einer der entscheidenden Gründe dafür, dass die qualifizierte elektronische Signatur von Verbrauchern sich noch nicht allgemein durchgesetzt hat, mag darin liegen, dass Vertragsschlüsse über das Internet in den meisten Fällen keinerlei Formzwängen unterliegen. Die Zahl der Internetshops oder Online-Dienste, die eine qualifizierte elektronische Signatur zur Verfügung stellen, tendiert gegen Null, sodass die Verfahren rund um qualifizierte elektronische Signaturen in der Verbraucherpraxis weitestgehend bedeutungslos geblieben sind.42 Anders sieht es hingegen im Handels- und Registerrecht aus, in dessen Rahmen die qualifizierte elektronische Signatur durch Anordnungen des Gesetzgebers zur zwingenden Verwendung qualifizierter elektronischer Signaturen z.B. durch Notare erhebliche Bedeutung erlangt hat.

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Nicht viel besser im Geschäftsverkehr angekommen ist die auf Grundlage des De-Mail-Gesetzes eingeführte De-Mail. Diese stellt den gerichtsfesten Nachweis von Versand, Empfang und Identität der Kommunikationsteilnehmer sicher.43 Sofern sich eine natürliche Person bei einem ausschließlich ihr zugeordneten De-Mail-Konto sicher angemeldet hat, kann gemäß § 371a Abs. 2 S. 1 ZPO für jede von diesem De-Mail-Konto versandte elektronische Nachricht der Anschein der Echtheit, der sich aus der Überprüfung der Absenderbestätigung gem. § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz ergibt, nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernstliche Zweifel daran begründen, dass die Nachricht von dieser Person mit diesem Inhalt versandt wurde.44 Damit sind De-Mails mit elektronischen Dokumenten mit qualifizierter elektronischer Signatur vergleichbar.45

20 Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2020, § 126a Rn. 3. 21 Ausführlich Kremer, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, Art. 28 Rn. 165. 22 BGBl. I 2013, S. 3642. 23 Zu den Begriffen der Textform und des dauerhaften Datenträgers Wendehorst, NJW 2014, 577f. 24 BT-Drs. 17/12637, S. 44. 25 Dörner, in: HK-BGB, 2019, § 126b Rn. 4. 26 Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2020, § 126b Rn. 10. 27 Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2020, § 126b Rn. 11. 28 BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 66/08, K&R 2010, 813 (Holzhocker); KG Berlin, Beschl. v. 18.7.2006 – 5 W 156/06, K&R 2006, 415; OLG Hamburg, Urt. v. 24.8.2006 – 3 U 103/06, K&R 2006, 526 = MMR 2006, 675, 676 m. Anm. Hoffmann; KG Berlin, Beschl. v. 5.12.2006 – 5 W 295/06, K&R 2007, 104; OLG Köln, Urt. v. 3.8.2007 – 6 U 60/07, CR 2008, 44; Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 2017, Kap. 4.2, Rn. 211; a.A. Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2020, § 126b Rn. 21; LG Flensburg, Urt. v. 23.8.2006 – 6 O 107/06, MMR 2006, 686; LG Paderborn, Urt. v. 28.11.2006 – 6 O 70/06, MMR 2007, 191; Kaufmann, CR 2006, 764. 29 So Weiden, GRUR 2012, 1223. 30 Kremer/Schmidt, CR 2014, 228, 230. 31 Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2020, § 126b Rn. 21. 32 Siehe dazu ausführlich Kap. 6. 33 BGBl. I 2009, S. 2355. 34 BT-Drs. 16/11643, S. 79. 35 OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.4.2019 – 11 U 164/18, K&R 2019, 661. 36 Im Ergebnis ebenso Ulrich/Schmieder, NJW 2019, 113. 37 So etwa Mankowski, CR 2003, 44. 38 Roßnagel, K&R 2003, 84; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2002 – 19 U 16/02, K&R 2003, 83; OLG Naumburg, Beschl. v. 9.7.2003 – 7 W 16/03 (juris). 39 Al-Deb’i/Weidt, JA 2017, 618, 620f. 40 BT-Drs. 14/4987, S. 17, 23, 25. 41 Zum Beweiswert elektronischer Signaturen vgl. Jungermann, DuD 2003, 69; Wagner, JuS 2016, 29; Roßnagel, MMR 2016, 647; Borchers/Friedrich/Hoffmann, Elektronische Dokumente als Beweismittel, 2016. 42 Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2020, § 126a Rn. 5. 43 Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2020, § 126a Rn. 9. 44 Ortner, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, 2021, Teil 13.2, Rn. 22. 45 Bacher, NJW 2015, 2753, 2758.

 

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