Recht im E-Commerce und Internet

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V. Signaturverfahren

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Das Verfahren zur Erstellung einer qualifizierten elektronischen Signatur ist zu unterscheiden von der Verschlüsselung ganzer Dokumente, um sie vor unbefugter Einsichtnahme zu schützen (Kryptographie). Die qualifizierte elektronische Signatur sichert zum einen die Identität des Absenders (Identitätsprüfung) und lässt zum anderen erkennen, ob das Dokument nachträglich verändert worden ist (Integritätsprüfung). Sie ist keine Unterschrift im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr eine elektronische Kennzeichnung, eine Art „Wasserzeichen“.

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Der Absender benötigt für die qualifizierte elektronische Signatur ein asymmetrisches Schlüsselpaar, das aus zwei korrespondierenden Schlüsseln besteht: dem öffentlichen (public key) und dem privaten Schlüssel (private key). Der öffentliche Schlüssel ist für jedermann frei verfügbar, der private Schlüssel wird durch ein Kodierungsprogramm errechnet und muss von seinem Inhaber geheim gehalten werden. Des Weiteren bestätigt ein elektronisches Zertifikat die Zuordnung des Schlüsselpaares zu einer bestimmten Person.46 Diese Daten werden auf einer Chipkarte gespeichert. Um die Chipkarte anwenden zu können, benötigt der Verwender entsprechende Software und ein Chipkarten-Lesegerät für den PC oder eine App zum Auslesen von Signaturkarten auf einem geeigneten Smartphone sowie für die Freischaltung der Signatur seine PIN.47

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Beim Verschicken signiert der Absender das Dokument mit seinem privaten Schlüssel. Dies erfolgt durch schlichten Mausklick auf den entsprechenden Befehl. Hiernach ist zumeist die Signaturkarte in das Kartenlesegerät einzulegen und der Zugriff auf den auf der Signaturkarte gespeicherten Signaturschlüssel durch den Signatur-Inhaber mittels Eingabe der nur ihm bekannten PIN zu autorisieren (sog. 2-Faktor-Authentifizierung oder 2FA durch Besitz = Karte und Wissen = PIN). Erst hiernach errechnet das Kodierungsprogramm mittels eines mathematischen Verfahrens (Hashverfahren) aus dem Text und dem privaten Schlüssel einen Zahlenwert (Hashwert). Der Empfänger der Nachricht überprüft diesen Zahlenwert mit dem öffentlichen Schlüssel, der ihm entweder mitgesendet wurde oder den er einem über das Internet zugänglichen Verzeichnis entnehmen kann. Dieser öffentliche Schlüssel ist dergestalt mit dem privaten Schlüssel verknüpft, dass sich bei der „Entschlüsselung“ nur genau ein Zahlenwert ergeben kann – vorausgesetzt, der Text ist nach Absendung nicht mehr verändert worden. Genau dies wird durch die Übereinstimmung der Zahlenwerte bewiesen: zum einen die tatsächliche Identität des Absenders, zum anderen die Authentizität des gesendeten Textes.48

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Der Empfänger eines qualifiziert signierten Dokumentes benötigt demzufolge keinen eigenen privaten Schlüssel, sondern nur den öffentlichen Schlüssel des Absenders.

Fragen und Aufgaben

 1. Kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden?

 2. Was regelt die eIDAS-Verordnung und welche Ziele verfolgt sie?

 3. Zwischen welchen unterschiedlichen elektronischen Signaturen wird unterschieden? Welche Signatur besitzt den höchsten Sicherheitsstandard?

 4. Welche der elektronischen Signaturen ist für die elektronische Form einer Erklärung nach § 126a BGB erforderlich?

 5. Welchen Beweiswert haben qualifizierte elektronisch signierte Erklärungen vor Gericht?

 6. Welchen Beweiswert haben E-Mails? Wie verhält sich der Beweiswert einer De-Mail im Vergleich zum Beweiswert einer regulären E-Mail?

 7. Erfüllt ein Cache-Speicher die von § 126b BGB geforderte dauerhafte Wiedergabemöglichkeit in Textform?

46 Vgl. auch Oberkofler, in: Berbist/Gruber/Oberkofler/Stomper, Internet-Recht, 2002, S. 121, 141f. 47 Werden elektronische Dokumente archiviert, können die verwendeten kryptographischen Algorithmen ihre Sicherheitseignung allerdings mit der Zeit verlieren. Die elektronischen Signaturen müssen dann erneuert werden. Ausführlich dazu die Technische Richtlinie 03125 des BSI: Beweiswerterhaltung kryptographisch signierter Dokumente, abrufbar unter https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Publikationen/Technische-Richtlinien/TR03125/BSI_TR_03125_V1_2_1.pdf. 48 Siehe zum Vorgang auch Schmidl, IT-Recht von A–Z, 2014, „elektronische Signatur“.

Kapitel 5
Informationspflichten des Diensteanbieters

Übersicht


Rn.
I. Überblick1
1. Gleichzeitige Anwendbarkeit verschiedener Informationspflichten2
2. Ableitung der Informationspflichten aus dem Europarecht5
II. Informationspflichten im Fernabsatz (§§ 312c ff. BGB)8
1. Persönlicher Anwendungsbereich10
a) Verbraucher13
b) Unternehmer18
2. Sachlicher Anwendungsbereich22
a) Gegenleistungspflicht des Verbrauchers23
b) Fernkommunikationsmittel26
c) Gegenstand des Fernabsatzvertrags35
d) Für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem40
e) Ausschlussregelungen46
3. Informationspflichten des Diensteanbieters86
a) Vorabinformationen (§ 312d Abs. 1 BGB)90
b) Informationspflichten vor Vertragsschluss106
c) Erleichterte Informationspflichten bei begrenzter Darstellungsmöglichkeit169
d) Spezielle Informationspflichten für Finanzdienstleistungen, Art. 246b § 1 Abs. 1 Nrn. 1–19, Abs. 2 S. 1 Nrn. 1–5 und § 2 EGBGB 172
e) Dokumentationspflichten nach Vertragsabschluss180
III. Informationspflichten im E-Commerce187
1. Persönlicher Anwendungsbereich des § 312i BGB188
2. Sachlicher Anwendungsbereich189
a) Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr und Ausnahmen189
b) Anbieterpflichten nach § 312i Abs. 1 BGB194
c) Besondere Pflichten gegenüber Verbrauchern nach § 312j BGB201
3. Informationspflichten für digitale Inhalte211
4. 4. Sanktion von Pflichtverletzungen im elektronischen Geschäftsverkehr213
IV. Besondere Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen, § 312k BGB n.F.216
V. Besondere Kündigungsrechte bei Internetverträgen nach § 312k BGB226
1. Anwendungsbereich227
2. Regelungsgehalt228
3. Rechtsfolgen bei Zuwiderhandlungen232
VI. Informationspflichten bei Telemediendiensten233
1. Informationspflichten bei geschäftsmäßigen Telemedien236
a) Angebot des Telemediums in der Regel gegen Entgelt237
b) Informationspflichten bei Angeboten in von Dritten bereitgestellten Plattformen.239
c) Inhalt der Informationspflichten aus § 5 Abs. 1 TMG242
d) Wettbewerbswidrigkeit fehlender oder unvollständiger Informationen247
e) Art und Weise der Bereitstellung der Informationen250
2. Informationspflichten bei kommerzieller Kommunikation255
a) Begriff der kommerziellen Kommunikation256
b) Umfang und Inhalt der Informationspflichten257
c) Informationspflichten bei kommerzieller Kommunikation mittels elektronischer Post260
3. Informationspflichten nach § 18 MStV262
a) Telemedien, die nicht ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen262
b) Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten263
c) Telemedien in sozialen Netzwerken266
VII. Informationspflichten nach der Verordnung über die Online-Streitbeilegung267
1. Allgemeines267
2. Proaktive Informationspflichten, § 36 VSBG270
3. Informationspflichten im Streitfall, § 37 VSBG274
4. Konsequenzen bei Nichterfüllung der Informationspflichten275
5. Werbung in Sozialen Netzen (Influencer-Marketing)276
VIII. Weitere Informationspflichten des Diensteanbieters284
1. Informationspflichten im Preisrecht284
2. Rechtsprechung im Preisrecht287
3. Pflichtangaben in E-Mails als Geschäftsbriefen302
a) E-Mails als Geschäftsbriefe.303
b) Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen305
c) Rechtsfolgen bei fehlenden Pflichtangaben308
4. Informationspflichten nach der Dienstleistungs-Informationspflichtenverordnung309
5. Weitere spezialgesetzliche Informationspflichten über Produkte312
a) Informationspflichten im Rahmen des Vertriebs von Arzneimitteln313
b) Warnhinweise beim Vertrieb von Spielzeug316
c) Informationspflichten beim Vertrieb von Pkw319
d) Informationspflichten beim Vertrieb von Haushaltsgeräten324
e) Informationspflichten beim Vertrieb von Immobilien327
f) Informationspflichten beim Vertrieb von Textilien329
g) Informationspflichten nach dem ElektroG333
h) Informationspflichten bei Lebensmitteln336
i) Informationspflichten für Telekommunikationsanbieter340
j) Sonstige Informationspflichten343

I. Überblick

1

 

Verbraucherschutz wird im europäischen und im deutschen Recht zum großen Teil durch gesetzliche Produkt- und Vertragsinformationspflichten des Unternehmers und gesetzliche Vertragslösungsrechte des Verbrauchers gewährt. Indessen betrifft nur ein Teil der verbraucherschützenden Gesetze, die Informationspflichten und Widerrufsrechte enthalten, auch die Diensteanbieter. Bei diesen Gesetzen handelt es sich seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 vor allem um das BGB mit seinen Vorschriften über Fernabsatzverträge (§§ 312c ff. BGB, unten Rn. 10ff.) und die Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr (§§ 312i f. BGB, unten Rn. 187ff.). Darüber hinaus enthalten das Telemediengesetz (TMG, unten Rn. 233ff.), Vorschriften zur Streitbeilegung (unten Rn. 267ff.) sowie einige „klassische“ Verbraucherschutzmaterien wie das Verbraucherkreditrecht oder das Preisrecht einschlägige Informationspflichten (unten Rn. 284ff.).

1. Gleichzeitige Anwendbarkeit verschiedener Informationspflichten

2

Zum Verhältnis der nachfolgend behandelten Informationspflichten des Diensteanbieters ist zu bemerken, dass sie bei Vorliegen ihrer jeweiligen Voraussetzungen im Internet und E-Commerce gleichzeitig zu beachten sind.

3

Insbesondere die Informationspflichten des Fernabsatzvertrages und des Vertrages im elektronischen Geschäftsverkehr bestehen kumulativ. Trotz seiner systematischen Stellung ist der Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr kein Sonderfall des Fernabsatzvertrages. Dies zeigt sich schon daran, dass der persönliche Anwendungsbereich beider Verträge nicht deckungsgleich ist. Während der Fernabsatzvertrag definitionsgemäß zwischen Unternehmern (§ 14 BGB) oder mittels einer in ihrem Namen oder Auftrag handelnden Person und Verbrauchern (§ 13 BGB) geschlossen wird, ist der E-Commerce-Vertrag ein Vertrag zwischen Unternehmern (§ 14 BGB) und „Kunden“ (§ 312i Abs. 1 BGB), die gewerbliche oder private Nachfrager sein können. Insofern gehört der E-Commerce-Vertrag nicht zwangsläufig zu den Verbraucherverträgen. Spezielle Informationspflichten ausschließlich gegenüber Verbrauchern im elektronischen Geschäftsverkehr sind erst nachträglich mit dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung in § 312j BGB aufgenommen worden.

4

Nach § 312k Abs. 1 BGB (ab 1.7.2022: § 312l Abs. 1 BGB) darf von den Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen und im elektronischen Geschäftsverkehr nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden, soweit nicht ausdrücklich im Gesetz ein anderes bestimmt ist. Dies gilt auch dann, wenn die Informationspflichten durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden sollen, soweit wiederum nichts anderes im Gesetz bestimmt ist. Nach § 312k Abs. 2 BGB (ab 1.7.2022: § 312l Abs. 2 BGB) trägt der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher stets die Beweislast für die Erfüllung der Informationspflichten.

2. Ableitung der Informationspflichten aus dem Europarecht

5

Fast alle modernen Verbraucherschutzgesetze und -vorschriften zur Regelung von Internet und E-Commerce sind Transformationsgesetze, beruhen also ganz oder zum Teil auf Rechtsakten des europäischen Gesetzgebers, der die verbraucherpolitische Initiative in Europa weitgehend übernommen hat.

6

So gehen die BGB-Vorschriften über Fernabsatzverträge im Ausgangspunkt auf die Richtlinie 97/7/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie oder FARL)1 zurück. § 312i BGB und das EGBGB setzen wesentliche Teile der Richtlinie 2000/31/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (E-Commerce-Richtlinie – ECRL)2 in nationales Recht um.

 

7

Die Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) 2011/83/EU vom 25.10.20113 war bis 2013 in nationales Recht umzusetzen. Sie zielte auf eine Vollharmonisierung des Fernabsatzrechts und des E-Commerce in der EU ab, ließ allerdings weitergehende Informationspflichten im E-Commerce zu. Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie trat schließlich am 13.6.2014 in Kraft.4

1 ABl. EG Nr. L 144 v. 4.6.1997, S. 19. 2 ABl. EG Nr. L 178 v. 17.7.2000. 3 Siehe https://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2011-0293+0+DOC+XML+V0//DE. 4 BGBl. I 2013, S. 3642.

II. Informationspflichten im Fernabsatz (§§ 312c ff. BGB)

8

Fernabsatzrecht ist reines Verbraucherschutzrecht, das in erster Linie zur Regelung des elektronischen Geschäftsverkehrs geschaffen wurde. Der Anwendungsbereich ist allerdings nicht auf den Vertrieb von Waren, Dienstleistungen und digitalen Inhalten über elektronische Fernkommunikationsmittel beschränkt, sondern schließt auch traditionelle Fernkommunikationsmittel wie Versandhauskataloge, Bestellungen über Warenprospekte und Flyer oder Homeshopping über Fernsehgeräte mit ein (§ 312c Abs. 2 BGB). Im Kontext mit den verbraucherrechtlichen Vorschriften beim Fernabsatz werden zudem auch spezielle, sich auf den elektronischen Vertrieb beschränkende Anforderungen geregelt, die nicht nur den Verbraucher, sondern jeden Kunden schützen (§ 312i BGB).

9

Die weitreichenden Informationspflichten im Fernabsatzrecht treffen den Diensteanbieter zunächst dann, wenn der Vertrag, den er online abschließt, ein Fernabsatzvertrag i.S.v. § 312c Abs. 1 BGB ist, und keine Bereichsausnahme nach § 312 Abs. 2 bis Abs. 8 BGB eingreift. Demnach müssen folgende Voraussetzungen für ein Fernabsatzgeschäft erfüllt sein.

1. Persönlicher Anwendungsbereich

10

Fernabsatzverträge sind ausschließlich Verträge, die ein Unternehmer selbst (hier: Diensteanbieter oder Plattform-Betreiber) oder mittels einer in seinem Namen oder Auftrag handelnden Person mit einem Verbraucher schließt, vgl. § 312 Abs. 1 BGB i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB.

11

Die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers im Verhältnis zum Unternehmer, die stets gesetzgeberisches Motiv für Verbraucherschutzgesetzgebung ist, wurde für den Online-Vertrieb in der Fernabsatzrichtlinie mit der „Unsichtbarkeit von Anbieter und Ware“5 begründet. Voraussetzung für Fernabsatzgeschäfte ist nämlich, dass die Vertragsparteien zu keiner Zeit persönlichen Kontakt miteinander aufnehmen. Für den Verbraucher bestehen deshalb nur eingeschränkte Möglichkeiten, Informationen über Anbieter und Ware einzuholen.6 Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers wurde des Weiteren noch durch den Umstand vertieft, dass die dem Verbraucher zur Verfügung gestellten Informationen oft nicht verkörpert waren und er diese folglich häufig nicht nachhaltig speichern konnte. Die daraus für den Verbraucher entstehenden Risiken beim Distanzmarketing haben zu den umfangreichen gesetzlichen Informationspflichten des Anbieters geführt.

12

Daraus folgt, dass Verträge, die Verbraucher oder Unternehmer jeweils untereinander abschließen, z.B. im Rahmen von B2B-Geschäften (Business to Business) oder im C2C-Bereich (Consumer to Consumer), keine Fernabsatzverträge sein können. Das BGB definiert die Begriffe des Verbrauchers und des Unternehmers in den §§ 13 bzw. 14 BGB. Sie sind an die entsprechenden Begriffsdefinitionen im früheren AGB-Gesetz angelehnt.7

a) Verbraucher

13

Verbraucher ist nach § 13 BGB „jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“.8 Verbraucher kann auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sein, wenn sie sich über die Verwaltung des eigenen Vermögens hinaus unternehmerisch betätigt.9 Juristische Personen, unter anderem Vereine oder Stiftungen, können damit keine Verbraucher sein. Beteiligen sich juristische Personen an einer GbR, so ist im Regelfall von einem Entfall der Verbrauchereigenschaft der GbR auszugehen.10 Anders zu beurteilen ist der Fall nur dann, wenn die GbR durch Gesetz zustande kommt und der Verbraucher keine Möglichkeit hat, gegen den Eintritt einer juristischen Person vorzugehen, etwa bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft.11

14

Nicht als Verbraucher handeln Personen, die Online-Verträge im Rahmen eines Gewerbes (z.B. Kaufleute, Grundstücksmakler, Landwirte) oder im Rahmen ihrer selbstständigen oder freiberuflichen Tätigkeit (z.B. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Ärzte) abschließen. Arbeitnehmer, die Online-Verträge für berufliche Zwecke abschließen, sind dagegen vom Verbraucherbegriff erfasst. Demgegenüber behandelt die europäische Fernabsatzrichtlinie nur solche Personen als Verbraucher, deren Handeln generell nicht ihrer beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Der abweichende deutsche Verbraucherbegriff hat zur Folge, dass z.B. die Internet-Einkäufe des selbstständigen Rechtsanwalts für sein Büro vom Schutzbereich der Fernabsatzvorschriften ausgeschlossen sind, während die gleichen Einkäufe des angestellten Rechtsanwaltes in den Schutzbereich einbezogen sind.12 Wegen der darin liegenden Manipulationsmöglichkeiten durch verdeckte Vertretungen ist an dem deutschen Verbraucherbegriff des § 13 BGB Kritik geübt und versucht worden, ihn mit Mitteln der Gesetzesauslegung zu korrigieren.13

15

Nach einer Entscheidung des LG Hamburg14 soll es für die Einordnung als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB ausschlaggebend sein, wie sich das Verhalten des Kunden aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers in der Position des Verkäufers darstelle. Im zu entscheidenden Fall hatte eine Rechtsanwältin Lampen (unbestritten für eine private Verwendung) gekauft und als Liefer- und Rechnungsanschrift die Kanzleiadresse angegeben. Damit sei sie gegenüber dem Verkäufer nicht als Verbraucherin aufgetreten und habe keinen Rückzahlungsanspruch infolge des Widerrufs nach §§ 312g, 355 BGB. Wer bei einem Rechtsgeschäft nicht als Unternehmer handle, müsse dies gegenüber dem Unternehmer klarstellen. Gegen diese Auslegung wandte sich die Rechtsanwältin mit der Revision erfolgreich. Der BGH ist, anders als das Berufungsgericht, der Ansicht, dass es für die Zurechnung des Handelns nicht auf die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände ankomme.15 Er hat allerdings ausdrücklich auch nicht entschieden, dass für die Abgrenzung von Verbraucher- und Unternehmerhandeln allein objektiv auf den von der handelnden Person verfolgten Zweck abzustellen sei, wie die Revision betonte.16

16

Nach der Auffassung des BGH werde aus der vom Gesetzgeber gewählten negativen Formulierung des zweiten Halbsatzes der Vorschrift des § 13 BGB deutlich, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen sei und etwa verbleibende Zweifel, welcher Sphäre das konkrete Handeln zuzuordnen ist, zugunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden seien. Weiter führte der BGH aus, dass erkennbare Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen müssten, dass die natürliche Person in Verfolgung einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handle. In der Konsequenz bedeutet dies nach der BGH-Entscheidung, dass bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person grundsätzlich von einem Verbraucherhandeln auszugehen ist, und nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist, eine das Widerrufsrecht ausschließende Bestellung eines Unternehmers vorliege.

17

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung wird seit dem 13.6.2014 ausdrücklich klargestellt, dass es bei Verträgen, die sowohl zu gewerblichen als auch zu nichtgewerblichen Zwecken geschlossen werden (sog. Dual-Use-Verträge), auf den überwiegenden Zweck ankommt. Schließt eine natürliche Person einen Vertrag nicht überwiegend zu gewerblichen oder zu selbstständigen beruflichen Zwecken, handelt sie mithin als Verbraucher.

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