Die Begabten

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Und dann sah Sonia, was echte Krieger waren. Die Männer lachten dem Anführer ins Gesicht, während sie wie ein Blitz von der obersten Stufe heruntersprangen, um sich ihren Feinden zu stellen. Einer rollte auf dem Boden ab, beschrieb mit der Klinge einen Halbmond und drei Männer hielten sich die Bäuche. Bei dem folgenden Handgemenge stieß jemand eine Pechlaterne um, die ihren Inhalt über einen Lumpensack ergoss. Das Feuer fand Nahrung, doch alle Augen waren zu sehr gebannt von den Kampf. Bevor ein Dreizack einer der Wachen aufspießen konnte, hatte er sich über einen Tisch abgerollt und kam auf der anderen Seite wieder auf die Füße. Seine Klinge funkelte im Kerzenschein, verfehlte den Hals eines Mannes aber traf dafür seinen Helm mit solcher Wucht, dass dieser getroffen zu Boden sank. Die Klinge blitzte und surrte, sie trennte einem Mann den Arm ab, einem weiteren das Bein und einmal trieb er die Klinge bis zum Heft in zwei Schurken, die das Pech hatten, sich nicht schnell genug in Sicherheit zu bringen.

Olg hielt krampfhaft die zappelnde Sonia in ihren Armen, während Llug mit einer Pfanne sich bereit machte. Sie wirkten gehetzt und ängstlich, während sich zu allem Unglück das Feuer ausbreitete. Langsam bekamen es alle Beteiligten mit der Panik zu tun, Sonia wurde von Olg zur Seite gestoßen und beizender Rauch füllte schnell den Raum. Vier Männer kletterten aus dem Fenster, ohne sich nochmal umzudrehen. Der Rest hechtete nach draußen.

Es war ein herrliches Feuer.

Prasselnd knisterte das faulige Strohdach, gierige Flammenzungen legten über Holzbohlen und verzehrten in ihrem unersättlichen Hunger alles, was in der Taverne war. Holzbänke, Stühle, Garderobenständer, Näpfe, Krüge, Löffel und all den Rest. Alles, was nicht aus Holz war, würde entweder eingeschmolzen, in Rauch aufgehen oder zu Schlacke verarbeitet. Trotz des leichten Regens brannte das Feuer lichterloh und konnte bestimmt bis Mooswald gesehen werden.

Kamile landete auf einem Zaunpfahl und starrte zu den drei Männern und Sonia, die sich an der Seite des Kaufmann ausweinte. Der Schock über die Gräueltaten waren zu groß. Und damit war nicht das Massaker gemeint. Der Mann ließ sie gewähren und streichelte ihr Haar, während sie zu dritt langsam in die Nacht verschwanden. Von Llug und Olg fehlte jede Spur.

So begann Sonias lange Reise, eine Reise, die noch merkwürdiger enden sollte, als sie begonnen hatte.

Stunden später, als der Mond fast seinen höchsten Punkt erreicht hatte, rollte der Wagen mit zwei Pferden im Gespann auf einer alten Straße gen Westen. Es war erstaunlich, dass Sonia trotz der holprigen Fahrt schlafen konnte. Nach einer Weile kamen sie an einer Kreuzung an und der Wagen hielt. Der Kaufmann war nicht mit leeren Händen gegangen: er hatte einen Schlafsack ergattert, den er zusammengerollt mit einem Seil um seine Hüfte gegürtet hatte. Darin eingewickelt holte er eine Flasche Wein hervor, etwas Brot, Käse und eine leichte Decke, die er Sonia um die Schultern warf.

„Bleibst du bei uns?“

„Wir werden sehen“, murmelte er leise und ließ die Krähe bei ihr zurück, während er sich aufmachte, um Brennholz zu suchen. Kurze Zeit später war er wieder da und machte sich an die Arbeit.

„Wir sollten kein Feuer machen“, meinte Kamile. „Wer weiß, was hier in den Schatten lauert.“

Der Alte zuckte nur mit den Schultern und deutete in die Ferne. „Keine große Gefahr. Hier sind Feuer nichts Außergewöhnliches. Viele Leute schlagen für die Nacht ein Lager auf. Schaut, dort im Osten brennt eins. Und dort weiter nördlich ist ein besonders Großes. Eine Händlerkarawane, vermute ich. Die Ebene ist offen, die Nacht ist ruhig. Niemand kümmert sich um vier Menschen, glaube mir. Und sie braucht Ruhe und Wärme.“

Nach einer Weile brannte ein großes Feuer, das Mahl wurde geteilt und zum ersten Mal stellte sich der Mann vor: „Mein Name ist John Fahrenztein. Ich bin dir zu Dank verpflichtet, Kind.“ Er schaute ernst zu dem Krähen. „Ich habe schon sprechende Vögel im Süden gesehen, aber du bist wahrlich ein Wunder der Natur. Ich nehme an, du bist kein böser Geist.“

„Nein, Herr. Kamile, so ist mein Name.“

„Kamile, soso.“ Der alte Mann neigte den Kopf leicht, und sein Blick schweifte von Sonia zu Kamile und wieder zurück. „Heimatlos, wie?“

„Ja.“

„Wie ist dein Name, Kind?“

„Ich bin Sonia, Tochter von Annegret und Raphael Stolzenheim.“

Der alte Mann sah zu seinen Wachen, die immer noch starr wie Statuen die Gegend um sich herum zu beobachten schienen. Selbst nach dem siegreichen Kampf schien sich niemand der Sorglosigkeit hinzugeben. „Ich bin auf dem Weg nach Bückelstielz, meiner Heimat. Hier trennen sich unsere Wege. Esst in Ruhe auf, dann breche ich auf.“

Sonia und Kamile blickten sich betreten an.

„Du kannst nicht gehen. Sonia ist allein auf der Welt. Du solltest dich verantwortlich fühlen“, presste Kamile hervor und in ihrer Stimme schwang eine gewisse Dringlichkeit mit. „Ich habe vor, sie nach Quelsbach zu bringen. Einem ruhigen Städtchen mit einem Kloster. Dort wird sie es guthaben, aber das ist drei Tage entfernt!“

„Ein Kloster? Wie nett.“

„Hast du etwas Besseres im Sinn? Das Kloster ist berühmt. Die Stadt liegt am Fluss Freen, es gibt viele Gelehrte und jedes Jahr wird in der Stadt ein Frühlingsfest gefeiert. Mit den anderen Mädchen dort wäre sie unter ihresgleichen. Gebete und Meditation. Der Dienst im Tempel ist eine ehrenvolle Aufgabe.“ Sie nickte weise zu Bestätigung, als hätte sie sich das Ganze schon durchdacht.

Einer der Wachen drehte sich um und grinste abfällig. „Verweichlichtes Gewäsch! Sie sollte für sich selbst sorgen können und nicht auf die Mildtätigkeit der Leute angewiesen sein! In meiner Familie ist es Brauch, die Kinder mit kaltem Wasser, langen Märschen und Zweigenruten zu disziplinieren. Sie braucht Training und eine Welt der Ordnung. Außerdem“, fügte er hinzu. „ist ihr Schwertarm bestimmt lausig. In ihrem Alter habe ich schon Jagd auf Wölfe gemacht.“

„Die Welt braucht mehr Gewalt? Das wusste ich nicht“, stieß Kamile verächtlich hervor und flatterte aufgeregt mit ihren Flügeln. „Du willst ein Kind schutzlos in der Wildnis allein lassen und gibst mir noch Erziehungsratschläge!? Ein feiner Herr Soldat, sage ich.“

„Pah!“ Der Mann schnaubte Kamile verächtlich an und wandte sich danach von ihr ab, als hätte er beschlossen, dass der Krähe seine Zeit nicht wert war. Stattdessen sagte er zu Sonia: „Ich wünsche euch viel Glück. Sonne auf die Klinge, Sonia. Du wirst es brauchen! Dort draußen leben Monster und Banditen, Skorpione und Trolle… Einige dieser Wesen waren schon alt, als die Welt noch jung war. Sie haben das Recht, sich in den Schatten zu verstecken und auf unvorsichtige Reisende wie Euch zu stürzen“, bei diesen Worten pikste er Sonia mit einem seiner starken Fingern gegen die Brust, „die nicht wachsam genug sind. Du solltest kämpfen lernen, sag ich. Eine feine Schildmaid würdest du abgeben. Wenn du den rechten Weg nimmst, kommst du in Quelsbach an, wo eine Brigade stationiert ist. Das ist ein guter Weg.“

Sonia schüttelte den Kopf. „Nein. Ich möchte eine Hexe werden.“

Der Soldat lachte schallend auf.

Doch der alte Mann gebot ihm zu schweigen. Der Kaufmann sah aus, als wäre er sich nicht sicher, ob Sonias Antwort sarkastisch gemeint war oder nicht. Als er schließlich zu der Auffassung gelangte, dass Letzteres der Fall war, bedeutete er ihr, doch näher zu kommen. Sonia kam der Aufforderung nach.

Buchsenstübl“, knurrte der alte Mann.

„Wie bitte?“

„Ihr müsst nach Buchsenstübl gehen.“

„Muss sie das?“ Kamile sah Sonia an, doch die zuckte nur mit den Schultern. „Ich habe noch nie von diesem Ort gehört.“

„Genau das will Buchsenstübl ja auch.“ John Fahrenztein deutete auf eine Bergkette in der Ferne. „Diese Berge dort hinten sind die äußerste Grenze unseres Reiches. Es ist ein kleiner verschlafener Ort, fern von Krieg und Monsterangriffen. Nur zwanzig Familien groß, aber friedlich und sicher. Bleibt einfach auf diesem Weg, passiert Quelsbach und folgt dem verschlungenen Pfad, bis ihr dort angekommen seid. Auf zwei Beinen seid ihr morgen Abend dort. In Buchsenstübl traf ich einst eine Frau. Wunderschön. Schwarzes Haar und zwei pralle…“ Er verstummte, hüstelte kurz. „Na, das ist eben Buchsenstübl.“

„Und was ist in Buchsenstübl, dass diese ganze Mühe wert ist?“

„Die Hexe.“

„Welche Hexe?“

„Nun, eben eine Hexe“, sagte der Alte mit säuerlichen Blick und schien offenbar verärgert darüber, dass Kamile noch einmal nachgefragt hatte. „Hatte mir damals wegen meinen Rückenschmerzen geholfen. Die einzige Hexe, die ich sonst noch kenne, ist in Mooswald, und von dort kommen wir ja gerade, nicht wahr?“

„Das könnte bloße Zeitverschwendung sein“, murmelte Kamile leise und putzte sich ihr Gefieder.

Der Kaufmann bedachte sie mit einem verächtlichen Blick, spuckte aus und stand schwerfällig auf. „Mit euch habe ich nicht gesprochen. So, es wird Zeit. Gehabt euch wohl. Auf mich wartet meine Familie und mein Geschäft. Ich habe schon genug Zeit verschwendet.“

„Es ist mitten in der Nacht“, warf Kamile kopfschüttelnd ein.

„Klöster werden in der Regel als Erstes überfallen. Es gibt kaum Wachen, aber Frauen und Kostbarkeiten. Denkt nur an den Raub der Heiligen Insignien von vor vier Monaten im Kloster der Stadt Ghravendulf. Die Schwachen fallen zuerst im Krieg. Das ist doch keine Lösung. Wenn ich mich auf meiner Reise mit einem Winselwelpen und einem vorlauten Krähen abgebe, wird mich das nur behindern. Es war ein Fehler, das Mädchen von Mooswald wegzuführen, Krähe.“, warf er knapp ein und packte seine Sache zusammen, als hätte er plötzlich eilig. „Wenn die besorgten Bürger sich auf die Suche machen, werden sie nicht lange Fragen stellen, wenn sie einen Fremdländer mit dem Kind entdecken. Ich suche keinen Streit mit Stadtwachen. Mein Entschluss steht fest. Ich wünsche euch beiden alles Gute.“ Kurz hielt er inne, griff an seinen Gürtel und warf ihr einen kleinen Lederbeutel zu. Ein paar klingende Münzen. „Damit solltest du dir ein paar gute Kleider kaufen können. Gehabt euch wohl, und danke nochmal.“

 

Ohne ein weiteres Wort schwang er sich wieder auf den Kutschbock und seine Wachen folgten ihm. Zurück blieb ein Lagerfeuer, die Decke um Sonias Schultern und zwei einsame Gestalten in der Tiefe der Nacht. In der Ferne hörten sie noch das Rumpeln der Räder – dann war er verschwunden.

Kamile seufzte leise. „Er… er ist weitergezogen.“

„Wieso?“ Sie war den Tränen nahe.

„Er will uns loswerden“, sagte Kamile und bedauerte sofort ihre Worte.

Sonia schüttelte den Kopf und blickte zu Boden. „Es… es ist wegen mir, oder? Weil ich hässlich bin.“

In Kamile gefror alles. Sofort eilte sie zu ihr und legte eine ihrer Flügel um die Schultern des kleinen Mädchens. „Nein, Sonia. Das ist es nicht. Du bist ein hübsches Mädchen, wirklich. Der Alte will zurück nach Hause um seine Familie wiederzusehen.“

Sonia war nicht zu beruhigen. Sie schniefte leise und wandte sich ihr zu. „Im Dorf nannten mich alle die Hässliche. Ich hatte einen Spiegel zuhause. Meine Mutter meinte, die wahre Schönheit komme von innen. Wie meinte sie das? Wirst du mich auch verlassen?“

Sie ist wirklich keine Schönheit, dachte Kamile bekümmert, aber lieber wäre sie einem Koch freiwillig in den Kochtopf gesprungen als ihr das zu sagen. Der Buckel, die lange Nase und die gekrümmte Haltung. Sicher hatte sie wenig Freunde gehabt, schlussfolgerte Kamile. Sie blickte sie ernst und feierlich an: „Lieber lasse ich mich in Paniermehl drehen und in einen Kuchen einbacken, als dass ich dich allein lasse. Versprochen, Sonia. Du weißt, dass man Versprechen halten muss?“

Sie nickte und wischte sich über die Nase.

„Du willst wirklich eine Hexe werden?“ fragte Kamile zweifelnd.

„Ja.“

„Sollen wir es mit Buchsenstübl versuchen?“

„Bitte.“

Die Krähe krächzte leise und nickte langsam. „Worauf warten wir dann?“

Ork und Elb

Sechs Jahre später:

In der Marsch im Norden regnete es pausenlos. Die Tropfen fielen hier nie gerade vom Himmel, sondern krumm und schief wie die Wesen, die das karge Land von Haven bestellten. Die Orks lebten auf dem schwarzen Schiefer- und Lavagestein und waren breitschultrige, grimmige Wesen mit grünlich-grauer Haut und einem Gemüt, das vom Land unter ihnen geprägt war.

Der Burggraben von Bohlstagh stank abscheulich, giftige Vulkangase stiegen daraus auf, und es wimmelte von den Überbleibseln von düsterer Zauberei. Die Luft war erfüllt von einem beizenden Gestank nach Schwefel, Verwesung und Exkrementen. Nichts konnte in diesem Sud überleben. Gelegentlich machten sich die gelangweilten Wachen einen Spaß daraus, lebende Geschöpfe hineinzuwerfen, um die Schreie zu hören, wenn sich ihr Fleisch auflöste.

Ein einzelner Reiter ritt leicht und ohne Rüstung auf die Burg zu. Die Gestalt brauchte keine warme wetterfeste Kleidung wie die Elben oder Menschen, denn sie war ein Ork. Stolz reckte sie ihr grünes Angesicht in die kalte Tropfenflut, die sich wie kleine Nadelstiche auf der Haut anfühlten. Das rötliche Haar hinten zu einem langen Zopf gebunden, oben die Seiten mit einem scharfen Stein abrasiert, flatterte die Pracht ungestüm im Fahrtwind. Die kleinen, aber deutlich ausmachenden Hauer, die aus ihrem Mund ragten, zeugten von einer gründlichen Pflege des Gebisses. Die gelblichen Augen spähten finster über das Tal in die dichter werdenden Schatten. Dort lag es, abweisend und von Rauch umwoben. Speere ragten aus seinen Zinnen hervor. Auf der Brustwehr und in Bohlstaghs Turm verbreiteten eiserne Feuerschalen ein flackerndes Licht auf die geschwärzten Felsen, aus denen die massive Burg zu bestehen schien. Die Orkfrau grunzte leise und trieb ihr Pferd an. Kurz vor dem Graben brüllte sie den Wachen den Befehl zu, die Zugbrücke herunterzulassen. Darauf wuchteten sie eine Eisenholzwinde herum, und die dunkle Brücke, von der Schleimfäden herunterbaumelten, senkte sich langsam in die Tiefe.

Stolz und hochmütig galoppierten Pferd und Reiter in den Hof.

Beim Anblick der Ork stieß der Fürst der Burg ein kehliges Lachen aus. „Da kommt sie, ihr Narren! Meine zukünftige Braut!“

Fürst Kael von Bohlstagh war selbst nach den Maßstäben der Orks kein schöner Anblick: die Hauer waren ungepflegt, das wilde Haar lag zottig und wild auf seinem ansonsten kahlen Schädel und er mühte sich beim Gehen mit einem schlechten Fuß ab, das durch Gicht geschwollen war. Ehemals starke und drahtige Arme waren durch übermäßigen Genuss von Fleisch und Wein fett geworden und sein Atem stank bestialisch. Mit zuversichtiger Miene deutete er auf die Frau vor ihm, als könne er selbst nicht glauben, dass er es gut angetroffen hatte. „Seht! Dort kommt Nilo, der bezaubernde Diamant!“

Nilo schwang sich vom Rücken ihres Pferdes und ließ es von einem Sklaven abführen. Die Zugbrücke schloss sich mit lautem Klirren.

Beim Anblick der Ork stießen einige Orks einen Seufzer aus. Nilo war klein für eine Orkfrau, aber drahtig und üppig gebaut, wie die Takelage eines Schiffs. Nur mit einem kurzen Lederrock und einer Fellschärpe bekleidet erlaubte sie gierigen Blicken viel: ein satter Grünton wies ihre Haut auf, noch dazu viele Narben von so manchen Kämpfen – ein deutlicher Hingucker, wenn man bedenkt, dass sich viele junge Orks auch gerne selbst Narben beibrachten, um begehrlicher zu wirken. Doch gerade für die Wachen von Bohlstagh schien die Rechnung nicht aufzugehen: Nilo, der Diamant … und ihr Herr!? So mancher Ork kratzte sich verwirrt am Kopf.

Kael humpelte herbei und hob sie hoch, während er mit schriller Stimme verkündete: „Schürt das Feuer! Holt den guten Würzwein!“

„Mein Geliebter“, seufzte sie tonlos und zog ihn hart zu sich heran, um ihm einen langen, feuchten Kuss zu geben. „Endlich!“

Der Fürst gurrte und kicherte leise, als sie ihm in den Schritt fasste. „Nicht hier, mein zartes Kätzchen…“

„Führ mich wieder herum, Kael“, warf sie atemlos ein. „Und dann lass uns dein Geschenk aufmachen.“

„Geschenk? O ja, natürlich“, grinste er wild und wurde rot. „Kichihihihi,… ich habe Geburtstag.“

Die großen schimmernden Augen der Ork lösten sich von dem Ork, und sie sah sich um. Prägte sich alles ein, und nickte gelegentlich, während ihr Gegenüber ihr Zärtlichkeiten zuraunte.

Sie ließ sich tief in die Feste führen.

Und die Wachen wunderten sich weiter. Offensichtlich war die Welt Havens noch eine Spur ungerechter und seltsamer für sie geworden.

In dem Speisezimmer des Turms hatte ein besonderes Ritual begonnen. Sobald die Hofbediensteten gesehen hatten, wie die zukünftige Braut stolz in den Hof geritten kam, hatten die drei Orkfrauen begonnen die Vorbereitungen zu treffen. Sie riefen Wachsoldaten herbei, um die Trolle aus dem Raum zu entfernen, die wütend protestieren und geifernd fluchten, während sie die Treppen heruntergeschleift wurden. Dann ließen sie die Feuerschalen neu entfachen und wischten mit vor Schmutz triefenden Lappen die kalte Steinplatte, auf dem das Mahl gereicht werden würde. Die Schädel und die Knochen, die von anderen Gelagen zeugten, warfen sie in einen Gebeinkorb im Alkoven, damit nicht irgendwelche hartnäckigen Gerüche die Stimmung trübte. Sie gossen aus einem bronzenen Krug, unter Einhaltung aller notwendigen Zeremonien, süffigen Gewürzwein in Schalen und spießten ein Wildschwein auf, das schon seit Tagen in der Speisekammer auf den Verzehr gewartet hatte. Die grünliche Färbung des Schimmels störte dabei nicht – der Magen eines Orks schätzten eine leichte Magenverstimmung während des Essens wie die Menschen einen kühlen Schnaps danach. Als sich das brutzelnde Schwein in den Angeln über ein herrliches Feuer drehte und alle Teller aufgestellt waren, kamen auch schon der Herr und seine Geliebte an.

Als alles bereit war, ließen sie die Wachen benachrichtigen. Mit hoffnungsvollen Mienen verriegelten sie die Tür. Das Brautpaar würde erst bei Anbruch des Tages wieder sich unter die Leute mischen.

„Eure Majestät…“ Der älteste und erfahrenste Wächter zögerte einen Augenblick lang. „Sollen wir euch wirklich mit ihr…?“ Ihm war die Sache immer noch nicht ganz geheuer, denn die Frau war keine Unbekannte.

„Schweig! Entferne dich!“

Die Tür ward verschlossen und das Festmahl begann.

Orkfrau und Orkmann starrten sich über die Steinplatte an und fraßen sich satt – von Essen kann keine Rede sein, denn nach dem Brauch der altehrwürdigen Ahnen war Schmatzen, Rülpsen und Furzen ein gutes Beispiel für angenehme Etikette. Dabei ließen sie sich nicht aus den Augen und stopften sich den Wamst voll.

Nilo lächelte und riss ein großes Stück aus der Lende. „Ich hoffe, dein Aufenthalt bei dem Khan war erfolgreich…“

Kael rülpste leise und grinste mit Fleischfetzen zwischen den Zähnen. „Er ist von mir beeindruckt.“

„Du hattes Erfolg?“

Kael schloss die Augen, krampfte kurz und entließ hinter sich einen übelriechenden Wind. „Drei meiner besten Männer haben sie erwischt. Hat mich viel Gold gekostet, aber es ist die Mühe wert.“

Ein kalter Wind fegte durch den Raum. Nilo grinste. „Du hast sie?“

„Natürlich. Ich bin Fürst Kael.“

„Natürlich hast du es geschafft. Du bist ein Mann“, gurrte sie hocherfreut und warf den halbabgenagten Knochen hinter sich. „Und ich nur eine schwache Frau.“

Das Lob wirkte. Kael sonnte sich im Glanz und wischte sich mit fettigen Fingern über seine Halbglatze. „Ein Mann muss tun, was er tun muss.“

„Ist sie hier?“

„Willst du sie sehen?“ Er starrte sie an und erbebte. Seine fleischigen Lippen zuckten. „Oh, das gefällt mir. Während wir es tun, starrt sie uns an!“ Am Hals traten seine Sehnen hervor. Quietschend schob er seinen Stuhl zurück und humpelte los.

Er bemerkte nicht, wie sich ihr Gesicht kurz zu einer abstoßenden Grimasse verzog als er auch schon die Schlüssel an seinem Gürtel hervorholte.

Die Zeremonie für ein derlei delikates Detail zu unterbrechen war ungewöhnlich, aber nicht störend. Die Wachen gehorchten und holten die Gefangene.

Die Elbin war eine große Frau, trug ihre blonden Haaren zu feinen Zöpfen und strömte eine Ruhe und Gelassenheit aus, die dem Umstand ihres Daseins Hohn spottete. Die Hände in Ketten, aber königlich wie eine Herrscherin. Jung und attraktiv.

Die Wachen schoben die Gefangene in den Raum und schlossen schnell wieder die Tür hinter sich zu.

Sie war so schön, dass Nilo der Atem stockte. In ihrer Vorstellung waren Elben stets alte verhutzelte Weiber mit scharfen Nasen gewesen. In den Geschichten, die ihr ihre Amme erzählt hatten, waren sie aufdringliche Plagegeister, die den anderen Lebewesen das Leben schwermachten, wo sie nur konnten, die sie bestahlen und ihr Getreide und Vieh verhexten.

Aber diese Elbin war jung und so groß wie sie. Ihr bloßer Körper war anmutig und vollkommen geformt, und ihre Ausstrahlung ging nicht nur von ihr und von ihrem flachsblondem Haar, sondern von ihrem sanften Lächeln aus. Neben ihr stand triumphierend Kael mit den Schlüsseln in der Hand und lachte. Dabei wirkte er wie eine Weinbergschnecke neben einem Pfau. „Das ist Victoria. Gefeierter Stern am Himmel des Musikerhimmels. Für euch, Mylady, werden sich die feinen Hochgeborenen noch dumm und dämlich bezahlen.“ Er konnte sehen, dass Nilo sie mit Bewunderung anstarrte. „Schön ist sie, nicht wahr? Schön und hochmütig wie alle Elben! Als wärd ihr aus Sonnenstrahlen selbst geboren. Eure Art kotzt mich an!“ Fast schien es als wolle er sie schlagen, doch er hielt sich zurück und trat vorsichtshalber zur Seite. „Nein, kein Haar habe ich ihr gekrümmt. Mein Khan würde mich häuten, wenn ihr etwas zustieße. Sie wird unser Faustpfand im bevorstehenden Krieg sein.“

„Der Krieg?“ Nilo runzelte die Stirn. „Also können wir bald wieder los?“

„Ja, und ich werde neben ihm herreiten.“ Stolz schlug er sich auf die Brust. „Fürst Kael, dein baldiger Ehemann, wird noch in den Geschichtsbüchern stehen.“ Er grinste wild und kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu. „Dann lass uns unsere Pflicht tun…“

 

Die Lippen gespitzt.

Nilo lächelte kokett. „Kael, mein Liebster, jede Frau wäre hocherfreut…“ Geschwind war sie bei ihm, stieß ihn gegen die Wand und …

… schlug hart zu.

Die Elbin und Kael waren gleichermaßen überrascht.

Nilo vollführte drei schnelle Hiebe mit ihren Fäusten. Wie ein professioneller Gossenschläger hatte sie sich blitzschnell bereitgemacht und ihn unvorbereitet getroffen. Bewusstlos sackte Kael zu Boden und blieb liegen. Lächelnd wischte sie sich eine Strähne aus dem Gesicht. „… aber ich muss ablehnen.“

Die Elbin blickte sie stirnrunzelnd an. „Seid Ihr nicht glücklich mit ihm?“

„Wir passen nicht zueinander. Das spürte ich schon bei unserem ersten Treffen“, bemerkte sie trocken. „Es hat mich viel Überwindung gekostet, bis hierher zu gelangen. Seht nur sein schlaffes Kinn und seine große Ohren! Es brauchte nur ein paar Kontakte, ein wenig Süßholzgeraspel… und schon bin ich bei euch!“ Die Ork ahmte lächelnd eine Verbeugung nach. „Victoria, nehme ich an. Wir haben gemeinsame Freunde.“

„Den Göttern sei Dank!“ sagte Victoria und hielt ihr die Fesseln hin. „Doch wir sind, so scheint es, noch nicht ganz aus dem Schneider. Wie gedenkt Ihr, zu flüchten? Oder seid Ihr jetzt die Herrin der Burg und könnt frei über mich verfügen? Bei euch Orks bin ich mir nicht so sicher…“

Die Fesseln fielen klirrend zu Boden.

„Wenn ich Zeit hätte, verehrteste Hochelbin und gepriesenes Wunderkind“, bemerkte Nilo, „so würde ich alles lang und breit erklären, wir würden lachen und in weniger als einer Minute würden die Wachen hier hereinkommen. Mich würde man aufschlitzen, aber Ihr würdet grob zurück ins Loch geworfen werden, bis Ihr euren Zweck erfüllt habt. Ich schlage eine Alternative vor.“

„Die wäre?“

„Ihr seid nicht das einzige Wunderkind hier.“

Jede Burg hat ihre Gucklöcher. Ob Mensch, Ork oder Elb: auch, wenn sich niemand dazu äußern würde, so gab es immer wieder welche, die gerne spannten.

Eine besonders neugierige Wache hatte es sich hinter der Tür gemütlich gemacht und schielte durch einen kaum wahrnehmbaren Schlitz in die breite Kammer, wo sich hinter einem Vorhang in der Düsternis die Decke bewegte.

Der Ork grinste schmierig und versuchte so viel wie möglich zu erhaschen – als plötzlich die Tür aufging und eine schwielige Hand ihn packte. „Schnell!“

„Was? Ich-“ Der Ork ließ vor Schreck seinen Speer fallen, als er die Ork und die Hochelbin nackt vor sich stehen sah. Mit allem hatte er gerechnet, aber bestimmt nicht damit. „Oh.“

„Eurem Herrn gelüstet es nach mehr.“

Der Ork verstand. Er verstand sogar sehr gut.

Noch während er an seiner Hose nestelte, schloss Victoria die Tür hinter ihm. Und Nilo schlug zu.

„Ich hätte einen kühn durchdachten Plan wirklich begrüßt“, bemerkte Victoria säuerlich und zog sich wieder an. „Etwas mit Finesse, ein galantes Bubenstück einem Chevarelt de Voltiq gebührend. Das hier war doch rein profan. Ein Bauernstück gleich.“

Nilo wischte sich über die schweißnasse Stirn und starrte auf die bewusstlosen Orks unter sich. „Das waren alle vier Wachen und der leichte Teil, Verehrteste. Das war die Wache im oberen Stockwerk.“

„Gute Güte! Ich werde mich erkälten“, sagte sie mit einer Stimme wie Kristallwind. „Es könnte bis zum Morgengrauen dauern, bis wir bei den Pferden sind!“

Nilo reichte ihr die Hand. „Sollen wir gehen?“

„Sollte… ich mich nicht verkleiden?“

„Nur diejenigen, die etwas zu verbergen haben, verkleiden sich. Wir Orks mögen stumpfe Ungeheuer sein, die weder Stock noch Stein in eine Reihe bringen können, aber das durchschauen wir. Aber die zukünftige Fürstin der Burg, die mit ihrer Hochelbin-Sklavin durch die Gänge schreitet, das wirkt akzeptabel. Wachen suchen nach dem Besonderen.“

„Ich stimme zu.“

Spitz nahm Victoria ihre Hand entgegen, nickte aber dankbar.

Bevor Nilo noch antworten konnte, dröhnte ein Gong vom Hof. „Mittagessen“, bemerkte Nilo und führte sie aus der Kammer. „Ich habe folgendes beobachtet: die Hälfte aller Wachen gehen beim Gong los, um sich und ihren Kameraden etwas zu holen. Wir können los. Mmh, heute gibt es Hasengulasch.“

Nicht schnell, aber bestimmt gingen beide durch die engen Gänge. „Wollt Ihr euch vielleicht eine Portion holen?“

„Dasselbe wollte ich euch fragen, Hochelb. Ihr seht aus, als hättet ihr seit Tagen nichts gegessen.“

„Meine Mutter schickt einen Ork“, bemerkte sie spitz. „Sieht ihr gar nicht ähnlich.“

„Ich komme nicht im Auftrag Eurer Mutter.“

„Wer schickte Euch dann? Und, bitte, tretet mir nicht zu nahe.“

Nila wandte sich um. „Bin ich Euch nicht sauber genug? Ihr mögt keine Orks, was? Tja, Süße, Pech gehabt. Und zu Eurem Glück richte ich mich nur nach dem Preis sonst würdet Ihr noch lange hier festsitzen.“

Victoria wollte etwas erwidern, überlegte es sich aber anders. Stattdessen betrachtete sie die Gestalt vor sich als würde sie etwas Bizarres betrachten dürfen. „Ich wusste sofort, dass Ihr fähig seid, „sagte sie, fast flirtend, „ihr habt die Augen einer Kriegerin.“

Nilo gefiel ihr sofort. „Und die Ohren eines Schindelläufers“, erwiderte sie. „verfügt über den Rest.“

Nilo erwartete eine kleine Verlegenheit. Stattdessen lachte die Elbin herzhaft. Es klang leicht und sympathisch, voller Leben, und einen Moment lang glaubte sie, sie lache sie aus. Doch in dem Blick der Frau mischte sich Anerkennung mit Bewunderung. Nilo hätte ihren letzten Spruch gerne wiederholt, nur um sie weiter Lachen zu hören. „Sieht so aus, als seien das schon die besten Teile gewesen“, erwiderte sie.

Nilo kam nicht umhin ihre Schlagfertigkeit zu bewundern.

Sie passierten eine Reihe müde daher schlurfender Orkwachen, die ihnen nur gemäßigt Interesse zeigten. Der Magen verlangte sein Recht – für überstürzte Theorien war da kein Platz.

„Ich habe seit Tagen nichts gegessen.“

„Wollen wir verweilen?“

„Verzichte. Wir Elben ernähren uns vom Tau und vom Honig der Bienen.“

„Gut, wir haben nämlich keine Zeit.“

Nilo zog sie in die Küche und schob einen verdutzten Koch beiseite. „Euer Herr hat sich den Magen verstimmt. Seine Geliebten wollen sehen, mit was für Blutegel und Rattenplagen er es in seiner Speisekammer zu tun hat!“

Die Küche war ein fensterloses Loch mit Tischen und Regalen, die auch in einen Folterkeller gepasst hätten: blutige Messer und rostige Äxte lagen zwischen ausgeweideten Tieren und Töpfen mit verschiedenen Gewürzen, hier und dort ein angenagter Knochen zwischen Eingeweiden, die schon seit Tagen liegen mussten. Eine normale Küche – für einen Ork.

Der Koch wurde bleich vor Zorn. „Nur die besten Blutegel und Ratten! Ich schwöre es beim Khan…“

„Zeigt sie mir! Sofort!“ Nilo ging vorneweg, als würde ihr alles schon gehören. Sie betrachtete mit arrogantem Blick die Regale voller Tassen und Teller, die zum Teil noch mit Essenresten vom Vortag aufwarten konnten.

Victoria beeilte sich möglichst nicht in Kontakt mit dem schmierigen Wänden und Töpfen zu kommen, an denen Reste der Kochkunst zu sehen war. Mit spitzen Fingern schob sie sich an dem wütenden Ork beiseite, ihre Miene voller Ekel, doch aus dem Augenwinkel bemerkte sie wie Nilo etwas aus einer Rocktasche holte und in den großen, blubbernden Topf warf. So schnell, dass es auch eine Täuschung hätte sein können. Niemand sonst nahm davon Notiz.

Nilo hatte genug gesehen. „Nun, alles sieht normal aus.“

Der Koch entspannte sich, doch eine Spur Argwohn waren noch zu vernehmen: „Ihr sagt, der Herr… ihm ginge es nicht gut?“

Zu Victorias Überraschung griff Nilo hart an ihren Nacken und drückte sie ohne Vorwarnung nach unten. Sie hob die Stimme und schrie: „Bestimmt wieder so ein elender Elbenfluch! Von den Spitzohren kommt nur Schlechtes! Nichts als Heimlichkeit und Lüge! Vergiften, bah! So dankst du uns unsere Gastfreundlichkeit?“

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