RedStar

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

„Ich gehe um die Zeit immer Joggen“, meinte er leise und wandte sich zu ihr um. „Kann ich dich alleine lassen?“



Sie stöhnte als Antwort und streichelte ihm über das Gesicht. „Du bist so anders als die anderen. Immer korrekt, immer so ruhig und gefasst. Wie ein Abziehbild eines

Playgirls

.“ Sie lächelte traurig und küsste seine schwielige Hand. „Ich möchte dich mit niemanden teilen. Du tust mir gut.“



„Danke für die Blumen.“



Über ihre nächste Bemerkung war er aber erschrocken: „Du passt nicht hierhin.“



„Wie meinst du das?“



„Alles geht den Bach runter“, erklärte sie leise und führte seine Hand zu ihrer Brust. „Das Kino hat letzten Monat zugemacht, und ich hörte, dass die Millers von nebenan umziehen wollen. Die Station ist verflucht. Zuerst mein Mann, und jetzt Marlon.“ Sie wandte sich plötzlich ab und weinte leise.



Er verstand nur zu gut. „Darum bin ich hierher, Linda. Das ist ein totes Gleis, aber auch ich habe meine Gründe, warum ich hier bin.“ Er streichelte ihre Schulter und hauchte ihr einen Kuss auf ihren Kopf. „Ich schnappe mir die Typen, die deinem Sohn das Zeug verkauft haben.“



Er blieb noch eine Weile bei ihr sitzen, bis sie wieder eingeschlafen war.



Zuhause angekommen, räumte er auf, fegte die Scherben beiseite und war nach einer Stunde fertig. Er schickte eine Anfrage an den Schlosser und war erfreut zu lesen, dass er schon in zwei Stunden das Schloss austauschen und die Tür reparieren konnte. Kurzerhand zog er seinen Jogginganzug an, setzte sein Headset auf und hörte beim Laufen Musik.



Es war wie immer seltsam auf dem Außenring der Station zu Joggen, und er begegnete die ganze Zeit nicht einer Menschenseele. Zur Rechten begrüßte ihn hinter dem Panoramaglas der lebensfeindliche Weltraum, während er sich im wohltemperierten Bereich der riesigen Anlage verausgabte. Das All war ewig und die Station nur ein Körnchen in dem riesigen Vakuum des Raums. Das All kümmerte nicht das Problem, mit dem er konfrontiert worden war und ließ ihn damit allein.



Pünktlich kam er vom Joggen zurück als der Schlosser schon auf ihn wartete. Die Tür wurde schnell repariert und er ging rasch duschen. Sein nackter Körper war mit kleinen und großen Narben versehen und über seinen Rücken prangte in kyrillischer Schrift das Motto seiner alten Einheit:

Ehre und Ruhm der Sewastopol!

 Nur mit einem Handtuch bekleidet wandte er sich zum Flur und blickte zur Rechten: das im Dunkel liegende Schlafzimmer lockte mit seinem weichem Bett, der warmen Daunendecke und der Aufsicht auf einen erholsamen Schlaf. Sehnsüchtig blickte er nach vorne – ein Frühstück im Fernsehsessel war auch nicht zu verachten. Beides ließ sich leicht kombinieren.



So saß er da und schaute sich die Nachrichten an, genoss seinen Tee und spürte wie er ruhiger und ruhiger wurde. Nach einer Weile war er eingeschlafen.






Vor zehn Jahren:





Der Mustang röhrte die Auffahrt des Bureau of Khorgisien in die Seitenstraße hoch und gesellte sich zu der Wagenkolonne der Einsatzgruppe, die aus einem zerbeulten Undercover-Lieferwagen und zwei schwarzen Vans bestand. Der junge Mann wuchtete die Tasche mit seiner Ausrüstung aus dem Mustang und hastete zum Führungsfahrzeug hinüber, einem schmutzig weißen, geschlossenen Lieferwagen, der an den Seiten die Aufschrift eines bekannten Feinkostladens trug. Die Farbe war über die Jahre mehrfach erneuert worden, die Einschusslöcher hingegen blieben.



Durch die geöffneten Hecktüren beobachteten drei Männer den Auftritt. „Da kommt der neue Kommissar“, knurrte Offizier Artjom Penkusch. „Kanns kaum erwarten, sich seine ersten Lorbeeren zu schießen.“



Der Special Agent, für den Einsatz verantwortlich, erstickte jede Diskussion im Keim. „Er kommt mit besten Empfehlungen der Partei“, sagte Gideon Nikolaeff. „Ohne die Erlaubnis des Großen Bruders geht ja heutzutage nichts mehr. Seid freundlich.“



„Das ist ja noch ein Kind“, grummelte jemand hinter ihm.



„Lob und Preis Khorgisiens“, begrüßte der Kommissar und kam näher. „Ich darf Ihnen sagen, dass der Oberste Anführer persönlich den Haftbefehl unterzeichnet hat. Es ist aufregend, nicht wahr?“ Er grinste begeistert und stellte seine Tasche ab. Und blickte in verhärmte Gesichter, die seinem Enthusiasmus nicht unbedingt teilten. Gideon maß ihm mit forschen Blick und nahm die Unterlagen entgegen. „Wir sollten reingehen.“



Der alte Lieferwagen verströmte diesen Ziegenstallgeruch aus Angst und Schweiß, dem mit keiner Putzaktion mehr beizukommen war. Er hatte über Jahre hinweg unzählige Firmenaufdrücke über sich ergehen lassen müssen und war Teil der Säuberungsaktion. Einer Säuberung der unliebsamen Subjekte, die gegen das Gesetz verstießen. Und in Zeiten der neuen khorgiesischen Regierung wurde das Maß sehr weit gefasst.



Die Rückfenster funktionierten gut getarnt wie Einwegspiegel.



Der Kommissar konnte die großen schwarzen Vans, die ihnen folgten, gut sehen. Immer dann, wenn er sein Gesicht dem Fenster zuwandte, musterten seine männlichen Kollegen ihn mit verstohlenem Blick. Ausnahmslos alle Beamte trugen Kampfanzüge.



Gideon griff sich seinen Klemmblock vom Beifahrersitz. „Wir haben drei Ziele im Auge, Herr Kommissar“, erläuterte er beiläufig. „Team Zwei und Team Drei sind schon auf dem Weg. Team Eins – das sind wir – werden uns „Mama“ schnappen. Könnte ich den Haftbefehl sehen?“



Der Kommissar reichte ihm die Papiere, die der Specialagent nur überflog. Stempel und Unterschrift waren gültig. Er atmete leise aus und drehte sich zu ihm um, während der Kommissar mit freudiger Erwartung an seinem Pistolenhalfter herumnestelte. „Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?“



„Zweiundzwanzig. Aber im Kunstschießen war ich Bester. Das Politbüro hat seinen Segen gegeben.“



Gideon war nicht beeindruckt. Er wusste, dass der Oberste Sekretär vor der Partei punkten und sich als Mann der harten Hand profilieren wollte. Darum schickte er seinen ältesten Sohn mit. Der Kommissar wirkte wie ein Abziehbild eines Propagandaposters. „Wir nehmen heute nicht irgendwelche Menschenrechtler oder Politaktivisten hoch, Herr Kommissar. Das wissen Sie.“



„Natürlich.“



„Dann verstehen Sie sicher, dass Sie im Auto bleiben.“



Der Kommissar war damit nicht einverstanden. „Sie wissen, wer mein Vater ist?“



Der Agent drehte sich zu den drei Männern und der einzigen Frau um. Die Einsatztruppe bestand aus ehemaligen Söldnern oder Polizisten, die wegen ihres harten Vorgehens in die Rolle genau passten. Ihre Knüppel und Kampfanzüge waren voller Kerben und Flecken, die von einem Leben der Gewalt erzählten. Dazwischen wirkte der aufstrebende Kommissar wie eine frische Bergblume, die aus einem Haufen Geröll emporwuchs.



Gideon versuchte die Taktik zu ändern: „Was wissen Sie über Mama?“



Die Rede wirkte wie einstudiert: „Gina „Mama“ Colfex hat Maschinenbau an der Staatlichen Universität studiert und ist Teil der Colfex-Clique. Gesucht wegen Drogenhandel, Menschenraub und Mord. Ein Familienunternehmen, dass ihr Vater schon vor Jahren aufgebaut hat. Knapp vierundvierzig Mitglieder.“ Er holte kurz Luft und hielt trotzig den Blickkontakt. „Sie leidet unter periodischen Anfällen von Angst und Depression. Fehlende Empathie wurde bescheinigt und sie gilt als extrem gewalttätig.“



Gideon nickte ernst. „Die Clique kocht heute. Das Methamphetamin ist Sache der Polizei. Wir sind einzig und allein an der Familie interessiert. Der Haftbefehl führt halbautomatische Waffen und einige MAC 10s auf, und wer weiß, was sie noch hat. Die Frau ist brandgefährlich. Witwe von Russel Cjungo, dem Schlächter. Ich habe bereits zweimal wegen Verdachts des Menschenhandels gegen sie ermittelt. Das letzte Mal kam sie mit einer 9-Millimeter und drei Magazinen an. Als ob das nicht gereicht hätte, hatte sie Tränengas dabei. Keine Ahnung, mit was sie heute aufwartet.“ Er warf einen Blick zu seinen älteren Kollegen. „Sie hat Boris und Natascha auf den Gewissen.“



Die Männer nickten ernst. Artjom Penkusch spuckte geräuschvoll aus. Heute würde Blut fließen. Vorsorglich stopften sie sich noch Extramagazine in ihre Taschen.



„Ich war drei Jahre in Folge Champion im Pistolenschießen bei den Mutterland-Meisterschaften“, erwiderte der Kommissar trotzig. Ihn ärgerten die Blicke der Männer, trotzdem registrierte er, dass niemand wagte, etwas zu sagen. Es war nicht klug den Großen Bruder zu verärgern.



Gideon runzelte die Stirn. „Schön. Sie wollen dabei sein. Von mir aus. Aber ich höre mir hinterher keine Klagen an, kapiert? Sie bleiben hinter mir. Wir benutzen zuerst Betäubungsgranaten, dann wird scharf geschossen.“ Gekonnt wechselte er das Thema. „Wir wissen, dass ihre Cousins John und Vic in einer Fleischerhalle gerade beschäftigt sind. Team zwei wird sich darum kümmern. Team Drei nimmt sich ihr Zuhause vor. Laut unseres Informanten sitzt die Familie gerade am Tisch zu Abend. Wir schlagen alle gleichzeitig zu. Ihre Schwester Michelle und ihr Sohn Trevor werden da sein. Schnell und sauber. Wenn die Granaten nicht versagen, bekommen wir sie alle lebend.“



Alle nickten grimmig. Die verhärmten Gesichter ließen den Schluss zu, dass sie lieber ihre ganzen Magazine verballern würden, als die Kriminellen lebend zu fangen. Bei Erfolg mussten sie verhört, versorgt und nach der Verurteilung zum Flugplatz gebracht werden, wo eine Militärmaschine sie nach Nordsibirien brachte. Und hoch im Norden, in der Weite der Tundra, wartete ein ganzes Gefängnis voller Kriminelle auf sie. Selbst bei einer Flucht wartete die Tundra auf sie; mehrere hundert Quadratkilometer Wildnis. Der Gulag war eine Einbahnstraße.



„X minus zehn Minuten“, meldete sich der Fahrer.



„Dort, hinter dem LKW“, entgegnete Gideon und wandte sich wieder nach vorne. „Bei x minus drei steigen wir aus und beziehen Position.“

 



Der Fahrer fuhr routiniert weiter und sagte, ohne die Mundwinkel zu verziehen: „Es sieht ganz so aus, als wollten heute nicht gerade viele Leute Fisch kaufen. Wir sind da.“



Die einzige Frau im Bunde schaltete den Computer ein und schickte ein 3D-Bild von der Umgebung in die Mitte des Vans. Das Modell war gestochen scharf und zeigte in verschiedenen Farben, was relevant für die Truppe war. Auf dem Bürgersteig reihten sich unter einer Leinenmarkise Tische und Verkaufsstände mit feucht schimmerndem Fisch. Der Computer markierte die Zivilisten grün und zeigte gerade einen Mann, der mit einem geschwungenen Messer einen Marko-Hai aufschlitzte und den riesigen Fisch mit einer Spritzpistole abspritzte. Da jeder Mensch eine ID in seinem Nacken verpflanzt bekommen hatte, war es für den Computer ein Leichtes die Guten von den Bösen zu unterscheiden. Die ID des Mannes war sauber – seine und die der anderen Zivilisten, die sich in kleinen Grüppchen um die Tische drängten. Es handelte sich überwiegend um Hausfrauen, die zu ihrem allabendlichen Gang über den Markt eintrudelten, die Ware beäugten und an ihr schnupperten.



In der Halle dahinter sah es anders aus.



Zehn grün schimmernde Individuen saßen dichtgedrängt an einem Tisch und blickten vertieft in ihre Arbeit, während vier rotmarkierte Personen um sie herumstanden. Gestochen scharf konnte jeder im Van die feinen Gerätschaften ausmachten, die man brauchte, um erstklassige Drogen zu produzieren. Und der Computer meldete einen Treffer.





Gina „Mama“ Colfex.





Die ID log nicht.



„Da ist sie ja“, raunte jemand leise.



Das Labor grenzte ebenerdig an der Lagerhalle des Fischmarktes an und hatte nur einen Eingang. Die ganze Gegend bestand aus einer Reihe von Geschäften und Warenhäusern an den Flussufern, die zu dieser Zeit nur wenig von Zivilisten besucht wurde. Langsam rollte der Van mit ausgeschalteten Lichtern hinter einem Lkw und blieb schließlich stehen. Er blickte in die Gasse hinunter und winkte jemanden in Zivil zu, der sich ihm schnell näherte.



„Wer ist das?“



Gideon wandte sich dem Kommissar zu. „Mamas Frühwarnsystem hat in der Vergangenheit gut funktioniert. Es ist bis jetzt ihr jedes Mal gelungen zu flüchten und sich mit einem Auto aus dem Staub zu machen. Lorenzo ist ein alter Freund von mir.“ Er stieg aus und unterhielt sich leise mit dem Mann mit den schmächtigen Schultern, der sein Gesicht unter einer Kapuze verborgen hielt. Aus den verspiegelten Fenstern beobachtete der Kommissar, wie der Beamte ihm ein Geldbündel zusteckte. Sofort verschwand der Mann wieder in der Dunkelheit.



„Jedes Auto im ganzen Block liegt lahm. Wir können“, raunte der Agent leise zum Van und holte seine Kopfhörer vom Sitz. Dabei sprach er in sein Kehlkopfmikro. „X minus drei. Team Zwei und Team Drei, bitte kommen.“ Er nickte knapp und sprach weiter leise ohne dass der Kommissar etwas davon verstand. Die anderen Männer bereiteten sich vor und entsicherten ihre Waffen.



Schließlich öffnete Gideon die Hecktüren und überreichte dem Jüngeren eine Waffe. „Nehmen Sie diese.“



 Der Kommissar nahm sie entgegen und hielt sie vor sich auf eine Art, wie sie Gangster in amerikanischen Filmen hielten. Gideon bemerkte den gefährlichen Glanz in seinen Augen, sagte aber nichts dazu. „Sie bleiben hinter mir. Boris, du gehst zur Rückseite und wirfst die erste Granate durchs Fenster. Vanja deckt den Nordteil und schaltet die Wache dort aus. Ana wird die Vorderseite nehmen und sie mit Avon eindecken.“ Avon war eine großkalibrige Schrotflinte, die im Nahkampf einen ganzen Raum leerfegen konnte. Extrem gefährlich und endgültig. Die Person namens Ana grinste den Kommissar zu und tätschelte das verchromte Monstrum. „Leute, das haben wir schon oft gemacht – nur heute vor Publikum. Immer lächelnd in die Kamera.“



Sein ganzes Team wirkte wie ein Rudel hungriger Wölfe, und er sah, dass es gut war.



Alle nickten stumm, und langsam begann die Gruppe sich zu bewegen.



Er ging voraus und zog seine Waffe, wohlwissend dass der Gast es versäumt hatte, sein Magazin zu kontrollieren. Tragische Erfahrungen hatten den Wert einer fehlerfreien Rückendeckung nachdrücklich vorgeführt, so dass der Mann dem Kommissar wohlweislich eine Schusswaffe mit einem leeren Magazin gegeben hatte. Sich mit einem Team, das man nicht kennt und dessen Leute über unterschiedliche Trainingsniveaus verfügen, bei einem Übergriff gewaltsam irgendwo Zutritt zu verschaffen ist ein gefährliches Unterfangen. Wie schnell hat einem eine Kugel die Wirbelsäule zerschmettert, wenn man einer Gruppe vorangeht, die unerfahren und von Angst getrieben agiert.



Das Team zerstreute sich und bezog in voller Kampfmontur Position – schnell und effizient. Der Zufall wollte es, dass kein einzelner Zivilist auf die Beamten aufmerksam wurde, bis sie in Stellung waren. Der Agent blickte auf seine Uhr und registrierte, dass sie gut in der Zeit lagen. Mit einem Flüstern gab er seinen Mann an der Rückseite das Zeichen.



Die Betäubungsgranate zerschlug ein Fenster, segelte durch die Luft und explodierte so laut, dass der Kommissar hinter Gideon vor Schreck zusammenzuckte. Dabei drückte er versehentlich ab, und erstarrte als nur der Schlagbolzen auf nichts traf. Gideon wandte sich kurz um und blickte genau in den Lauf.

Habe ich es nicht gesagt?



Doch er wartete keine Reaktion ab, sondern stürmte vor und trat die erste Tür ein. Der nächste Knall war ohrenbetäubend und Gideon wusste, dass Ana mit ihrer Avon den Raum für sich beanspruchte hatte. Schmerzensschreie und mehrere Schüsse folgten. „Alles runter auf den Boden

. Ich sagte, runter auf den Boden!“



Und jetzt ging alles sehr schnell. Der Trupp sicherte den Raum, bellte Befehle und überwältigte die Personen in dem Raum. Auch einige Zivilisten lagen tot auf dem Boden, doch für die hatte der Agent keinen Blick übrig. Kollateralschaden war vorgesehen.



Schüsse hinter dem Agenten. Zwischen zwei Pfeilern tauchte, Nofretete gleich, Gina „Mama“ Colfex auf und zielte mit ihrer Schrotflinte auf ihn. Wie von einer eisernen Faust getroffen, trieb es den Agenten nach vorne. Sämtliche Luft entwich ihm aus der Lunge. Mündungsfeuer und Pulverdampf aus verschiedenen Waffen. Kugeln pfiffen durch die Luft. Der Agent berührte kurz seine Kevlar-Weste, die ein qualmendes Loch aufwies. Das Gewicht der Weste fiel durch eine zusätzliche Weste Keramikplatte am Rücken deutlich höher aus. Wie im Zeitraffer nahm er alles auf: wie der Kommissar zur Rechten umfiel und hart auf dem Boden landete, wie „Mama“ mit wilden Augen voll mit tödlichem Versprechen auf ihn anlegte und wie Artjom von der Seite einen Schuss auf sie abgab. Sie segelte davon und blieb reglos liegen, mit seltsam verdrehten Beinen nach vorne gebeugt auf den Beinen.



Artjom, Ana und Boris übernahmen die Kontrolle. Der Einsatz war vorbei.




Das Einsatzfahrzeug der hiesigen Polizei sowie ein Leichenwagen waren vorgefahren, während der Agent ein kurzes Resümee zog: drei Kriminelle waren tot, sowie alle zehn Zivilisten. Artjoms schnelle Reaktion war es zu verdanken, dass Gina „Mama“ Colfex nur betäubt wurde. Er hatte zuvor drei Schüsse scharfer Munition verschossen und gedankenschnell auf Betäubungsschuss umgeschaltet.

Guter, alter Artjom.



Gideons Rücken schmerzte, aber das würden eine Flasche Wodka und ein paar Schmerztabletten schon hinbekommen. Er wankte leicht zu seinem Freund und ließ sich einen Bericht geben. „Wie stehen wir da?“



„Vierzehn Kilogramm Methamphetamin, alle Zivilisten tot und Mama lebend.“ Artjom deutete auf sein Headset. „Team zwei und Drei haben ein ganz schönes Blutbad angerichtet. Vier Mitglieder sind noch am Leben, unsere eigenen Verluste belaufen sich auf null.“



Der Agent nickte leicht und schaute auf den Kommissar, der mit einem Verband um seinen Kopf auf dem Rinnstein saß. „Und was ist mit unserem Jungspund?“ wollte er wissen.



Artjom Penkusch runzelte die Stirn. „Ist gegen einen Pfeiler gelaufen. Hat alles verpasst.“



Gideon nickte knapp und spürte, wie sich seine anfängliche Anspannung löste. „Gib mir deine Waffe“, sagte er knapp.



„Warum?“ Er reichte sie ihm.



„Runden wir den Abend noch etwas ab. Keine Sorge, ich schreibe den Bericht“, sagte er leise und überprüfte das Magazin. Die scharfe Munition tauschte er gegen ein volles Magazin aus. Die modernen Handfeuerwaffen der Polizei verfügten über ein zweites Magazin, das Betäubungsmagazin enthielt. Mit sicherer Hand sah er, dass nur eine Kugel fehlte.



Langsam schlenderte er auf den Jüngeren zu, der ihn aus verständnislosen Augen anstarrte.



„An was können Sie sich erinnern?“ fragte er den Kommissar und setzte zum ersten Mal ein gutgemeintes Lächeln auf.



„Meine…meine Waffe“, stotterte der kalkweiße Mann leise und starrte betroffen vor sich auf den Rinnstein. Er wischte sich wie ein kleines Kind die Tränen mit dem Handrücken aus den Augen. „Sie war nicht geladen.“



„Hier ist sie doch, Herr Kommissar“, erwiderte Gideon freundlich und reichte sie ihm. Er kniete sich neben ihm. „Sie haben den finalen Schuss abgegeben. Glückwunsch.“



Pure Unverständnis blickten ihn aus de