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Am Rio de la Plata

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»Welchen?«

»Ich will es Ihnen zeigen. Passen Sie einmal auf! Fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen wehe thue.«

Er faßte mich mit seiner Rechten unter der Brust beim Jagdrocke und hob mich langsam mit dieser einen Hand empor, um mich ebenso langsam wieder auf die Füße zu setzen.

»Alle Wetter!« rief ich aus. »Ich habe Ihnen freilich eine ungewöhnliche Körperkraft zugetraut, aber eine solche Riesenstärke doch nicht!«

»Nicht wahr, Sennor?« lächelte er. »Diese Stärke ist es, welche man fürchtet. Glauben Sie mir, daß es nicht so leicht jemand wagen wird, Hand an mich zu legen. Ich würde zwar nicht auf ihn schießen, aber ihn so zwischen die Finger nehmen, daß es ihm vergehen müßte, den Versuch zum zweitenmal zu machen.«

Hans Larsen, der friesische Steuermann, hatte außer den wenigen Worten, welche er mit mir gewechselt hatte, keine Silbe hören lassen. Jetzt stand er plötzlich auf und sagte zu mir, und zwar zu meiner Verwunderung in einem ganz leidlichen Spanisch:

»Sie reden von Riesenstärke, Sennor? Meine Hände habe ich Ihnen schon gezeigt; nun aber sollen Sie auch sehen, was sie machen können. Wer einen Anker schleppen kann, der schaukelt auch zwei Männer auf und nieder. Passen Sie auf!«

Er ergriff mich gerade so mit der Rechten, wie vorher der Bruder, faßte auch diesen mit der Linken an der Brust, hob uns beide empor, streckte seine Arme aus und ließ uns abwechselnd und langsam auf und nieder gehen wie zwei Wagschalen an dem Wagbalken, den seine Arme bildeten. Dann setzte er uns nieder und meinte:

»Hätte ich auch hinten zwei Arme, so würde ich gern vier nehmen, anstatt nur zwei.«

»Aber, Mann,« rief ich ganz erstaunt, »Sie sind der richtige Goliath! Sie können Häuser einreißen!«

»Pah! Das kann der schwächste Kerl, wenn er es richtig anfängt! ich knacke die härtesten Köpfe auf wie Walnüsse, habe aber leider keine Gelegenheit dazu. Verschaffen Sie mir eine solche, so sollen Sie Ihr blaues Wunder sehen!«

»Aber können Sie auch mit Gewehren umgehen?«

»Das ist nichts. Habe es da oben in Westindien gelernt, wo ich jahrelang von Hafen zu Hafen gesegelt bin. Könnt mich auch mit auf die Wiese nehmen, der ihr Leute hier den unbegreiflichen Namen Pampa gebt!«

Während er das sagte, setzte er sich wieder nieder und machte eine Miene, als habe er soeben die längste Rede seines Lebens gehalten. Auch er war ein halbes Original. Der Bruder gab zu, daß er sich in Beziehung auf Körperkraft doch nicht mit diesem Manne messen könne. Die rohe Kraft freilich thut es nicht allein. Ein gewandter und beweglicher Mann, der die erforderliche Intelligenz und Geisteskraft besitzt, vermag einen Riesen von doppelter Körperstärke zu besiegen.

Als dieses kleine Intermezzo vorüber war, brachen wir auf, der Bruder und ich. Ich hatte mir die vielen Windungen des Weges ganz genau gemerkt, so daß wir glücklich die gefährlichen Stellen desselben hinter uns brachten. Wir mußten dafür sorgen, daß wir nicht beisammen gesehen wurden. Darum schritt der Bruder nun eine kurze Strecke voran, und ich folgte ihm in angemessener Entfernung.

Bald traf er auf zwei von den Bolaleuten. Er blieb einige Augenblicke mit ihnen stehen. Ich hörte sie mit ihm sprechen, und dann kehrten sie mit ihm um. Sie hatten nach den drei Vermißten gesucht und führten ihn nun nach der Halbinsel des Jacaré. Ich huschte hinter ihnen drein und kam, als sie die Peninsula erreichten, an die Stelle, an welcher ich vorhin dem Major die Füße gebunden und ihn auf die Erde gelegt hatte. Von hier aus konnte ich ziemlich gut sehen, was vorging. Die beiden Begleiter des Bruders machten ihre Meldung; aber sie schienen dieselbe noch gar nicht beendet zu haben, als ich die lauten Rufe der andern hörte. Sie hatten den Bruder erkannt.

Er wurde von ihnen umringt. Ich vernahm ihre verworrenen Stimmen, dazwischen die seine, welche laut, fest und bestimmt erklang. Er sprach wie befehlend zu ihnen. Sie antworteten erregt. Ihre Entgegnungen schienen zornig zu sein. Dann hörte ich deutlich, daß nur zwei sprachen, nämlich der Bruder und einer der Leute, welcher jedenfalls der Rangnächste des Majors war. Es dauerte ziemlich lang, doch befürchtete ich nichts mehr für den mutigen Herrn. Ich hätte es gewiß ihren Stimmen angehört, wenn er von ihnen feindselig behandelt worden wäre.

Es fiel mir der Umstand auf, daß sich alle eng um seine Person gedrängt hatten. Selbst die Posten waren hinzugelaufen; sie vergaßen die Lehre, welche sie vorhin durch mich bekommen hatten. Es war mir jetzt wohl nicht schwer, mich auf die Halbinsel zu schleichen, und ich beschloß bei mir, diese Sorglosigkeit der Leute, wenn möglich, für uns auszunutzen.

Endlich öffnete sich der Kreis der Leute, und ich sah den Bruder hervortreten. Er verließ die Halbinsel, und einer der Männer ging mit ihm. Die andern blieben zurück. Jedenfalls wollte er den Mann mit nach unserem Verstecke nehmen. Derselbe durfte nicht sehen, daß auch ich mich hier befunden hatte, und darum schlich ich mich hinter ihnen her, ohne aber zu ihnen zu stoßen. Als beide eine kurze Strecke zurückgelegt hatten, blieben sie stehen, und ich sah, daß der Bruder dem andern die Augen verband. Das war lobenswert von ihm; denn dadurch wurde das Geheimnis unseres Aufenthaltortes gewahrt, und ich konnte mich ihnen so weit nähern, daß es mir möglich wurde, dem Bruder mit einem Zeichen zu bedeuten, daß er nicht mit mir reden solle. Er verstand mich, denn er nickte. Nun huschte ich an ihnen vorüber und ging voran. An den gefährlichen Stellen führte der Bruder den Mann an der Hand. So gelangten wir in unser Versteck, ohne daß der letztere gemerkt hatte, daß der erstere nicht allein gewesen war. Dies war für mich von großer Wichtigkeit.

Die am Boden Sitzenden standen auf, als sie uns kommen sahen. Der Bruder nahm seinem Begleiter das Tuch von den Augen und dieser sah sich bei uns um.

»Sie bringen jemand mit?« fragte ich Bruder Hilario. »War das denn notwendig?«

»Ja, Sennor,« antwortete er. »Er mag als Unterhändler zwischen uns und den Seinigen dienen.«

»Gut. Wie hat man Sie denn aufgenommen?«

»Man war natürlich ganz erstaunt bei meinem Anblicke. Man hatte doch nicht geglaubt, daß wir kommen würden, oder wenigstens nicht angenommen, daß wir schon jetzt hier eingetroffen sein könnten.«

»Verhielt man sich feindselig?«

»Man hatte große Lust dazu, aber ich sagte ihnen, daß in diesem Falle der Major sofort erschossen würde.«

»Das wäre jedenfalls geschehen. Hätte man Ihnen nur ein Haar gekrümmt, so wären nicht allein er, sondern auch die drei Kerle, welche wir in der Estanzia del Yerbatero gefangen nahmen, dem Tode verfallen gewesen. Ich habe keine Lust, mit solchen Menschen allzu freundlich umzugehen. Also, man glaubte Ihnen nicht, daß wir den Major haben?«

»Nur schwer.«

»Und nun will dieser Mann ihn sehen?«

»Ja, und auch mit ihm sprechen.«

»Das kann ich nicht erlauben.«

»Warum nicht, Sennor?«

Ich zog ihn zur Seite und erklärte ihm:

»Der Mann darf nicht erfahren, auf welche Weise ich die beiden Seeleute befreit habe. Er würde es seinen Kameraden sagen, und diese sollen nicht wissen, daß ich auf der Halbinsel war. Ich will nochmals hin, um die beiden Montesos zu holen.«

»Sennor, das ist zu gefährlich!«

»O nein. Es wird sogar ziemlich leicht sein, wenn Sie die Rolle gut spielen, welche ich Ihnen dabei zugedacht habe.«

»Welcher Art ist sie, Sennor?«

»Bevor wir darüber sprechen, muß ich erst wissen, ob sich die Bolamänner bereit gezeigt haben, ihre Gefangenen frei zu geben.«

»Sie wollen es nicht thun.«

»Was verlangen sie denn?«

»Sie wollen die beiden Montesos nur gegen den Major, den Lieutenant und dessen beide Begleiter herausgeben.«

»So! Das würde uns zu lange aufhalten.«

»Das ist auch meine Ansicht.«

»Haben Sie ihnen nicht gedroht, daß wir den Major und die andern drei auch töten, oder diese letzteren wenigstens dem Gerichte übergeben werden?«

»Ich gab mir alle mögliche Mühe, sie umzustimmen. Sie blieben aber bei ihrer Forderung.«

»Das ist freilich leicht begreiflich. Sie haben uns ebenso fest, wie wir sie. Keine der beiden Parteien darf den in ihren Händen befindlichen Geiseln Gewalt anthun, da in diesem Falle die andere sich augenblicklich rächen würde. Aus diesem Grunde habe ich den Vorsatz, Monteso und seinen Neffen herauszuholen. Gelingt mir das, so ist uns geholfen.«

»Aber, Sie begeben sich dabei in eine ganz bedeutende Gefahr!«

»Ich habe es bereits einmal gethan, und es ist mir gelungen. Sie werden den Unterhändler, welchen Sie mitgebracht haben, wieder zur Halbinsel zurückbringen. Dabei haben Sie nur zu beachten, daß Sie dieselbe nicht betreten. Sie können sich ja verstellen und so thun, als ob Sie unsern Gegnern doch nicht trauten. Ich bin überzeugt, daß sie alle zu Ihnen kommen werden. Dadurch locken Sie sie von der Jacaré fort, und ich gewinne freie Hand.«

»Hm! Der Plan ist nicht schlecht. Aber ich bleibe dabei, daß Sie zu viel wagen.«

»Gewiß nicht. Gehen Sie mit dem Manne nicht zu schnell, und stellen Sie sich an einem solchen Orte auf, daß mir, wenn die Kerle zu Ihnen kommen, Raum bleibt, mich zu den Gefangenen zu schleichen.«

»Wollen Sie etwa auch die Flößer mit befreien?«

»Wenn es möglich ist, ja.«

»Sechs Mann! Bedenken Sie, welche Zeit das erfordert!«

»Nun, ob ich es thue, das kommt eben ganz darauf an, ob ich denken werde, daß ich die dazu nötige Zeit habe. Muß ich sie dort lassen, so ist es auch kein Unglück für sie, denn ich bin überzeugt, daß die Bolamänner nur beabsichtigen, mit Hilfe des Floßes überzusetzen, sonst aber nichts Böses gegen sie vorhaben.«

Jetzt wendeten wir uns wieder zu dem Unterhändler zurück, welcher seinen Vorgesetzten zu sehen verlangte.

»Wollen Sie mit ihm sprechen?« fragte ich ihn.

»Natürlich!« antwortete er. »Ich muß ihn doch fragen, was wir thun sollen!«

 

»Das ist nicht nötig. Sie sind über fünfzig Männer, welchen ich doch wohl Verstand genug zutrauen muß, um zu wissen, wie man in einer solchen Lage zu handeln hat.«

»Ohne seinen Befehl können wir nichts unternehmen!«

»Er kann Ihnen nichts befehlen, da er sich in unserer Gewalt befindet. Wählen Sie einen andern Anführer!«

»Den haben wir.«

»Nun, so haben Sie sich nach diesem zu richten, nicht aber nach unserm Gefangenen. Ich werde Ihnen denselben zeigen, damit Sie Ihren Kameraden sagen können, daß er wirklich unser Gefangener ist. Mehr kann ich nicht thun. Auch werde ich keinen Ihrer Leute wieder hierher zu uns lassen. Ich gebe Ihnen den Bruder mit, welchem Sie sagen können, was Sie thun wollen. Dann sind wir fertig.«

Ich ging zum Major, gab ihm seinen Knebel wieder, band ihn vom Baume los, machte ihm auch die Füße frei, so daß er gehen konnte, und führte ihn zum Feuer. Als er seinen Untergebenen sah, wollte er diesem trotz des Knebels etwas zurufen, man hörte aber nichts als einen aus der Nase kommenden röchelnden Ton.

»Nun,« fragte ich den Mann, »ist das der Major Cadera?«

»Ja,« antwortete er. »Sie knebeln ihn? Wir werden das mit unsern Gefangenen nun auch machen.«

»Ganz, wie es Ihnen beliebt! Uebrigens hat er den Knebel nur für diesen kurzen Augenblick bekommen, damit er nicht zu sprechen vermag. Sobald Sie fort sind, wird er von demselben befreit. Haben Sie noch etwas zu bemerken?«

»Darf ich dem Major eine Frage vorlegen?«

»Ja,« antwortete ich, da ich sicher war, daß Cadera nicht verraten konnte, was geheim bleiben sollte.

»Sollen wir Sie gegen unsere Gefangenen auswechseln?« fragte der Mann seinen Vorgesetzten.

Dieser schüttelte sehr energisch den Kopf.

»Was aber sollen wir sonst thun?«

Der Major deutete nach Osten und hob drei Finger in die Höhe.

»Wir sollen auch den Lieutenant mit den zwei Begleitern verlangen?«

Der Major nickte, zeigte auf mich und machte mit den Händen die Pantomime des Geldzählens.

»Was bedeutet das? Ich verstehe es nicht,« sagte der Mann.

»Ich will es Ihnen sagen,« antwortete ich ihm. »Der Major hat einen Teil des Geldes, welches er bei sich trug, hergegeben, und ich sandte es dem Alquerio, dessen Haus Sie niedergebrannt haben, als Ersatz des ihm zugefügten Schadens. Er will es wieder haben.«

Cadera nickte. Sein Untergebener fragte ihn weiter:

»So sollen wir also unsere Gefangenen nur unter der Bedingung freigeben, daß wir Sie, den Lieutenant nebst seinen zwei Gefährten und auch Ihr Geld herausbekommen?«

Ein abermaliges Nicken gab die Bestätigung des Gefragten. Dann sagte der Mann zu mir:

»Sie hören es, Sennor. Wir müssen diesem Befehle gehorchen. Was sagen Sie dazu?«

»Jetzt gar nichts. Ich gebe Ihnen den Bruder mit, welcher den Ihrigen sagen wird, was ich verlange.«

»Aber Sie können mir doch jetzt schon sagen, ob Sie auf die Forderung unsers Majors eingehen!«

»Ich gehe nicht auf sie ein. Das Geld gebe ich auf keinen Fall zurück; ich habe es nicht mehr. Ferner verlange ich auch die Pferde, welche Sie dem Alquerio gestohlen haben.«

»Die geben wir nicht her. Sie sind gar nicht gestohlen. Wir haben sie ihm abgekauft und bezahlt.«

»Das ist nicht wahr!«

»Es ist wahr, und er hat Sie belogen. Auch sind nicht wir es, welche das Haus in Brand gesteckt haben!«

»Lassen wir das! Wir wollen uns darüber gar nicht streiten. Wir sind miteinander fertig. Bruder Hilario wird mir Ihre Entscheidung bringen. Ich verlange die Gefangenen und die Pferde und gebe Ihnen dafür den Major frei. So, da haben Sie nun doch meinen Entschluß, den Sie verlangten. Damit ists genug für jetzt. Man wird Ihnen die Augen wieder verbinden.«

Das geschah. Der Major wurde wieder so an den Baum befestigt, wie vorher, und dann entfernte sich der Bruder mit dem Manne. Ich befahl den andern leise, ihre Gewehre aufzunehmen und mir zu folgen. Der Estanziero blieb als Wächter des Majors zurück; die übrigen gingen mit mir, auch der Indianer, welchen ich doch nicht zurücklassen wollte. Sie waren sehr neugierig, was geschehen werde. Ich sagte es ihnen noch nicht und winkte ihnen nur zu, mir ganz geräuschlos zu folgen.

Der Bruder ging infolge der Weisung, welche ich ihm gegeben hatte, sehr langsam. Wir hielten uns möglichst nahe hinter ihm, aber doch so weit, daß sein Begleiter uns nicht hören konnte. An der vor der Jacaré liegenden Bucht angekommen, stellte ich die Leute in den Schatten der Bäume und Sträucher auf, übergab ihnen meine Gewehre und sagte:

»Hier bleiben Sie stehen, Sennores, und treten nicht unter dem Schatten heraus. Man darf Sie nicht sehen.«

»Was geht denn los, Sir?« fragte Turnerstick. »Sollen wir etwa einige dieser Halunken erschießen?«

»Das werdet Ihr erfahren, wenn ich wiederkomme.«

»Wie! Ihr wollt fort?«

»Ja, aber nicht weit. Also begehen Sie keine Unvorsichtigkeit, Sennores! Es mag geschehen, was da wolle, Sie haben hier zu bleiben. Sollten Sie aber meinen Revolver hören, so kehren Sie mit dem Bruder, welcher hier vorüberkommt, nach unserem Versteck zurück und warten das Weitere ruhig ab!«

Auf der Halbinsel brannten die beiden Feuer noch hell, so daß man die Gestalten sah, welche an denselben saßen und sich in der Nähe bewegten. Der Bruder hielt sich mehr links und blieb dann stehen. Er nahm dem Manne die Binde ab und ließ ihn gehen. Ich bemerkte, daß die Bolamänner ihn kommen sahen und sich neugierig erhoben. War meine Berechnung richtig, so verließen sie für kurze Zeit die Halbinsel, um mit dem Bruder zu verhandeln, welcher außerhalb derselben stand und sich klugerweise sogar noch ein Stück weiter zurückzog. Ich legte mich auf das Sandgeröll des Ufers und kroch auf die Halbinsel zu. Ich war sicher, daß man mich nicht sehen werde, denn mein Anzug war von dem Sande nicht zu unterscheiden.

Zu meiner großen Genugthuung hörte ich die zornigen Rufe der Leute. Sie waren mit den von mir gestellten Bedingungen nicht einverstanden und suchten den Bruder auf. Kein einziger blieb zurück. Jetzt bewegte ich mich mit doppelter Schnelligkeit vorwärts und erreichte ganz glücklich die ersten Bäume der Halbinsel. Dort richtete ich mich halb auf. Die Gefangenen waren noch da. Man hatte nach dem Major gesucht und infolgedessen noch keine Zeit gehabt, sie auf das Floß zu bringen.

In der Nähe des Feuers waren die beiden Montesos in einiger Entfernung voneinander an Bäume gebunden: Die Floßleute befanden sich in weit größerer Entfernung von mir. An sie konnte ich die kostbare Zeit nicht verschwenden. Ich kroch also schnell zu dem Yerbatero heran. Er sah mich kommen und sagte:

»Sennor, Sie? Um Gottes willen, was wagen Sie!«

»Still! Ich zerschneide Ihre Riemen.«

»Schön! Aber schnell, damit wir fortkommen!«

»Nein, Sie bleiben. Sehen Sie, daß schon einige zurückkommen! Bleiben Sie so an dem Baume gelehnt, als ob Sie noch gefesselt seien, und warten Sie ab, bis ich glücklich fort bin. Ich werde Ihnen durch einen Pfiff das Zeichen geben. Sobald Sie ihn hören, springen Sie fort, hier am Ufer hin, bis zum ersten Gebüsch, an welchem wir Sie empfangen werden.«

Schnell kroch ich auch zu seinem Neffen und sagte ihm ganz dasselbe, indem ich ihm gerade so wie dem Oheim die Riemen zerschnitt. Und nun war es die höchste Zeit, daß ich fortkam, denn ich sah einzelne, welche langsam zum Feuer zurückkehrten. Es gelang mir, den sandigen Uferstreifen zu erreichen und da unbemerkt zu den Gefährten zurückzukehren.

»Alle Wetter, ich glaube gar, Ihr seid auf der Halbinsel gewesen!« empfing mich der Kapitän.

»Allerdings.«

»Um die Gefangenen gerade so loszuschneiden, wie vorhin uns?«

»Ja. Sie sind frei.«

»Warum kommen sie nicht?«

»Weil erst der Bruder bei uns sein muß. Man könnte sich seiner bemächtigen, wenn man sieht, daß sie entfliehen.«

»Well! Das ist hochinteressant!«

»Nicht wahr? So paßt also auf! Ich werde pfeifen. Da kommen sie gerannt, hierher zu uns. Im ersten Augenblicke wird man aus Bestürzung gar nicht daran denken, sie zu hindern, auf sie zu schießen, oder ihnen nachzuspringen. Dann aber wird man desto eifriger hinter ihnen her sein. Da geben wir eine Salve ab, aber blind. Wir wollen sie nur abschrecken, nicht aber töten. Nur ich allein werde nicht in die Luft schießen, sondern meine Kugel für den Fall aufheben, daß es nötig ist, einen allzu eifrigen Verfolger zurückzuhalten. Man scheint mit dem Bruder fertig zu sein. Sie kehren auf die Insel zurück.«

Ich hatte bis zu meiner Rückkehr doch fast eine halbe Stunde zugebracht; das war Zeit genug gewesen, die Verhandlung zu Ende zu bringen. Wir sahen den Bruder kommen. Er mußte nahe an uns vorüber, wußte aber nicht, daß wir alle uns hier befanden.

»Pst!« machte ich, als er nahe genug war. Er trat zu uns unter die Bäume.

»Sie alle hier?« fragte er. »Es ist mit angst um Sie gewesen, Sennor. Ist es gelungen?«

»Ja. Und Sie? Welche Antwort ist Ihnen geworden?«

»Sie gehen nicht darauf ein.«

»Nach fünf Minuten werden sie es sehr gern thun. Passen wir jetzt auf! Also nur in die Luft schießen, Sennores!«

Ich steckte den Finger in den Mund und ließ einen schrillen Pfiff hören. Ein kurzer Augenblick der tiefsten Stille trat ein. Man fragte sich, woher dieser Pfiff komme und was er zu bedeuten habe. Da sahen wir die Gestalten der Montesos unter den Bäumen hervor und über den schmalen Streifen des Ufersandes springen. Ein wüstes Geschrei erscholl. Einige Schüsse krachten, ohne daß die Kugeln trafen. Man hatte sich nicht Zeit genommen, richtig zu zielen. Dann aber brachen auch die Verfolger aus dem Wäldchen der Halbinsel hervor; aber schon waren die beiden Flüchtigen herüber und bei uns. Wir ließen die Kerle bis halb herüber, dann gaben meine Begleiter Feuer. Die Verfolger stutzten und blieben stehen. Auf unserer Seite wurde schnell wieder geladen und abermals abgedrückt. Das wirkte, obgleich niemand getroffen worden war. Sie wußten, daß wir alle da waren und getrauten sich nicht näher. Sie standen im hellen Mondenscheine, wir aber im Schatten der Bäume. Wir mußten sie, sie aber konnten nicht uns mit den Kugeln treffen. Darum zogen sie sich unter die schützenden Bäume zurück.

»So habe ich es gewollt,« sagte ich. »Wir haben nun Zeit, gemächlich nach dem Versteck zu gehen. Ich glaube nicht, daß vor Tagesanbruch einer der Kerle es wagt, hierher zu kommen. Gehen wir also!«

Die Freude der beiden Befreiten war groß. Sie wollten ihrem Dank in Worten Luft machen, doch mahnte ich sie, still zu sein, da die Bolamänner sonst hören würden, daß wir uns entfernten. Aber als wir dann so weit gekommen waren, daß wir unmöglich noch gehört werden konnten, blieb Monteso stehen, faßte mich am Arme und sagte:

»Ich kann nicht schweigen. Es ist mir ganz unmöglich, Wie seid Ihr eigentlich hierher gekommen?«

»Zu Pferde,« lachte ich.

»Natürlich! Ich ahnte zwar, daß Ihr mich nicht im Stiche lassen würdet, Sie und meine Yerbateros, aber es war doch ungeheuer schwer, unsere Spur zu finden und uns aus so Vielen herauszuholen!«

»Es ist uns ganz im Gegenteile sehr leicht geworden. Sie werden alles erfahren. Jetzt wollen wir machen, daß wir in Sicherheit kommen.«

»Haben Sie wirklich den Major?«

»Ja. Sie wissen das?«

»Ich erriet es aus den Flüchen de; Kerle. Zwei Gefangene waren fort und der Major auch. Sie waren ganz außer sich. Es stand nun zu erwarten, daß sie mit uns desto strenger verfahren würden. Es war mir wirklich nicht ganz wohl zu Mute.«

»Desto größer wird nun Ihre Freude sein, zumal Sie mit Ihrem Bruder zusammentreffen werden, den Sie hier wohl nicht vermuten.«

»Mein Bruder ist da?« fragte er voller Freude, während der junge Monteso aufjubelte. »Das ist freilich prächtig! Eilen wir, damit ich ihn beim Kopfe nehmen kann!«

»Nur langsam, Sennor! Wir wollen die Sache möglichst ruhig abmachen. Der Major soll nicht sofort merken, daß Sie nun auch frei sind. Es gelüstet mich, zu sehen, welch ein Gesicht er machen wird, wenn er Sie erblickt. Begrüßen Sie sich also leise mit Sennor Monteso.«

Als wir das Versteck erreichten, gingen wir so zu dem Feuer, daß der Major die beiden nicht sehen konnte. Die Verwandten umarmten und küßten sich auf das herzlichste, vermieden aber dabei, allzu laut zu sein. Dann versteckte sich der Yerbatero mit seinem Neffen hinter den Bäumen, und der Indianer mußte den Major bringen. Dieser warf einen forschenden Blick auf mich, um mir anzusehen, welche Folge die Verhandlung mit seinen Leuten gehabt habe. Ich machte ein sehr ernstes Gesicht und sagte zu ihm:

»Sennor Cadera, Sie werden es sich wohl noch lange Zeit bei uns gefallen lassen müssen.«

 

»Das ist mir eben recht,« lachte er höhnisch. »Wollen es abwarten. Uebrigens haben Sie sich dieses Mal verrechnet. Meine Leute sind nicht so dumm gewesen, auf Ihre Vorschläge einzugehen.«

»Das ist freilich wahr.«

»Nun warten Sie, bis Sie Ihren Monteso und seinen Neffen bekommen!«

»Sie bilden sich wohl ein, daß ich sehr lange Geduld haben werde? Das ist keineswegs der Fall! Ich hole mir die beiden.«

»Lächerlich!«

»Lachen Sie immerhin, wenn das Ihnen so beliebt! Ich habe Sie dingfest gemacht und die beiden Seeleute geholt. Ich denke, daß ich da auch zu den andern kommen werde, wenn ich nur will.«

»Ja, wenn es auf Ihr Wollen ankäme, so holten Sie den Mond vom Himmel herab. Aber ziehen Sie mit in Berechnung, daß meine Leute nun doppelt vorsichtig sein werden.«

»Schön! Uebrigens kann ich Sie wirklich nicht begreifen. Sie stehen sich doch selbst im Lichte, wenn Sie meinen Auswechslungsvorschlag zurückweisen. Sie könnten sofort frei sein.«

»Das will ich nicht.«

»Nun, was haben Sie denn davon? Gar nichts. Ich werde Sie ganz einfach nach Montevideo schaffen.«

»Pah! Nach Montevideo bringen Sie mich nicht; dafür ist gesorgt.«

»Sie täuschen sich. Wir werden direkt dorthin reiten.«

»Vielleicht auch nicht.«

Er sagte das in so bestimmter Weise, daß anzunehmen war, er habe irgend einen Plan, von welchem wir noch gar nichts ahnten. Vielleicht stellte er sich auch nur so getrost, um uns zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Ich hatte keine Lust, lange mit ihm zu verhandeln. Darum sagte ich:

»Wenn es uns beliebt, werden wir sofort dorthin aufbrechen.«

»Das machen Sie mir nicht weis. Sie lassen Ihre Montesos nicht zurück!«

»Allerdings. Aber, wenn wir sie nun schon hätten, Sennor?«

»Den Teufel haben Sie, aber nicht diese beiden Männer!«

»Den Teufel kann ich nicht haben, weil ich selbst der Teufel bin, wie Sie wiederholt sagten. Wollen Sie sich die beiden Sennores ansehen, welche sich Ihnen jetzt vorstellen werden! «

Die beiden Montesos traten hinter den Bäumen hervor. Der Major zuckte ganz erschrocken zusammen, als er sie erblickte. Er riß an dem Riemen, welcher seine Hände auf dem Rücken zusammenhielt und schrie:

»Diabolo! Das sind sie! Ja, das sind sie wirklich!«

»Ja, Halunke, wir sind es! « antwortete der Yerbatero. »Dieser Sennor hat uns befreit, und nun ist Ihr Pferd gesattelt. Sie reiten zur Hölle. Ich werde mir das Messer wetzen.«

»Ist das möglich!«

»Sie sehen, daß es sogar wirklich ist,« antwortete ich ihm. »Glauben Sie noch, daß wir nicht nach Montevideo reiten werden?«

»Sie sind ein Teufel, ja ein wirklicher, wahrhaftiger Teufel!«

»Aus Ihrem Munde ist das ein Lob für mich. Sie sehen, daß Sie nun auch Ihre letzte Karte verspielt haben. Wollen Sie trotzdem weiter spielen?«

»Ja, jawohl!« knirschte er.

»Womit denn? Sie haben doch keine Karte mehr!«

»Daran ist nur dieser Halunke, dieser Verräter schuld!«

Indem er diese Worte ausstieß, machte er, noch ehe wir es hindern konnten, zwei Schritte auf Petro Aynas zu und trat ihm mit aller Gewalt den Fuß auf den Leib. Der Indianer stürzte nieder. Er wollte aufspringen, um sich zu rächen, blieb aber liegen; er schien verletzt worden zu sein.

»Sind Sie wahnsinnig!« fuhr ich den Major an. »Sie befinden sich nun ganz in unseren Händen, ohne jede Waffe und ganz nur unserer Gnade anheimgegeben. Wenn Sie nicht Verstand annehmen, werden Sie es zu bereuen haben!«

»Ich renne dem Halunken das Messer in den Leib!« fügte Mauricio Monteso hinzu, indem er seinem Bruder das Messer aus dem Gürtel zog und sich dem Major in drohender Haltung näherte.

Dieser mochte nun doch einsehen, daß es geradezu wahnwitzig sei, die Rache gegen sich herauszufordern. Er wendete sich zu mir und fragte:

»Machen Sie es kurz! Was werden Sie mit mir thun?« ,

»Eigentlich wollte ich Sie der Justiz übergeben, aber ich will das doch nicht thun, denn ich denke, daß – —«

»Nein!« unterbrach mich der Estanziero. »Wir halten ihn fest und nehmen ihn mit und lassen ihn bestrafen.«

»Machen Sie es lieber, wie man es mit jedem Lumpen macht: Werfen Sie ihn hinaus, und lassen Sie ihn laufen! Er kommt gewiß nicht wieder. Was sagen Sie, Frater Hilario?«

»Ich bin ganz Ihrer Meinung, Sennor,« antwortete der Bruder.

»Gut!« wendete ich mich an den Major. »So hören Sie, was ich von Ihnen verlange! Wir sind bereit, Sie frei zu lassen, stellen aber unsere Bedingungen. Erstens verlangen wir die gestohlenen Pferde heraus.«

»Immerhin. Weg damit!«

»Sodann versprechen Sie uns, mit Anbruch des Tages mit dem Floße an das andere Ufer zu setzen.«

»Sehr gern. Ich bin sogar bereit, das augenblicklich zu thun, nur um Ihr verwünschtes Gesicht nicht mehr sehen zu müssen!«

»An dem Ihrigen ist uns wohl noch weniger gelegen. Sodann werde ich hier in meinem Notizbuche einen Revers eintragen, welchen Sie unterzeichnen, und in dem Sie bestätigen, daß Sie dem Alquerio das Geld als Entschädigung gern und willig gesandt haben.«

»Gern und willig! Kann man so eine Forderung denn für möglich halten! Und wenn ich nicht darauf eingehe?«

»So gehen Sie eben mit uns.«

»Caracho! Schreiben Sie! Ich werde unterzeichnen. Verlangen Sie außerdem noch etwas von mir?«

»Allerdings. Sehen Sie Petro Aynas da liegen! Sie haben ihm wahrscheinlich Schaden gethan, und ich verlange ein Schmerzensgeld für ihn.«

»Sind Sie bei Sinnen?«

»So bleiben Sie gefangen!«

»Sennor, wenn jetzt aus hellem Himmel ein Blitz käme und Sie träfe, so würde ich keine kleine Freude darüber empfinden!«

»Davon bin ich vollständig überzeugt. Glücklicherweise steht es nicht in Ihrem Belieben, Blitze zu versenden. Also wollen Sie, oder wollen Sie nicht?«

»Wie viel verlangen Sie?«

»Fünfhundert Papierthaler.«

Das waren achtzig Mark. Der Major wollte handeln, aber ich ließ nichts ab. Er ging endlich auf meine Forderung ein; freilich verlangte ich noch:

»Sie stellen ihm einige Zeilen darüber aus, daß Sie ihm das Geld geschenkt haben! Gehen Sie auf alle diese Bedingungen ein?«

»Ja.«

»Wann bekommen wir die Pferde?«

»Wann Sie wollen, meinetwegen sogleich.«

»Darauf verzichte ich. Bei Uebernahme der Pferde ist eine Berührung unsererseits mit Ihren Leuten gar nicht zu umgehen. Darum wollen wir lieber den Tag erwarten, wo wir uns besser so sicher stellen können, daß wir keiner Hinterlist verfallen.«

»So wollen Sie mich also so lange hier behalten?«

»Ja. Wahrscheinlich aber wird Bruder Hilario sich nochmals zur Peninsula del Jacaré verfügen, um einen Ihrer Leute herbeizuholen, welchem Sie mitteilen können, daß der Friede zwischen uns geschlossen ist. Sie werden sich jetzt an meine Seite setzen und die Zeilen schreiben, welche ich diktiere.«

»Mit gefesselten Händen schreiben?«

Es lag etwas Lauerndes in seinem Blicke. Er dachte, daß ich ihm die Hände freigeben werde. In diesem Falle lag die Aussicht vor, plötzlich aufspringen und im Dickicht verschwinden zu können.

»Da Sie mit geschlossenen Füßen sitzen können,« antwortete ich, »so wird man sie Ihnen wieder zusammenbinden. Aber die Hände binden wir Ihnen nach vorn, und zwar so weit auseinander, daß Sie schreiben können.«

Er mußte sich zu mir setzen; er wurde in der bezeichneten Weise gebunden und schrieb nun ohne alle Weigerung das, was ich ihm diktierte. Das Geld nahm ich aus seiner Tasche und gab es dem Indianer, welcher große Freude darüber hatte. Noch weit größer wurde dieselbe, ja, sie verwandelte sich geradezu in Entzücken, als der Estanziero zwanzig Goldstücke hervorzog und sie ihm hinreichte als den versprochenen Lohn. Der arme Teufel fühlte große Schmerzen. Als Linderung derselben gab der Haziendero ihm noch das Versprechen, ihm bei sich eine gute Anstellung zu erteilen.

Bruder Hilario ging nochmals nach der Peninsula und brachte denselben Mann mit, welcher schon vorher dagewesen war. Diesmal hatten wir ihm nichts als nur die Lage unsers Versteckes zu verheimlichen. Er durfte mit dem Major reden und erfuhr genau, wie es uns gelungen war, uns des letzteren zu bemächtigen und dann auch die Gefangenen zu befreien. Der Major sandte durch ihn seinen Leuten den Befehl, sich während der Nacht ruhig zu verhalten und dann am Tage betreffs der Pferde den Anordnungen des Bruders zu gehorchen, den man zu ihnen senden werde.