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Am Rio de la Plata

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»Das hat er.«

»Gehabt! Ich bin überzeugt, daß sein Vermögen bereits zur Neige ist. Er muß seine Leute gut besolden, wenn sie ihn nicht verlassen sollen.«

»Das kann er. Das Ausland giebt ihm das Geld.«

»Das wird sich hüten. Welcher Staat wird ein Unternehmen unterstützen, welches gleich von Anfang an den Keim des Mißlingens in sich trägt?«

»Ein Staat wird das nicht thun, aber es können sich Privatpersonen finden.«

»Mit Millionen? Schwerlich!«

»Gewiß! Bedenken Sie nur zum Beispiel die Eisenbahnverhältnisse in Argentinien! Es haben sich Yankeegesellschaften zum Bau großer Straßen angeboten. Sie sind abgewiesen worden. Wenn nun so eine Gesellschaft Jordan unterstützt und dafür die Konzession zugesprochen erhält, falls er siegt?«

»Halten Sie das für möglich?«

»Sogar für sehr wahrscheinlich.«

Der Oberst sah dem Bruder prüfend in das Gesicht und sagte dann:

»Sie scheinen diese Ansicht nicht ohne allen Grund zu hegen. Ihr Gesicht verrät mir das. Ich möchte Sie herzlichst bitten, offener mit mir zu sein!«

»Dazu kennen wir uns zu wenig.«

»Frater, ich bitte Sie, wir haben doch keine Zeit, uns kennen zu lernen, und das, was Sie wissen, kann von der höchsten Bedeutung für die gerechte Sache und die Ruhe des Landes sein!«

»Das ist allerdings der Fall. Aber zum Sprechen ist es noch nicht Zeit. Uebrigens widerstrebt es meinem Berufe, dergleichen Mitteilungen zu machen.«

»So adressieren Sie mich an einen andern, der mich gleichfalls zu unterrichten vermag!«

»Das kann ich thun. Wenden Sie sich an meinen Freund, diesen Sennor, welcher Ihnen noch weit bessere Auskunft zu erteilen vermag, als ich.«

»Ist das wahr, Sennor?« fragte der Oberst nun mich.

»Vielleicht erzähle ich Ihnen alles, was wir erfahren haben,« antwortete ich ihm. »Doch ist hier nicht der Ort dazu. Warten wir, bis wir uns auf dem Rancho befinden, wo wir alle Ruhe und Bequemlichkeit zu einer Besprechung haben, wie Sie wünschen!«

»Das mag sein, Sennor. Aber ich bitte Sie, ja Ihr Wort zu halten!«

Wir waren gegen eine Stunde lang durch den Wald gekommen, welcher von zahlreichen Papageien bevölkert wurde. Auch hier hatte der Pampero große Verwüstungen angerichtet. Mächtige Zweige waren abgebrochen und davongeführt worden. Dichte Schlingpflanzenlauben hatte der Sturm losgerissen, zusammengeballt und dann in die Wipfel gehängt. Zerschmetterte Vögel und andere Tiere lagen auf dem Boden.

Dann wurde der Wald dünner und immer dünner, bis er ganz aufhörte und in einen mit Gras bewachsenen Camp überging, welcher genau den Camps von Uruguay glich.

Das war zunächst eine einsame Gegend, in welcher wir nur Ratten, Eulen und Aasvögel bemerkten. Später aber sahen wir im Nordwesten weidende Pferde und noch zahlreichere Rinder. Die Herden befanden sich in Kaktusumzäunungen, wie wir sie früher gesehen hatten. Und dann tauchten hinter diesen Zäunen die niedrigen Gebäude des Ranchos auf, welcher unser Ziel bildete. Wir waren doch länger als drei Stunden gegangen, und als wir den Rancho erblickten, war die Sonne dem Untergange nahe.

Bei den Corrals hielten einige indianische Gauchos Wacht, welche aber keine Lust zu haben schienen, uns Auskunft zu erteilen. Sie ritten davon, als sie uns kommen sahen. Jedenfalls hielten sie uns für ganz verkommene Leute, für Gesindel, denn hierzulande besitzt selbst der ärmste Mensch ein Pferd, während wir nur ein einziges bei uns hatten, obgleich wir zwölf Männer waren. Dieser Umstand konnte uns für den ersten Augenblick kein freundliches Willkommen bereiten.

Der Rancho lag auf einem freien, viereckigen Platze, um welchen sich vier Umzäunungen gruppierten. Um zu ihm zu kommen, mußte man zwischen zwei derselben hindurch, mochte man nun von Nord oder Süd, von Osten oder West kommen.

Diese Lage war ganz geeignet, eine gute Schutzwehr gegen etwaige Ueberfälle zu bilden. Ein Bach, der in der Nähe vorüberfloß, war in vier Armen in die einzelnen Corrals geleitet. Neben und hinter den Gebäuden gab es Gärten. Vor dem Hauptgebäude, welches aber die Bezeichnung Haus nicht verdiente, befanden sich einige auf Pfähle genagelte Bretter, welche als Sitze dienten.

Kein Mensch ließ sich sehen. Die Thüre war verschlossen. Wir klopften. Keine Antwort. Wir suchten hinter den Gebäuden und fanden keinen Menschen. Das war freilich keineswegs die gastliche Aufnahme, welche der Indianer mir versprochen hatte. Die Läden standen auf. Ich trat an einen derselben, um in das Innere zu blicken. Da aber sah ich den Lauf eines Gewehres, welcher mir entgegengehalten wurde, und eine Stimme rief in drohendem Tone:

»Zurück, sonst schieße ich!«

Ich wich aber nicht zurück, sondern antwortete:

»Gott sei Dank! Endlich überzeugt man sich, daß hier Menschen wohnen! Warum schließen Sie sich ein?«

»Weil es mir so beliebt. Sie sollen sich schleunigst wieder fortpacken.«

»Wir sind friedliche Leute!«

»Das glaube ich nicht. Spitzbuben seid ihr, welche keine Pferde haben und also stehlen wollen.«

»Wir haben keine Pferde, weil sie uns lästig gefallen wären. Wir sind zu Schiffe gekommen, und der Pampero hat uns an das Land getrieben.«

»Das machen Sie mir nicht weis! Warum sind Sie nicht mit dem Schiffe weitergefahren?«

»Weil es ein Loch, einen Leck bekommen hat und nun hilflos am Ufer liegt. Dort sollten wir warten bis übermorgen; aber einer unserer Begleiter hat uns hierher geführt und uns versprochen, daß wir da gastlich aufgenommen würden und bis übermorgen bleiben könnten.«

»Ich brauche keine Gäste! Machen Sie, daß Sie fortkommen!«

Ich wendete mich ratlos ab. Da trat der Indianer an das Fenster und fragte hinein:

»Wo ist Sennor Gomarra?«

»Der ist nicht da,« erklang es von drinnen heraus. »Er ist fort.«

»Aber wohin?«

»Das geht euch nichts an.«

»Aber so seien Sie doch verständig, Sennor! Ich habe mich lange Zeit auf diesem Rancho befunden und bin sogar mit Sennor Gomarra verwandt. Ich kann doch unmöglich von hier fortgewiesen werden!«

»Wie heißen Sie denn?«

»Gomez.«

»Ah! So ist Ihre Mutter die Haushälterin gewesen?«

»Ja. Sie ist auch mit hier.«

»Das ist etwas anderes. Da werde ich Sie bei mir empfangen. Warten Sie, ich komme gleich!«

Nach kurzer Zeit wurde die Hausthüre aufgeriegelt, und der Mann kam heraus. Er hatte das Aussehen eines echten, verwegenen Gaucho. Mit ihm kamen noch drei andere Männer, welche von ganz demselben Kaliber zu sein schienen und uns sehr aufmerksam betrachteten.

»Also Sie sind Gomez!« sagte er zu dem Indianer. »Hätten Sie das sogleich gesagt, so wären Sie sofort empfangen worden. Sie wollen also bis übermorgen dableiben?«

»Bis übermorgen früh. Sennor Gomarra, mein Vetter, wird nichts dagegen haben, sondern es gern erlauben und sich sogar darüber freuen.«

»Der hat nichts mehr zu erlauben hier. Ich habe ihm den Rancho abgekauft.«

»Also wohnt er nicht mehr da?«

»Doch, aber nur als Gast.«

»Das ist mir sehr unlieb. Warum hat er verkauft?«

»Weil er das ruhige Leben nicht länger aushalten konnte. Er wollte wieder Abwechslung und Abenteuer haben. Er ist fortgeritten, kommt aber heute abend zurück.«

»Erlauben Sie uns dennoch, zu bleiben?«

»Natürlich. Sie sind mir willkommen.«

»Ich bleibe gern im Freien, die Yerbateros auch. Aber für die andern Sennores werden Sie vielleicht einen Platz im Hause haben?«

»Leider nicht. Dieser Platz ist bereits versagt. Es kommen noch andere Gäste. Wenn Sie sich ein Feuer anbrennen wollen, so werden Sie sich unter dem freien Himmel viel wohler als in der dumpfen Stube befinden.«

»Das ist richtig,« fiel ich ein. »Wir werden also im Freien bleiben. Bitte, uns einen Platz anzuweisen, an welchem wir ein Feuer anbrennen können.«

»Gleich hier vor dem Hause. Dieser Platz wird stets dazu verwendet.«

»Und darf ich mein Pferd in den Corral bringen?«

»Es ist besser, wenn Sie darauf verzichten, weil ich fast lauter störrische Tiere darin habe, welche einander gern beißen und schlagen. Ich werde Ihnen für das Ihrige dort den Schuppen einräumen. Er ist leer, außer einigem Handwerkszeug, welches sich darin befindet.«

»Und Futter?«

»Werde ich besorgen, auch Wasser.«

»Schön! Und wenn Sie dann noch Fleisch für uns haben, sind wir zufriedengestellt und werden alles reichlich bezahlen.«

Bei diesen Worten hellte sich seine Miene auf. Er wurde zusehends freundlicher und brachte mein Pferd in den hölzernen Schuppen, in welchen ich ihn begleitete. Dort band er es an, nachdem er ihm den Sattel abgenommen hatte. Ich sah einige Hacken und Schaufeln und ähnliche Werkzeuge, wie Spaten und Beile, daliegen.

Der Boden war nicht einmal festgerammt, sondern weich. Das Dach bestand auch aus Brettern. Der Schuppen war ziemlich groß und hätte über 20 Pferde aufnehmen können. Da er an der Nordseite des Rancho lag, hatte er von dem aus Süden kommenden Pampero nichts gelitten. Die Thüre des Rancho lag gegen Norden, so daß man sie von dem Schuppen aus vor den Augen hatte.

Ich erwähne das, weil es später für uns wichtig wurde. Die Thüre lag nicht weiter als 20 Schritte von dem Schuppen entfernt. Dieser hatte nur rechts und links seines Einganges je einen Laden, welche von innen verriegelt werden konnten.

Das Pferd bekam grünes Futter vorgelegt, welches von den Gauchos mit Sicheln geschnitten worden war. Dann begab sich der Ranchero mit seinen Begleitern in seine Wohnung, um Essen für uns zu besorgen, während die Gauchos uns eine ganze Menge Brennmaterial zum Feuer herbeibrachten. Ein kleines Trinkgeld, welches ich ihnen gab, machte sie so gutwillig, daß sie uns einen Haufen trockener Kaktuspflanzen brachten, welcher gewiß zwei Tage für uns ausgereicht hätte. Das Feuer wurde ganz in der Nähe des Schuppens angebrannt, ungefähr fünf Schritte von der Thüre desselben entfernt. Das Brennmaterial war an der Schuppenwand aufgerichtet worden. Beide Umstände sollten uns später zum großen Vorteile gereichen.

 

Der Ranchero kehrte mit den andern zurück. Er brachte uns so viel Fleisch, daß wir uns weit mehr als satt essen konnten. Aber es waren eigentümliche Blicke, welche er dabei auf den Obersten warf. Jetzt fielen mir dieselben freilich nicht auf. Später jedoch erinnerte ich mich derselben und wußte mir dann zu sagen, was sie zu bedeuten gehabt hatten.

Die Sonne war untergegangen, und der Abend brach an, als wir das Feuer in Brand gesetzt hatten. Jeder erhielt sein Fleischstück und steckte es an das Messer oder an ein Stück Holz, um es über der Flamme Bissen für Bissen zu braten. Wasser wurde aus dem nahen Bache geholt. Der Ranchero sah uns dabei zu, ohne sich aber in eine Unterhaltung mit uns einzulassen. Seine Begleiter, welche ich nicht für Untergebene von ihm hielt, waren fortgegangen und ließen sich nicht wieder sehen. Auch dieser Umstand fiel mir erst später auf, als ich erfuhr, daß sie heimlich fortgeritten waren, um ihre Kameraden herbeizuholen.

Als wir gegessen hatten, zog sich der Oberst in den Schuppen zurück und bat mich und den Bruder, uns zu ihm zu setzen. Wir saßen da gleich am Eingange, so daß wir alles übersehen konnten.

»Jetzt haben wir Zeit, Sennores, und sind auch unbeachtet,« sagte er. »Nun denke ich, daß Sie mir sagen können, was Sie von Jordan wissen.«

Der Frater winkte mir, daß er lieber nicht sprechen wolle; darum antwortete ich:

»Nachdem ich Ihren Namen und Charakter weiß, kann ich Ihnen wohl ohne Gefahr Auskunft geben. Freilich widerstrebt es mir einigermaßen, da ich mir fast wie ein Verräter vorkomme.«

»Verräter? Gewiß nicht. Ich diene der von Gott eingesetzten Obrigkeit. Jordan ist ein Empörer. Wenn Sie mir mitteilen, was Sie wohl über seine Pläne und Absichten wissen, so sind Sie nicht ein Verräter, sondern Sie thun etwas, was Ihre Pflicht ist. Nicht?«

»Ja, Sie mögen recht haben.«

»Ist das, was Sie wissen, wichtig?«

»Sogar außerordentlich wichtig.«

»So säumen Sie ja nicht, es mir mitzuteilen! Vielleicht verhüten Sie dadurch viel Blutvergießen, jedenfalls aber großes Elend.«

»Das glaube ich auch. Darum will ich Ihnen gleich die Hauptsache sagen. Jordan soll Geld und Waffen erhalten.«

»Ah! Woher?«

»Von einem Kaufmanne Namens Tupido in Montevideo, welcher den Unterhändler macht.«

»Tupido? Also der! Wir haben schon längst ein Auge auf diesen Tupido gehabt. Wissen Sie es aber auch genau, daß es wahr ist?«

»Jawohl. Ich sollte sogar die Kontrakte zu Jordan bringen. «

»Haben Sie das nicht gethan?«

»Nein.«

»Ah! Sie sollten sie nehmen und uns nach Buenos Ayres bringen!«

»Danke! Die Sache geht mich nichts an. Ich bin kein Spion. Jetzt aber sehe ich mich moralisch gezwungen, Ihnen die Mitteilung zu machen. Uebrigens sind wir dann später alle bei Jordan gefangen gewesen.«

»Warum?« »Hören Sie!«

Ich erzählte ihm unsere Erlebnisse, natürlich so kurz wie möglich, und auch, daß die für Lopez bestimmte Lieferung in Buenos Ayres lagere. Er hörte mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zu. Sein Erstaunen wuchs von Minute zu Minute, und als ich geendet hatte, sagte er:

»Aber, Sennor, das ist doch ganz und gar außerordentlich! Das sollte man gar nicht für möglich halten! Können Sie beschwören, was Sie sagen?«

»Mit dem allerbesten Gewissen.«

»So haben Sie sich durch Ihre jetzige Mitteilung um unsre gerechte Sache außerordentlich verdient gemacht. Ich werde sofort einen Kurier absenden nach Buenos Ayres, um den Präsidenten auf das schleunigste zu benachrichtigen. Sehr wahrscheinlich ist die Uebergabe dieser Geld-, Waffen- und Munitionssendung noch nicht erfolgt und kann verhindert werden.«

»Wen wollen Sie senden?«

»Meinen Neger. Er ist zuverlässiger als jeder andere.«

»Aber wie soll er nach Buenos Ayres kommen?«

»Mit Schiff natürlich.«

»So senden Sie ihn möglichst unauffällig fort!«

»Warum?«

»Weil niemand davon zu wissen braucht.«

»Trauen Sie dem Ranchero nicht?«

»Ich kenne ihn nicht; das ist genug. Er hat ein finsteres, trotziges Gesicht. Besser ist’s, er erfährt es nicht eher, daß der Neger fort ist, als bis er es bemerkt oder es ihm auffallen muß.«

»Sie haben recht. Ich werde sofort schreiben, und zur Vorsicht den Auftrag dem Neger auch mündlich erteilen. Er mag gleich aufbrechen. Man weiß nicht, wodurch er später gehindert werden könnte.«

»Und wird er den Weg zum Schiffe finden?«

»Ganz gewiß, denn er besitzt einen ungemein scharf ausgebildeten Ortssinn.«

Er zog seine Brieftasche, in welcher sich allerlei Dokumente und auch eine ansehnliche Zahl großer Banknoten zu befinden schienen, riß ein Blatt heraus, schrieb einige Zeilen und winkte dann seinen Neger herbei.

Der Ranchero war einmal in das Haus gegangen. Darum sah er nicht, daß der Schwarze seine Instruktion erhielt und dann, ohne vorher mit jemandem ein Wort gesprochen zu haben, fortging.

Das war also besorgt; aber nun wollte der Oberst noch weit mehr wissen und erfahren. Ich erteilte ihm die möglichste Auskunft. Dann erkundigte er sich:

»Und nun wollen Sie direkt nach dem Gran Chaco, Sennor?«

»Ja.«

»Das ist mir nicht lieb, denn Sie könnten mich vorher nach Palmar begleiten.«

»Das hat für uns keinen Zweck.«

»Aber für mich! Für Sie ist es übrigens höchst wahrscheinlich auch von Vorteil. Ich fühle mich auf dem Schiffe nicht sicher. Ich möchte lieber reiten, und wenn Sie mich begleiteten, würde ich doppelt sicher sein. Die Pferde würden wir ja hier bekommen. Ich würde sie gern für Ihre Kameraden bezahlen.«

»Das ist nicht nötig. Sie brauchen sie später doch.«

»Und sodann würde ich Ihnen aus Dankbarkeit einige wichtige Empfehlungen geben, die Ihnen später von großem Nutzen sein würden.«

Dieses Versprechen des Obersten, welcher später zu noch weit größerer Berühmtheit gelangte, fiel natürlich gewichtig in die Wagschale. Er sah, daß ich zauderte, hielt mir die Hand entgegen und bat:

»Schlagen Sie ein! Reiten Sie mit!«

»Ich kann nicht allein darüber entscheiden.«

»So sprechen Sie mit Ihren Kameraden.«

Mauricio Monteso kam auf einen Wink herbei und antwortete, als ich mich nach der zwischen hier und Palmar liegenden Gegend erkundigte:

»Wir haben von hier aus verschiedenes Terrain, offenen Camp, Wald, aber nicht dichten, und zuweilen auch Sumpf, doch nicht viel.«

»Und wie lange reiten wir?«

»Wenn wir am Morgen aufbrechen, so können wir übermorgen am Mittag in Palmar sein. Es ist anderthalber Tagesritt, nämlich nach meiner Schätzung. Wenn die Sümpfe, welche wir umgehen müssen, nicht wären, würden wir wohl schon am Abend am Ziele sein. Warum fragen Sie?«

»Dieser Sennor will hin, und wir sollen ihn begleiten. Er ist Oberst Alsina.«

»Himmel! Sennor Alsina, der Indianerbezwinger? Welch eine Ueberraschung!«

»Schreien Sie nicht so sehr!« warnte ich ihn. »Es darf niemand wissen, wer wir überhaupt sind. Wir befinden uns doch noch auf dem Boden von Entre Rios?«

»Jawohl.«

»So sind wir keineswegs sicher, müssen daher möglichst vorsichtig sein.«

»Ich denke, bis hierher an die Grenze wird Jordan noch nicht gekommen sein.«

»Wenn er ein kluger Mann ist, wird er gerade auf die Grenzen sein schärfstes Augenmerk gerichtet haben.«

»Also der Sennor will nach Palmar, und wir sollen mit? Das ist gut.«

»So fragen Sie die andern, aber leise, daß die Bewohner des Rancho nichts davon merken.«

»Sie werden doch erfahren, was und wohin wir wollen, da wir ihnen die Pferde abkaufen müssen!«

»Vom Pferdehandel brauchen Sie erst morgen zu erfahren. Uebrigens können wir uns die Tiere ja nur am Tage aussuchen, und selbst dann brauchen diese Leute nicht zu wissen, wohin wir reiten.«

Der Yerbatero ging. Bald kam der Kapitän zu uns und meldete:

»Sir, wir alle reiten mit, es ist uns lieb, zu Lande bleiben zu können. Auf diesen argentinischen Fahrzeugen ist ja kein Mensch seines Lebens sicher. Ich habe noch niemals eine solche Fahrt gemacht wie heute. Also wir reiten mit, und morgen früh werden wir die Pferde kaufen. Well!«

Er kehrte wieder zu dem Feuer zurück, wo er sich mit den andern so gut wie möglich in seinem englisch-spanischen Kauderwelsch zu unterhalten suchte.

Der Oberst war aufrichtig erfreut, daß wir so bereitwillig auf seinen Vorschlag eingingen. Ich hatte sehr gern ja gesagt. Das Land zu sehen war mir weit lieber, als nur auf dem Flusse zu bleiben. Am allerliebsten wäre ich mit bis in das Gebiet der Missiones geritten. Er reichte mir dankend die Hand und sagte:

»Ich habe Ihnen diese Bitte ganz besonders deshalb vorgetragen, weil ich mich bei Ihnen sicher fühlen kann. Sie und Ihre kleine Truppe sind mehr wert als dreißig oder fünfzig Argentinier.«

»O bitte!«

»Gewiß! Sie haben mir nicht alles erzählt, und das übrige nur oberflächlich. Aber ich kann doch dazwischen herauslesen, daß Sie sich selbst vor dem Teufel nicht fürchten.«

»Wer ein gutes Gewissen hat, der hat das freilich nicht nötig.«

»Ich meine es auch nur bildlich. Es hat eine Verwegenheit sondergleichen dazu gehört, Jordan zu entgehen. Sollten wir unterwegs ja zwischen Feinde geraten, so bin ich überzeugt, daß Sie sich nicht ergeben werden.«

»Feinde habe ich eigentlich nicht. Ich bin weder Anhänger noch Gegner von Jordan. Aber wenn mir Hindernisse in den Weg gelegt werden, so werde ich dieselben freilich beiseite zu stoßen trachten.«

»Und sehen Sie den Steuermann an, der doch auch ein Deutscher ist! Dieser Mann nimmt es mit seiner Riesenkraft wohl mit Zehnen auf. Ich stehe also unter einem ganz vortrefflichen Schutz und Schirm. Uebrigens habe auch ich ein Messer und zwei Revolver nebst Munition bei mir. Sind wir dann beritten, so müßten es schon viele sein, denen es gelingen sollte, mich in ihre Hand zu bekommen.«

»Sie haben wichtige Papiere bei sich?«

»Papiere und Gelder. Es wäre ein sehr großer Verlust, wenn diese in feindliche Hände fielen.«

»Nun, so wollen wir versuchen, Palmar glücklich zu erreichen. Jetzt aber dürfte es Zeit sein, sich zur Ruhe zu begeben, da wir jedenfalls morgen früh aufbrechen wollen.«

»Ja, Sennor. Wo schlafen wir? Im Freien oder in diesem Schuppen?«

»Ich ziehe das letztere vor.«

»Ich auch.«

»So mögen auch die andern, damit wir beisammen bleiben, sich mit hereinlegen. Aber wie war es denn? Sagte nicht der Ranchero, daß er noch andere Gäste erwarte?«

»Ja.«

»Es müssen mehrere sein, da wir in der Wohnung keinen Platz finden konnten. Und warum ließ er mein Pferd nicht in den Corral?«

»Weil seine Pferde beißen und schlagen, sagte er.«

»Pah! Die Beißer und Schläger muß er doch der übrigen Pferde wegen anbinden. Seine Weigerung scheint also einen anderen Grund zu haben. Am liebsten möchte ich warten, bis die erwarteten Gäste angekommen sind, weil ich wissen möchte, wer sie sind. Wie nun, wenn sie Anhänger Jordans wären?«

»Das wäre freilich höchst unangenehm, denn es befinden sich nicht nur Offiziere, sondern auch Soldaten bei ihm, welche mich gesehen haben und genau kennen.«

»Nun, so wollen wir also warten! Uebrigens kommt es mir sonderbar vor, daß der Ranchero sich jetzt nicht wieder sehen läßt.«

»Er wird bei seinen Pferden sein.«

»Dazu hat er die Gauchos. Wir sind seine Gäste und gehen also vor. Und wo sind die Leute, die sich bei ihm befanden, als er uns empfing? Auch fort ohne Adieu zu sagen oder, wenn sie hier geblieben sind, sich um uns zu bekümmern. Das ist mir auffällig. Hat der Ranchero keine Frau, keine Magd? Man sieht kein weibliches Wesen. Das Haus scheint ganz leer zu stehen. Ich werde mir das Innere einmal ansehen.«

Ich verließ den Schuppen und ging hinein. Man kam durch die Thüre gleich in die Stube, welche die ganze Breite des Hauses einnahm. Von hier aus, wo ein Licht brannte, führten zwei Thüren weiter, die eine links und die andere rechts. Letztere war nur angelehnt. Der Boden war mit Schilfmatten belegt, durch welche meine Schritte gedämpft worden waren. Ich trat leise zu der Thüre und sah durch die schmale Oeffnung derselben. Da lag ein kleiner Raum, jedenfalls zum Schlafen bestimmt. Zwei Lager nahmen den Boden ein, ein breites und ein schmales. Auf dem letzteren lagen zwei Kinder. Auf dem ersteren saß eine Frau, welche beim trüben Scheine einer Talglampe irgend ein schadhaftes Kleidungsstück ausbesserte.

Da war nichts zu hören und auch nichts zu erfahren. Ich begab mich also nach der andern Thüre, welche zur linken Hand lag. Diese war nicht mit einem Riegel, sondern mit einer Holzklinke versehen, welche sowohl von innen, wie auch von außen geöffnet werden konnte, und zwar durch ein kleines Loch, durch welches es möglich war, den Finger zu stecken. Ich machte sie auf.

 

Beim Scheine der Lampe, der aus der Stube hinausfiel, sah ich, daß es eine Art von Küche war, aus welcher wieder eine Thüre weiter führte, und zwar ins Freie, wie ich mich überzeugte. Diese Thüre konnte ebenso von innen wie von außen geöffnet werden. Trat man durch sie, so kam man hinter das Hauptgebäude des Rancho.

Dorthin ging ich und kehrte dann an das Feuer zurück, wo jetzt auch der Oberst mit dem Frater stand.

Eben wollte ich den Gefährten mitteilen, daß ich eine Frau mit zwei Kindern gesehen hätte und daß es mir sehr auffällig sei, daß diese drei Personen sich gar nicht blicken lassen, als der Ranchero zwischen zwei Corrals nach dem Rancho kam. Er war auch jetzt wieder nicht allein, sondern es begleitete ihn ein Mann, den ich noch nicht gesehen hatte, der vorher nicht bei ihm gewesen war.

Dieser Mann war noch ziemlich jung und trug die Jacke, die Schärpe und den Hut eines Gaucho. Aber seine Stiefel waren diejenigen eines vornehmeren Mannes. Seine Sporen leuchteten wie Gold, und seine Haltung zeigte eine Eleganz, welche ein Gaucho unmöglich besitzen konnte. Sollte dieser Mann nicht der sein, für den er sich ausgeben wollte? Sollte er verkleidet sein?

Die beiden kamen auf uns zu, und der Ranchero fragte:

»Haben die Sennores alles genug gehabt? Oder wünschen sie noch etwas?«

»Ich danke!« antwortete ich. »Wir haben keinen Wunsch und werden baldigst schlafen gehen.«

Der junge Mann betrachtete den Oberst prüfend. Ich sah, daß dieser letztere sich schnell abwendete, damit er sein Gesicht in den Schatten bringe. Dann sah der Mensch auch mich, den Bruder und die andern scharf an und fragte schließlich:

»Darf ich das Pferd noch versorgen und ihm Wasser geben, Sennor?«

Mit dieser Frage hatte er sich an mich gewendet. Ich antwortete:

»Schon gut! Das Pferd bedarf nichts. Uebrigens will ich doch nicht Sie belästigen!«

»Warum nicht?«

»Weil Sie kein Diener sind.«

»Aus welchem Grunde bezweifeln Sie das?« fragte er, indem er die Farbe wechselte.

»Aus verschiedenen Gründen. Wo kommen Sie her?«

»Vom Corral.«

»So! Nun, ich kann nichts dagegen haben; doch sind wir mit allem versorgt und brauchen wirklich nichts.«

Die beiden gingen, und zwar in das Innere des Rancho. Der Oberst wollte mir eine Bemerkung machen. Ich ahnte aber schon, was er mir zu sagen hatte, und durfte auch keine Minute oder Sekunde verlieren, ihm zuzuhören. Ich rannte in höchster Eile hinter das Haus, öffnete die Hinterthüre, schlich mich in die Küche und von da an die Thüre, welche zur Stube führte. Dort sah ich jetzt nur den jungen Mann stehen. Der Ranchero war nicht zu sehen. Nach weniger als einer Minute aber hörte ich seine Stimme. Er war bei der Frau und den Kindern gewesen, kam jetzt zurück und rief der ersteren noch zu, ehe er die Thüre zumachte:

»Also ihr löscht nun das Licht aus und kommt nicht eher zum Vorscheine, als bis ich euch hole; vor morgen früh gar nicht.«

Ich hörte, daß er die Thüre zuschob, und nun erst kam er zu dem andern und sagte:

»Nun, Lieutenant, hat der Sergeant recht gesehen? Ist es Oberst Alsina?«

»Kein Zweifel! Ich habe ihn in Buenos Ayres sehr oft gesehen.«

»Tempestad! Machen wir da einen Fang!«

»Größer als Sie denken!« lächelte der Lieutenant. »Aber gefährlich ist er.«

»Oho! So viele Reiter werden wohl einen Obersten ergreifen können! Seine Begleiter schlagen wir einfach nieder!«

»Das geht nicht so leicht. So ein Kerl fürchtet sich vor fünf oder zehn nicht, falls ich mich nicht irre. Wir machen nämlich einen doppelten, einen dreifachen, einen zehnfachen Fang. Diese Kerle werden von Jordan auch gesucht.«

»Wer sind sie denn?«

»Wenn meine Vermutung richtig ist, so sind sie die niederträchtigsten Schwindler, welche es nur geben kann. Sie haben die Absicht gehabt, Jordan zu betrügen und seine ganze Politik zu Schanden zu machen.«

»Ist das möglich?«

»Leider! Major Cadera nahm sie gefangen und brachte sie zu Jordan. Von dort haben sie sich losgelogen. Sie machten Jordan Teufelszeug weis, haben aber nicht Wort gehalten und Cadera sogar auf einer Flußinsel ausgesetzt.«

»Ist er ertrunken?«

»Nein. Er kam schnell und glücklich an das Ufer, nahm dem ersten besten Reiter, welcher ihm begegnete, das Pferd und jagte zu Jordan zurück. Dieser sandte den Kerlen natürlich sogleich heimlich Boten nach. Diese erfuhren in Buenos Ayres, daß die Halunken Schiffsbillets nehmen würden, um im Parana wohl bis nach Corrientes zu gehen. Nun ist der Fluß besetzt, um alle Schiffe anzuhalten.«

»Und sind sie denn nicht angehalten worden?«

»Nein. Sie wären ja sonst nicht hier. Man hat nicht schnell genug sein können. Glücklicherweise aber hat der Pampero sie zum Aussteigen gezwungen.«

»Sind es diese Leute wirklich?«

»Ich glaube es. Die Beschreibung stimmt genau. Der allerschlimmste soll derjenige mit dem ledernen Anzug sein. Wer ihn fängt, wird dreitausend Papierthaler von Jordan erhalten.«

»Animo! Die verdiene ich mir!«

»Uebrigens werde ich ganz genau gehen und mich überzeugen, daß ich mich nicht etwa täusche. Wir haben einen mit, welcher im Hauptquartiere war, als die Kerls sich dort befanden. Er hat sie alle ganz genau gesehen, und ich werde ihn herschicken, damit er sie sich ansehen kann.«

»Aber vorsichtig, damit sie nicht Verdacht fassen!«

»Ja. Dieser Weißlederne glaubte mir doch auch nicht, daß ich ein Gaucho sei. Er ist ein niederträchtiger Mensch Aber wir werden ihm die Flügel beschneiden!«

»Ist er wirklich so gefährlich?«

»Jeder von dieser Gesellschaft. Wir werden besser mit List als mit Gewalt verfahren.«

»Das ist doch überflüssig, Sennor. Denken Sie, daß hier gegen vierhundert Soldaten, welche nach der Grenze sollen, zufälligerweise vorhanden sind. Die Hälfte ist bereits da und hat die Gänge und Corrals besetzt. Die andere Hälfte wird in kaum einer Viertelstunde kommen. Wozu da eine so große Vorsicht?«

»Weil Sie diese Leute nicht kennen. Der Major Cadera hat gesagt, daß sie den Teufel im Leibe haben. Wir müssen warten, bis sie schlafen. Dann beschleichen wir sie und fallen über sie her. Da haben wir sie, ohne daß ein Tropfen Blut vergossen wird. Wo werden sie schlafen?«

»Im Freien oder im Schuppen.«

»Warum nicht hier in der Stube?«

»Weil die Herren Offiziere da schlafen wollten.«

»Davon konnten Sie getrost abweichen. Schliefen die Männer hier, so könnten wir uns am allerleichtesten ihrer bemächtigen.«

»Ja, das habe ich freilich nicht gewußt. Ich hielt sie nur für Vagabunden.«

Die beiden sprachen noch weiter. Da ich aber beim Feuer sein wollte, wenn sie aus dem Rancho kamen, so schlich ich mich zurück und wartete dort. Es dauerte gar nicht lange, so kam der Lieutenant heraus, leider allein. Sollte ich ihn entkommen lassen, um den Ranchero nicht mißtrauisch zu machen? Es war das eine wichtige Frage. Hielt ich den Lieutenant fest, so konnte mir der Ranchero entgehen, indem er schnell entfloh. Ließ ich ihn aber fort, so half mir die Festnahme des Ranchero nichts. Ich verzichtete also darauf, einen oder den andern von ihnen allein zu ergreifen, und ließ den Lieutenant an uns vorübergehen.

Bis jetzt hatte ich den Gefährten nichts gesagt. Sie wußten aber doch, daß irgend etwas geschehen sei, worüber ich schon noch sprechen werde. Nun, als der junge Offizier fort war, fragte ich den Oberst:

»Sie wendeten sich vorhin ab. Warum?«

»Sennor, ich bin verraten,« antwortete er.

»Dieser sogenannte Gaucho kannte Sie?«

»Ja. Er war ein Offizier, ein Lieutenant im Dienste von Lopez.«

Er stand früher in Buenos Ayres, und dann hörte ich, daß er zu Lopez Jordan übergegangen sei. So sagte er dem Ranchero.«

»Sie haben ihn belauscht?«

»Ja. Einer der Männer, welche vorhin hier waren, ist Sergeant. Er hat Sie erkannt und es gemeldet.«

»So müssen sich also doch Soldaten hier befinden?«

»Allerdings. Zweihundert Mann, welche bereits die Ausgänge besetzt haben. In wenigen Minuten aber kommen noch weitere zweihundert Mann.«

»Demonio! Was wollen so viele Soldaten plötzlich hier?«

»Sie sind nach der Grenze beordert, und da Sie zufälligerweise von dem Sergeanten erkannt wurden, hat man sie schnell herbeigeholt, um Sie zu ergreifen. Uebrigens ist nun auch der Fluß besetzt, um sich unserer zu bemächtigen.«