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Das Vermachtnis des Inka

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»Dann müßten wir doch die Pferde sehen.«

»Nein. Der Wald ist zwar sehr dicht, aber der Rand desselben hat doch hie und da eine dünnere Stelle, wo man zwei Pferde verstecken kann.«

»Wenn du so übermäßig vorsichtig sein willst, können wir bis zum jüngsten Tage hier stecken bleiben!«

»Gar so lange doch nicht ganz. Jetzt möchte ich nicht hinaus auf den freien Campo treten; ich könnte sogleich eine Kugel bekommen. Aber wenn es finster geworden ist, gibt es kein Wagnis dabei. Es ist dann sogar möglich, daß wir nach dem Thale des ausgetrockneten Sees zurückkehren.«

»Bist du toll!«

»Gar nicht!«

»Sollen wir uns ergreifen lassen?«

»Fällt mir gar nicht ein. Es ist mir nur ein Gedanke gekommen, den ich für einen sehr glücklichen halte.«

»Welcher?«

»Wir haben keine Pferde und können auch auf viele Tagereisen weit keins bekommen. Im Thale aber gibt es welche.«

»Die du dir holen willst?«

»Nicht alle, sondern nur zwei.«

»Das wäre Tollkühnheit!«

»Wenn ich finde, daß es zu verwegen ist, werden wir es lassen. Ich hoffe aber, daß es viel, viel leichter sein wird, als du denkst.«

»Schwerlich!«

»Pah! Wir wissen genau, daß die Cambas Sieger sind, und ich befürchte, daß sie unsere Verbündeten bis auf den letzten Mann aufgerieben haben. Nach einem solchen Erfolge sind die Roten wie betrunkene Kinder. Sie werden schreien und jubeln, essen und trinken und an nichts anders denken, als daß sie uns überwunden haben. Da vergißt man es vielleicht, den Eingang zum Thale zu bewachen. Und stellt man ja einen Wächter hin, so läuft er entweder fort, um mitzujubeln, oder er wird von mir und dir sehr leicht unschädlich gemacht, worauf es sehr schlimm zugehen müßte, wenn wir nicht zu zwei Pferden kämen.«

»Und wenn dieselben nicht gesattelt sind?«

»Dummkopf! Schau da hinaus! Siehst Du denn nicht, daß der Vater Jaguar unsre Pferde zwar erschossen, aber ihnen nicht das Sattel- und Zaumzeug genommen hat? Finden wir zwei ungesattelte Pferde, so reiten wir hierher, um das zu finden, was wir brauchen.«

Perillo brachte noch einige Einwendungen vor. Er wollte sich nicht wieder in eine so große Gefahr wie die heut überstandene begeben; aber der Gambusino widerlegte ihm alles, was er vorbrachte. Darüber wurde es Abend und die beiden verließen vorsichtig ihr Versteck. Sie wendeten sich nicht am Waldesrande zurück, da sie da leicht auf den befürchteten Hinterhalt stoßen konnten, sondern schlichen sich eine Strecke weit in den Campo hinein und bogen erst dann, als sie den Wald nicht mehr sehen konnten, nach rechts ab, in welcher Richtung das Thal des ausgetrockneten Sees vor ihnen lag.

Um dasselbe zu erreichen, brauchten sie jetzt viermal so viel Zeit, als am Nachmittage, da sie es zu Pferde als Flüchtlinge verlassen hatten. Sie konnten es nicht verfehlen, weil sie sich dem Walde nach und nach wieder näherten und endlich an demselben hinschritten. Noch ehe sie in der Finsternis den Eingang sehen konnten, hörten sie den Lärm, welcher durch denselben aus dem Thale drang.

»Horch!« sagte der Gambusino, indem er lauschend stehen blieb. »Ich habe mich nicht geirrt. Man bejubelt den Sieg. Daß es so kommen mußte! Meine Ahnung, daß der Vater Jaguar uns voraus sei, war also doch ganz richtig.«

»So hättest du dich danach richten sollen. Pellejo hatte doch recht, als er uns zu größerer Vorsicht aufforderte.«

»Schweig und sprich mir nicht von diesem Menschen! Er wollte kommandieren. Es hat so sollen sein und ist nun nicht zu ändern. Bleib jetzt einmal hier stehen! Ich will voranschleichen, um zu rekognoscieren.«

Er huschte fort. Als er nach ungefähr zehn Minuten zurückkehrte, berichtete er in freudigem Tone:

»Es ist so, wie ich dachte. Kein Mensch steht Wache. Wir können hinein, ohne bemerkt zu werden. Komm!«

Er nahm den andern bei der Hand und zog ihn mit sich fort. Als sie das Felsenthor des Thales erreichten, glänzte ihnen der Schein von vielen Feuern entgegen, so daß sie sich ganz zur Seite im Schatten des Felsens halten mußten. Der Gambusino deutete auf den letzteren und sagte:

»Hier war es, wo uns die beiden kleinen roten Kerls von oben herab vor die Füße flogen. Ich ließ sie leider laufen, weil ich glaubte, daß sie uns sicher seien. Nun sind sie uns wieder entkommen!«

»Schadet nichts. Ich freue mich jetzt, daß wir sie nicht getötet haben.«

»Warum?«

»Weil sie doch vielleicht das sind, wofür sie sich ausgeben. So oft wir sie trafen, haben sie sich so kindisch albern benommen, daß es mir heute unmöglich ist, noch zu glauben, daß der eine Oberst Glotino sein soll.«

»Je länger ich mir den Kerl und seine Streiche vergegenwärtige, desto mehr kommt es auch mir so vor, als ob wir uns geirrt hätten. Wir haben uns durch eine Ähnlichkeit täuschen lassen. Glotino würde niemals und aus keinem Grunde selbst nach dem Chaco gehen, sondern einen tüchtigen Offizier schicken. Wenn mir diese beiden Roten wieder über den Weg laufen sollten, so wird es mir gar nicht einfallen, sie als voll zu behandeln. Ich bedrohe keineswegs mehr ihr Leben. Was sie von mir zu befürchten haben, das sind einige derbe Ohrfeigen, die ich ihnen dafür geben werde, daß sie es wagen, mir wieder und immer wieder wie Ungeziefer über den Weg zu laufen. Dann werden sie sich wohl fern von mir halten. Jetzt aber haben wir keine Zeit, von diesen Knirpsen zu sprechen. Da schau einmal, wie gut wir es getroffen haben!«

Er deutete nach dem Innern des Thales, wo beim Scheine der Feuer alle dort befindlichen Personen leidlich zu erkennen waren.

»Schau da nach links hinüber! Kennst du ihn?« fuhr er fort.

»Der Vater Jaguar!«

»Ja. Wenn ich diesem Hunde eine Kugel geben könnte!«

Er hob sein Gewehr empor, als ob er es anlegen wolle. Der andre fiel ihm in den Arm und warnte heftig:

»Schieße nicht, schieße nicht; du würdest uns verraten!«

Der Gambusino ließ das Gewehr wieder sinken und antwortete:

»Hattest du wirklich Angst, daß ich schießen würde? Fällt mir nicht ein! Meine Kugel würde ihn nicht einmal erreichen, und wir müßten augenblicklich fliehen, während wir uns doch zwei Pferde holen wollen. Sie laufen ja in Masse hier herum.«

Dieses letztere war allerdings richtig. Wie bereits erwähnt hatten die Cambas ihre Pferde unter der Aufsicht einiger Männer am Bache draußen vor dem Thale gelassen. Jetzt war es da draußen dunkel, und da der Kampf vorüber war, hatte man die Pferde in das Thal gelassen, wo sie sich nach allen Richtungen frei herumtrieben. Der Vater Jaguar hatte das gestattet, weil er überzeugt war, daß vorn am Eingange ein Doppelposten stehe. Hätte er geahnt, wer an Stelle desselben jetzt dort anwesend war!

Während die beiden Lauscher ihre Augen auf die Pferde richteten, welche in ihrer Nähe weideten, meinte Antonio Perillo:

»Wir haben doch schießen hören, und doch hat es allen Anschein, als ob gar kein Kampf stattgefunden habe.«

»Wieso? Es ist sogar ein furchtbares Feuer gewesen, welches man auf die Abipones eröffnet hat. Siehst du denn nicht die Menge von Leichen, welche dort am See liegen?«

»Aber wo sind die andern Abipones hin?«

»Entflohen natürlich.«

»Unmöglich! Der Vater Jaguar hatte doch da draußen einen Hinterhalt gestellt, welcher wohl an die hundert Mann zählte. Es gelang uns nur mit Not, diesen Leuten zu entgehen. Sie haben den Eingang besetzt. Wie konnten da die Abipones entkommen?«

»Hm! Was du da vorbringst, hat guten Grund. Sollten sie wirklich alle aufgerieben worden sein? Dann müßte man doch viel mehr Leichen sehen.«

»Man wird sie in das Wasser geworfen haben.«

»Denke das ja nicht! Es wird den Cambas nicht im Traume einfallen, sich dadurch dieses kostbare Wasser zu verderben, denn – – –«

Er hielt inne, beschattete seine Augen mit der Hand, blickte scharf nach einem der Feuer und fuhr dann in heftigem Tone fort:

»Demonio! Ich habe mir bis jetzt noch keine Mühe gegeben, die Gesichtszüge zu erkennen. Jetzt aber sehe ich, daß Abipones mit den Cambas zusammen an den Feuern sitzen.«

»Ist das möglich?«

»Nicht möglich, sondern wirklich. Sieh nur scharf hin.«

Antonio Perillo überzeugte sich, daß der Gambusino recht hatte, und fragte:

»Wie kann so etwas geschehen? Man sollte es nicht glauben!«

»Es ist leicht zu begreifen. Die Abipones waren umzingelt. Sie hätten selbst den letzten Mann verloren. Um ihr Leben zu retten, haben sie um Gnade flehen müssen.«

»Gnade? Das sieht keinesweges so aus. Sie sind ja nicht gefesselt; sie essen mit und bewegen sich wie freie Leute.«

»Tempesta! Das ist wahr! Daran ist dieser Schurke, der Vater Jaguar, schuld. Er hat Frieden zwischen den Abipones und den Cambas geschlossen.«

»Den aber die Abipones jedenfalls teuer bezahlen müssen!«

»Glaube dies ja nicht! Dieser Mensch ist klug. Durch eine schwere Kontribution würde er die Rachgier erwecken und die Feindschaft vergrößern. Ich wette, daß den Abipones alles geschenkt und vergeben worden ist. Man wird ihnen gesagt haben, daß sie durch ihre Verluste hart genug gestraft worden seien.«

»Eine solche Milde kann ich mir nicht als möglich denken.«

»Aber ich, da ich die Schlauheit dieses Vater Jaguar kenne. Er will dadurch die Todfeinde zu Verbündeten machen, und ich glaube es nicht nur, sondern ich sehe es hier mit diesen meinen eigenen Augen, daß ihm dies gelungen ist. Die Abipones sind gewonnen und werden als Freunde behandelt. Wir können von heute an nicht mehr im Trüben fischen. Mit dem geplanten Pronunciamiento ist's vorüber, und es ist nur gut, daß wir beide ein neues Ziel und einen neuen Zweck haben. Wir wollen auch sofort darauf hin arbeiten, indem wir uns mit Pferden versorgen und dann die Gegend verlassen, welche für mich so unglückbringend geworden ist, wie kaum eine zweite. Da haben wir zwei Tiere ganz nahe; sie scheinen nicht schlecht zu sein. Nehmen wir sie, ich das rechts und du das links; aber vorsichtig! Bücke dich zum Boden nieder!«

 

Sie legten sich in das Gras und krochen auf die beiden Pferde zu, welche zwar keine Sättel, aber doch die Zäume trugen. Bei ihnen angekommen, richteten sie sich auf, zogen die festgeknüpften Zügel aus den Backenriemen, nahmen die Enden derselben in die Hände, bückten sich wieder nieder und krochen zurück, die Pferde langsam hinter sich herziehend. Draußen vor dem Felsenthore angekommen, sagte der Gambusino, indem er froh aufatmete:

»Siehst du nun, daß es sehr leicht gegangen ist! Dadurch, daß wir uns beritten gemacht haben, ersparen wir eine Fußwanderung von vielen Tagen. Jetzt holen wir uns die Sättel; dann umreiten wir diesen undurchdringlichen Wald, der uns so außerordentlich unbequem liegt, und hernach, wenn wir ihn hinter uns haben, geht's hinüber nach Tucuman, wo wir mit der Diligence bis Salta fahren. Das geht schneller als im Sattel, weil an jeder Station die Pferde gewechselt werden.«

»Und von Salta aus?«

»Nehmen wir Maultiere, da in den Bergen wegen der dünnen Luft nicht mit Pferden auszukommen ist.«

»Das weiß ich gar wohl; aber woher nehmen wir das Geld für die Maultiere? Bei dem Zwecke, welchen wir verfolgen, können wir uns keine mieten, sondern müssen welche kaufen, und ich sage dir, daß ich nicht genug bei mir habe, einen alten Ziegenbock, geschweige denn ein gutes Maultier zu kaufen.«

»Da laß dir ja nicht bange sein. Ich bin zwar auch nicht bei vollen Taschen, aber ich habe in Salta einen Freund, welcher mich sehr gern mit allem Nötigen versehen wird.«

»Wer ist das? Vielleicht kenne ich ihn auch.«

»Er heißt Rodrigo Sereno.«

»Meinst du etwa den Spediteur draußen vor der Stadt, an der Straße, welche nach Injuy führt?«

»Ja. Er hat zugleich ein großes Gasthaus, verleiht Pferde und Maultiere und treibt noch zehn oder zwanzig andre Geschäfte.«

»Den kenne ich allerdings. Wenn er dein Freund ist, brauchen wir freilich nicht bange zu sein.«

»Ich sage ja, er wird mir geben, was ich brauche. Jetzt laß uns aufsteigen. Wir haben in dieser Nacht einen weiten Ritt.«

Sie schwangen sich auf die Pferde und galoppierten fort, in der Richtung nach ihren erschossenen Pferden, um sich die Sättel derselben zu holen.

Später kamen zwei Cambas nach dem Eingange, um den Doppelposten abzulösen. Als sie die beiden untreuen Wächter nicht sahen, nahmen sie zwar deren Stelle ein, kamen aber nicht auf den Gedanken, dem Vater Jaguar zu melden, daß das Felsenthor eine ganze Zeit lang unbeaufsichtigt gewesen sei. Als er dann später kam, den Posten zu inspizieren, fand er alles in Ordnung und ahnte nicht, daß etwas geschehen war, wodurch seine ganze Berechnung zu nichte gemacht werden mußte. Man entdeckte nicht einmal, daß zwei Pferde fehlten, da dieselben den Abipones gehört hatten und also von den Cambas nicht vermißt wurden.

Die letzteren blieben bis weit über Mitternacht munter. Die Freude, einem so grauenhaften Überfalle entgangen zu sein, ließ sie nicht schlafen. Und die Weißen, denen sie ihre Rettung zu verdanken hatten, mußten mit ihnen munter bleiben.

Von den letzteren war niemand so grämlicher Laune als Doktor Morgenstern und sein Fritze. Sie saßen abseits im Dunkeln und sprachen, nur mit ihrem Ärger beschäftigt, nur selten ein Wort miteinander. Warum? Das konnte man eben jetzt hören, als Fritze seinem Herrn zuraunte:

»Inwiefern könnte es denn eine so jroße Dummheit jewesen sind?«

»Weiß ich's?« antwortete Morgenstern. »In Jüterbogk im Gesangvereine werde ich anders anerkannt.«

»Dat mag die Möglichkeit sind; aber hier im Gran Chaco wird mehr verlangt als nur eine jute, wohljefällige Baritonstimme. Da muß man vor allem Haare auf die Zähne haben und ein jehörijes Quantum Tapferkeit besitzen.«

»Sind wir denn nicht tapfer gewesen?«

»Nein.«

»Nicht? Wir haben uns doch nicht nur in die vorderste Reihe gestellt, sondern sind sogar auf den Felsen gestiegen, um den Feind aus erster Hand zu haben. Ist das nicht tapfer?«

»Hm! Soll ik aufrichtig sind?«

»Natürlich!«

»Jut! lk denke foljendermaßen: Ik mag mich's nach rechts oder nach links überlejen, so kommt es mich jetzt vor, als ob wir nicht tapfer, sondern voreilig gewesen wären.«

»Voreilig, lateinisch praeproperus genannt? Wieso denn, mein Lieber?«

»Weil wir so rasch nach vorn jeeilt sind; dat ist doch voreilig, zumal wir keine Erlaubnis dazu hatten.«

»Erlaubnis brauche ich nicht. Ich bin ein freier Mann!«

»Ik auch. Dennoch aber habe ik mir herbeijelassen, Ihr Diener zu sind und Ihre Befehle zu erfüllen. Es kommt auf jewisse Verhältnisse an. Im Gran Chaco muß man sich anders benehmen als in Stralau am Rummelsburjer See. Dort bin ik dem Vater Jaguar über; hier aber ist er mich über, und darum finde ik es jeraten, mir nach seine Weisung zu verhalten.«

»Aber du bist es ja doch gewesen, welcher den Vorschlag gemacht hat, von den Pferden fort und in das Thal zu gehen!«

»Es fällt mir jar nicht ein, dies fälschlicherweise zu leugnen. Meine Absichten sind die besten und tapfersten jewesen. Ik wollte mir hervorthun und auch Sie Jelegenheit jeben, Ihnen Ruhm und Ehre zu erwerben. Aber konnte ik wissen, daß der Felsen hier so locker und so mürbe ist wie ein Eierkuchen? Konnte ik ahnen, daß er mir so verräterisch hinunterschicken würde, bis jerade vor die Fußzehen dieses Jambusino? Wäre dat nicht jewesen, so wäre er nicht aufmerksam jeworden, sondern in dat Thal jekommen, und jefangen jenommen worden. Da muß ik dem Vater Jaguar vollständig recht jeben.«

»Wenn du die Sache so darstellst, kann ich dir nicht widersprechen. Wir sind wirklich blamiert!«

»Ja, wir sind blamiert, trotz die schönen Knüppels, welche wir uns abjeschnitten hatten. Sie sind eben liejen jeblieben, während wir hinunterjekollert sind. Umjekehrt wärs besser jewesen. Wir konnten oben bleiben und die Prügel hinunterschicken. Aber da es jeschehen, ist's nicht mehr zu ändern.«

»Zu ändern freilich nicht. Aber es geht mir doch zu Herzen. Könnten wir die Blamage nicht von uns abwaschen? Könnten wir es nicht wieder gut oder wett machen? Könnten wir nicht eine tapfere That begehen, welche unsre befleckte Ehre, lateinisch Dignitas oder Honor geheißen, wieder zu reinigen vermag? Ich schäme mich beinahe vor den andern.«

»Und ik schäme mir vor mir selber, die andern jehen mir nichts an. Also Ihre Ehre wollen Sie reinigen? Womit? Mit eine tapfere That? Wollen Sie eine Prüjelei mit dem Monde anfangen?«

»Scherze nicht in dieser Weise! Es ist mir vollständig ernst. Man hat ein Vorurteil gegen die Gelehrten. Man behauptet, sie seien zwar in ihren Büchern, aber nicht im Leben zu Hause. Durch mein Pech habe ich Veranlassung gegeben, zu glauben, daß dieses Vor- ein richtiges und begründetes Urteil sei. Darum möchte ich beweisen, daß ich gar wohl in das Leben und sogar in den gefährlichen Gran Chaco passe. Nenne mir eine kühne That, Fritze, und ich führe sie sofort aus!«

»Und ik helfe Sie dabei. Aber es wäre unnötig, darüber nachzudenken; wir würden doch nichts Passendes finden. Hier in diese Jejend fliejen die Thaten in der Luft herum; sie kommen von selbst. Nehmen wir die erste beste, die wir treffen, fest, um sie aus- und durchzuführen! Dann wird man wieder Respekt vor uns haben.«

»Gut, ich bin dabei. Also die erste kühne That, welche uns in den Weg kommt, wird ausgeführt. Hier ist meine Hand. Schlage ein, Fritze!«

»Ja, ik schlage ein; sie wird ausjeführt und sollten wir dabei eine Gigantochelonia versäumen.«

»Nein,« fiel Morgenstern schnell ein. »So weit würde ich mich von meiner Tapferkeit doch nicht hinreißen lassen. Ein vorweltliches Riesentier geht mir über alles.«

»Selbst über die heutige Blamage?«

»Ja, selbst über diese. Übrigens werden wir bald zu einem solchen freudigen Ziele gelangen. Du weißt doch, daß der Häuptling mir ein Riesentier versprochen hat.«

»Ob er es halten wird?«

»Jedenfalls. Wo nicht, so würde ich ihn zum Kampfe auf Leben und Tod herausfordern, und dies würde zugleich die tapfere That sein, mit welcher ich meine verwundete Ehre herstellen könnte.«

»Wenn ik an Ihre Stelle wäre, würde ik den Häuptling noch einmal fragen, zumal er soeben hier vorüberjehen wird.«

Es paßte wirklich so, daß der »harte Schädel« jetzt auf die beiden zugeschritten kam. Sie standen auf, und Morgenstern fragte ihn, ob er sich seines Versprechens noch erinnere.

»Ja,« antwortete er. »Ich habe noch nie einem Freunde eine Lüge gesagt.«

»So gibt es also wirklich ein solches Riesentier?«

»Ja. Es liegt einen Tagesritt hinter dem Dorfe des klaren Baches. Ich schwöre es Ihnen zu.«

»Und Sie wollen es mir verkaufen?«

»Nicht verkaufen, sondern schenken, Señor. Ihre Kameraden haben uns einen großen Dienst erwiesen und vielen von uns das Leben und das Eigentum gerettet. Wie könnte ich da Bezahlung für die Knochen verlangen. Der Transport derselben wird Ihnen so schon ein großes und vieles Geld kosten.«

»Und wann werden Sie mir das Tier zeigen, Señor?«

»Morgen noch nicht, weil es da noch viel zu ordnen gibt; aber übermorgen bin ich gern bereit, mit Ihnen nach der Stelle zu reiten.«

»Was ist's für ein Tier? Ein Glyptodon, ein Megatherium oder vielleicht ein Mastodon?«

»Darauf kann ich nicht antworten, denn ich habe diese Namen noch nie vernommen. Sie werden es sehen und dann wissen, wie Sie es zu nennen haben.«

Nach diesen Worten entfernte er sich, um sich bei dem Vater Jaguar niederzusetzen. Dieser fragte ihn, was er mit dem kleinen Manne verhandelt habe, und als er es erfuhr, sagte er, indem ein unternehmendes Lächeln über sein Gesicht glitt:

»Dieser Doktor lebt und stirbt für seine Riesentiere. Er ist ein guter Mensch, und obgleich er mir schon manchen schlimmen Dienst erwiesen hat, möchte ich ihm eine frohe Überraschung bereiten. Wie weit habt ihr das Tier ausgegraben?«

»So weit, daß man den Kopf und die Knochen des Rückens bis zu denen des Schwanzes sah. Dann deckten wir es wieder

ZU.«

»Sehr fest, so daß es nur schwer auszugraben ist?«

»Nein, sondern leicht, weil wir es verkaufen wollten.«

»Wie lange würde man zubringen, um das Gerippe vollständig freizulegen?«

»Wenn acht oder zehn Männer daran arbeiten, ist es in einigen Stunden geschehen, obgleich das Tier im harten Kalkboden steckt.«

»Habt ihr Werkzeuge dazu?«

»Ja, Werkzeuge nach unsrer, wenn auch nicht nach eurer Art; aber sie sind fast ebenso gut, wie die eurigen.«

»Und übermorgen willst du ihn an die betreffende Stelle führen?«

»Ja.«

»Gut! Willst du mir morgen zehn Männer mit den nötigen Werkzeugen mitgeben? Ich möchte hinreiten und dafür sorgen, daß er das Tier ganz ausgegraben findet. Aber er darf vorher nichts davon wissen. Es soll eben eine Überraschung für ihn werden.«

»Sie sollen haben, was Sie brauchen. Auch einen Führer, der die Stellen genau kennt, ebenso Riemen, um die einzelnen Knochen zusammenzubinden. Stützen, um das Gerippe an Ort und Stelle aufzurichten, können Sie sich dort abschneiden. Es wächst da Bambus und hohes Gebüsch in Menge.«

Das Versprechen, daß er übermorgen das Riesentier zu sehen bekommen solle, ließ den Doktor nicht schlafen. Er war übrigens nicht der einzige, welcher wachte. Die Abipones schliefen auch nicht, teils aus Aufregung über die erlittene Niederlage, teils wegen den Schmerzen, welche ihre Wunden ihnen bereiteten. Es starben während der Nacht noch mehrere von ihnen.

Am andern Morgen erteilte der Vater Jaguar seinem Geronimo die nötigen Verhaltungsmaßregeln und ritt dann mit zehn Cambas fort, ohne zu sagen, wohin er zu gehen beabsichtige und wann er wiederkehren werde. Er glaubte sich im Thale entbehrlich, da er in Geronimo einen zuverlässigen Vertreter hatte.

Zunächst war über die Frage zu entscheiden, wo und wie die Leichen beerdigt werden sollten. Es waren ihrer so viele, daß zum Vergraben derselben außerordentlich viele Arbeitskräfte und auch eine lange Zeit gehörte. Darum kam man auf Geronimos Vorschlag darin überein, daß sie draußen vor dem Thale verbrannt werden sollten. Man schaffte die Toten hinaus und errichtete aus ihren Körpern und dürrem Holze hohe Scheiterhaufen, welche in Brand gesteckt wurden. Als das vorüber war, war der Mittag vergangen, und die gesunden und leichtverwundeten Abipones mußten abziehen. Sie wären zwar gern noch bei ihren Schwerverwundeten zurückgeblieben, aber man traute ihnen denn doch nicht so recht, obgleich sie entwaffnet worden waren. Sie erhielten das Versprechen, daß man ihre Zurückgelassenen gut verpflegen werde, und marschierten dann ab, denn ihre Pferde waren ganz selbstverständlich als Beute zurückbehalten worden. Ihre Messer hatte man ihnen mitgegeben, da sie dieselben unterwegs unmöglich entbehren konnten.

 

Nun wollten die Cambas nach vollendetem Kriegszuge nach ihren verschiedenen Dörfern und Wohnsitzen zurückkehren. Dabei mußte man der verwundeten Abipones gedenken, welche nicht transportabel waren. Es wurde beschlossen, daß eine Anzahl von Cambas aus dem Hauptdorfe mit ihnen im Thale des ausgetrockneten Sees bleiben sollten, um sie da zu pflegen, bis sie stark genug seien, das Thal zu verlassen. Zu diesem Zwecke sollten Hütten aus Laub und Zweigen errichtet werden. Mit all diesen Auseinandersetzungen und Vorbereitungen war man nach Verlauf der ersten Nachmittagsstunden fertig. Dann wurde zum allgemeinen Aufbruche geschritten, an welchem sich nur die Kranken und deren Wärter nicht beteiligten. Die Folge dieses späten Aufbruches war, daß der Zug erst nach angebrochener Dunkelheit das Cambasdorf am klaren Bache erreichte. Die Krieger zogen dort als Sieger ein und wurden als solche empfangen und gefeiert. Es verstand sich ganz von selbst, daß man vor allen Dingen die Weißen ehrte, denen man ja doch die Rettung aus so großer Gefahr zu verdanken hatte.

Die Feier des Sieges bestand auch hier wieder in einem Schmause, welcher bis tief in die Nacht hinein währte. Am nächsten Morgen forderte der Häuptling den Doktor zu dem versprochenen Ritte auf. Die Weißen beteiligten sich ohne Ausnahme an demselben, und auch mehrere Cambas ritten mit. Natürlich nahm Morgenstern seine Werkzeuge an sich, und der Häuptling verhinderte ihn nicht daran, weil er ihm doch nicht sagen konnte, daß dieselben unnütz seien.

Der Weg führte nach Norden, durch Wälder und Wüsten, bis man gegen Abend einen Salzsee erreichte, welcher in einer thonigen Ebene lag, und von Wald und Gebüsch umgeben war.

»Ist es hier?« fragte Morgenstern, welcher vor Aufregung beinahe fieberte, den Häuptling.

»Ja, in der Nähe,« antwortete dieser.

»So führen Sie mich hin, schnell, schnell!«

»Haben Sie Geduld! Es ist für heute zu spät. Die Sonne ist schon hinter den Bäumen verschwunden, und in wenigen Minuten wird es dunkel sein. Da können Sie doch nicht graben. Wir müssen bis morgen warten.«

»Ist dies der Fall, so vergehe ich vor Aufregung. Wissen Sie, daß ich eigentlich das Recht habe, heute, gerade heute die betreffende Stelle zu sehen, wenn ich auch keine Zeit zum Nachgraben finde?«

»Warum?«

»Weil heute mein Geburtstag ist, lateinisch Natalis genannt.«

»Ihr Geburtstag? Wer hat das gewußt! Doch, da es so steht, Señor, will ich ein übriges thun und Ihnen die Stelle zeigen. Aber nicht jetzt sogleich, denn wir brauchen alle Hände, um noch vor der Dunkelheit genug Holz zum Feuer zu sammeln. Dann, wenn wir für alles gesorgt haben, sollen Sie den Ort beim Scheine einer Fackel sehen, damit ich Ihnen eine Geburtstagsfreude bereite.«

Man begann Holz zu sammeln, und zwar sehr langsam, denn man war heute eingeweiht in das, was geschehen solle. Der Häuptling hatte es allen außer Morgenstern und Fritze gesagt. Es galt, die völlige Dunkelheit abzuwarten, um die Überraschung vorzunehmen.

Morgenstern suchte mit allem Eifer nach dürrem Holze, damit der ersehnte Augenblick baldigst eintrete. Dabei bemerkte er nicht, daß es in der Umgebung des Lagerplatzes Huf- und Fußspuren gab, welche unmöglich von ihm und seinen Gefährten herrühren konnten. Ebensowenig beobachtete er, daß der Häuptling mit Geronimo auf längere Zeit verschwunden war. Sie hatten sich zum Vaterjaguar begeben, um diesem mitzuteilen, daß heute ganz zufälligerweise der Geburtstag des kleinen Vorsündflutlers sei, eine Kunde, welche gar nicht besser zu ihrem Vorhaben passen konnte.

Endlich war Holz genug vorhanden und es wurde ein Feuer angezündet. Erst jetzt bemerkte Morgenstern, daß die beiden Personen fehlten.

»Es ist doch grad, als ob man sich gegen mich verschworen hätte,« klagte er gegen seinen Diener. »Nun, da alles in Ordnung ist, fehlt der Häuptling, und doch weiß er, daß ich unmöglich länger warten kann.«

»Fassen Sie Ihnen in Jeduld!« tröstete Fritz. »Wat lange währt, wird jut. Dat heißt mit andern Worten: je länger Sie warten, desto jrößer wird dat Tier, welches aus der Unterwelt vor Ihre Augen kommen soll. Sehen Sie, da kommen die beiden und die Besichtijung wird losjehen. Ik werde mir übrijens an derselben nicht beteiligen.«

»Warum nicht?«

»Weil die Kreatur erst morjen ausjegraben wird. Wat ist da heut zu sehen? Ein Stück Erdboden und so 'ne Rarität habe ik schon oft jesehen.«

Der Häuptling kam allerdings mit Geronimo zurück, aber die Neu- oder Wißbegierde des Kleinen wurde trotzdem noch nicht befriedigt, da die beiden behaupteten, daß man vorher erst essen müsse, eine Zumutung, welche Morgenstern mit Entsetzen erfüllte. Er ahnte nicht, daß seines Geburtstages wegen noch erst eine Vorbereitung zu treffen sei. Man aß; er aber brachte keinen Bissen über die Lippen. Da krachte aus nicht zu großer Entfernung ein Schuß. Morgenstern sprang erschrocken auf und rief:

»Was war das? Wer schießt da? Sollten etwa wieder Abipones in der Nähe sein?«

»Nein, Señor,« antwortete Geronimo. »Dieser Schuß ist das Zeichen, daß die Zeit gekommen ist, in welcher Sie die Stelle sehen sollen, welche Sie zu betrachten wünschen. Geben Sie mir Ihren Arm! Ich werde Sie führen.«

Er ergriff ihn beim Arme und ging mit ihm voran; die andern folgten paarweise. Den Arm Fritzens hatte der Häuptling in den seinigen genommen. So ging es mit würdevollen, ja feierlichen Schritten zwischen mehreren Buschgruppen hindurch, bis man sich vor einem Dunkel befand, wo Geronimo stehen blieb und mit lauter Stimme sagte:

»Señor, heute an Ihrem Geburtstage befinden Sie sich an einem Orte, an welchem Ihr Liebling sich vor vielen tausend Jahren an seinem Sterbetage niederlegte, um in Ihren zärtlichen Armen zu neuem Leben zu erwachen. La enhora buena, la enhora buena!«

»La enhora buena – wir gratulieren!« stimmten alle andern ein.

Zu gleicher Zeit sah man vorn ein kleines Flämmchen leuchten. Es huschte hin und her und auf und nieder; andre Flämmchen erschienen, bei deren Schein man ein breites und wohl vier Ellen hohes Bambusgestell bemerkte, an welchem die aus dürren Bambusstücken gefertigten Buchstaben und Worte befestigt waren: »Zum Geburtstage!« Die Buchstaben wurden entzündet und brannten einige Minuten, so daß man die Worte deutlich lesen konnte.

»Welche Überraschung, Fritze!« rief der Doktor aus, indem er sich zu seinem Diener umwendete. »Hier im Gran Chaco bereitet man mir zum Geburtstage ein Feuerwerk. Aber das Riesentier wäre mir doch noch lieber.«

»Hm!« brummte Fritze mißtrauisch. »Wenn dat nur kein Ulk ist, der damit ein Ende nimmt, daß man Sie Ihre eigene werte Persönlichkeit als Riesentier bezeichnet. Ik habe sonen Animus. Ach, wat ist dat?«

Die Buchstaben waren verbrannt und der Bambusrahmen verschwand. Dann leuchteten rechts und links wieder kleine Lichtpünktchen auf, welche sich schnell vergrößerten und zu hohen Flammen anwuchsen. Es brannten ungefähr sechzehn Schritt voneinander zwei riesige Feuer und zwischen denselben sah man das weiße, vollständige Gerippe eines riesigen Tieres stehen, welches von starken Bambusschößlingen gestützt wurde. Seitwärts stand lächelnd der Vater Jaguar mit den zehn Cambas, welche ihm geholfen hatten, dieses Werk zu vollenden. Morgenstern aber sah weder diesen noch jene; sein Auge hing starr an dem Skelette; seine Brust rang nach Atem; er streckte beide Arme aus; er wollte sprechen, rufen, brachte aber kein Wort hervor, bis er endlich mit Aufbietung aller seiner Kräfte in gellendem Tone und silbenweise schrie:

»Ein Me-ga-the-ri-um! – Ein-Rie-sen-faul-tier!« –

Die beiden Worte waren heraus und nun schien der Bann, welcher auf ihm lastete, gebrochen zu sein. Er sprang auf das Gerippe zu, umarmte die starken Schenkel und küßte die andern Knochen; er streichelte den Schädel wie den Kopf eines lieben Kindes und bückte sich zur Erde nieder, um die an den Zehen befindlichen, ungeheuren Sichelkrallen zu liebkosen und rief und schwatzte dabei allerhand Zeug durcheinander, daß man hätte glauben mögen, er sei verrückt geworden. Die andern ließen ihn ruhig gewähren; Fritze aber bekam Angst, trat zu ihm hin, schüttelte ihn am Arme und rief ihm zu: