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Das Vermachtnis des Inka

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Er reiste mit dem Vater Jaguar voraus. Wir folgten und trafen mit der Truppe am Rio Salado zusammen.«

»Und dann?«

»Dann sind wir durch den Gran Chaco geritten.«

»Durch diese wilde, gefährliche Gegend? Ist Ihnen da kein Unfall begegnet?«

»O, mehr als einer!«

»Auch meinem Sohne?«

»Diesem nicht, denn er hat unter einem vortrefflichen Schutz, lateinisch Patrocinium oder auch Tutela geheißen, gestanden. Er hat sich sogar ganz im Gegenteile durch Heldenthaten ausgezeichnet, von denen wir Ihnen gern erzählen werden.«

»So erzählen Sie, erzählen Sie gleich jetzt! Ich bin zu begierig, zu erfahren, was er unterwegs und auch schon in Buenos Ayres erlebt hat.«

Der Doktor war bereit, dieser Aufforderung nachzukommen; aber der bedächtigere Fritze legte seinen Widerspruch ein, indem er sagte:

»Nicht jetzt, nicht jetzt, meine Herren. Sehen Sie doch, wie weit wir zurückjeblieben sind! Da oben halten die andern und warten auf uns. Reiten wir also weiter! Wir können unterwegs auch sprechen, und wenn wir lagern, haben wir jenug Zeit, alles zu erzählen, wat jeschehen ist.«

Die beiden mußten ihm recht geben, und so folgten sie ihm, als er sein Maultier in rasche Bewegung setzte. Das Thal wand sich zwischen zwei Bergen empor und schien sich dann wieder abwärts zu senken. Droben hielten die beiden Arrieros mit dem Peon, um die Zurückgebliebenen zu erwarten. Als dieselben nachgekommen waren, ging es mit verdoppelter Schnelligkeit vorwärts, bald durch tiefe Senkungen und bald über Höhen, die so steil waren, daß sie von Pferden gar nicht überwunden hätten werden können. Die Sonne sank hinter den Bergen, und der Arriero, welcher den Führer machte, trieb zu noch größerer Eile an. Droben in den Lüften schwebte ein Condor. Der Arriero deutete zu ihm empor und sagte:

»Der sucht sein Nest auf; thun auch wir dasselbe, denn ehe eine halbe Stunde vergangen ist, wird es dunkel sein.«

»Ist denn der gesuchte Pfad noch nicht bald erreicht?« fragte Engelhardt.

»In wenigen Minuten werden wir dort sein.«

»und der Ort, an welchem wir übernachten wollen?«

»Ist dann auch nicht weit. Nur liegt er leider nicht nach Süden, der Seite, nach welcher wir morgen reiten werden, sondern nach Norden, was wieder einen Zeitverlust ergibt.«

»Also nach der Salina del Condor zu?«

»Ja.«

»So werden wir keinen Zeitverlust haben, denn ich werde morgen früh nicht direkt nach Salta zu aufbrechen, sondern vorher nach der Salina reiten.«

»Warum, Señor? Bedenken Sie, welchen Umweg Sie da machen! Sie müssen einen guten Grund dazu haben, wenn ich nicht davon abraten soll.«

»Der Grund ist der stichhaltigste, den es nur geben kann. Nämlich mein Sohn, den ich in Buenos Ayres zu sehen glaubte, befindet sich hier an der Salina del Condor. Warum, das werden Sie noch erfahren.«

»So stimme ich bei, denn so eine Ursache muß ich gelten lassen.«

Nur einige Minuten später gelangte man auf einen ebenen sandigen Plan, welcher halb durchquert wurde. Dann hielt der Führer an, deutete auf den Boden nieder und sagte dann:

»Señores, sehen Sie die Spuren hier im Sande? Sie sind alt und auch schon halb verweht, kaum mehr zu erkennen. Das ist der Weg nach der Salina. Wir werden ihm noch eine Strecke folgen, aber schnell. Der Weg ist gut; treiben wir unsre Tiere an!«

Er setzte sein Maultier in Galopp, und die andern thaten mit den ihrigen dasselbe. Sie flogen rasch über den Plan und dann am Fuße eines Berges hin, dessen Seite aus tief zerklüfteten Felsen bestand. Dann parierte der Arriero sein Tier, deutete auf eine breite aber nicht sehr hohe Öffnung im Gestein und sagte:

»Hier ist der Ort, an welchem wir übernachten werden, Señores, eine Art Höhle, welche zwei Eingänge hat. Der Wind trifft hier nicht an, und wenn wir ein Feuer anzünden und uns in unsre Decken hüllen, werden wir gerade so gut und angenehm schlafen, als ob wir uns im Innern eines Rancho befänden.«

Man stieg ab, um die Höhle zu untersuchen. Sie hatte keinen Hintergrund, sondern bestand aus zwei ungefähr zwanzig Schritt voneinander in der Felsenwand befindlichen Eingängen oder Öffnungen, welche durch einen nach innen gebogenen leeren Raum verbunden waren. Sie besaß also ungefähr die Gestalt eines Halbringes, dessen Enden sich nach außen öffneten. Vor der Höhle wuchs niedriges aber dichtes Punagras, welches den Maultieren eine vortreffliche Weide bot. Man schirrte sie ab und fesselte ihnen die Beine in der Weise, daß sie zwar frei grasen, aber sich nicht weit entfernen konnten.

Die kurze Zeit des noch übrigen Tageslichtes wurde benutzt, die Höhle zum Lager einzurichten, indem man die Recadosättel aufschlug, damit sie als Bettstellen dienen sollten. Als die Decken darüber gebreitet worden waren, bildeten sie Lagerstätten, die man sich in dieser Wildnis gar nicht besser wünschen konnte. Als man dann die Satteltaschen geöffnet hatte, um zu den in denselben befindlichen Vorräten zu gelangen, war es dunkel geworden, und das Feuer wurde angebrannt. Es war unterwegs so viel Material für dasselbe gesammelt worden, daß es einige Stunden brennen konnte.

Nun wurde zunächst gegessen, und als dies vorüber war, brannten sich die Männer Cigaretten an, welche der Doktor aus Salta mitgebracht hatte und von denen auch Engelhardt noch einen kleinen Vorrat besaß. An der einen Seite des Feuers, welches natürlich in der Höhle brannte, saßen die beiden Arrieros und der Peon, welche spanisch miteinander sprachen, auf der andern die drei Deutschen, die sich ihrer Muttersprache bedienten, denn der vorsichtige Fritze hielt es für geraten, zunächst nur Engelhardt wissen zu lassen, was im Laufe der letzten Zeit geschehen war und was nun infolgedessen droben an der Salina und in der Mordschlucht geschehen sollte. Er und der Doktor erzählten dem Bankier abwechselnd, was sich seit jenem Tage in Buenos Ayres ereignet hatte, und es ist selbstverständlich, daß Engelhardt ein Zuhörer war, welcher dem Berichte das allergrößte Interesse schenkte. Einen Wächter draußen auszustellen, daran dachte keiner. Wäre der Vater Jaguar mit hier gewesen, er hätte, schon aus Gewohnheit, sicher nicht versäumt, diese Vorsichtsmaßregel zu treffen.

Leider wäre dieselbe keineswegs grund- oder zwecklos gewesen, denn während die sechs Männer, welche sich in der Höhle befanden, an keine Störung, am allerwenigsten aber an eine feindliche, dachten und drei von ihnen von den Thaten des Vater Jaguar sprachen, waren ihnen gerade die grimmigsten Feinde dieses berühmten Mannes so nahe, daß sie dieselben beinahe mit den Händen hätten greifen können.

Der Gambusino hatte sich mit Antonio Perillo, wie bereits erwähnt, nach dem Guanacothale gewendet, um einige der dort jagenden Mojosindianer für seinen Ritt nach der Mordschlucht zu engagieren. Er hatte zwar Mundvorrat in Salta mitgenommen, aber keineswegs so viel, wie unter Umständen gebraucht werden konnte. Es war seine feste Absicht, so lange in der Mordschlucht zu bleiben, bis das Versteck gefunden sei. Dies konnte aber mehrere Tage, ja wochenlang dauern, und in diesem Falle mußte der mitgebrachte Proviant ausgehen. Es waren dann Leute nötig, welche jagen mußten, um Fleisch herbeizuschaffen, und dazu sollten die Mojos dienen. Außerdem war, um nicht von zufällig Vorüberkommenden überrascht zu werden, es nötig, zwei Wächter aufzustellen, einen ober- und einen unterhalb der Mordschlucht, eine Aufgabe, deren sich die Mojos auch zu unterziehen hatten.

Selbstverständlich aber mußte es diesen Indianern verboten sein, selbst in die Schlucht zu kommen. Mit welchen Gründen sollte ihnen dies plausibel gemacht werden? Wie konnte man ihnen überhaupt die so geheimnisvolle und vielleicht lange währende Anwesenheit zweier Menschen in der Mordschlucht erklären? Der Gambusino sann darüber nach und sagte dann zu Perillo:

»Diese Halunken sind zu scharfsinnig, als daß wir ihnen mit gewöhnlichen Finten kommen dürfen. Wir müssen nach einem Grunde suchen, welcher mit der Religion zusammenhängt; das ist die einzige Art und Weise, sie sicher zu mystifizieren. Fällt dir nichts ein?«

»Warum nicht? Was sagst du zu einem Gelübde?«

»Wahrhaftig! Da triffst du gleich das allerbeste. Wir haben in großer Todesnot das Gelübde gethan, etwas Gott Wohlgefälliges, worauf wir schon noch kommen werden, in der Mordschlucht vorzunehmen, wobei wir ungestört und einsam bleiben müssen. Die Roten sind alle außerordentlich abergläubisch; sie werden so voller Scheu und Ehrfurcht sein, daß sie sicherlich nicht auf den Gedanken kommen, uns etwa zu belauschen.«

»Aber wenn wir dann finden, was wir suchen, so können wir es ihnen doch nicht verbergen, denn wer weiß, was und wieviel wir zu schleppen haben. Da werden sie erkennen, daß wir sie getäuscht haben, und uns aus Rache alles abnehmen!«

»Schwachkopf! Habe ich dir nicht schon da unten am Sumpfe der Knochen gesagt, wie wir sie unschädlich machen werden? Sind wir glücklich, so müssen sie alle sterben. Das wird uns nicht viel Arbeit machen, da es vollständig genügt, wenn wir ihrer nur sechs oder acht engagieren.«

Die beiden gewissenlosen Menschen waren von den Mojos freundlich aufgenommen worden und hatten dem Häuptlinge derselben ihren Wunsch mitgeteilt. Er war nicht nur auf denselben eingegangen, sondern sogar bereit gewesen, sich selbst an dem Ritte nach der Mordschlucht zu beteiligen. Das war ihnen freilich höchst unangenehm; da aber eine Zurückweisung für ihn eine große Beleidigung gewesen wäre und er dann gewiß auch seinen Leuten die Teilnahme versagt hätte, so waren sie wohl oder übel gezwungen, darauf einzugehen.

Sie brachen dann mit ihm und noch sieben Mojos vom Guanacothale nach der Mordschlucht auf, welche so fern lag, daß sie in einem Tage nicht erreicht werden konnte. Gegen Abend des ersten Tages waren sie bis an den Saumpfad gekommen, welcher hinauf nach der Salina del Condor führte.

 

Sie folgten demselben, bis es dunkel war, und dann wollte der Gambusino an der ersten besten Stelle Lager machen; da aber meinte das »spitze Messer«, der Häuptling:

»Der scharfe Nachtwind wird sich bald erheben, und dann ist es gut, wenn man sich an einem Orte befindet, wo er einen nicht treffen kann.«

»Weißt du denn einen solchen?«

»Ja. Es ist eine Höhle, welche gar nicht weit von hier liegt, eine Höhle mit zwei Eingängen.«

»So führe uns hin!«

Sie ritten also weiter, das »spitze Messer« voran und die andern hinter ihm drein. Nach einiger Zeit blieb er plötzlich halten, flüsterte den andern zu, ja kein Geräusch zu machen und beugte sich weit vor, um, wie man sah, etwas zu beobachten.

»Was hast du? Siehst du vielleicht etwas Verdächtiges?« fragte ihn der Gambusino mit leiser Stimme.

»Ja,« antwortete er. »Ich sehe den Schein eines Feuers, welches in der Höhle brennt.«

»So befinden sich Menschen drin?«

»Ja, denn wo ein Feuer ist, müssen auch Menschen sein, die es angezündet haben.«

»Wer mag es sein?«

»Ich werde es sehen. Haltet mein Tier; bleibt hier und seid still!«

Er glitt aus dem Sattel und huschte weiter. Es dauerte über eine Viertelstunde, bevor er zurückkehrte; da meldete er:

»Vor und seitwärts der Höhle weiden Maultiere, und drinnen sitzen sechs Männer am Feuer.«

»Indianer?« fragte der Gambusino.

»Es sind Weiße.«

»Wie bewaffnet?«

»Sehr gut.«

»Was treiben sie?«

»Sie sprechen miteinander. Drei reden spanisch, und die andern drei haben eine Sprache, von der ich kein Wort verstehe.«

»Das ist auffällig, höchst auffällig. Ich werde selbst nachsehen.«

Als er abstieg, meinte Antonio Perillo:

»Ich gehe mit.«

»Ist nicht nötig; einer ist genug.«

»Aber zwei sehen und hören mehr.«

Er verließ auch den Sattel, und der Gambusino hinderte ihn nicht daran. Sie schlichen vorwärts. Der Lichtschein war ihr Wegweiser, so daß sie die Höhle, obgleich sie dieselbe nicht kannten, unmöglich verfehlen konnten. Als sie in der Nähe derselben angekommen waren, legten sie sich nieder und krochen weiter, bis sie den einen Eingang fast erreicht hatten.

»Wenn einer zufällig herauskommt, wird er uns sehen?« raunte Perillo dem Gambusino zu.

»Nein, außer er fällt über uns weg. Hier ist es dunkel, drin aber hell; das blendet beim Heraustreten. Komm noch weiter heran!«

Sie schoben sich noch ein wenig fort und lagen dann so, daß sie in die Höhle sehen konnten. Sie erblickten die beiden Arrieros und den Peon; die andern drei konnten sie nicht sehen, aber sie hörten sie sprechen. Nach einigen Augenblicken zog der Gambusino seinen Gefährten zurück, bis sie sich so weit entfernt hatten, daß sie sich wieder aufrichten durften.

»Hast du ihn erkannt?« fragte Perillo.

»Wen?«

»Den Knecht des Wirtes in Salta.«

»Ja.«

»Aber die beiden andern kenne ich nicht.«

»Es sind Arrieros, wie du schon an ihrer Kleidung siehst. Ich habe sie schon gesehen, kenne aber ihre Namen nicht. Hast du eine Ahnung, was das für eine Sprache ist, welche die drei andern sprechen? Französisch ist es nicht, Portugiesisch und Englisch auch nicht.«

»Es klingt wie Deutsch. Ich habe in Buenos Ayres oft Deutsche miteinander sprechen gehört.«

»Demonio! Deutsch! Sollte etwa –«

»Wer? Was?«

»Still jetzt! Wir müssen sie unbedingt sehen. Die Höhle hat noch ein Loch. Wenn wir dorthin gehen, erblicken wir sie wahrscheinlich, weil sie an der andern Seite des Feuers sitzen. Komm!«

Sie schlugen einen Bogen, um nicht in den Bereich des Feuerscheins zu gelangen, und näherten sich dann von der andern Seite dem zweiten Eingange, ebenso kriechend wie vorher.

Die Vermutung des Gambusino erfüllte sich; die drei Deutschen waren zu sehen. Engelhardt saß so, daß er den Lauschern das Gesicht voll zukehrte, natürlich aber ohne sie zu bemerken; der Doktor und Fritze waren im Profil zu sehen.

Der Gambusino griff nach dem Arme Perillos und drückte denselben in seiner Aufregung so, daß der Stierkämpfer hätte laut aufschreien mögen. Sein Atem ging hörbar, fast röchelnd; doch beherrschte er sich und gab Perillo einen Wink, sich mit zu entfernen. Als sie in Sicherheit gelangt waren, schimpfte er, indem er mit den Zähnen knirschte:

»Verwünscht seien diese beiden Kerle! Hast du sie erkannt?«

»Natürlich! Ich hatte also recht, als ich sagte, daß es die deutsche Sprache sei.«

»Wie kommen diese Menschen hierher in diese Höhle?«

»Der Teufel ist ihr Führer gewesen!«

»Das muß so sein! Er führt sie uns immer in den Weg. Wir haben uns zwar geirrt, als wir den einen für Glotino hielten, aber sie sind uns doch gefährlich, denn sie laufen uns grad dann, wenn wir etwas Wichtiges vorhaben, allemal in den Weg.«

»O, das ist noch lange nicht das Gefährlichste!«

»Was denn?«

»Am bedenklichsten ist jedenfalls der Umstand, daß stets da, wo sie sind, sich auch der Vater Jaguar befindet.«

»Das ist wahr. Ich will doch nicht hoffen, daß der Teufel auch ihn herbeigeführt hat!«

»Was das betrifft, so ist dem Teufel und diesem Vaterjaguar alles zuzutrauen. Hast du die Sättel gezählt, welche in der Höhle lagen?«

»Ja. Es waren sechs Reitsättel. Daraus ist mit Sicherheit zu schließen, daß sich nur diese sechs Personen hier befinden. Den Vater Jaguar haben wir also wenigstens jetzt noch nicht zu befürchten.«

»Was thun wir? Reiten wir etwa weiter? Ich möchte wenigstens diesen beiden kleinen Deutschen endlich einmal einen Denkzettel anhängen.«

Der Gambusino blickte eine Weile sinnend vor sich nieder und antwortete dann:

»Ich habe einen Gedanken – –«

»Wohl den, sie wieder laufen zu lassen?«

»Kann mir nicht einfallen. Sie sind uns eigentlich ungefährlich, und wenn ich auch nicht so dumm bin, mir eines Menschenlebens wegen schwere Gedanken zu machen, so halte ich es doch für überflüssig, sie zu töten, wenn es nicht grad notwendig ist. Wenn wir sie festnehmen, so besitzen wir in ihnen zwei Geiseln gegen den Vaterjaguar, wenn er sich wirklich hier befinden sollte.«

»So meinst du, daß wir uns mit ihnen herumschleppen sollen?«

»Hm! Unbequem würde es sein; aber ich habe einen Grund, es dennoch zu thun.«

»Welchen?«

»Sie sind reich.«

»Meinst du?«

»Ja. Wer solche Reisen macht, muß reich sein. Aber es gibt noch einen zweiten Grund. Kennst du den dritten, den blonden Deutschen, welcher bei ihnen sitzt?«

»Nein.«

»Und bist doch in Peru drüben, in Lima gewesen!«

»Ist er von dort?«

»Ja. Ich kenne ihn. Ich habe ihn wiederholt gesehen; er aber kennt mich jedenfalls nicht. Hast du einmal den Namen Engelhardt gehört?«

»Meinst du etwa den steinreichen Bankier in Lima, den Millionär?«

»Ja.«

»Ist der es etwa?«

»Ja, er ist's. Es gibt gar keinen Zweifel, denn ich kenne ihn genau. Denke, welch ein Lösegeld!«

»Hei, das ist ein herrlicher Gedanke! Falls aus unsrem Schatze nichts wird, könnten wir uns durch diesen Engelhardt entschädigen. Er müßte zahlen, sein halbes Vermögen hergeben, um wieder frei zu sein.«

»Wieder frei? Damit er uns dann verraten kann? Dummheit! Erst zahlt er, und dann – – verschwindet er. Bist du dabei? Selbst wenn wir deinen Schatz finden, können wir das Lösegeld dieses Burschen noch mitnehmen.«

»Du hast recht, vollkommen recht. Also wir nehmen ihn und die beiden Kleinen?«

»Ja.«

»Und was wird mit den andern?«

»Weggeputzt.«

»Und die Indianer? Was werden die dazu sagen? Wie werden sie sich verhalten?«

»Denen stopfen wir den Mund mit den beiden Kleinen.«

»Wieso?«

»Wir nehmen den Bankier für uns, ohne ihnen aber zu sagen, was für ein fetter Bissen er ist, und versprechen ihnen als ihren Anteil die Kleinen, von denen wir sagen, daß sie ungeheuer reich seien.«

»Das geht. Später können wir ja immer noch thun, was wir wollen.«

»Ja, später nehmen wir natürlich alles für uns, und sie bekommen nichts.«

»Aber die Arrieros und der Peon? Wenn wir sie festhalten, sind sie uns beschwerlich, ohne daß wir etwas bekommen, und lassen wir sie laufen, so verraten sie alles.«

»Wir nehmen sie nicht fest und lassen sie auch nicht laufen.«

»Was denn sonst?«

»Drei Kugeln oder Messerstiche.«

»Diablillo! Du machst kurzen Prozeß; aber es ist ganz richtig so. Es fragt sich nur, ob die Indianer mitmachen werden.«

»Ich bin überzeugt davon und werde mit ihnen reden. Warte hier, bis ich wiederkomme!«

Er entfernte sich vorsichtig, während Perillo sich niederlegte und an die Erde schmiegte, um nicht gesehen zu werden, indem er ihn erwartete. Als der Gambusino zurückkehrte, kam er nicht allein, sondern brachte den Häuptling und sechs Indianer mit; der siebente war bei den Tieren geblieben, um dieselben zu bewachen.

»Sie sind einverstanden,« flüsterte er Perillo zu. »Der Bankier für uns und die Kleinen für sie. Aber töten wollen sie niemand. Wir müssen also die Arrieros und den Peon auf uns nehmen; darum habe ich dir dein Gewehr mitgebracht.«

»Gib her! Von wessen Kugeln die Kerls fallen, ob von den unsrigen oder von denen der Roten, das bleibt sich gleich. Wann soll es losgehen?«

»Sofort.«

»Und wie?«

»Wir beide schleichen uns hinüber auf die Seite, wo die Arrieros sitzen, und die Indianer huschen an die diesseitige Öffnung der Höhle. Sobald unsre Schüsse fallen, dringen sie in dieselbe ein und werfen sich auf die Deutschen, welche sofort entwaffnet und gebunden werden. Es ist alles verabredet und muß gelingen. Du brauchst dich nicht zu sorgen. Komm!«

Sie begaben sich nach der andern Seite und näherten sich dem Eingange so weit, daß sie ihre Opfer sitzen sehen konnten.

»Ich nehme die beiden Arrieros und du den Peon,« flüsterte der Gambusino seinem Mordgenossen zu. »Wir schießen sie durch die Köpfe; das ist das Allersicherste. Wenn ich ›drei‹ sage, drückst du ab. Bist du bereit?«

»Ja,« antwortete Perillo, indem er sein Gewehr anlegte.

»So ziel gut! Also – eins – zwei – drei!«

Er rief das letzte Wort mit lauter Stimme und drückte dann schnell hintereinander seine beiden Läufe ab. Die drei armen, nichts ahnenden Menschen stürzten, durch die Köpfe getroffen, nieder. Zu gleicher Zeit erhoben die Indianer ein markdurchdringendes Geheul und drangen in die Höhle ein. Das geschah alles in der Zeit von einigen Augenblicken, so daß die Deutschen niedergerissen und gebunden waren, ehe sie nur den Gedanken an eine Gegenwehr zu fassen vermochten. Dann machten sich die Roten über die Erschossenen her, um ihnen alles abzunehmen, was bei ihnen zu finden war. Darauf schafften sie die vollständig entkleideten Leichen hinaus ins Freie, um selbst auch dort zu bleiben und zu warten, welche Befehle der Gambusino ferner noch erteilen werde. Auch der Häuptling begab sich wieder hinaus, wohl ohne dazu einen andern, besonderen Grund zu haben als den Respekt, den er vor dem Gambusino hegte.

Dieser schürte das Feuer heller und stellte sich dann mit Perillo so vor die Gefangenen, daß diese, die sich von ihrem Schrecken noch nicht erholt hatten, ihre Feinde deutlich sehen konnten.

»Willkommen hier oben in den Bergen, Señores!« redete er sie in höhnischem Tone an. »Ich bin ganz entzückt, Sie hier zu sehen. Es scheint mir beschieden zu sein, mich immer wieder an Ihrem Anblicke erquicken zu dürfen. Wie geht es Ihnen?«

»Sehr gut, Señor,« antwortete Fritze, der sich zuerst gefaßt hatte, und nun in dieser Weise antwortete, um dem Gambusino die Freude zu verderben, ihn kleinlaut und erschreckt zu sehen.

»Gut? Sogar sehr gut? Sie befinden sich also wohl?«

»Ja. Wenn es Ihnen so ums Herz wäre, wie mir, könnte man Sie beneiden.«

»Ihr Herz geht mich weniger an als Ihr Geldbeutel. Wie steht es mit diesem? Sind Sie reich?«

»Sehr.«

»So können Sie ein Lösegeld zahlen?«

»Ja.«

»Aber Sie haben kein Geld mit?«

»Leider ist es so. Es liegt bei meinem Bankier.«

»Das thut nichts. Sie werden mir eine Anweisung geben. Wie steht es mit Ihrem Gefährten?«

Damit war Doktor Morgenstern gemeint, welchem vor Schreck die Sprache abhanden gekommen zu sein schien. Er schwieg; aber Fritze antwortete für ihn:

»Der arme Teufel hat weiter nichts, als was in seiner Tasche steckt, eine Handvoll Bolivianos; das ist alles.«

»So muß er sterben. Ich könnte ihn nur gegen ein Lösegeld freigeben.«

»Fällt ihm nicht ein, zu sterben, da er weiß, daß ich oft und manchmal für ihn bezahle.«

»Auch dieses Mal?«

»Ja. Wie hoch soll die Summe sein?«

»Zehntausend Bolivianos für beide; das ist die geringste Summe, die ich fordern darf.«

»Schön! Sollen sie haben! Geben Sie mir Tinte, Feder und gutes, weißes Papier, so soll die Anweisung sofort geschrieben werden!«

 

»Nur langsam! Es hat keine so große Eile. Ich muß doch auch mit diesem Señor sprechen.«

Er pflanzte sich breitspurig vor Engelhardt auf und fragte ihn:

»Kennen Sie mich vielleicht, Señor Engelhardt?«

»Nein,« antwortete der Gefragte, welcher sein Herz erleichtert fühlte, da es sich nicht um sein Leben, sondern nur um ein Lösegeld zu handeln schien.

»Nicht? Nun, das schadet nichts, denn Sie werden mich kennen lernen, und wenn Sie sich so bereitwillig zeigen, wie dieser kleine Señor, welcher keinen einzigen von den zehntausend Bolivianos abgehandelt hat, so wird unsre Bekanntschaft eine für beide Teile sehr angenehme sein.«

»Wieviel verlangen Sie für meine Freiheit?«

»Das wird sich finden, nachdem ich erfahren habe, wie hoch sich Ihr Besitz beläuft. Ich pflege nämlich nach Prozenten desselben zu rechnen und – –«

Er wurde unterbrochen, und zwar von dem Häuptlinge, welcher hastig hereintrat und ihm einen Wink gab, auf die Seite zu kommen. Als er diesem Winke gefolgt war, flüsterte ihm das »spitze Messer« zu:

»Wir sind nicht sicher; wir werden belauscht. Einer meiner Leute hat eine Gestalt gesehen, welche an der Erde herbeigekrochen kam.«

»Vielleicht irgend ein Tier!«

»Nein, Señor; es war ein Mensch, denn als er sah, daß er bemerkt worden war, sprang er auf und lief davon.«

»Habt ihr ihn nicht verfolgt?«

»Wer kann das in der Finsternis, welche draußen herrscht? Der Mann ist in einem einzigen Augenblicke verschwunden gewesen.«

»Qué disgusto! So müssen wir augenblicklich fort. Wer weiß, wer sich hier herumtreibt.«

»Gewiß der Vater Jaguar,« antwortete Antonio Perillo, welcher so nahe stand, daß er die Meldung des Häuptlings gehört hatte.

»Nein, dieser sicher nicht, denn wenn er es wäre, so würde er nicht zögern, über uns herzufallen, um die Gefangenen zu befreien. Aber mag es sein, wer es will; er soll uns nichts anhaben; wir führen ihn irre.«

Er trat das Feuer aus, damit es nicht zum Verräter werden möge, und erteilte noch einige leise Befehle. Einige Indianer holten die Maultiere der Gefangenen und Erschossenen zusammen, und andre nahmen die gefesselten Deutschen auf und trugen sie nach der Stelle, wo der Indianer die Tiere bewachte. Dort gab es ein kurzes Durcheinander, und dann hörte man, daß sich der Trupp entfernte, aber nicht in der Richtung der Salina del Condor, sondern in die entgegengesetzte. Der vorher so belebte Platz lag wieder still und lautlos da.

Wirklich lautlos? Doch nicht ganz, denn gar nicht weit von der Höhle, wo sie hart an die Felswand geschmiegt gelegen hatten, erhoben sich zwei Gestalten, eine sehr lange und eine kürzere, denen das lose Haar weit über den Rücken hinabhing, und der Lange sagte mit unterdrückter Stimme zu dem Kleineren:

»Sie haben dich gesehen; darum sind sie fort. Wie leicht konnten sie dich ergreifen, o Herrscher!«

»Mich niemals, lieber Anciano,« antwortete Haukaropora, der Sohn des Inka. »Sie haben eine falsche Richtung eingeschlagen, um uns irre zu leiten; aber wir lassen uns nicht täuschen. Unsre Füße sind schneller, als die Hufe ihrer Pferde. Sie reiten sicher nach der Salina. Laß uns ihnen dorthin voraneilen, um dem Vater Jaguar ihr Nahen zu verkünden!«

Die beiden Nachkommen der alten Peruaner verschwanden im Dunkel der Nacht. Aus ihren Worten ging hervor, daß sie von dem Vater Jaguar als Kundschafter ausgesandt worden waren, um ihm die Annäherung des Gambusino zu melden. Dieser letztere war eher als der erstere in Salta gewesen; er hatte einen Vorsprung von einem Tage gehabt; da er aber erst zu den Mojosindianern geritten war, während der Vater Jaguar mit seinen Leuten das Ziel direkt hatte aufsuchen können, so war dieser weit eher als der Gambusino an demselben angekommen. Hammer hatte sich das sehr wohl berechnet; er wußte genau, daß die Erwarteten erst später kommen konnten, und so ließ er, als er an der Mordschlucht ankam, seine Schar am Rande derselben lagern, ohne diejenigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen, von denen er sonst gewiß nicht abgesehen hätte.

Der Name Barranca del Homicidio, also Mordschlucht, war ein unheimlicher, und die Umgebung dieses Ortes, die ganze Gegend, stand im Einklange mit dem Eindrucke, welchen diese Bezeichnung machte. Die Vormittagssonne verschwendete ihre Wärme an ein Bild trostloser Einsamkeit. Leblos und kahl erhoben sich im Westen die Riesen des Gebirges; öde standen rings die Felsenhöhen in der Nähe und weder an ihren Hängen noch in den Thälern war eine Spur von Vegetation zu bemerken.

Was die Schlucht selbst betraf, so fiel sie so steil in die Tiefe hinab, daß nur Fußgänger aber nicht Reiter, und selbst erstere nicht leicht, hinabkommen konnten. Auch hier gab es, weder an den Seiten noch auf dem Grunde der Schlucht, irgend eine Art von Pflanzenwuchs, und nur am Rande derselben, da wo die Reiter abgestiegen waren, sah man einige halb aus der Erde gerissene Wurzeln, deren Stengel von früher Dagewesenen als Feuerungsmaterial benutzt worden waren. Hier oben gab es nur glatten Fels, auf welchem selbst die Hufe der Maultiere kaum eine Spur zurücklassen konnten; die Tiefe aber war angefüllt von Gesteinstrümmern, welche sich im Laufe der Zeit von den Wänden abgelöst hatten und hinuntergestürzt waren. Nicht weit von den Lagernden, vielleicht fünfzig Schritt von der Schlucht entfernt, lag ein großer Felsblock, welcher auf der der Schlucht abgewendeten Seite überhing und so einen Raum zum Unterschlüpfen bildete, in welchem eine Person bequem Schutz gegen Wind und Wetter finden konnte. Der Vater Jaguar sagte zu seinem Geronimo, indem er auf diesen Fels deutete –

»Unter diesem Steine hat Antonio Perillo gelegen, als er den Inka belauschte, ehe er ihn dann am folgenden Morgen weiter unten ermordete. Als mir der sterbende Pellejo erzählte, was er am Sumpfe der Knochen heimlich gehört hatte, sprach er von diesem Felsen. Perillo hatte unter demselben übernachten wollen, als der Inka vorüberkam.«

»Ja,« antwortete Geronimo, indem er mit der Hand in die Tiefe deutete, »da drüben am jenseitigen Rande ist der Inka am andern Morgen erschienen und emporgestiegen; dort muß also der Schatz aufbewahrt sein.«

Die beiden sprachen jetzt offen, so daß die andern alle es hörten, von dem Schatze und bedienten sich dabei des Wortes Inka, denn der alte Anciano und Haukaropora hatten während der letzten Tage zu ihnen offen von ihrem Geheimnisse, welches bis dahin nur der Vater Jaguar außer ihnen gekannt hatte, gesprochen. Anciano hörte, welche Vermutung Geronimo aussprach, und sagte infolgedessen:

»Sie haben ganz richtig vermutet, Señor. Dort drüben, wo man nur mit Anstrengung aufwärts steigen, von oben nach unten aber mit Gefahr für seine Glieder gelangen kann, ist die Stelle, nach welcher der Gambusino und Perillo suchen wollen.«

»Du kennst sie natürlich?« fragte Hammer.

»Ja.«

»Auch Hauka?«

»Nein. Für ihn ist sie bisher ein Geheimnis gewesen, da er erst seit kurzer Zeit das Alter erreicht hat, in welchem er nach dem Willen seines Vaters das Geheimnis vollständig erfahren soll.«

»Er erfährt es von dir?«

»Ja.«

»So bist du ganz in dasselbe eingeweiht?«

»Nur soweit es notwendig ist, um Hauka den Weg zu zeigen.«

»Liegt der Schatz vergraben in der Erde? Ich meine, ob man ein Loch gegraben und dann wieder zugeschüttet hat?«

»Nein; er befindet sich in einer Höhle, in einem alten Stollen, welchen unsre Vorfahren gegraben haben, um nach Gold oder Silber zu suchen. Sie haben aber nichts gefunden, und als sie dann gar einen breiten, unterirdischen Querspalt erreichten, welcher so tief war, daß man keinen hinuntergeworfenen Stein den Boden desselben erreichen hörte, gaben sie das Graben auf und schütteten den Eingang des Stollens zu. Die Lage desselben blieb aber bekannt, und als der Vorfahre Haukaroporas floh, wendete er sich mit den Treuen, die bei ihm waren, hierher und verbarg alles, was er von seinen Schätzen gerettet hatte, in dem Stollen. Die Feinde folgten ihnen später und überfielen sie. Alle wurden getötet, außer zweien, welche entkamen; der eine war der Inka und der andre mein Ahne. Das Geheimnis erbte sich auf die Nachkommen dieser beiden, bis auf Haukaropora und mich, fort. Ich weiß, wo die Höhle liegt, bin aber noch nie im Innern derselben gewesen, da nur mein Herr, der Vater Haukaroporas, das Recht hatte, dieselbe zu betreten. Heute werde ich ihm den Eingang zeigen, und wenn er es mir erlaubt, darf ich dabei zum erstenmal sehen, welche Gegenstände die Höhle birgt.«