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Das Vermachtnis des Inka

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Es war, als ob ihr Scharfsinn hier oben findiger sei, als unten in der düsteren Schlucht, denn noch war keine halbe Stunde vergangen, so erklärten beide, daß sie jetzt über die Bedeutung jedes Knotens einig und im klaren seien.

»Darf ich vielleicht den Inhalt erfahren?« fragte der Vater Jaguar.

»Ja, Señor,« antwortete Hauka. »Es ist, wie ich schon sagte, das Vermächtnis meines Vaters, lautet aber anders, als Sie gedacht haben werden, und auch ich gedacht habe. Anciano, lies es vor!«

Der Alte gehorchte. Er kniete aus Ehrerbietung vor dem letzten Willen seines einstigen Herrn nieder, ließ Knoten nach Knoten, Schnur nach Schnur durch die Finger gleiten und entzifferte dabei langsam und in abgerissenen Sätzen folgendes:

»Haukaropora, meinem Schrie, dem letzten Inka. – – – Siehst du diesen Kippu, so bin ich tot. – – – Auch Völker sterben. – – – Das unserige ist tot, wie ich gestorben bin. – – –Hoffe nicht, daß es wieder aufleben wird. – – – Du wirst niemals Herrscher sein. – – – Es starb an seinem Golde und Silber. Willst du an dem deinigen sterben? – – – Wäre es arm gewesen, so lebte und wirkte es noch. Sei du arm, so wirst du leben und wirken. – – – Sei nicht reich an Metallen, sondern werde reich am Geiste und im Herzen, so wirst du glücklicher sein, als alle deine Ahnen. – – – Ich bitte dich; ich befehle dir nicht. Dieses Gold gehört dir; nimm es, oder nimm es nicht. – – – Nimmst du es, so wirst du sein Sklave; verschmähst du es, so wirst du frei. – – – Du hast den goldenen Streitkolben der Inkas. Verkaufe ihn, so hast du genug, um zu lernen und ein Mann zu werden, den Arbeit ehrt; Genuß im Nichtsthun aber schändet. – – – Willst du das Gold, so nimm es; doch hüte dich dabei vor dem Feuer in den Rinnen! – – –Willst du Ehre und wahres Glück, so gib das Metall der Erde wieder, der es geraubt worden ist; dann wirst du den wahren Reichtum erlangen. Brenne da die erste Kerze des schlafenden Feuers an und eile aus der Höhle! – – Nun wähle, aber wähle gut! Du besitzest das Blut der Herrscher; beherrsche also dich selbst; es wird dir gelingen. – – Ich bin bei dir und ich bleibe bei dir. Mach, daß meine Seele sich über dich freut. – – – Dann schaut mein Geist wonnig auf dich nieder, bis du mir folgest dahin, wo weder Gold noch Silber gilt, sondern nur die Schätze des Herzens gewogen werden. – – –Handle als mein Sohn, denn ich bin dein Vater!«

Der alte Anciano hatte so gelesen, daß die Pausen zwischen den einzelnen Sätzen immer länger geworden waren. Jetzt blickte er, auf den Knieen liegen bleibend, erwartungsvoll zu seinem jungen Herrn auf. Dasselbe that Anton, den der Inhalt des Vermächtnisses tief ergriffen hatte. Der Vater Jaguar war voller Bewunderung für die Anschauung, zu welcher sich der Tote emporgeschwungen gehabt hatte; aber seiner praktischen Natur sagte das Opfer nicht zu, welches dieser von seinem Sohne erwartete. Haukaropora stand hoch aufgerichtet da und blickte in die Sonne. Seine Ahnen hatten sie verehrt, zu ihr gebetet. Jetzt wollte sie hinter den Gipfeln der Berge verschwinden. So war auch der Glanz des Inkareiches verschwunden und dieses selbst untergegangen. Der letzte Rest dieses Glanzes strahlte unten in der Felsenkammer, wo die Statuen der Götter und Herrscher standen, beim Scheine einer armseligen Kerze. Sollte dieser letzte Schimmer auch erlöschen? In dem ernst-schönen Angesichte des Jünglings regte sich kein Zug. Er blickte in die Sonne, ohne daß die Augen ihm schmerzten, bis das höchste Bergeshaupt sie deckte; dann wendete er sich zu Anciano, nahm ihm den Kippu aus der Hand, verbarg denselben unter das lederne Jagdhemd auf der Brust und sagte:

»Stehe auf, mein Vater! Es gibt keinen Inka mehr. Die Söhne der Sonne gingen dahin mit ihrem Reiche, und ich gehorche dem Geiste meines Vaters, welcher geglaubt hat, ich sei stark genug, das Richtige zu wählen. Ich gebe das Gold der Erde zurück, denn es bringt nur als Lohn der Arbeit Segen, und meine Arbeit soll erst noch beginnen.«

Da sprang der Alte auf, ergriff seine beiden Hände und rief im Tone inniger Rührung und Liebe aus:

»Sei gepriesen für diesen Entschluß, mein Sohn, ich habe von dir nichts andres erwartet. Du bedarfst keiner schillernden Schätze, denn der größte Schatz, den es gibt, ruht in deiner Brust.«

Der Vater Jaguar aber fragte:

»Wie? Du willst dem Inhalte des Stollens da unten entsagen? Das war es doch, was du meintest?«

»Ja.«

»Das kann nur das Ergebnis einer vorübergehenden Stimmung sein. Bedenke, was du von dir wirfst, und welch ein Leben vor dir liegt, wenn du die Erbschaft deines Vaters antrittst!«

»Sein Vermächtnis liegt nicht da unten in der Höhle, sondern hier auf meinem Herzen.«

Er deutete nach der Stelle, an welcher er den Kippu verborgen hatte.

»So willst du in Wirklichkeit das verzehrende Feuer dort unten anbrennen und die Reichtümer zerstören?«

»Ja.«

»Das ist Wahnsinn! Wenn du sie nicht willst, so muß ich dich darauf aufmerksam machen, wie Gutes du mit ihnen thun, wie viele Menschen du mit ihnen glücklich machen kannst. Dich selbst magst du berauben, andere aber nicht!«

»Das Erbe gehört nicht ihnen, sondern mir; ich thue mit ihm, was ich will. Ich vernichte es, weil ich wünsche, meinen Nebenmenschen andre und bessere Gaben zu bringen.«

»Überschwenglichkeit! Ich werde mich einem solchen Beginnen widersetzen!«

Er sagte das im drohenden Tone. Da nahm Haukaropora seinen goldenen Streitkolben von der Erde, wo er gelegen hatte, auf, richtete sich stolz empor und antwortete:

»Señor, ich achte und ich liebe Sie, aber in dieser Sache gibt es nur einen Willen, und das ist der meinige. Diesen Kolben werde ich nach dem Wunsche meines Vaters verkaufen, um leben und lernen zu können; wollten Sie sich mir wirklich widersetzen, so würden Sie mich zwingen, ihn vorher im Kampfe mit Ihnen zu erproben!«

Hammer warf den Kopf stolz zurück. Er wollte eine scharfe, vielleicht ironische Antwort geben, that dies aber doch nicht, sondern erwiderte in milderem Tone:

»So war es nicht gemeint, mein junger Inka. Dein Entschluß ist heroisch und bewundernswert, wenn du den Wert des Geldes kennst. Ich bezweifle aber, daß dies der Fall ist. Übrigens ist das, was du sagst, noch nicht gethan.«

»Ich werde es aber sofort thun! Ich steige jetzt hinab in den Stollen und zünde das Feuer an.«

»Um uns zu verraten und den Mörder deines Vaters entkommen zu lassen? Ich kenne euer Feuer nicht, befürchte aber, daß es eine Explosion hervorbringt. Das Gestein wird auseinander fliegen. Wenn dann der Gambusino mit Perillo kommt, so werden sie, wenn sie die Spuren sehen, sich augenblicklich davonmachen.«

Hauka sah ihm eine Weile forschend ins Gesicht und antwortete dann –

»Sie haben recht, Señor; ich muß noch warten. Zwar könnten wir diese Männer auf eine andre Weise und an einem andern Orte fangen; aber da die Mordschlucht die beste Falle für sie ist, so darf ich Ihrem Plane nicht entgegen handeln.«

»Das meine ich auch,« nickte Hammer befriedigt. »Ich habe sogar die Absicht, dir Gelegenheit zu geben, uns nicht nur durch diese Unterlassung, sondern durch eine sofortige Thätigkeit nützlich zu sein. Es ist nämlich nötig, vorher genau zu erfahren, wann die Feinde kommen; wir brauchen also einen tüchtigen Kundschafter. Willst du diesen Posten übernehmen?«

»Ja, sehr gern,« antwortete Hauka, der sich geschmeichelt fühlte, einen so wichtigen Auftrag zu bekommen. Er ahnte nicht, daß der Vaterjaguar zugleich die Absicht verfolgte, ihn von hier zu entfernen, damit er ja keine Zeit und Gelegenheit fände, seinen, wie er meinte, übereilten Vorsatz auszuführen. Darum fuhr Hammer fort:

»Du mußt aber sofort aufbrechen, weil du nicht reiten darfst und der Weg zu Fuß sehr weit ist. Reitend würdest du Gefahr laufen, entdeckt zu werden; zu Fuß aber kannst du leicht nach allen Richtungen gelangen.«

»Ich bin bereit, Señor. Sagen Sie mir nur, wie weit ich gehen soll!«

»Zunächst zurück bis zur Salina del Condor, an welcher der Gambusino vielleicht heute abend schon ankommen und lagern wird.«

»Und wenn er nicht kommt?«

»So steht zu erwarten, daß er in einer Doppelhöhle lagert, welche von der Salina rückwärts in der Richtung nach dem Guanacothale liegt, von woher die Mojosindianer kommen müssen.«

»Ich kenne diese Höhle und werde mitgehen,« fiel da der alte Anciano ein. »Erlauben Sie das, Señor?«

»Sehr gern, ich habe nichts dagegen einzuwenden, denn vier Augen sehen mehr als zwei.«

»Und wo werden wir Sie bei unsrer Rückkehr treffen?«

»Da Eure Ankunft erst morgen früh zu erwarten ist, so werde ich diese Nacht bei den Gefährten zubringen, am Morgen aber wieder hier sein, um Euern Bericht zu hören. Nach ihm haben wir uns dann zu richten.«

Er erhielt von Anciano eine Beschreibung des Weges nach dem Bergloche und ritt dann mit Anton Engelhardt und den beiden Maultieren der Peruaner davon. Diese letzteren aber stiegen zu Thale, indem sie die Richtung nach der Salina del Condor einschlugen.

Sie kamen dort nach Einbruch der Dunkelheit an und gingen dann, da sie niemand fanden, weiter, um die Höhle aufzusuchen. Als sie dieselbe zu später Abendstunde erreichten, wurden sie, wie bereits erwähnt, Zeugen der Ermordung des Peon und der beiden Arrieros, worauf sie nach der Salina zurückeilten. Dort warteten sie und fanden nach einer Weile ihre Vermutung bestätigt, denn der Gambusino langte mit den Indianern dort an. Da er aber wegen Mangel an Holz kein Lagerfeuer machen konnte, so vermochten sie nichts zu sehen. Auch zu lauschen gab es nichts, da die Feinde sich sehr still verhielten, und darum blieben sie nur so lange, als geraten war, wenn sie mit Tagesanbruch wieder bei der Mordschlucht sein wollten.

Dort trafen sie den Vater Jaguar bereits ihrer wartend und berichteten ihm das Ergebnis ihres Kundschafterganges. Das war viel und doch nicht viel. Sie wußten, daß drei Männer erschossen worden und drei leben geblieben waren. Sie wußten auch, daß sich bei den letzteren die zwei kleinen, rot gekleideten Deutschen befanden, was Hammer sehr in Harnisch brachte; aber wer der dritte war, das wußten sie nicht. Da sie vor allen Dingen sehen sollten, ob die heranziehenden Indianer mit ihnen befreundet seien oder nicht, so mußten sie sich hinter einem nahen, felsigen Hügel postieren, um dieselben bei ihrer Ankunft zu beobachten, während Hammer zurückritt, um die Gefährten näher heranzuholen und ihnen die ganz unerwartete Mitteilung zu machen, daß der unvermeidliche deutsche Gelehrte mit seinem Diener ihnen wieder nachgefolgt und dabei abermals in die Hände des Gambusino gefallen sei.

 

Dieser letztere kam am frühen Vormittage mit Antonio Perillo, den acht Indianern und seinen drei Gefangenen angeritten und machte an dem Rande der Schlucht Halt. Er führte, sobald die Maultiere entlastet waren, sofort die Arrangements aus, welche er für nötig hielt. Die Habgier trieb ihn, sofort eine Untersuchung der Schlucht vorzunehmen, und da die Gefangenen doch auch Wert für ihn hatten und er sie den Indianern nicht anvertrauen wollte, so mußten sie mit in die Schlucht genommen werden. Man gab ihnen also die Füße frei, daß sie hinabklettern konnten. Unten aber, und zwar im Hintergrunde angekommen, wurden ihnen die Füße wieder gefesselt; man band sie an Steine, damit sie sich auch nicht einmal durch Wälzen von der Stelle bewegen konnten. Dann entfernten sich der Gambusino und Perillo, allerdings nicht weit, um ihre Nachforschung zu beginnen. Die Indianer waren oben zurückgeblieben, da ihnen verboten worden war, die Schlucht zu betreten.

Zufälligerweise waren die Gefangenen gerade nach der vorspringenden Felsenspitze, in deren hinterem Winkel der Eingang zum Stollen lag, gebracht und an drei von den vier erwähnten großen Steinen gebunden worden. Sie lagen natürlich an der Erde, Doktor Morgenstern genau auf dem Steingries, welcher die verborgene Maultierhaut bedeckte. Als sie ihre Peiniger so weit entfernt sahen, daß sie von ihnen nicht gehört werden konnten, sagte Fritze Kiesewetter:

»Da sind wir nun bei unsrem Ziele anjelangt, aber als Jefangene. Wenn der Vater Jaguar schon da ist, werden wir uns bald wieder auf unsre freien Füße befinden.«

»Das gebe Gott!« seufzte Engelhardt. »Es handelt sich um unser Leben, denn ich bin überzeugt, daß diese Schufte uns ermorden werden, sobald sie das Lösegeld empfangen haben.«

Er riß vor Grimm an seinen Fesseln und zerrte an dem Steine, an welchem er hing. Dabei zog er denselben nach und nach von der Stelle, an welcher er lag.

»Das glaube ich nicht,« antwortete der Doktor. »Sie haben uns schon einigemal gefangen genommen, ohne einen Mord, lateinisch Homicidium genannt, an uns zu begehen.«

»Weil uns der Vater Jaguar immer rasch herausjeholt hat,« erklärte Fritze. »Läßt er uns diesmal sitzen, so ist's oft und manchmal um uns jeschehen.«

»Gefangen zu sein, während ich meinen Sohn in der Nähe weiß!« knirschte der Bankier. »An Händen und Füßen gefesselt und an einen Stein gebunden, wie ein wildes Tier!«

Er zog wieder an dem Steine, welcher auf einer Ecke der Haut lag, und jetzt weiter verrückt wurde, so daß dieselbe nachgab. Sie begann sich langsam unter Doktor Morgenstern zu senken. Darum meinte dieser:

»Ich scheine weich zu liegen, obgleich meine Unterlage aus Steinen besteht, denn sie gibt nach. Ich sinke tiefer.«

»Und, ich wollte, ich könnte auch sinken, tief in die Erde hinein!« fuhr Engelhardt grimmig fort. »Hätte ich nur eine Hand frei, ich wollte mich bald meiner Fesseln entledigen, und dann wehe den Halunken!«

Er zog, zerrte und riß, daß der Stein immer weiter rutschte.

»Jeben Sie sich keine Hoffnung hin!« antwortete Fritze. »Wen dieser Jambusino fesselt, der kommt nicht los; ik kenne das. Nicht wahr, Herr Doktor, wir haben das erlebt?«

»Leider ja,« antwortete der Gefragte. »Wir sind sogar noch schlimmer daran gewesen als jetzt. Wir haben schon am Baume gehangen und – – Herr-Himmel-Jemineh – –!«

Er schrie vor Schreck laut auf, denn Engelhardts Stein war jetzt vom Felle heruntergerutscht; dieses gab nach, und der kleine Gelehrte fuhr mit den Beinen und dem Oberleibe in das Loch.

»Wat ist denn los? Wohin wollen Sie verreisen?« fragte Fritze. »Soll dat etwa eine Abfahrt in die Unter- oder Urwelt sein?«

»Scherze nicht!« jammerte der Kleine. »Ich stecke in einem fürchterlichen Loche, lateinisch Puteus genannt; ich schwebe über einer entsetzlichen Tiefe, lateinisch Vorago oder Barathrum geheißen, und wenn der Strick zerreißt, so bin ich verloren!«

Der kleine Gelehrte wog wohl nicht mehr als neunzig Pfund, und da der Stein, an welchem er mit dem Stricke befestigt war, weit über die Schwere eines Zentners hatte, so wurde er von diesem festgehalten. Dennoch zeterte er so laut, daß der Gambusino und Perillo es hörten. Sie kamen herbei und waren nicht wenig erstaunt, ihren Gefangenen halb in der Erde verschwunden zu sehen. Sie zogen ihn heraus, und dabei kam ein Teil der Haut zum Vorscheine.

»Was ist das?« fragte Perillo. »Ein Leder, mit welchem dieses Loch bedeckt ist! Am Ende haben wir – – –«

»Schweig!« raunte ihm der Gambusino zu. »Wir sind am Ziele. Das haben wir dem Zufalle zu verdanken. Die Gefangenen brauchen nicht zu sehen, was wir hier treiben. Schaffen wir sie fort!«

Sie schleppten die drei Gefesselten eine genügende Strecke fort, um unbeobachtet zu sein, und kehrten dann wieder nach dem Loche zurück, um seine und desselben Umgebung zu untersuchen. Sie fanden das ganze Fell und entfernten es. Sie warfen Steine in das Loch und hörten, daß dasselbe nicht tief war. Darum ließ sich der Gambusino hinab. Schon nach einigen Augenblicken rief er herauf:

»Wir sind am rechten Orte! Es ist gelungen! Hier liegen Talglichte. Komm schnell herab, während ich eins anbrenne.«

Als Perillo unten ankam, war das Licht schon in Brand gesteckt. Sie achteten des Umstandes nicht, daß auch ein halbes dalag, welchem man es leicht ansehen konnte, daß es erst vor kurzem im Gebrauch gewesen war, und drangen langsam in den horizontalen Stollen ein. Indem sie vorsichtig weiterschritten, teilten sie sich ihre Bemerkungen und Hoffnungen mit. Sie befanden sich in einer fieberhaften Aufregung, welche sich fast bis zum Wahnsinn steigerte, als sie endlich die hintere Kammer erreichten und den Inhalt derselben erblickten. Sie standen zunächst wie sprachlos da und ließen ihre wonneglänzenden Augen über alle diese Gegenstände schweifen. Dann rief der Gambusino:

»Entdeckt, entdeckt! Hier liegen Millionen. Das hast du mir zu danken.«

»Nein, sondern du mir, mir, mir!« entgegnete Perillo. »Laß uns abschätzen. Hier stecken viele Lichter in diesen Rinnen, jedenfalls, damit man bei ihrem Glanze diese ungeahnten Reichtümer besser funkeln sehen kann. Soll ich sie anbrennen?«

»Ja, denn bei diesem einen Talgstummel ist gar nichts, gar nichts zu sehen.«

Perillo riß dem Gambusino das Licht aus der Hand und hielt es an einen der bereits beschriebenen Dochte, welcher zunächst wie ein ganz gewöhnlicher Docht anbrannte. Das kleine Flämmchen hatte zunächst einen ruhigen, hellen Schein; dann begann es zu flackern, wobei es eine blaue Farbe annahm; hierauf sprühte es plötzlich nach allen Seiten Funken, an denen sich die andern Dochte entzündeten, und schoß alsdann gar zu einer bis an die Decke reichenden Feuergarbe auf. Ein scharfer, unausstehlicher Geruch oder vielmehr Gestank verbreitete sich in dem Raume. Schon brannten zehn, fünfzehn, zwanzig und noch mehr Lichter in den Rinnen. Sie flackerten, glühten, sprühten, pufften und lärmten.

»Was ist das?« fragte Perillo ganz betroffen. »Wer hat schon einmal solche Lichter gesehen?«

»Was es ist?« antwortete der Gambusino. »Unser Verderben ist es, wenn wir nicht augenblicklich fliehen, Diese Lichter sind für unberufene Eindringlinge angebracht. Also müssen –«

Er wurde von einem Knalle unterbrochen, nach welchem den Lichtern feurige Schlangen entfuhren, welche wie zuckende Blitze in der Kammer umherfuhren und die Kleider der beiden Männer sogleich in Brand setzten.

»Fort, augenblicklich fort!« schrie er und eilte in den Stollen hinein, um so schnell wie möglich das Freie zu erreichen. Perillo folgte ihm. Ihre Anzüge brannten. Sie nahmen sich aber nicht Zeit, sie zu löschen, stießen rechts und links mit den Köpfen oben in dem Stollen an. Noch hatten sie den Schacht nicht erreicht, so gab es einen lauten Knall, unter welchem die Erde erbebte.

»Ich brenne, ich verbrenne!« schrie Perillo.

»Ich auch,« antwortete der Gambusino, indem er vorwärts stürmte.

»Rette mich! Lösche meine Flammen!«

»Habe keine Zeit. Fort, fort, der Felsen explodiert!«

Er stürmte vorwärts, erreichte den Schacht und schwang sich hinaus ins Freie. Perillo folgte ihm auf dem Fuße. Unten im Gange hatten ihre Anzüge mehr geglimmt als gebrannt; jetzt aber in der freien Luft entstanden helle Flammen, welche sofort über ihnen zusammenschlugen. Vor Entsetzen brüllend warfen sie sich nieder und wälzten sich auf dem Boden herum, um die Flammen zu ersticken. Da that es im Innern einen zweiten Knall, einen dritten, vierten, fünften und sechsten, einer immer stärker als der andre. Die Schlucht schien förmlich hin und her zu schaukeln; es war, als ob alle ihre Felswände zusammenbrechen wollten. Dann schoß ein schwerer, dicker, dunkler Rauch aus dem Schachtloche hervor, begleitet von einem Zischen wie von hundert Lokomotiven, worauf ein dumpfes Poltern folgte, wie von unter der Erde dahinpolternden Kegelkugeln. Hierauf wurde es still, aber der Rauch schoß noch fort aus dem Loche und hüllte das ganze hintere Thal in stinkende Wolken, welche keine Gestalt, keinen Gegenstand erkennen ließen. Desto deutlicher aber hörte man das Schmerzgebrüll der beiden noch immer sich am Boden windenden und wälzenden Menschen,

Und der Vater Jaguar mit seinen Leuten?

Er hatte mit ihnen, sie herbeiführend, eine Stelle erreicht, welche nur noch zehn Minuten von der Schlucht entfernt war, als ihm Anciano und der Inka entgegenkamen. Ersterer meldete:

»Señor, es ist das ›Spitze Messer‹, der Häuptling der Mojos, mit sieben Mann, ein sehr guter Freund von mir. Soll ich mit ihm reden?«

»Ja; aber natürlich nur auf eine Weise, daß der Gambusino es nicht bemerkt.«

»Der kann es weder sehen noch hören, denn er ist nach seiner Ankunft mit Perillo und den drei Gefangenen sofort in die Schlucht hinab.«

»Meinst du, daß das ›Spitze Messer‹ mit sich reden lassen wird?«

»Ja. Ich bin überzeugt, daß er sofort zu uns übergeht, wenn er mich sieht und zudem erfährt, daß Sie bei mir sind.«

So lauf voran; wir kommen langsamer nach, damit du einige Worte mit ihm reden kannst, ehe er uns sieht.«

Anciano eilte fort, und die andern folgten ihm, fest überzeugt, heute gewiß zum Ziele zu gelangen. Noch ehe sie die Schlucht erreichten, kam ihnen der Alte wieder entgegen. Er führte den Häuptling der Mojos an der Hand und rief dem Vater Jaguar zu:

»Hier ist er, Señor, hier ist er. Er freut sich, den berühmten Vater Jaguar, den er noch nie gesehen hat, kennen zu lernen, und will sich gern auf unsre Seite schlagen.«

»Hast du nur die sieben Mann bei dir?« fragte Hammer den Häuptling.

»Ja, Señor.«

»Die zwei kleinen Gefangenen kennen wir. Wer ist der dritte?«

»Ein reicher Señor aus Lima, welcher Engelhardt heißt und Bankier ist.«

»Mein Vater, mein Vater!« schrie da Anton auf, indem er von seinem Maultiere sprang. »Aber es ist nicht möglich. Warum könnte er herübergekommen sein?«

»Um seinen Sohn in Buenos Ayres zu sehen.«

»So ist er's doch; er ist's! Hinab, hinab, ihn zu erretten!

Sein Gewehr schwingend, eilte er der Schlucht zu und war gleich darauf am Rande derselben verschwunden. Die andern wollten ihm nach, doch der Vater Jaguar gebot:

»Halt! Nicht alle hier hinab. Sechs Mann reiten um die Schlucht und stellen sich jenseits auf, damit da drüben niemand entkommen kann.«

Daraufhin galoppierten sechs Reiter fort. Die übrigen ließen sich aber nun nicht länger halten; sie sprangen aus den Sätteln und kletterten, Hammer und die Indianer mit ihnen, so schnell wie möglich in die Schlucht hinab. Noch waren sie nicht unten, so sahen sie zwei brennende Gestalten aus der Stollenöffnung kommen; sie hörten deren Gebrüll und darauf mehrere Explosionen.

»Die Hunde haben den Schatz entdeckt und das Feuer angezündet,« rief der Vater Jaguar ergrimmt. »Jetzt ist der Schatz verloren!«

Alle rannten, so schnell sie konnten, nach dem von Rauch erfüllten hinteren Teile der Schlucht, ihnen voran Anton und der Inka, der ihm am schnellsten gefolgt war. Die beiden Knaben sahen die Gefangenen liegen und sprangen zu ihnen hin.

 

»Mein Vater, mein Vater!« rief Anton, indem er sich neben seinem Vater niederwarf, um ihn zu umarmen und zu küssen, und dann seine Fesseln zu durchschneiden.

Niemand hatte ein Auge für diese Begrüßungsscene, denn die Blicke aller waren auf die hintere Felsenwand gerichtet, an welcher zwei Gestalten mühsam und unter vor Schmerz zuckenden Bewegungen emporklimmten. Der Gambusino und Perillo waren es. Sie hatten die Nahenden bemerkt und trotz ihrer halb verbrannten Leiber an die Flucht gedacht, welche nur nach dieser Richtung möglich zu sein schien. Aber da erschienen jetzt die sechs Reiter oben, und der Vater Jaguar rief befriedigt:

»Haltet ein! Laßt die Schurken immer steigen! Sie werden oben in Empfang genommen.«

Er wendete sich zu den Gefangenen, um zunächst Engelhardt zu begrüßen, und dann die beiden Kleinen im Tone des Zornes zu fragen:

»Welcher Teufel hat Sie uns denn abermals nachgeschickt? Konnten Sie es denn selbst bei Ihrem Riesentiere nicht aushalten?«

»Nein,« antwortete der allezeit fertige Fritze. »Der Riesenspitzbube, den wir fangen wollten, war noch viel jrößer.«

»Aber er hat euch wieder gefangen, anstatt ihr ihn!«

»Dat war nur Verstellung von uns. Wir thaten nur so, um ihm hierher und in dat Loch zu bringen, wo er oft und manchmal in Brand jeraten ist.«

»Flunkere nicht, Bursche!«

»Herr, ik bin aus Stralau am Rummelsburger See, wo nie jeflunkert wird. Fragen Sie meinen Herrn! Der hat ihm voran in dat Loch jesteckt.«

»Jawohl!« bestätigte der Privatgelehrte. »Die Erde that sich unter mir auf, und ich verlor den Grund und Boden, lateinisch Solum genannt – – –«

»Sie sind ein unverbesserlicher Faselhans,« unterbrach ihn Hammer, »und fassen jedes Ding, lateinisch Res genannt, beim falschen Ende an. Meine Geduld mit Ihnen, lateinisch Placabilitas, Clementia und auch Mansuetudo geheißen, ist nun zu Ende. Ich mag von Ihnen nichts mehr wissen!«

Morgenstern stand mit offenem Munde da, als er unerwartet lateinische Brocken an den Kopf geworfen bekam. Hammer aber hatte seine Worte zuletzt nicht mehr ernst gemeint und wendete sich, innerlich lachend, von dem Verblüfften ab.

Der Gambusino und Perillo hatten jetzt die Höhe erstiegen und sahen da zu ihrem Entsetzen die sechs Männer stehen, von denen sie wieder zurück- und hinabgetrieben wurden. Unten angekommen, wurden sie zu dem Vater Jaguar gebracht. Sie widerstrebten nicht, denn der fürchterliche Schmerz, den ihre entsetzlichen Brandwunden verursachten, machte jeden Widerstand völlig unmöglich. Ihr Anblick war grauenhaft. Alle ihre Kleidungsstücke waren ihnen bis auf einige Zunderfetzen vom Leibe gebrannt, und schwere, unheilbare Wunden bedeckten alle ihre Glieder. Es gehörte gar nicht das Auge eines erfahrenen Arztes dazu, um einzusehen, daß diese Verletzungen tödlich seien.

»Benito Pajaro, kennst du mich noch?« fragte Hammer den Gambusino.

»Ja,« antwortete dieser, von Qualen gefoltert. »Ich bin der Mörder deines Bruders. Töte mich, aber so rasch wie möglich!«

»Das wäre eine Wohlthat für dich. Wieviel Menschen hast du auf deinem Gewissen? Erst gestern abend wieder drei! Gott hat gerichtet; ich bin gerächt und greife ihm nicht vor. Du bist frei und kannst gehen, wohin du willst.«

»Töte mich, töte mich!« forderte der Gefangene im dringendsten Tone, denn auch er sah ein, daß ein schneller Tod eine Gnade für ihn sei.

»Nein!« antwortete Hammer fest.

»So fahre selbst auch zum Teufel, und sei verflucht!«

Indem er diese grausigen Worte aussprach, entriß er dem unvorsichtig neben ihm stehenden Anton Engelhardt das geladene Doppelgewehr, legte blitzschnell auf den Vater Jaguar an, drückte ab und jagte dann sich selbst, ehe man es verhindem konnte, die zweite Kugel durch den Kopf. Zum Tod getroffen, brach er zusammen; er hatte als beispielloser Bösewicht gelebt und als solcher geendet, aber doch seine letzte Absicht nicht erreicht, denn Hammer war ebenso schnell, wie auf ihn gezielt worden war, zur Seite gesprungen und der Kugel entgangen. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, deutete er auf Antonio Perillo und sagte zu Haukaropora:

»Hier steht der Mörder deines Vaters. Er ist dein.«

»Er gehört auch mir!« fiel da der kleine Gelehrte ein. »Er hat in Buenos Ayres auch meine Ermordung, lateinisch Truddatio, geplant.«

Niemand hörte auf ihn. Der Inka sah dem Stierkämpfer finster in das angst- und schmerzverzerrte Gesicht und sagte dann:

»Ich will nicht hart, sondern gnädig sein. Er soll nicht lange Qualen erleiden, sondern rasch sterben.«

Er legte sein Gewehr auf den Mörder an. Da sank dieser vor ihm in die Kniee und flehte ihn an:

»Nicht töten, nicht töten! Laß mich leben!«

»Gut, so lebe noch, um nach zwei oder drei Tagen wie ein Hund zu sterben,« antwortete Hauka, indem er sein Gewehr senkte und sich verächtlich von ihm wendete.

Kein Mensch bekümmerte sich um den Feigling, welcher zwischen den Steinen zusammenbrach und da wimmernd liegen blieb. Man wollte gern erfahren, welche Vernichtung das Feuer in der unterirdischen Kammer angerichtet hatte. Es hatte die Decke derselben zersprengt und da einen Riß in den Felsen getrieben, durch welchen noch jetzt der Rauch ausströmte. Dadurch war eine Art Ventilation entstanden, welche den Stollen von schädlichen Gasen reinigte, und es ermöglichte, daß man schon nach einer Stunde denselben betreten konnte. In die Schatzkammer aber vermochte niemand den Fuß zu setzen; der Boden derselben war verschwunden und durch die Gewalt der Explosionen mit allen Schätzen, welche sich da befunden hatten, in den gähnenden Schlund des erwähnten Felsenspaltes gedrückt und geschleudert worden. Alle sprachen ihr lebhaftestes Bedauern über diesen großartigen und, wenigstens für lange Zeit, unersetzlichen Verlust aus; Haukaropora aber sagte ruhig lächelnd zum Vaterjaguar:

»Sie sehen, Señor, daß die Vorsehung mir recht gegeben hat. Das Erbe ist fort; das Vermächtnis meines Vaters, des Inka, aber trage ich wohlverwahrt hier auf der Brust. Sein letzter Wunsch und Wille wird in Erfüllung gehen.«

Der Schacht wurde mit Steinen verschüttet; dann stiegen die Männer nach oben, um da zu lagern und das Geschehene zu besprechen. Am meisten hatten sich Anton und sein Vater zu erzählen, da sie so lange getrennt gewesen waren. Als der letztere hörte, welchen Plan der Inka in Beziehung auf seine Zukunft gefaßt hatte, erbot er sich, ihm den massiv goldenen Streitkolben abzukaufen und nach deutschem Gelde für das Pfund 1400 Mark zu zahlen, was bei der Schwere der Waffe eine Summe ergab, durch deren Benutzung sich der Abkömmling der Sonnensöhne eine sichre Zukunft zu gründen vermochte.

Man blieb bis zum andern Morgen oben lagern. Während der ganzen Nacht war das Wimmern und Stöhnen Antonio Perillos zu hören; nach Tagesanbruch fand man ihn zusammengekrümmt und tot zwischen den Steinen liegen. Die Leichen der beiden Mörder wurden unter dem Geröll begraben; dann brachen die Reiter auf, um über Salta und Tucuman zu den befreundeten Cambas zurückzukehren. Engelhardt und sein Sohn hatten eigentlich von Tucuman aus einen andern Weg, schlossen sich aber gern den Freunden an, welche bei den Cambas natürlich einen sehr freundlichen Empfang fanden.

Dort hatte der Doktor Parmesan Rui el Iberio auf sie gewartet. Als er erfuhr, was geschehen war, rief er bedauernd aus –

»Wie schade, daß ich nicht mit den beiden deutschen Gelehrten nachgekommen bin! Die beiden verbrannten Mörder wären am Leben geblieben, denn ich hätte die große und einzig dastehende Operation gemacht, ihnen die versengte Haut vom Körper zu schneiden und dadurch der unterbrochenen Transsudation Luft zu machen. Sie wissen ja, ich säble alles herunter.«

Der Aufenthalt bei den Cambas wurde benutzt, dem Doktor Morgenstern beim Zerlegen und Verpacken seines Riesentieres beizustehen. Die einzelnen Teile sollten auf Packpferden transportiert werden. Dann zog die Hälfte der Truppe des Vater Jaguar in die Wälder, um Paraguaythee zu sammeln, während die andern unter Anführung Hammers, Engelhardt, seinen Sohn, Morgenstern und Fritze nach Buenos Ayres begleiteten. Der Inka war mit seinem Anciano auch dabei, da der letztere seine Bereitwilligkeit erklärt hatte, die Seereise mit ihm zu unternehmen.