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Das Vermaechtnis des Inka

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Zufälligerweise war das Feuer, an welchem die Weißen lagerten, dasjenige, welches dem Rande der Lichtung am nächsten lag, und das hatte seinen guten Grund. An diesem Rande nämlich standen zwei halbstarke Bäume nebeneinander, und an diese hatte man Doktor Morgenstern und seinen Diener mit Hilfe zweier Lassos gebunden, so daß sie zwar aufrecht standen, aber weder Arme noch Beine bewegen konnten.

Als der Vater Jaguar diese Situation überblickt hatte, gab er seinen drei Gefährten mit der Hand ein Zeichen, sich noch tiefer ins Gezweig zu drücken, drehte sich zu ihnen um, damit sie ihn leichter verstehen könnten, und sagte —

»Es wird gehen, und zwar viel leichter, als ich dachte. Ich will nicht sagen, daß diese Menschen dümmer sind als dumm, denn sie haben keine Ahnung davon, daß wir hier sind. Sie halten es wohl überhaupt für unmöglich, daß ein menschliches Wesen sich hier in ihrer Nähe befinden könne. Es würden zwei von uns genügen, die Gefangenen zu befreien, dennoch ist es gut, daß Anciano mit Hauka sich uns angeschlossen hat. Habt ihr Feuerzeug?«

»Ja, dasjenige, welches bei uns gebräuchlich ist.«

»Das genügt nicht; es würde zu viel Zeit erfordern.«

Er zog eine kleine Schachtel Zündhölzer aus seiner Tasche und fuhr fort:

»Hier ist etwas Besseres, um Feuer zu machen – — —«

»Feuer?« unterbrach ihn Geronimo erstaunt. »Soll Feuer angebrannt werden?«

»Ja,« nickte der Vater Jaguar.

»Wozu? Das begreife ich nicht. Brennen diese sechs Feuer etwa nicht hell genug? Willst du ein siebentes anzünden, damit wir entdeckt werden?«

»Damit die Leute dort erschrecken, das ist meine Absicht. Du hast alles abgelegt, Anciano, zu meiner Freude aber sehe ich, daß du das Pulverhorn noch bei dir hast. Ist es leer?«

»Nein, Señor, sondern es ist bis an die Spitze gefüllt.«

»Das ist gut. Höre, was ich dir sagen werde! Ihr kehrt um und geht, wenn ihr aus dem Bereiche des Feuerscheines gelangt seid, auf die andre Seite des Waldeinschnittes und schleicht euch dann wieder nach der Lichtung hin. Dort angekommen, kriechst du, Anciano, immer am Rande derselben hin. Siehst du das abgestorbene, hohe, vorjährige Gras? Es ist so dürr, daß es wie Papier brennen wird. Bist du weit genug in dasselbe vorgedrungen, so ziehst Du dich wieder zurück und schüttest, aber höchst sorgfältig, damit die Flamme keine Unterbrechung findet und schnell weiterläuft, einen dünnen aber zusammenhängenden Streifen Pulver in dieses Gras. Ist das Pulverhorn leer, so nimmst du ein Zündholz und brennst das Gras an, worauf Du schnell zu Hauka eilst. Dieser hat indessen vier Sättel zusammengetragen, was ihm sehr leicht sein wird, da sie da drüben alle, und zwar ohne Aufsicht, liegen. Wenn du Feuer machst, mußt du deinen Rücken, den Feinden zukehren, damit – — —«

»Weiß schon, Señor,« unterbrach ihn der Alte. »Ich werde keinen Fehler begehen. Wenn das kleine Flämmchen die Pulverschnur erreicht, werde ich schon so weit fort sein, daß sie mich nicht sehen können und also gar nicht wissen, woher das Feuer kommt, welches plötzlich viele Schritte lang hoch emporlodern wird. Sie werden hinzueilen, um es auszulöschen. Ich begreife Ihren Plan, Señor.«

»Ja. Während du das Pulver schüttest, während Hauka die Sättel holt, wird Geronimo sich um die Pferde bekümmern. Er ist ein schlauer, gewandter, aber auch vorsichtiger Patron, und ich bin überzeugt, daß im geeigneten Augenblicke vier Pferde bereitstehen werden. Indessen schleiche ich mich zu den Bäumen hin. Sobald dein Pulver Feuer fängt und das alte Gras in Brand setzt, wird man, wie du richtig sagst, hinzueilen, um es auszulöschen. Diesen Augenblick der allgemeinen Verwirrung benutze ich, die zwei Gefangenen loszuschneiden. Wir kommen hierhergesprungen; jeder nimmt einen Sattel und ein Pferd und – — —«

»Und zwei nehmen die Pakete, welche da drüben liegen,« fiel ihm der junge Inka in die Rede.

»Welche Pakete? Wozu?« fragte der Vater Jaguar.

»Als der Mann, den Ihr den Carnicero nennt, von der Gefangennahme seiner Gefährten erzählte, sagte er auch, daß der gelehrte kleine Mann seine Bücher und andern Sachen in zwei Paketen bei sich habe. Dort liegen nun zwei Pakete, von denen ich vermute, daß sie die seinigen sind, denn es giebt weiter kein Gepäck. Wenn wir ihn befreien, soll er auch sein Eigentum erhalten.«

»Wenn wir Zeit dazu haben, dann meinetwegen ja, obgleich ich es nicht für bequem halte, Bücher und ähnliche Dinge im Gran Chaco herumzuschleppen.«

»Wir finden sicher Zeit, Señor. Ich kann mir vorstellen, welche Aufregung entstehen wird, wenn der Platz zu brennen beginnt.«

»Gut! Es weiß also ein jeder, welche Aufgabe er zu lösen hat. Gehen wir jetzt an das Werk.«

Er drehte sich wieder um und kroch am Rande der Lichtung weiter. Es war das keine leichte Arbeit, da er dem bereits erwähnten Feuer so nahe kam, daß er, um nicht von dem Scheine desselben beleuchtet zu werden, in das Gebüsch eindringen mußte, und dies war so dicht, daß er nur höchst langsam vorwärts kam.

Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Er lag hinter den beiden Bäumen, vor denen der Doktor mit seinem Fritze angebunden standen, und konnte hören, was an dem Feuer gesprochen wurde. Was er vernahm, bezog sich auf das heutige Ereignis.

»Es war doch eigentlich ein Fehler, daß wir den Carnicero laufen ließen,« sagte Kapitän Pellejo. »Er wird später alles erzählen.«

»Was schadet das?« antwortete Antonio Perillo. »Erstens fragt es sich, ob man ihm glaubt, und wenn dies der Fall sein Sollte, so mache ich mir gar nichts daraus, wenn man mir nachrühmt, daß ich diesen Colonel Glotino unschädlich gemacht habe.«

»Wenn unser Vorhaben gelingt, ja, gelingt es aber nicht, so wird das, was Sie jetzt einen Ruhm nennen, eine Schande für uns werden.«

»Es muß gelingen, denken Sie, daß unser roter Freund hier, der sich den Ehrennamen Brazo Valiente erworben hat, uns mehrere tausend Abiponeskrieger verspricht.«

»Ich habe sie versprochen und werde sie bringen,« erklärte da der Häuptling, »wenn auch Sie die Bedingungen erfüllen, welche ich Ihnen gestellt habe.«

»Wir erfüllen sie.«

»Sie zeigen mir alle Waffenverstecke, welche Sie angelegt haben, und schenken uns alles, was darinnen liegt?«

»Ja.«

»Und Sie unterstützen mich jetzt gegen unsre Todfeinde, die Cambas, indem Sie Ihre Soldaten von der Grenze holen und an dem Lago (* See.) mit uns zusammentreffen?«

»Gewiß! Ich habe ja einige meiner Leute schon bis hinauf nach Fort Brancho geschickt, um alle verfügbaren Kräfte zusammen zu rufen.«

»Dann schlagen wir los, die Cambas sind die Freunde des weißen Regenten; sie wissen, daß wir seine Feinde sind, und thun uns immerwährend Schaden. Sind sie gezüchtigt, und haben wir ihnen alles abgenommen, so sind wir reich, alle andern Stämme werden zu uns eilen, und dann habe ich so viele Krieger beisammen, daß der weiße Regent vor mir erbeben wird.«

Das Gespräch stockte für kurze Zeit.

Was der Vater Jaguar da hörte, war für jeden wichtig, für ihn aber, den großen und erfahrenen Kenner aller Verhältnisse des Landes, waren diese Worte von doppelter Wichtigkeit. Gern hätte er noch mehr gehört; aber er hatte keine Zeit, länger zu lauschen, zumal er nicht wußte, wie lange die jetzige Pause dauern werde. Gern hätte er auch das

Gesicht des Mannes gesehen, der da lang ausgestreckt am Feuer lag. Allem Vermuten nach war er der berühmte Goldsucher, den man kurzweg nur den Gambusino nannte. Alle Welt kannte ihn, alle Welt hatte ihn gesehen; nur er allein war ihm noch nicht begegnet. Aber er konnte nicht warten, bis dieser Mann sich aufrichtete oder doch wenigstens einmal den Hut vom Gesichte nahm. In jedem Augenblicke konnte drüben auf der anderen Seite Ancianos Feuergarbe aufleuchten, und dann war es leicht möglich, daß die beiden Gefangenen Dummheiten machten, oder wenigstens sich falsch verhielten, wenn sie nicht vorher von dem, was sie zu thun hatten, unterrichtet waren. Darum schob der Vater Jaguar sich jetzt so nahe wie möglich an die beiden Bäume hin, richtete sich an dem Strauche, welcher hinter denselben stand und ihm Deckung gab, empor und sagte in gedämpftem Tone und zwar in deutscher Sprache:

»Herr Doktor, bewegen Sie sich nicht! Es ist ein Retter hinter Ihnen.«

Der Angeredete war nicht geübt, in einer solchen Lage bewegungslos zu bleiben; er zuckte zusammen und wendete den Kopf halb zur Seite. Auch Fritze machte eine kleine Bewegung, doch nicht so weit, wie seine Fesseln ihm wohl zugelassen hätten. Er besaß mehr Selbstbeherrschung als sein Herr.

»Still, keinen Laut! Stehen Sie gerade und starr, und wenden Sie nicht den Kopf!« fuhr der Vater Jaguar fort. »Sie haben mir nichts zu antworten als “ja” oder “nein”. Zucken Sie leise die rechte Achsel, so heißt das “ja”; zucken Sie die linke, so heißt es “nein”. Ich bin Karl Hammer, der Vater Jaguar, den Sie beim Bankier Salido in Buenos Ayres kennen gelernt haben. Verstehen Sie, was ich sage?«

Beide zuckten die rechte Achsel.

»Sind Sie so fest angebunden, daß die Riemen Ihnen Schmerzen verursachen?«

Zucken links, also “nein”.

»So ist Ihr Blutumlauf also nicht gestört, und Sie werden sich leicht und rasch bewegen können, falls ich Sie losschneide?«

Rechts gezuckt bedeutete “ja”.

»Das ist gut. Ich habe bereits das Messer in der Hand. Ein Gefährte von mir wird drüben am Saume der Lichtung ein Pulverfeuer aufleuchten lassen, welches das hohe, dichte und trocken Gras sofort in hohen Brand versetzt. Die Leute hier werden erschrocken hineilen, um das Feuer auszulöschen, und für einige Augenblicke wird man sich nicht um Sie kümmern. Verstehen Sie mich auch jetzt?« fragte er, da am Feuer wieder laut gesprochen wurde.

Beide zuckten die rechte Achsel zum Zeichen der Bejahung.

»In der so entstehenden Verwirrung schneide ich Sie los und nehme Sie bei der Hand. Wir springen hier am Rande rechts hin bis dahin, wo Sie jetzt vier Pferde nebeneinander stehen sehen, welche, wie ich zu meiner Genugthuung bemerke, ein andrer Gefährte von mir unbemerkt zusammengelockt hat. Unweit davon sehen Sie vier Sättel liegen, von denen jeder einen nimmt und – —«

 

Er konnte nicht aussprechen, denn er sah da drüben, wohin er den alten Anciano geschickt hatte, ein kleines, kleines Flämmchen blitzen; dieses Flämmchen fraß sich einige Fuß weiter, bis es das Pulver erreichte; ein lauter Ffffffffft-ähnlicher Laut wurde hörbar, und in demselben Augenblicke stieg eine wohl zehn Ellen lange Feuerwand kerzengerade in die Höhe.

Zunächst gab es einen Augenblick lautlosen Schreckens. Dann sprangen alle Roten und Weißen schreiend auf, der Häuptling war der einzige, der ruhig blieb.

»Schlagt es mit den Ponchos aus!« rief er laut.

Jeder beeilte sich, dieser Weisung augenblicklich nachzukommen, aber der erwartete Erfolg war nicht so leicht zu erreichen, denn hoch über das junge, grüne Gras stand das alte verdorrte; es brannte wie Papier, und wenn man an einer Stelle die Flamme nieder hatte, stieg sie im nächsten Augenblicke wieder empor. Die Pferde wurden unruhig und schnaubten ängstlich; kein Mensch achtete auf sie. Kein Mensch achtete auch auf die Gefangenen.

Sobald der erste Schreckensruf erschollen war, war der Vater Jaguar aufgesprungen, hatte die beiden Gefangenen losgeschnitten und sie, einen rechts und einen links an die Hand nehmend, in eiligstem Laufe mit sich fortgezogen, dahin, wo die vier Pferde standen. Dort tauchte Geronimo hinter den Tieren auf und rief ihnen zu:

»Hab’s Ihnen leicht gemacht, die Pferde zusammengebunden; nehme sie alle mit. Bringen Sie die Sättel nach!«

Er sprang auf eins der Tiere und jagte mit ihnen davon. Der starke Vater Jaguar nahm zwei Sättel mit dem dazu gehörigen Riemenzeug vom Boden auf.

»Meine Bücher, meine Bücher!« rief der Doktor, das Paket an sich reißend.

»Und die Hacken und Schaufeln!« fügte Fritze hinzu, indem er das andre Paket sich über die Achsel warf.

»Hacken? Schaufeln?« fragte der Vater Jaguar. »Weg damit! Warum uns mit ihnen schleppen!«

»Nein,« antwortete der Doktor; »sie müssen mit. Ich brauche sie!«

Anciano nahm einen Sattel und der junge Inka auch einen. Als dies der Vater Jaguar sah, meinte er:

»Nun gut, so haben wir also vier; mehr sind nicht nötig. Nun fort, scharf hinter mir her!«

Er warf einen Blick auf das Lager zurück. Dort kämpfte man noch tapfer mit dem Feuer, und niemand sah, was indessen auf der andren Seite vorgegangen war. Die Fliehenden eilten fort. Noch waren sie nicht allzu weit gekommen, da klang ihnen eine mächtige Baßstimme vom Lager aus nach:

»Tormenta! Wo sind die Gefangenen? Sie sind fort!«

Beim Klange dieser Stimme blieb der Vater Jaguar wie gebannt stehen und lauschte. Die andern hielten infolge dessen auch im Laufe inne.

»Sie sind entflohen!« ertönte dieselbe Stimme nach einigen Sekunden. »Man hat sie befreit, man hat sie losgeschnitten; ich sehe es hier an den Lassos.«

»Welch eine Stimme!« sagte der Vater Jaguar. »Die muß ich kennen; das ist ja – —«

Was er weiter sagen wollte, blieb unausgesprochen, denn vom Lager her erklang es wieder.

»Das Feuer ist ausgelöscht. Auf, zu den Waffen! Da links hinaus können sie nicht sein; da brannte ja die Flamme. In den Wald hinein konnten sie auch nicht, denn er ist zu dicht; also sind sie nach rechts fort. Ihnen nach! Zwanzig bleiben bei den Pferden. Die andern kommen mit!«

Zurückblickend, gewahrte man ein wirres Durcheinander von Personen, in welchem die einzelne nicht zu unterscheiden war.

»Fort, fort!« mahnte Geronimo. »Warum bleibst du stehen, Carlos?«

Der Sprecher hatte unterwegs halten bleiben müssen, weil eins der zusammengekoppelten Pferde ihm nicht gehorchen wollte.

»Diese Stimme, diese Stimme!« antwortete der Vater Jaguar. »Ihr Klang geht mir durch das –«

»Ach was, Stimme! Laß sie doch schreien wie sie will! Wir müssen fort, sonst holen sie uns ein.«

»Aber ich muß ihn sehen, muß —«

Der sonst so bedachtsame Mann wollte die beiden Sättel weglegen, aber Geronimo herrschte ihn, wohl zum erstenmal, seit er ihn kannte, in strengem Tone an:

»Was fällt dir ein! Bist du toll! Willst du dein Leben wagen, so thue es; aber das unsrige bringe nicht in Gefahr. Auf mich kannst du nicht rechnen!«

Er trieb seine Pferde von neuem an, und jetzt gehorchte das widerspenstige; er galoppierte weiter.

»Er hat recht!« meinte der Vater Jaguar in einem Tone, wie einer, der aus einem tiefen Sinnen erwacht. »Ich täusche mich wohl; aber ich werde diese Sache nicht ununtersucht lassen. Eilen wir weiter!«

Er schoß jetzt förmlich in so langen Schritten davon, daß die andern die größte Mühe hatten, ihn nicht aus den Augen zu verlieren, zumal ihnen jetzt, nachdem sie die Feuer gesehen, die Dunkelheit viel tiefer als vorher vorkam. Der kleine Gelehrte hatte den schwersten Pack, die Bücher, erwischt. Er keuchte unter ihrer Last atemlos dahin, bis er die Bürde niederwarf und ausrief:

»Fritze, ich kann nicht mehr. Es wird mir zu schwer. Wollen tauschen; gib mir die Werkzeuge!«

»Jut,« antwortete dieser. »Hier haben Sie die Schlüssel zu die Vorwelt, und ik nehme mich die jedruckte Jelehrsamkeit. Aber sputen Sie Ihnen, denn da hinten kommen sie schon anjepfiffen.«

Sie eilten weiter, so schnell sie mit ihren Lasten vermochten, aber doch nicht schnell genug, denn als sie den Ausgang des Waldeinschnittes erreichten, waren die vordersten der Verfolger schon nahe hinter ihnen. Ein Schuß krachte und noch einer, glücklicherweise aber ohne zu treffen.

Die beiden hatten noch gesehen, daß Anciano und der Inka sich rechts gewendet hatten; sie folgten also dieser Richtung auch. Aber ganz nahe hinter ihnen kam einer gesprungen, der sie in tiefem Baßtone anrief:

»Halten bleiben, ihr Halunken, sonst schieße auch ich!«

»Der Gambusino!« schrie der Doktor auf. »Ich bin verloren!«

»Nein, noch nicht!« antwortete Fritze. »Laufen Sie fort; ik werde Ihnen retten, indem ik ihm ein Hindernis in die hohle Gasse werfe, durch welche er kommen muß.«

Bei diesen Worten blieb er stehen, ließ seinen Herrn vorüber und warf, als die hohe, breite Gestalt des Gambusino aus dem Dunkel tauchte, diesem das Bücherpaket entgegen und rannte dann weiter. Der Gambusino strauchelte über den Pack und stürzte hin; er raffte sich zwar rasch wieder auf und wollte weiter; da aber hörte er eine gebieterische Stimme vor sich:

»Halt! hier steht der Vater Jaguar mit seinen Leuten. Wer ohne meinen Willen naht, bekommt die Kugel.«

Das veranlaßte ihn, den Schritt anzuhalten. Wollte man ihn mit dem Namen des berühmten Mannes täuschen? Er duckte sich nieder und kroch mehrere Schritte vorwärts. Da sah er allerdings eine ganze Schar von Männern vor sich halten. Wenn man an einem Gegenstande empor nach dem Himmel sieht, so kann man diesen Gegenstand, obgleich er ganz im Finstern steht, selbst in dunkler Nacht erkennen. Auf diese Weise sah der Gambusino, daß diese Männer ganz in Leder gekleidet waren und breitrandige Hüte aufhatten, was in den Pampas und den angrenzenden Gegenden eine Seltenheit ist. Daran erkannte er, wen er vor sich hatte.

»Alle Wetter, ich irre mich nicht,« sagte er sich. »Man will mich keineswegs täuschen. Es ist wirklich dieser verwünschte Vater Jaguar, den ich lieber in der Hölle als hier wissen möchte. Wenn ich weiter gehe, läßt er Feuer geben; das ist gewiß. Ich muß zurück; aber er soll mir den Streich, den er mir heut spielte, entgelten. Es ist der erste, soll aber auch der letzte sein.«

Er kroch wieder retour, erhob sich dann vom Boden und kehrte um die Waldecke zurück, als eben die vordersten seiner Leute, denen er in seinem Verfolgungseifer vorangerannt war, ihm nachkamen.

»Zurück!« gebot er ihnen. »Es ist nichts zu machen.«

»Nichts?« fragte Pellejo, der sich bei ihnen befand. »Warum?«

»Sie sind fort und für uns verloren, wenigstens für heut.«

»Wieso?«

»Wißt Ihr, welcher Halunke sie losgeschnitten hat?«

»Nun?«

»Der Vater Jaguar.«

»Unmöglich! Das muß ein Irrtum sein.«

»Nein. Ich habe seine Leute gesehen und auch seine Stimme gehört. Kommt rasch zurück! Wir müssen uns beraten, dabei aber alle Vorkehrungen treffen, daß wir nicht überrascht werden, denn dieser Mensch ist im stande, uns heut noch zu überfallen.«

»Schwerlich!«

»Sie glauben es nicht? Warum nicht?«

»Er hat nur die Gefangenen befreien wollen. Hätte er es auf einen Ueberfall abgesehen, so würde er ihn ja vorhin ausgeführt haben.«

»Mag sein; aber ich traue ihm nicht. Ich kenne ihn nicht so, wie Sie ihn kennen, sondern etwas näher und genauer. Und er – na, er kennt mich auch ein wenig – — von früher her. Ich weiß sogar, daß er meine Stimme kennt. Wenn er mich an dieser erkannt hat, so ist es gewiß und zehnfach, hundertfach gewiß, daß er sich an meine Fersen heftet.«

»Haben Sie eine Rechnung miteinander?«

»Ja, und keine gewöhnliche. Kommen Sie also! Ich weiß, daß wir keine Zeit zu verlieren haben.«

Sie und die Soldaten und Indianer, welche bei ihnen stehen geblieben waren, gingen schleunigst nach dem Lager zurück, wo der Gambusino den Befehl gab, schnell zu satteln und dann die Feuer auszulöschen, da man aufbrechen müsse.

»Fort sollen wir?« fragte Antonio Perillo. »Ist das notwendig?«

»Ja, wir müssen fort, mindestens so weit, daß dieser Vater Jaguar uns wenigstens während der Nacht nicht finden kann.«

»Er wird es nicht wagen, sich an uns zu machen!«

»Pah! Ich sage Ihnen, daß er es zwar nicht wagen, aber doch thun wird, denn für ihn ist so etwas kein Wagnis.«

Da nahm der Häuptling, ihm beipflichtend, das Wort:

»Wenn der Jaguar es ist, der die Gefangenen befreit hat, so müssen wir fort. Ich kenne ihn. Und nur dieser Jaguar konnte es fertig bringen, diese beiden weißen Männer fortzuholen. Ich durchschaue es. Er hat noch mehr Leute bei sich gehabt und von ihnen das Feuer mit Pulver anbrennen lassen. Während wir es auslöschten und nicht auf die Gefangenen achteten, hat er sie weggenommen.’ Er weiß, daß ich ihm den Tod geschworen habe. Wir müssen fort, da wir uns hier nicht verteidigen können. An einem besseren Ort werden wir anhalten, um uns zu beraten.«

Hierauf ließ sich nun nichts mehr sagen. Man sattelte die Pferde und bemerkte nun erst, daß vier derselben samt dem Lederzeuge und den beiden

Paketen des Gefangenen fehlten. Glücklicherweise gab es einige Reservepferde, so daß man nicht doppelt zu reiten brauchte. Als die Feuer ausgelöscht worden waren, setzte sich der Zug in Bewegung, indem nach Indianerart ein Reiter immer hinter dem andern ritt.

Der Weg führte immer tiefer in den Einschnitt hinein, welcher nach und nach immer breiter wurde. Hätte derselbe eine Sackgasse gebildet, so wäre es um diese Schar geschehen gewesen, da sie dem Vater Jaguar hätte in die Hände fallen müssen. Aber der Häuptling »Tapfrer Arm« kannte die Gegend zu genau, als daß er sich hätte irren können. Nach Verlauf von zwei Stunden wich der Wald zu beiden Seiten zurück, und man kam auf einen weiten, offenen Kamp, in welchen man eine Viertelstunde hineinritt, um dann zu einer kurzen Beratung anzuhalten. Die Reiter stiegen von den Pferden und bildeten einen Kreis, in welchem die Weißen mit dem Häuptlinge Platz nahmen.

»Selbst wenn der Jaguar uns bis an das Ende des Waldes gefolgt wäre,« sagte der letztere, »hier würde er uns nicht finden. Es ist dunkel, und er kann nicht sehen, nach welcher Richtung wir uns gewendet haben. Die Señores mögen beraten, was geschehen soll.«

»Eine Beratung nach Eurer langen und langsamen Weise werden wir nicht halten,« antwortete ihm der Gambusino. »Wir werden kurz sein und dann gleich wieder aufbrechen, um einen möglichst weiten Weg zwischen ihn und uns zu legen.«

»So denken Sie wirklich, daß dieser gefährliche Mann uns folgen wird?«

»Auf jeden Fall, wenn er mich nämlich an der Stimme erkannt hat.«

»Er hat Sie erkannt.«

»Woher willst du das wissen?«

»Er braucht Sie gar nicht an der Stimme erkannt zu haben, denn er hat Sie gesehen.«

»Nein.«

»Er hat Sie gesehen! Denken Sie, daß der Jaguar für sich das Leichteste wählt und seine Leute das Schwere und Gefährliche ausführen läßt?«

»Nein. Wie ich ihn kenne, ist es umgekehrt. Er wird gerade das Allerschwierigste auf sich nehmen.«

»Und was war heute das Schwerste?«

»Das Losschneiden der Gefangenen, weil er sich da trotz der hellen Feuer in unsre Nähe wagen mußte.«

»So war also er es, der dies vollbracht hat. Er ist nahe bei uns gewesen, hat uns alle gesehen und auch gehört, was wir gesprochen haben.«

 

»Demonio! Das ist allerdings wahrscheinlich. Er hat uns gesehen, denn jedenfalls befand er sich hinter den beiden Bäumen. Das heißt, er hat Euch erblickt, nicht aber mich, wenigstens nicht genau, denn wie ich mich besinne, hatte ich mein Gesicht mit meinem breiten Hute bedeckt.«

»Kennt er nicht Ihre Gestalt, Señor?«

»Ja; aber solche Gestalten gibt es viele, und ich bin viel anders gekleidet als damals, wo wir uns sahen. Um mich wirklich zu erkennen, mußte er mein Gesicht sehen oder meine Stimme hören.«

»Und meinen Sie, daß dieses letztere geschehen ist?«

»Ja, denn ich habe leider nur allzu laut geschrieen. Hätte ich gewußt, daß dieser Mensch sich in der Nähe befand, so hätte ich freilich geschwiegen. Ich bin überzeugt, daß er mir folgen wird.«

»Und wenn er nicht Ihnen folgt, so folgt er mir.«

»Warum habt Ihr Euch mit ihm verfeindet?«

»Wir waren bei den Cambas eingefallen, als er sich bei ihnen befand. Er kam zu uns, um Frieden anzubieten; aber wir wollten die Beute, welche wir gemacht hatten, nicht herausgeben. Ja, wir wollten noch mehr Beute machen, und so kam es, daß wir ihn fortschickten. Er ging im Zorne und einer von uns blies ihm einen Giftpfeil nach, der aber in seinem Rocke stecken blieb, denn seine Lederkleidung ist so stark, daß kein Pfeil hindurchdringt. Dann töteten wir zwei Häuptlinge der Cambas und viele ihrer Untergebenen. Wir töteten alle Alten, alle Männer, Kinder und Knaben und nahmen nur die Frauen und Töchter mit uns. Da stellte er sich an die Spitze der andern Cambasstämme und fiel über uns her.«

»Wer siegte?«

»Er, denn er ist unüberwindlich, wenn er einmal zur Waffe greift. Sein Zorn hat vielen, sehr vielen von uns das Leben gekostet, und die Cambas haben nicht nur das wiederbekommen, was wir ihnen abgenommen hatten, sondern noch mehr dazu. So sind wir Todfeinde geworden. Darum sollt ihr uns Flinten und Pulver geben, damit wir uns rächen können, denn die Krieger der Abipones sind voller Begierde, die Cambas zu züchtigen. Wenn ihr das thut, werdet ihr treue Verbündete an uns gewinnen.«

»Ihr werdet bekommen, was wir euch versprochen haben. Wir befinden uns ja auf dem Wege nach unsern heimlichen Magazinen. Wenn es so steht zwischen euch und ihm, bin ich allerdings überzeugt, daß er schnell hinter uns her sein wird.«

»Und wäre dies nicht der Fall, so würde er mich verfolgen,« fiel Antonio Perillo ein. »Ihr wißt ja, was in Buenos Ayres geschehen ist. Er hat nicht nur mich, sondern auch die andern Espadas blamiert. Wenn ich ihn in die Hand bekomme, so hat er auf keine Nachsicht zu rechnen, zumal es bekannt ist, daß er ein Anhänger von Mitre ist.«

Da meinte Kapitän Pellejo.

»Ich habe von diesem Manne schon viel gehört, aber nie etwas mit ihm zu thun gehabt. Mir läuft er nicht nach. Soviel ich aber von Ihnen, Señores, vernehme, bin ich freilich überzeugt, daß er Lust haben wird, auf unsrer Spur zu bleiben. Ich denke aber, daß dies nichts Leichtes sein wird.«

»Warum?« fragte der Gambusino.

»Spuren vergehen.«

»So! Hm! Sie scheinen keinen großen Begriff von der Kunst des Fährtenlesens zu haben. Ich will Ihnen sagen, und zwar im vollsten Ernste, daß dieser Vater Jaguar eines Tages eine Fährte verloren hatte und sie nicht wiederzufinden vermochte. Da blickte er in die Wolken und wußte sofort, woran er war.«

»So waren diejenigen, welche er suchte, wohl in die Wolken geritten?« lachte der Hauptmann.

»Pah! Sie verstehen das nicht,« antwortete der Gambusino in verächtlichem Tone. »Wissen Sie nicht, daß der Gang der Wolken die Windrichtung andeutet?«

»Das weiß ich wohl.«

»So denken Sie sich das übrige dazu! Ich habe weder Zeit noch Lust, Ihnen alte Abenteuer zu erzählen, denn ich bin der Ueberzeugung, daß wir bald sehr neue erleben werden. Ich wollte Ihnen nur sagen, Señor, daß ein Mann wie der Vater Jaguar jede Fährte findet, welche er sucht, und sie dann gewiß nicht wieder verliert, außer er hat es mit einem ebenso erfahrenen Gegner, zum Beispiele mit mir, zu thun. Ich bin im stande das zu thun, was keiner von Ihnen vermag, nämlich diesen Mann irre zu führen oder ihm wenigstens ein Schnippchen zu schlagen.«

»Wir werden durch die Sandwüste, durch Wälder, über Sümpfe und Flüsse reiten. Uns da überall zu folgen, ohne uns doch einmal zu verlieren, dazu gehört doch mehr, als ein Mensch vermag.«

»Dazu gehört nichts weiter als Schlauheit und Erfahrung; und diese beide besitzt der Jaguar in hohem Grade. Aber wir brauchen uns ja darüber, ob er unsere Spuren finden wird, gar nicht zu streiten. Er braucht uns gar nicht nachzuspüren, denn er weiß genau, wohin wir wollen.«

»Unmöglich! Wer sollte es ihm gesagt haben? Unter den Leitern unsres Planes gibt es keinen Verräter, und die tiefer Gestellten wissen nichts.«

»Haben Sie vorhin nicht gehört, daß er uns jedenfalls belauscht hat?«

»Ja. Aber was hat er gehört?«

»Ich habe darüber nachgedacht, und es ist mir eingefallen, worüber die Señores kurz vor dem Ausbruche des Feuers gesprochen haben. Ich selbst aber habe geschwiegen und mich an diesem verräterischen Gespräche nicht beteiligt.«

»Nun, worüber sprachen wir? Ich entsinne mich nicht, ein Wort gesprochen zu haben, welches an uns zum Verräter hätte werden können.«

»O doch! Sie sprachen von unsern Waffenverstecken.«

»Aber nicht davon, wo dieselben liegen!«

»Sodann sprachen Sie davon, daß Sie Boten an die Grenzorte gesandt hätten, um Ihre Soldaten nach dem Lago zu beordern.«

»Habe ich den Namen dieses Lago genannt?«

»Nein.«

»Nun, es gibt sehr viele Lagos; er mag sich denjenigen, den ich meinte, heraussuchen!«

»Er sucht nicht nach ihm, sondern er kennt ihn in diesem Augenblicke vielleicht schon sehr genau.«

»Wieso?«

»Sie vergessen ganz, daß unsre Gefangenen jetzt bei ihm sind. Wir waren ihrer leider so sicher, daß wir in ihrer Gegenwart mehr als genug von Dingen gesprochen haben, welche nicht für fremde Ohren, am allerwenigsten aber für das Ohr eines solchen Feindes sind.«

»Kennen sie den Namen des Lago?«

»Sehr genau, Sie selbst haben ihnen damit gedroht, daß sie in dem Wasser dieses Sees ersäuft werden sollen.«

»Teufel! Das ist freilich unangenehm! Aber wer konnte wissen, daß sie uns schon nach kurzer Zeit wieder entkommen würden! Nun wird er wohl schleunigst nach diesem Lago de los Carandayes reiten.«

»Das würde er allerdings, wenn ich nicht wäre. Ich werde ihn irre führen. Wir sind von Süden her über den Fluß gekommen, um nach dem Norden oder Nordwest zu gehen. Wir werden aber wieder umkehren, um über den Fluß zurückzugehen.«

»Welcher Einfall, welcher Umweg!«

»Kein Umweg. Wenn wir jetzt gleich aufbrechen und uns einen andern Einschnitt suchen, durch welchen wir den Wald wieder hinter uns legen können, so sind wir am Morgen am Flusse, reiten hindurch und eine Strecke in das Land hinein. Das wird ein Parforceritt bis heute abend. Da ruhen wir nur zwei oder drei Stunden aus und kehren auf einem andern Wege wieder nach hier zurück.«

»Wieder ein Tagesritt, also zwei Tage Verlust!«

»Was bedeutet dieser Verlust, wenn wir dadurch den Vater Jaguar von uns abschütteln!«

»Wird uns das gelingen?«

»Unbedingt. Ich garantiere.«

»Und ich möchte es bezweifeln.«

»Weil Sie es nicht verstehen. Der Jaguar wird erst am Morgen seine Verfolgung aufnehmen; da sind wir aber schon am Flusse, den er, da er langsam reiten muß, weil er seine ganze Aufmerksamkeit auf die Fährte zu richten hat, erst am Abende erreicht. Am zweiten Abende würde er an die Stelle kommen, an welcher wir wieder umkehren wollen; aber er wird sie gar nicht finden, da die Spur inzwischen verweht oder sonst unkenntlich geworden ist.«

»Glauben Sie?«

»Ja. Der Vater Jaguar wird dann überzeugt sein, daß wir über den Fluß zurück sind, und zwar aus Angst vor ihm, und vor Stolz darüber wird er sich so aufblähen, daß ihm der Verstand zerplatzt und er alles glaubt, was wir ihm weisgemacht haben.«

»Das wäre allerdings höchst vorteilhaft für uns. Ich wollte es sehr gern gut heißen, wenn ich wüßte, daß es auch gelingen wird.«

»Es gelingt.«

»So könnten wir doch nach Fort Tio gehen, um uns frisch zu verproviantieren!«