Tasuta

Das Vermaechtnis des Inka

Tekst
Autor:
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Ja, das können wir. Ich bin einverstanden.«

Antonio Perillo hatte nichts dagegen einzuwenden, und der Häuptling erklärte:

»Der Plan des Gambusino ist sehr scharfsinnig erdacht.

Wir werden den Jaguar irre leiten und seinen Tatzen entgehen. Wie viele Männer hat er denn eigentlich bei sich?«

» Genau kann ich das nicht sagen. Soviel ich in der Dunkelheit zu erkennen vermochte, werden es zwischen zwanzig und dreißig sein.«

»Das ist genug für ihn. Wir zählen zwar zehnmal zehn Krieger, aber seine Männer sind waffengeübter als die meinigen. Da ist es auf alle Fälle besser, wir kommen erst dann mit ihm zusammen,

wenn noch andre Horden der Abipones zu uns gestoßen sind. Lassen Sie uns also aufbrechen, damit wir ihn baldigst irre leiten. Ich weiß weiter oben einen andern Durchbruch im Walde, der uns nach dem Flusse führen wird.«

Man saß wieder auf und ritt von dannen, in einem spitzen Winkel mit der zuletzt eingehaltenen Richtung dem Walde entgegen. Den armen Pferden dieser Menschen stand eine ungeheure Anstrengung bevor.

Der Mann, von welchem bei ihnen die Rede gewesen war, der Vater Jaguar, machte sich in diesem Augenblicke keineswegs so viele Sorgen um sie, wie sie geglaubt hatten, denn er – — schlief so gemütlich und ruhig, als ob er sich in einem Bette zu Buenos Ayres oder Montevideo befunden hätte.

Als der Gambusino sich zurückgezogen hatte, schritt der Vater Jaguar auf den Einschnitt zu und horchte. Er hörte ihn von weitem mit den andern sprechen, konnte aber die Worte nicht verstehen. Dann bemerkte sein scharfes Ohr, daß sie sich entfernten. Hierauf rief er drei zuverlässige Leute herbei und schickte sie hundert Schritte in den Einschnitt hinein, wo sie sich postieren sollten, einer am rechten, einer am linken Waldesrande und der dritte in der Mitte des Weges. Sie sollten scharf aufpassen und bei der geringsten gegen sie gerichteten Bewegung der Feinde ihre Gewehre abschießen.

Er glaubte, damit alles gethan zu haben, was die Klugheit und Vorsicht für geboten hielt. Es fiel ihm gar nicht ein, die Feinde anzugreifen, wenigstens heute, und noch viel weniger dachte er daran, allen seinen Leuten den Schlaf zu rauben, den sie so notwendig brauchten, um für den morgenden, vielleicht anstrengenden Tag frisch und gestärkt zu erwachen.

Darauf kehrte er zu der Stelle zurück, an welcher sie sich befanden, und setzte sich in ihre Mitte, um nun erst Doktor Morgenstern und seinen Fritze vorzunehmen. Er that das in spanischer Sprache, damit seine Gefährten das Gesprochene verstehen könnten.

»Señor, ich weiß nicht, was ich von Ihnen denken soll,« sagte er. »Ich bin gern höflich, besonders gegen einen Herrn von Ihrer Bildung und Ihren Kenntnissen, dennoch aber kann ich Ihnen nicht verhehlen, daß Sie weit besser gethan hätten, in Buenos Ayres zu bleiben.«

»Was sollte ich dort, Señor?« fragte der kleine Rote.

»Alles, was Sie wollten und konnten.«

»Nein. Ich konnte nicht alles, was ich wollte. Ich wollte ein Glyptodon, ein Megatherium oder ein Mastodon haben. Sind solche Tiere in Buenos Ayres auszugraben?«

»Vielleicht, wenn man genau nachforscht.«

»Aber die Regierung würde das Nachgraben mitten in der Hauptstadt nicht erlauben.«

»So konnten Sie in die Pampas gehen.«

»Das habe ich auch gethan.«

»Nein. Oder meinen Sie, daß wir uns hier auf einer Pampa befinden?«

»Ja, auf einer Pampa zwischen Fluß und Wald, Fluvius und Silva, wie der Lateiner sagt.«

»Aber wie kommt es, daß Sie dieselbe Richtung genommen haben, welche auch ich einschlug?«

»Ich wollte Sie treffen.«

»Aber ich hatte Ihnen gesagt, daß ich Sie nicht gebrauchen kann!«

»Señor, es ist jeder Mensch zu gebrauchen!«

»Ja, aber im Gran Chaco nicht. Sie bringen nicht nur mich in Verlegenheit, sondern sind auch selbst in eine große Gefahr geraten.«

»Meinen Sie? Die Señores, welche uns gefangen nahmen, befanden sich in einem Irrtum, den sie jedenfalls sehr bald eingesehen hätten.«

»Glauben Sie das ja nicht! Ihr Leben schwebte in Gefahr.«

»Mein Leben, lateinisch Vita genannt? Das glaube ich kaum.«

»Weil Sie ein lieber, guter, harmloser Silberkarpfen sind, welcher keine Ahnung davon hat, was für Hechte es im Teiche gibt. Sie passen überall mehr und besser hin als in den Gran Chaco.«

»Und ich bin vom Gegenteile überzeugt, da Sie selbst mir angedeutet haben, daß hier die Reste vorweltlicher Tiere zu finden sind.«

»Ich bin auch jetzt noch überzeugt, daß dies der Fall ist; aber wenn Sie diese längst zu ihren Vätern versammelten Kreaturen in den Pulverkammern unsrer Parteiführer suchen, so können Sie sehr leicht einmal ein wenig in die Luft gesprengt werden. Wie Sie gefangen genommen worden sind, das habe ich von dem braven Don Parmesan gehört, dem Sie Ihre Rettung zu verdanken haben. Ich bitte Sie, mir zu erzählen, was sich dann weiter ereignet hat.«

»Ereignet? Gar nicht viel, Señor Hammer. Man schüttete das Loch, in welchem meine Gigantochelonia gesteckt hatte, wieder zu, nachdem man den Inhalt herausgenommen hatte, um ihn zu verteilen. Dann band man uns auf die Pferde und ritt mit uns davon. Ich gab herzliche gute Worte, man möge doch das Rückenschild der Gigantochelonia mitnehmen, was mir aber rundweg abgeschlagen wurde. Ich glaube sogar, wenn ich mich recht besinne, auf einigen Gesichtern eine Art von Veränderung bemerkt zu haben, welche den Menschenkenner beinahe zu der leisen Ueberzeugung bringen könnte, daß es sich dabei um den Anflug einer Spur jenes Muskelspiels gehandelt habe, welches einzutreten pflegt, wenn der Mensch eine heimliche Veranlassung findet, seinen Zügen die heitere Erlaubnis eines sanften, kindlichen Lächelns zu erteilen.«

»Das verstehe ich kaum. Wollen Sie damit sagen, daß Sie ausgelacht worden sind?«

»Ausgelacht?« fuhr der Kleine erstaunt auf. »Ich deutete ein leises Lächeln an, und Sie sprechen da gleich von einer vollendeten Auslachung, lateinisch Irrisio genannt? Señor, das könnte mich kränken, wenn ich nicht bei Ihnen so gute paläontologische Kenntnisse entdeckt hätte, daß ich überzeugt bin, Sie halten es für effektiv unmöglich, daß der Entdecker einer Gigantochelonia ausgelacht werden kann.«

»Sie glauben also noch immer, daß es sich um eine Schildkröte gehandelt hat?«

»Ich bin überzeugt davon, und zwar war es eine von wirklich riesigen Dimensionen. Was aber das fernere Erlebnis betrifft, so ritten wir durch den Wald, und mittels einer seichten Furt über den Fluß wieder in den Wald, wo wir bei andern Indianern anhielten. Ich und mein Fritze erhielten jeder ein Stück Fleisch, welches wir essen durften. Dann band man uns an die Bäume, bis Sie kamen und uns heimholten. Das ist alles, was ich erzählen kann, eine höchst einfache und prosaische Geschichte.«

»Das nennen Sie einfach und prosaisch?« lachte der Vater Jaguar nun wider Willen auf.

»Natürlich! Es war keine Spur von

Poesie dabei. Ich wollte dem Gespräche wiederholt eine anheimelndere Wendung geben und begann von dem Diluvium, von dem Höhlenbären, vom Mammut und andern sympathischen Themata zu sprechen, fand aber kein Ohr dafür.«

»Das glaube ich!«

»Es fiel sogar, wenn ich mich nicht geirrt habe, einmal eine Bemerkung, welche, wenn auch in entfernter Weise, darauf schließen ließ, daß es hier zu Lande eine Redeweise gibt, welche den Anflug einer Aehnlichkeit mit einem deutschen Worte hat, bei welchem das Verbum halten statt in Beziehung zu dem Hauptworte Os in Verbindung mit dem Substantive Rictus gebracht wird.«

»Das heißt, man hat Sie gebeten, nicht nur den Mund, sondern sogar das Maul zu halten?«

»Nun, gebeten eigentlich nicht. Es wurde das vielmehr in einer Weise gesagt, welche auf etwas mehr Schärfe und Energie schließen ließ. Doch will ich gerne dem Betreffenden zu Ehren konstatieren, daß er vielleicht nicht ganz im Stande ist, zwischen Os und Rictus so genau zu unterscheiden, wie es in Hinsicht auf die zarteren Umgangsformen wohl als wünschenswert hätte erscheinen mögen.«

»Ich weiß genug, Señor, brechen wir davon ab! Lieb wäre es mir, wenn nun auch Sie genug wüßten.«

»Wovon?«

»Von dem, was ich so gern wissen möchte. Was haben diese Leute miteinander gesprochen?«

»Nichts von Bedeutung.«

»Gar nichts?«

»Ja, gar nichts, was nur einigermaßen Veranlassung hätte geben können, daß man hingehorcht hätte. Ich habe darum auch nicht darauf geachtet. Sie sprachen von Revolution, von Kavallerie und Kanonen, von Ausfällen und Ueberfällen der Indianer, lauter Sachen, die unsereinen doch nicht im mindesten interessieren können. Es ist nicht das kleinste, auch nicht das allerkleinste, auch nicht das allerkleinste geologische oder geognostische Wort gefallen.«

»Revolution, Artillerie, Kavallerie, Aus- und Ueberfälle? Und das nennen Sie bedeutungslos? Señor, das alles ist von ungeheurer Wichtigkeit gewesen!«

»Für Sie vielleicht, nicht aber für mich. Ich habe mir kein Wort gemerkt. Uebrigens steckte mir noch das Rückenschild meiner Gigantochelonia im Kopfe.«

»Dann gratuliere ich Ihnen zu diesem Kopfe, den Sie getrost Gigantocaputus nennen können.«

»Danke verbindlichst, Señor. Wenn Sie etwas Eingehenderes über die Gespräche dieser Leute hören wollen, so will ich Sie an meinen Fritze adressieren. Er ist Laie und hat also für diese Kleinigkeiten mehr Aufmerksamkeit gehabt, als ich ihnen zu widmen vermochte.«

Fritze hatte bis jetzt kein Wort gesagt, jetzt aber meldete er sich schnell, und zwar in deutscher Sprache:

»Dat ist wahr, Herr Hammer; ik habe ausjezeichnet aufjepaßt und kann Sie mit allens dienen, wat Sie wissen wollen. Aber thun Sie mich den Jefallen, sich mit meine Muttersprache zu bedienen. Wenn ik gezwungen bin, mit einem Deutschen spanisch zu diskurrieren, so fällt mich allemal die Butter vom Brode, und es jiebt mich einen Messerstich ins treue deutsche Herz.«

 

»Wenn Sie es wünschen, ganz gern,« lächelte der Vater Jaguar. »Wir können den Andern dann ja spanisch sagen, was wir deutsch gesprochen haben.«

»Natürlich! Und ik werde mich erlauben, Ihnen dabei oft und manchmal behülflich zu sein. Also, wat wollen Sie wissen, und wobei soll ik anfangen zu bejinnen?«

»Vor allen Dingen möchte ich wissen, ob Sie erfahren haben, was diese wenigen Weißen bei den Indianern wollen.«

»Damit kann ik erjebenst aufwarten. Es kam mich nämlich der Jedanke, daß die Freundschaft zwischen Rot und Weiß doch ihren juten Jrund haben müsse und daß dieser Jrund mehr wert sein könne, als der janze Deckel von unsre Gigantochelonia. Darum hielt ik die Augen offen und die Ohren noch offener. lk stamme nämlich aus Stralau am Rummelsburjer See, und in diese Jejend pflegt man pfiffig zu sind. Die Kerls glaubten, daß wir ihnen nicht mehr schaden konnten, und redeten, nur um uns zu ärjern, janz offen über ihre jeheimnisse. Sie jehen in den Chaco, um die Abipones jejen die Rejierung aufzuwiejeln und sie zu einem Einfall zu bewejen. Der Häuptling aber, der alte Brazo valiente, ist ein Schlaukopf und hat also seine Bedingungen jestellt. Er will vorher die Cambas überfallen, die Sie, Herr Hammer, jejen ihn kommandiert haben, und dabei sollen ihm die Weißen helfen. Er verlangt Waffen und Soldaten.«

»Ach! Hat man ihm beides zugesagt?«

»Versteht sich! Die Soldaten trommelt der Kapitän Pellejo zusammen. Er täuscht dat Vertrauen seiner Vorgesetzten. Sie haben ihn an die Jrenze jeschickt, um die längs derselben angelegten Jarnisonen zu inspizieren; es fällt ihm aber jar nicht ein, hinzujehen, sondern er hat vertraute Boten hinjeschickt, welche den Befehl überbringen, daß diese Militärs sich nach dem Chaco zu bewejen haben, um an einem bestimmten Tage an einem bestimmten Orte dort zusammenzutreffen. Diese Leute sollen den Abipones jejen die Cambas helfen.«

»Welch ein Plan! Auf diese Weise werden also dem Häuptlinge die Soldaten geliefert. Wie aber wollen sie ihn in den Besitz der versprochenen Waffen setzen?«

»Halten Sie dat für schwer? O, nichts leichter als diese Schwungfeder! Die Sache ist ja schon von langer Hand her vorbereitet. Man hat schon längst zu diesem Zwecke heimliche Magazine anjelegt und mit Waffen und Munition volljestopft. Unsere Schildkrötenhöhle ist so ein Magazin jewesen. Die werden nun jeöffnet. Auf diese Weise werden die Abipones bewaffnet und jejen die Cambas jeführt. Haben sie sich an diesen jerächt, so werden sie dann, mehrere tausend Mann stark, über die Jrenze kommen und dat Pronunciamiento jemütvoll unterstützen.«

»Dieser Plan entstammt doch nicht etwa Ihrer Phantasie?«

»Nein. Meine Phantasie ist nie so planvoll jewesen. Meine Mitteilungen sind auf dem Boden der Wirklichkeit jewachsen.«

»So muß ich freilich sagen, daß dieser Plan entsetzlich ist. Tausende von Roten hereinzubringen, um Mord und Brand loszulassen, damit einige wenige aus dem Blute ihrer Mitbürger Reichtümer und Aemter fischen! Wer steht an der Spitze dieses grausigen Unternehmens?«

»Dat ist mich unbewußt. lk habe weder die Spitze jesehen noch denjenigen, der an ihr steht. Aber der Oberste von die jetzige und hiesige Jesellschaft, dat ist der Jambusino, wie mich der Augenschein bewiesen hat. Er ist der Admiral von dat janze Jeschwader, dem die anderen alle jehorchen müssen.«

»Haben Sie etwas Näheres über ihn gehört, über seinen Namen, seine Heimat, seinen eigentlichen Stand, sein früheres Leben?«

»Dat sind viele Fragen in eine einzije zusammencoquiliert. lk werde sehen, ob es mich jelingt, ihnen auseinander zu addieren. Heißen thut er Benito Pajaro, wat zu deutsch bekanntlich Benedictus Vogel heißt. Seine Heimat ist mich rätselhaft; wo sich sein eijentlicher Stand befindet, weiß ik nicht; vielleicht ist er ein Strich- oder Zugvogel, und daß er auch schon vor heut und jestern, also früher jelebt hat, darauf kann man jetrost zehn Pfund Jift nehmen, wenn nämlich dieses Jift nicht jiftig ist. Dat ist allens, wat meine Allwissenheit zu leisten vermag.«

»Wurde von mir gesprochen?«

»Und ob! Der Vater Jaguar war allemal dat zweite Wort.«

»Gutes natürlich nicht?«

»Nein, man hat es auf Ihnen abjesehen. Jeraten Sie in die Hände dieser Hallunken, so jeht es Ihnen schlecht. Nehmen Sie Ihnen also sehr in Acht!«

Die drastische Ausdrucksweise des Stralauers war nicht etwa eine Folge davon, daß er die Angelegenheit leichtsinnig nahm; o nein, er sprach sehr ernst; er erkannte die vorhandene Gefahr, aber es war nun einmal seine Weise so. Hammer sah eine Weile schweigend vor sich nieder und erkundigte sich dann weiter:

»Konnten Sie vielleicht in Erfahrung bringen, an welchem Orte sich die Soldaten zusammenfinden sollen?«

»Ja. Es war ein See, Lago de los Carandayes, also Palmensee jeheißen.«

»Wo liegt er?«

»Dat wurde nicht jesagt.«

»Auch ich kenne ihn nicht, will mich aber erkundigen.«

Er fragte seine Gefährten, auch den alten Anciano, den jungen Inka und sogar den Chirurgen; aber keiner hatte von diesem See gehört, und noch viel weniger wußte einer die Lage desselben anzugeben.

»Sollte er im Innern des Chaco, vielleicht in der Wüste liegen?« meinte Hammer nachdenklich.

»Ja, ja, dort wird die traute Heimat seiner Lieben sein,« antwortete Fritze schnell.

»So hat man also doch davon gesprochen?«

»Nein, aber es fällt mich etwas anderes ein. Als nämlich von die Jewehre und die Magazine die Rede war, wurde davon jesprochen, daß sie alle nach einander in die Wüste hineinjelegt worden sind, und nach dem letzten Magazin kommt man an den Palmensee.«

»Welch eine Unvorsichtigkeit von diesen Leuten, in Ihrer Gegenwart über diese Dinge zu sprechen! Und wie herrlich wäre es, wenn Sie Näheres über diese heimlichen Magazine wüßten!«

»Nur jetrost weiter! Vielleicht fragen Sie noch wat aus mich heraus. Die Namen von diese Magazine habe ik alle jehört.«

»So? Wie heißen sie?«

»Da muß ik mir erst mal besinnen. Es waren lauter Quellen, vier Stück, und daran hing allemal ein Tier, an der vierten aber ein Zwilling. Welche Thiere dat jewesen sind – — da, ik habs jefunden! Die erste war die Fuente de los pescados (* Fischquelle.), die zweite die Fuente de los sangui-juelas (*Blutegelquelle.), die dritte die Fuente de los crocodilos (* Krokodilquelle.) und die vierte die Fuente gemela (* Zwillingsquelle.).«

Da sprang der Vater Jaguar freudig überrascht vom Boden auf und rief aus:

»Prächtig, prächtig! Diese Namen kenne ich ja alle, und ich bin an jedem dieser Orte gewesen. Fritze, Ihr gutes Gedächtnis hat uns da einen ganz unbezahlbaren Dienst erwiesen!«

»Wirklich? Nun, wenn Sie’s nicht an mein Jedächtnis zahlen können, so dann doch lieber an mir selbst! Mein Jedächtnis und ik, wir stehen so jut miteinander, daß ik allens, wat ihm zukommt, inkassieren kann. Ik hab’s selbst nicht jewußt, daß ik diese Namen noch im Kopfe hatte. Soll mir freuen, wenn Sie jeschmack an dieselben finden!«

»Sie selbst kennen eine von diesen Quellen. Sie haben da, wo Sie nach der Schildkröte gruben, viel Fische gefangen. Sie waren an der Fuente de los pescados, an der Fischquelle. Die zweite liegt jenseits des Waldes in der Nähe des Lago honda; das Bassin, in welches sie fließt, ist voller Blutegel; daher ihr Name. Die dritte fließt am Ende der undurchdringlichen Waldung in eine Sumpflagune, welche voller Krokodile ist, und die vierte besteht aus zwei Einzelquellen, welche sich bald nach ihrem Austritte vereinigen, daher der Name Zwillingsquelle. Jede dieser Quellen ist von der andern anderthalb Pferdetagereisen entfernt, und sie liegen in einer schnurgeraden Linie. Wenn man diese Linie nach Nordwest verlängert, muß man unbedingt an den Palmensee kommen, den wir nicht kennen und an welchem die Soldaten zusammentreffen sollen. Wie schlau, die Verstecke an diesen Quellen anzulegen! Man kann von einer zur andern durch die Wüste gelangen, ohne daß die Reit- und Transporttiere übermäßig dursten müssen. Fritze, ich danke Ihnen! Nun ist mein Plan fertig. Wir reiten diesen Roten nach den Quellen voraus und nehmen die Nester aus, ehe sie hinkommen. Und dann geht es nach dem Palmensee, um die Soldaten festzunehmen. Dieser Ort scheint sehr gut gewählt zu sein, da dort oben die zahlreichsten und wohlhabendsten Stämme der Cambas wohnen, Der Gambusino würde also mit seinen Abipones und den weißen Soldaten eine Beute machen, wie sie noch nicht vorgekommen sein dürfte. Aber wir werden ihnen das Handwerk legen!«

»Ja, dat werden wir,« stimmte Fritze fröhlich ein. »Wollen Sie zujeben, Herr Hammer, dat so eine Gigantochelonia auch ihre scharmanten Seiten hat? Ohne dieses Riesentier wären Sie nicht hinter dat Jeheimnis jekrochen. Sie wollten uns nicht mitnehmen; nun aber hoffe ik von Ihrer dankbaren Zärtlichkeit, daß Sie uns zwei Sitzplätze an Ihrem Herzen jönnen und uns da, wat Sie “dort oben” nennen, eine Stelle in der Mutter Erde zeijen, wo wir eine bessere Schildkröte finden, als diejenige war, deren Incognito in einer für uns so jrausamen Weise jelüftet worden ist!«

»Ja, Sie sollen mit, und wenn Sie nichts im Diluvium entdecken, so soll die Schuld nicht an mir liegen. Ich schaffe Ihnen den größten Riesenfrosch zur Stelle, den es zu Noahs Zeit gegeben hat, und der nur deshalb von Noah nicht gerettet werden konnte, weil die Arche, selbst wenn sie gar kein Tier aufgenommen hätte, für ihn allein zu klein gewesen wäre.«

»Dat läßt sich hören. Meine Hochachtung wächst nun auch so riesenjroß vor Ihnen, wie dieser Frosch jewachsen ist. Bauen Sie sich eine Arche dafür!«

»und ich,« versprach der begeisterte Morgenstern, »werde nun auf das Sorgfältigste auf alle Gespräche achten, welche sich auf Revolution und Totschlag beziehen, denn ich sehe ein, daß man dadurch zu großen paläontologischen Errungenschaften gelangen kann.«

»Gut, lieber Landsmann! Nun aber rate ich Ihnen an, sich schlafen zu legen, denn Sie sind weidlich maltraitiert worden und bedürfen der Erholung. Morgen früh wird mit Tagesgrauen aufgestanden, und dann erwartet uns wohl ein Ritt, der für Sie anstrengend sein dürfte. Zur guten Nacht aber will ich Ihnen noch das offene Geständnis machen, daß ich mich freue, Ihre Werkzeuge gerettet zu haben. Wir können sie jetzt sehr gut gebrauchen, da wir die Magazine aufzugraben haben.«

Dieses Geständnis machte den Gelehrten so stolz, daß er seinem Diener freudig zuflüsterte:

»Hast du es gehört, Fritze, sie brauchen mich und meine Sachen; hast du es auch wirklich gehört? Ein Zoopaläontologe ist zu aller Zeit und an jedem Orte eine vielgesuchte Persönlichkeit. Du wirst immer mehr einsehen, daß kein Mensch ohne die Wissenschaft, lateinisch Scientia genannt, zu existieren vermag.«

Er schlief so befriedigt ein, wie seit langen Zeiten nicht. Auch die andern gaben sich der tiefsten Ruhe hin, und nur von Stunde zu Stunde wurden drei geweckt, um die schon erwähnten Wächter abzulösen.

Kaum graute der Morgen, so riefen die letzten Posten ihre Gefährten wach, denn man mußte den Umstand mit in Betracht ziehen, daß der Gambusino mit seinen Indianern noch in der Lichtung stecken und diese Stunde zu einem Ueberfalle für geeignet halten könne. Man nahm sich vorläufig noch nicht Zeit zu einem Imbisse, sondern der Vater Jaguar gab den Befehl, zu Pferde zu steigen und gegen die Lichtung vorzurücken. Er war zwar vollständig überzeugt, daß dieselbe während der Nacht geräumt worden sei, hielt aber doch die Vorsichtsmaßregel für angezeigt, einige Mann zu Fuß als Aufklärer vorausgehen zu lassen.

Diese schritten, immer gute Deckung suchend, dem gestrigen Lagerplatze der Indianer zu. Als sie denselben leer fanden, gaben sie ihren Kameraden ein Zeichen, herbeizukommen. Darauf setzten sich auch diese Eclaireurs zu Pferde, und dann ging es in gestrecktem Galopp in dem Einschnitte weiter fort, bis der Wald ein Ende hatte.

Hier sah man die Spuren der Indianer, welche hinaus in den Camp führten. Sie lieferten den Beweis, daß die Feinde den Wald schon gestern abend verlassen hatten. Ob diese die jetzige Richtung eingehalten hatten oder ob dieselbe nur eine Finte sei, das wußte man jetzt noch nicht; jedenfalls aber war es angezeigt, sich auf einen Ritt durch die dürre Wüste gefaßt zu machen. Man brauchte also Wasser. Glücklicherweise kannte der Vater Jaguar gar nicht weit von hier eine Stelle, wo am Waldesrande ein Wässerchen erschien, um schon einige Schritte davon wieder in den Boden einzudringen. Wer in der Wildnis lebt, der merkt sich solche Orte nur zu gut und vergißt gewiß nie einen derselben. Man trank sich satt, ließ auch die Pferde zur Genüge trinken und machte sich dann mit der Ueberzeugung auf den Weg, anderthalb Tagesreisen weit keinen Tropfen wieder zu sehen zu bekommen.

 

Man folgte natürlich den noch sichtbaren Spuren der Abipones und gelangte in kurzer Zeit an die Stelle, wo der Trupp gelagert hatte. Der Vater Jaguar ließ da anhalten, um die Stelle zu untersuchen. Auch Geronimo betrachtete das niedergelagerte Gras sehr genau und gab dann sein Urteil ab:

»Hier haben sie bis zum Anbruche des Tages gelegen. Sie sind also vor noch nicht gar langer Zeit erst fort, aber sonderbarerweise wieder nach dem Walde zurück. Welchen Grund können sie dazu gehabt haben?«

»Es gibt zwei Gründe, welche man sich denken kann,« antwortete der Vater Jaguar. »Nämlich entweder ist ihre Rückkehr nur eine einfache List, welche den Zweck hat, uns irre zu führen und von ihrer Spur abzubringen, oder sie ist eine taktische Maßregel, welcher die Absicht zu Grunde liegt, die gestrige Schlappe auszuwetzen.«

»Inwiefern eine solche Maßregel?«

»Sie nehmen vielleicht an, daß wir uns noch da befinden, wo wir gestern abend gewesen sind, und wollen uns dadurch, daß sie den Wald an einer andern Stelle durchqueren, in den Rücken kommen, um uns plötzlich zu überfallen.«

»Das ist allerdings leicht denkbar. Sie wollen sich empören, und wenn sie noch wie vorher bei der Dummheit beharren, deinen Landsmann für den Obersten Glotino zu halten, so müssen wir freilich annehmen, daß sie alles thun werden, ihn entweder wieder in ihre Hände zu bekommen, oder auf sonst eine Art und Weise unschädlich zu machen. Es ist darum leicht möglich, daß sie einen Ueberfall planen. Meinst du, daß sie uns nachreiten werden, wenn sie bemerken, daß wir unsern Lagerplatz schon verlassen haben?«

»Vielleicht thun sie es, vielleicht auch nicht.«

»Sie mögen kommen! Sie sind uns nur dann gefährlich, wenn es ihnen gelingt, uns plötzlich zu überfallen, sonst aber sind wir ihnen überlegen. Es würde mich freuen, wenn sie sich an uns wagen sollten. Unsre Kugeln würden tüchtig unter ihnen aufräumen.«

»Was das betrifft, so bin ich überzeugt, daß sie uns nicht offen angreifen werden. Wir müssen zwar mit der Möglichkeit rechnen, daß sie uns jetzt suchen; ich halte es aber für wahrscheinlicher, daß sie zurückgekehrt sind, um uns von ihrer Fährte abzubringen und uns zu der Ansicht zu verleiten, daß sie es aufgegeben haben, nach dem Palmensee zu gehen.«

»Sollten sie wirklich auf diesen klugen Gedanken geraten sein?«

»Klug, sagst du? Ich nenne es keine Klugheit, mich für so dumm zu halten, daß ich mich von solchen Leuten täuschen lasse. Sie wissen, daß der Doktor und sein Diener alles gehört haben, was gesprochen worden ist; sie können es sich denken, daß diese beiden es uns mitgeteilt haben und daß ich also den Palmensee als das Ziel ihres Rittes kenne. Es erfordert gar keine große List, einzusehen, daß ich den See aufsuchen werde, und wenn sie glauben, daß sie mich durch irgend eine Finte davon abbringen können, so sind sie nicht klug, sondern dumm.«

»Du meinst also, daß wir jetzt weiter reiten und die Richtung, welche sie von hier eingeschlagen haben, gar nicht berücksichtigen?«

»Berücksichtigen muß und werde ich sie, aber nicht in der Weise, wie sie es wahrscheinlich erwarten. Ich muß erfahren, was sie vorhaben, und werde also dieser Fährte so weit nachreiten, bis ich weiß, woran ich bin. Du begleitest mich, die übrigen mögen hier bleiben, um auf uns zu warten.«

Er forderte seine Leute auf, vorsichtig zu sein und acht auf den Weg zu geben, den sie jetzt gekommen waren, da es möglich sei, daß die Gegner die Absicht hegten, ihnen auf demselben zu folgen. Dann ritt er mit Geronimo davon, indem beide in gestrecktem Galopp den Hufstapfen folgten, welche die Pferde der Abipones im Grase zurückgelassen hatten.

Die beiden Reiter erreichten den Wald und die durch denselben führende Blöße, durch welche die Gegner ihnen vorangeritten waren, und jagten über dieselbe hin, bis sie den jenseitigen Ausgang des Waldes erreichten. Da lag der offene Campo wieder vor ihnen, und man sah deutlich, daß die Spuren quer über denselben nach dem Flusse führten. Der Vater Jaguar parierte sein Pferd und sagte:

»Es ist so, wie ich dachte. Hätten sie uns verfolgen wollen, so wären sie hier links eingebogen, um am Rande des Waldes hin die Gegend zu erreichen, in welcher sie uns vermuten mußten. Daß sie das nicht gethan haben, sondern nach dem Flusse gegangen sind, läßt mich mit Sicherheit darauf schließen, daß sie die alberne Absicht hegen, uns irre zu leiten.«

»Auch ich bin jetzt dieser Ansicht, welche freilich kein großes Kompliment für uns ist. Wenn diese Kerls glauben, daß es so leicht ist, uns zu täuschen, so können sie keine große Meinung von uns haben. Uns irre leiten! Wie wäre das möglich, da wir ihre Spur doch stets vor Augen haben würden!«

»Nicht stets. Gerade weil wir dieser Fährte eine immerwährende Aufmerksamkeit widmen müssen, könnten wir nicht so schnell reiten, wie diese Leute jedenfalls geritten sind. Wir müßten am Abende anhalten, da wir in der Nacht die Spur nicht sehen können. Falls sie dann des Abends weiter ritten, würden sie einen solchen Vorsprung vor uns bekommen, daß am nächsten Tage die Fährte wohl schwerlich noch zu erkennen sein würde. Es ist nicht schwer, diese ihre Absicht zu durchschauen. Wir lassen uns freilich nicht täuschen. Wir wissen, daß sie nach dem Palmensee wollen, und wenden uns also stracks dieser Richtung zu. Kehren wir also jetzt um!«

Sie ritten zurück, und als sie bei den Ihrigen anlangten, wurde nach dem Lago de los Carandayes aufgebrochen. Das erste Ziel, die erste Station dorthin war, wie bereits erwähnt, die Fuente de las sanguijuelas, die Blutegelquelle, welche in nordwestlicher Richtung lag und mit anderthalbem Tagesritt erreicht werden konnte.

Der Boden war durchweg eben und zunächst mit dem bekannten Camposgrase bewachsen. Je weiter man sich aber von dem Flusse entfernte, desto spärlicher wurde dieses Grün, und endlich hörte es ganz auf; der Boden wurde sandig und glich später einer Wüste, in welcher keine Spur von organischem Leben vorhanden zu sein schien. Der Sand besaß angenehmerweise eine so geringe Tiefe, daß er die Schnelligkeit des Rittes nicht beeinträchtigte.

Der Vater Jaguar hatte zunächst die Besorgnis, daß Doktor Morgenstern, der kein guter Reiter sein konnte, Veranlassung zu Verzögerungen geben werde, doch erwies diese Befürchtung sich nicht als stichhaltig. Der kleine rote Gelehrte nahm sich zusammen; er saß zwar keineswegs schön zu Pferde, hielt sich aber doch ganz leidlich und begann erst gegen Abend über Müdigkeit zu klagen. Als dann zum Nachtlager mitten in der Wüste angehalten wurde, zeigte es sich, wie wacker er sich gehalten und alle Widerwärtigkeiten still und standhaft ertragen hatte. Er war nämlich so steif, daß man ihn aus dem Sattel heben mußte; er wurde, da er nicht stehen konnte, in den Sand gelegt.

Der Vater Jaguar freute sich über diesen Heroismus des kleinen Mannes und sagte in freundlichem Tone zu ihm:

»Warum haben Sie mir nicht gesagt, daß Sie sich so angegriffen fühlen? Wir hätten doch etwas langsamer reiten können.«

»Danke, Herr Hammer!« antwortete der Kleine. »Ich habe eingesehen, daß es sich je schneller desto glatter reitet, und da ich mir einmal vorgenommen habe, Ihnen nicht beschwerlich zu fallen, so sollen Sie keine Klage von mir hören. Uebrigens haben Sie versprochen, mir zu einem Riesentiere zu verhelfen, und je eher wir dahin kommen, wo es zu finden ist, um so besser ist es. Meine Beine sind zwar steif und haben alles Gefühl verloren, aber ich denke, daß schnell eine Besserung, lateinisch Emendatio genannt, eintreten wird.«

Diese Hoffnung ging bald in Erfüllung, so daß Morgenstern die Dienste, welche der Chirurg ihm anbot, zurückweisen konnte.

Leider gab es für die Pferde keine Weide; sie mußten sogar auf das Wasser verzichten. Die Reiter verzehrten jeder ein Stück Dürrfleisch und legten sich dann schlafen, da mit dem ersten Morgengrauen aufgebrochen werden sollte. Um diese Zeit ging es weiter, gerade wie gestern immer über Sand, bis gegen Mittag am Horizonte ein dunkler Streifen auftauchte. Der Vater Jaguar verkündete, indem er auf denselben deutete: