Tasuta

Das Vermaechtnis des Inka

Tekst
Autor:
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Cuidado, Señores! Bringt die Gewehre; es ist ein Jaguar da!«

Er stieß diesen Ruf nicht aus Furcht aus. Daß er sich auch ohne Gewehr nicht fürchtete, bewies er dadurch, daß er ruhig weiterging. Nur hatte er das Dolchmesser gezogen, um im geeigneten Augenblicke die Klinge bereit zu haben. Seine laute, weithin schallende Stimme war nicht nur in das Dorf zurück, – sondern auch über den ganzen großen Weideplatz gedrungen und da an die Ohren von zwei Personen, denen das sonderbare Verhalten der Tiere noch gar nicht aufgefallen war.

Diese beiden Personen waren Anton Engelhardt und der Inka. Die Freundschaft der beiden Jünglinge war während der letzten Tage womöglich noch inniger geworden, als sie vorher gewesen war. Sie hielten, wie auch schon früher, stets zu einander. Da mußte Anton von seiner Heimat erzählen, nicht von Peru, sondern von Deutschland, woher seine Eltern stammten, von andern Ländern, von deren Bewohnern und ihren Verhältnissen. Er hatte einen sehr guten Unterricht genossen und viel gelernt; darum konnte er dem Freunde sehr wohl die gewünschte Auskunft geben. Sie hatten von den Religionen der verschiedenen Völker gesprochen, von ihren Regierungsformen, ihren Herrschern und deren Machtbefugnissen, von den Streitkräften und den Verheerungen, welche die gegenwärtigen Waffen anzurichten im stande sind. Je mehr der junge Inka gehört hatte, desto einsilbiger und nachdenklicher war er geworden. Er begann mehr und mehr einzusehen, daß der Traum, den er bisher geträumt hatte, eben nur ein Traum sei und ein solcher bleiben werde.

Es fiel ihm nicht ein, seinem alten Anciano etwas davon zu sagen. Er wollte den treuen Beschützer nicht kränken.

Heute, als die Beratung begann, hatten sie geglaubt, zu jung zu sein, um an derselben teilzunehmen. Es hätte ihnen niemand verwehrt, bei den Alten zu sitzen, um zuzuhören und auch wohl ein Wort zu sagen, dennoch hielten sie es in ihrer berechtigten Bescheidenheit für geraten, fern zu bleiben, und so hatten sie, sich Hand in Hand führend, einen Spaziergang unternommen. Sie kamen nach der Weide hinaus und gingen in nicht allzu großer Ferne vom Walde parallel mit dem Rande desselben hin. Es war ihnen nicht eingefallen, ein Gewehr mitzunehmen. Anton hatte das Messer und den Revolver mit; der Inka trug auch ein Messer im Gürtel, und dazu hing ihm sein Streitkolben, von dem er sich nie zu trennen pflegte, an der linken Seite nieder. Der erstere erzählte wie gewöhnlich, der letztere hörte still zu und warf zuweilen eine wißbegierige Frage dazwischen. Da vernahmen sie von drüben herüber eine donnernde Stimme:

»Cuidado, Señores! Bringt die Gewehre; es ist ein Jaguar da!«

»Das war der Vater Jaguar,« sagte Anton, indem er stehen blieb und unwillkürlich seinen Revolver zog. »Sollte eine Onze, ein Tiger, in das Dorf gedrungen sein?«

»Nein,« antwortete Haukaropora. »Die Stimme kam nicht aus dem Dorfe, sondern von der andern Seite der Weide her. Wir haben uns zu weit entfernt. Laß uns zurückkehren!«

Sie entfernten sich vom Walde, um sich dem Dorfe zu nähern, und kamen dabei an einer Rindergruppe vorüber. Als der Inka die Haltung dieser Tiere sah, sagte er:

»Wir müssen uns beeilen. Diese Ochsen stehen zur Verteidigung bereit, und da sie die Hörner tief senken, so ist der Jaguar nicht nur da, sondern er muß sich hier in der Nähe befinden.«

Sie eilten mit raschen Schritten vorwärts, dorthin, wo sechs oder sieben Pferde, die Kruppen nach auswärts gerichtet, mit zusammengesteckten Köpfen einen Verteidigungskreis bildeten. Die Tiere schnaubten und standen mit den Hinterhufen keinen Augenblick still. Haukaropora ging links, Anton aber rechts vorüber, weil er da glaubte, näher zu kommen. Eben war er um die Pferdegruppe gebogen, als er seitwärts von derselben und vor sich etwas Dunkles im Grase liegen sah. Was es war, konnte er nicht erkennen, da die Sichel des Mondes nicht hell genug schien. Er hielt den Gegenstand oder das Tier für ein junges, an der Erde liegendes Kalb oder Füllen und wollte an demselben vorüber. Da erhob es sich und nun sah er allerdings, wen er vor sich hatte: es war der Jaguar, welcher zwar aufgesprungen war, sich aber zum Sprunge sofort wieder niederduckte. Flucht wäre da das Schlimmste gewesen. Anton blieb also stehen, spannte den Revolver und zog mit der linken Hand sein Messer. Was er in diesem Augenblicke fühlte, das war eigentlich nicht Furcht, sondern eine Empfindung, für die es keine Bezeichnung gibt.

»Hauka,« rief Anton, »der Jaguar!«

Eben kam der Inka um die andre Seite der Pferdegruppe. In demselben Augenblicke that der Jaguar den Sprung auf Anton zu. Dieser jagte ihm eine Kugel entgegen, wurde aber von dem Tiere niedergerissen. Er fühlte die schwere Last der Bestie auf sich liegen und roch den stinkenden Hauch derselben. Er war sicher, nun von den Krallen zerfleischt, von den Zähnen zermalmt zu werden; da aber hörte er über sich einen Krach, wie wenn man mit einer Axt auf den Hackstock schlägt; der Jaguar richtete

sich halb auf und rollte dann, ohne einen Laut auszustoßen oder nur zu röcheln, zur Seite. Anton fühlte sich von der Last frei; es war ihm aber, als ob er es noch gar nicht glauben dürfe; darum blieb er noch liegen. Da beugte sich der Inka über ihn und fragte in liebevollem Tone:

»Bist du verletzt, Antonio? Hat dich seine Kralle oder sein Rachen getroffen?«

»Ich glaube nicht,« antwortete der Gefragte. »Es thut mir nichts weh. Da liegt das Tier. Was ist mit ihm?«

»Es ist tot; ich habe es mit meinem Humantschuay erschlagen. Eben als du mich gerufen, sprang er auf dich ein. Du gabst ihm eine Kugel und ich sprang hinter ihm her, um ihm mit dem Kolben den Schädel einzuschlagen. Steh auf, daß wir sehen, ob du Schaden erlitten hast!«

Anton erhob sich. Es war ihm nichts geschehen. Selbst sein Anzug war vollständig unverletzt. Ob der Schuß das Tier so konsterniert hatte, daß es seine scharfen Waffen nicht sofort gebraucht hatte?

Der Gerettete drückte seinen Retter innig an sich und sagte:

»Ohne dich lebte ich jetzt nicht mehr; ich wäre zerfleischt. Wie kann ich dir danken?«

»Dadurch, daß du mich immer so liebst, wie du mir jetzt gewogen bist. Das ist mir lieber als alles. Doch laß uns nun zu den Unsrigen zurückkehren.«

»Und was geschieht mit dem Tiger?«

»Den lassen wir einstweilen liegen; die Cambas mögen ihn holen.«

Sie kamen aber noch nicht von der Stelle fort, eben jetzt kam der Vater Jaguar. Er hatte den Ruf Antons und den Revolverschuß gehört und war dem Bedrängten zugeeilt. Als er den Fall übersah, bückte er sich zu dem Raubtiere nieder, untersuchte dasselbe und sagte dann:

»Ein Weibchen, ein gewiß fünfjähriges Weibchen. So einen großen Jaguar habe ich noch selten gesehen. Hauka, du bist wirklich ein junger Held, vor dem ich alle Achtung habe. Und welch ein gewaltiger Hieb! Du hast ihm den Schädel eingeschlagen. Hier nimm meine Hand! Ich muß dir die deinige drücken und schütteln, denn ich bin überzeugt, daß du einst ein tüchtiger Mann sein wirst.«

Dieser Händedruck war dem jungen Inka sehr viel wert. Eine Anerkennung von diesem Manne galt ihm höher, als das Lob vieler andrer.

Die drei kehrten nach dem Dorfe zurück. Als die in demselben Befindlichen das Abenteuer erfuhren, brachen sie alle, Männer, Weiber und Kinder, auf, um den Jaguar im Triumphzuge heimzuholen. Er wurde sofort aus der Haut geschält. Das Fell gehörte natürlich dem Inka, da dieser das Tier erlegt hatte; er nahm es aber nicht an, sondern schenkte es Anton als Andenken an die Gefahr, aus welcher er von dem Freunde gerettet worden war. Haukaropora hatte schon bisher die Teilnahme der ganzen Gesellschaft genossen; von heute an bemerkte man noch viel deutlicher, daß sie ihn wirklich achteten und einem erwachsenen Manne für gleichwert hielten.

Die Bewohner des Dorfes räumten mehrere Häuser, damit ihre Gäste einmal unter Dach schlafen konnten. Die Folge davon, daß der Häuptling Boten ausgesandt hatte, war noch vor morgens zu bemerken, denn es stellten sich schon während der Nacht viele Krieger aus den näher liegenden Dörfern ein. Im Laufe des Vormittags kamen noch viel mehr und dann auch mit Sack und Pack diejenigen Familien, welche vor den Abipones hatten weichen müssen, weil ihre Wohnungen auf der Route derselben lagen.

Es wurden diejenigen Krieger ausgesucht, welche die meiste Intelligenz besaßen; diese erhielten Schießgewehre. Gewehre bekamen natürlich auch alle Häuptlinge, welche mitgekommen waren, und deren gab es nicht wenige, weil jedes Dorf einen Häuptling hat. Sie werden Kaziken genannt. Diese Leute zeigten sich sehr anstellig, so daß der Vater Jaguar am Abende des zweiten Tages sagen konnte, er sei überzeugt, daß ein jeder seine Schuldigkeit thun werde. Um diese Zeit befanden sich über sechshundert junge, rüstige Cambaskrieger in dem Dorfe. Da gab es natürlich zu backen und zu braten die Hülle und die Fülle. Die armen Leute mußten fast alles hergeben, was sie an Nahrungsmitteln im Vorrate besaßen. Mußten doch die Krieger, wenn sie auszogen, sich für mehrere Tage mit Proviant versehen, da man die Ereignisse nicht vorherzusehen vermochte. Der Vater Jaguar tröstete sie aber mit der Versicherung, daß der Besiegte gezwungen sein werde, alle Kriegskosten zu bezahlen und vielleicht auch noch mehr zu erstatten. Waren die Verbündeten doch schon jetzt in den Besitz guter Gewehre und außerdem von achtzig sehr brauchbaren Pferden gekommen.

Am nächsten Morgen verließ der Vater Jaguar mit dem Inka und dem alten Anciano das Dorf, um dem Feinde als Kundschafter entgegenzureiten. Es galt nämlich nicht nur, möglichst genau die Zeit der Ankunft der Abipones zu erfahren, sondern es war ja auch möglich, daß sie nicht den erwarteten Weg eingeschlagen hatten. In diesem Falle mußten ganz andre Dispositionen getroffen werden, und da war es höchst notwendig, die Richtung, aus welcher sie kommen würden, auszuspähen. Er nahm gerade Hauka und Anciano mit, weil er wußte, daß diese im Kundschaften Vortreffliches leisteten. Am folgenden Morgen sollten die Krieger der Cambas dann nach dem Thale des ausgetrockneten Sees ziehen, um dort diejenige Aufstellung zu nehmen, welche er ihnen ebenso deutlich und bestimmt wie ausführlich vorgeschrieben hatte. Angeführt sollten diese Leute während seiner Abwesenheit von dem treuen und geschickten Geronimo werden, ein Umstand, welcher den Aerger des Lieutenants Verano von neuem auflodern ließ.

 

Als der Anführer mit seinen beiden Begleitern fortgeritten war, sagte Doktor Morgenstern zu seinem Fritze:

»Jetzt ist er nicht mehr da. In seiner Anwesenheit konnte ich unmöglich wagen, meinen Plan auszuführen. Er hat die Augen überall und hätte unser Verschwinden sofort bemerkt. Dann wäre er uns nachgeeilt, um uns zurückzuholen.«

»Und dat wäre eine Blamage jewesen, die mir tüchtig jeärgert hätte,« bemerkte Fritze. »Also Sie denken noch oft und manchmal daran, Ihren Plan auszuführen?«

»Ja. Je länger ich es mir überlegte, desto mehr habe ich eingesehen, daß ich sonst um diese herrlichen Knochen komme. Wirst du mich im Stiche lassen?«

»Fällt mich nicht im Traume ein! Lieber lasse ich mir selbst im Stiche, als Ihnen; dat wissen Sie ja.«

»Nun gut, so wird es ausgeführt.«

»Aber wann?«

»Wann denkst denn du? Am Tage wird es wohl nicht möglich sein?«

»Nein, denn dieser Jeronimo, mit die jroße Habichtsnase, würde uns nicht fortlassen. Wir können also nur des Nachts ausrücken. Da wird es auch nicht bemerkt, wenn wir die Pferde beiseite führen und auch die Sattels unbemerkt mitjehen heißen.«

»Wieviel Pferde nehmen wir?«

»Zwei Reit- und drei Packpferde. Mehr brauchen wir nicht. Riemen zum Festbinden der Knochen werde ik mich auch verschaffen. Lassen Sie dat allens nur mich über. Sie wissen, daß Sie sich auf mir verjiften können.«

Der schlaue Patron beschäftigte sich den ganzen Tag mit den Vorbereitungen, welche die Ausführung dieses unvorsichtigen Vorhabens nötig machte. Am Abende ging man sehr zeitig schlafen, da morgen früh ausmarschiert werden sollte, und so kam es, daß er um Mitternacht seinem Herrn sagen konnte, daß alles bereit und fertig sei. Er hatte im Laufe des Abends drei Packsättel und zwei Reitsättel nach dem Walde geschafft und dann auch die Pferde heimlich hingeführt und angebunden. Jetzt nahmen sie ihre Waffen an sich und huschten davon. Als sie bei den Pferden ankamen, sattelten sie dieselben, hingen die Packpferde aneinander, um sie nebenher zu führen, stiegen dann auf und ritten davon, natürlich in derselben Richtung, aus welcher sie drei Tage vorher gekommen waren. Als sie das Dorf weit genug hinter sich hatten, lachte Fritze vergnügt auf und sagte:

»Wat für ein Schreck wird dat früh sein, wenn sie sehen, daß wir verschwunden sind! Ik bin bejierig, zu erfahren, wat sie dann machen werden, um sich wieder mit unsre hochzuverehrende Gejenwart zu beglücken.«

»Sie werden sich keine große Mühe geben. Uebrigens ist mir das höchst gleichgültig, wenn ich nur zu meinen Knochen komme. Hoffentlich liegen sie noch an demselben Orte.«

»Wer soll sie wegjenommen haben? Es hat nicht jeder sonne Passion darauf, wie wir. Die Knochen sind noch da!«

»Aber ob wir sie finden!«

»Janz sicher.«

»Der Mond ist so dünn wie ein Messerrücken und man sieht kaum, wohin man reitet!«

»Ik verlasse mir nicht auf den Mond, sondern auf mein Jedächtnis. Ik weiß die Richtung so jenau, als ob ik hier zwanzig Jahre lang Briefträger jewesen wäre.«

Ja, die Richtung kannte er und hielt sie auch ein, aber als sie dann den Wald vor sich hatten, bildete dieser eine dunkle, zusammenhängende Masse, und es war ihnen ganz unmöglich, die Stelle zu finden, an welcher sie vor drei Tagen unter seinen Bäumen heraus und auf die freie Ebene gekommen waren. Sie mußten also absteigen und dann warten, bis die Sonne aufgegangen war. Selbst dann suchten sie längere Zeit, hielten verschiedene Stellen für die richtige und mußten mehrmals umkehren. Es war wohl schon zwei Stunden lang Tag, als sie ganz zufällig auf die Fährte des Vater Jaguar trafen, die ihnen nun als Richtschnur dienen konnte. Diese Fährte war nach so langer Zeit noch erhalten, weil hier das Gras hoch und dicht stand und die Reiter es nicht für nötig gehalten hatten, vorsichtig zu sein. Indem die beiden derselben von jetzt an folgten, kamen sie glücklich durch den Wald bis an den kleinen Bach und, dann diesen zum Führer nehmend, hinab in das Thal des ausgetrockneten Sees.

Hier ließen sie ihre Pferde trinken und ein wenig verschnaufen, und dann setzten sie ihren Weg fort. Sie sahen auch jetzt noch sehr deutlich die Spur des Vater Jaguar und seiner beiden Begleiter. Als sie das Thal hinter sich hatten, blieb Fritze nachdenklich halten, sah vom Pferde herab auf diese Spur nieder und sagte:

»Wenn ik mir nicht irre, so hat der Vater Jaguar sich jeirrt, und wenn er recht jehabt hat, so muß ik mir wejen meines Irrtums schämen.«

»Wieso? Was meinst du damit?« fragte der Doktor.

»Er ist zu weit nach links jeritten. Der richtije Weg jeht mehr da nach rechts hinüber.«

»Du wirst dich täuschen. Der Vater Jaguar ist nicht der Mann, sich im Wege, lateinisch Via oder Trames genannt, zu irren.«

»Aber ik kann alle meine fünf Jedanken zusammennehmen, so komme ik doch auf keine andre Ahnung. Ob er sich vielleicht ein andres Ziel gesetzt hat?«

»Nein. Er nimmt an, daß die Feinde genau daher kommen, woher wir auch gekommen sind, und so versteht es sich von selbst, daß er ihnen nach dem Sumpfe der Knochen und noch weiter entgegengeritten ist.«

»Wenn dat richtig ist, so ist mich das Augenmaß vollständig verloren jegangen. Als wir hierher kamen, sind wir schnurjerade auf dieses Thal zujeritten, wir hatten es jerade der Nase nach vor uns liegen. Und wenn ik mir jetzt auf diese Spur stelle, so liegt es von mich aus zu viel nach links. Der Vater Jaguar muß also abgewichen sein.«

»Gewiß nicht. So ein Mann macht keinen solchen Fehler.«

»Dat scheint auch mich richtig zu sind. Ik denke, daß ich mir eher irre als er. Wie reiten wir also?«

»Gerade so wie er. Dann kommen wir ganz sicher nach dem Sumpfe der Knochen.«

»Jut, ik will Ihnen jehorchen. Hoffentlich kommen wir nicht nach Connewitz, anstatt nach Stötteritz.«

Sie folgten der Spur also auch noch fernerhin. Es vergingen einige Stunden, und doch kamen sie nicht an eine einzige Stelle, von welcher sie mit Bestimmtheit sagen konnten, daß sie auf ihrem Herwege an derselben gewesen seien. Dann gab es sandigen Boden und die Fährte war nicht mehr zu sehen. Sie hielten die bisherige Richtung genau fest, obgleich die Gegend ihnen vollständig unbekannt vorkam. Wieder verging eine längere Zeit; da parierte Fritze die Pferde und sagte:

»Ik habe mir doch nicht jeirrt; wir sind falsch jeritten. Wir müßten nun längst an dem Sumpfe sein.«

»Das ist wahr. Aber der Vater Jaguar kann sich doch nicht im Wege täuschen!«

»So hat er eine Absicht jehabt, einen Jrund, den Sumpf zu vermeiden.«

»Und wir haben eine kostbare Zeit verloren. Was ist zu thun, lieber Fritze? Müssen wir umkehren und etwa wieder nach dem Thale des ausgetrockneten Sees zurück?«

»Dat thue ik nicht, auf keinen Fall. Wir sind zu weit links, also brauchen wir nur nach rechts zu reiten, so kommen wir dahin, wo der Dichter oft und manchmal singt: »An der Quelle saß der Knabe.« Und weil wir zu weit vorgekommen sind, müssen wir uns jetzt zurückhalten, in Summa also rückwärts nach rechts. Wenn wir auch dann nicht an den Sumpf kommen, so lasse ik mir in Butter braten und esse mir selbst als Kalbskotelette auf.«

Diese Berechnung war allerdings sehr richtig, und da sie derselben folgten, kamen sie nach längerer Zeit auf bekanntes Terrain, bogen auf demselben um und sahen dann die Uferbäume des Knochensumpfes vor sich liegen. Leider aber war nun der Tag fast verstrichen, und die Sonne befand sich schon im letzten Achtel ihres Tagebogens. Später erfuhren sie, warum der Vater Jaguar nach links abgewichen war.

An dem Sumpfe angekommen, stiegen sie ab und führten die Pferde, um sie dort anzubinden, vorsichtig in die Nähe der Stelle, wo sie die Knochen liegen gelassen hatten.

»Nun heißt’s schnell machen,« meinte Fritze. »In einer Stunde wird es Nacht. Bis dahin müssen wir die Fracht im Sattel haben. Dann wieder fort.«

»Nicht hier bleiben?«

»Nein. Es ist ja heute der letzte Tag, und da könnten die Abipones kommen. Dat wäre ein Jaudium for ihnen, wenn sie mir und Ihnen erwischten!«

»Ehe die kommen können, kommt der Vater Jaguar vorüber. Sobald er sie erblickt, wird er schnell wieder umkehren.«

»Dat sollte man denken; aber ik kann mir nicht darauf verlassen, da er schon einmal nicht so jeritten ist, wie wir jedacht hatten. Jehen wir an die Arbeit; aber nehmen Sie Ihnen vor die Krokodile in acht! Heute sehe ik erst, wie massenhaft sie hier vorhanden sind.«

Diese Worte Fritzes waren sehr wohl berechtigt, denn wenn man aufmerksam über die Wasserfläche, ganz besonders in der Nähe der Ufer, blickte, konnte man wohl hunderte von diesen Eidechsen sehen. Die Knochen lagen noch so da, wie sie verlassen worden waren. Die beiden Männer machten sich daran, sie in Bündel zusammenzuschnüren. Das ging aber nicht so rasch, wie Fritze es wünschte, denn sein Herr hatte ihm allerlei zu zeigen, zu erklären und hundertmal zu bitten, doch ja die größte Behutsamkeit anzuwenden, damit nichts beschädigt werde. Da gab es bald hier eine Kleinigkeit abzukratzen, bald mußte eine Stelle mit einer Handvoll Wasser gereinigt werden. Die Zeit verging und die beiden achteten nicht auf das, was in der Nähe des Sumpfes geschah. Da hörten sie plötzlich eine laute Stimme sprechen. Sie hatten im Schilfe gekauert und fuhren empor, um zu sehen, wer so unerwartet hier anwesend sein könne. Sie befanden sich hinter einem Buschwerke, welches sie verdeckte, konnten aber zwischen den Zweigen desselben hindurchsehen. Was sie da erblickten, war ganz geeignet, sie im höchsten Grade besorgt zu machen.

Da draußen kam nämlich ein ganzes Heer von Reitern und Fußgängern angezogen. Man sah, daß diese Leute in einiger Entfernung vom Sumpf Halt machen wollten. Jedenfalls beabsichtigte man die Nacht da zuzubringen, und in der Nähe des Sumpfes zu lagern. Einige Reiter, vielleicht zwölf oder vierzehn, waren ganz herangekommen, denn sie hatten von weitem die fünf Pferde gesehen, bei denen sie jetzt hielten. Einer von ihnen war ein Indianer; die andern gehörten der weißen Rasse an. Sie stiegen von ihren Pferden und begannen nach rechts und links im Schilfe nach Spuren zu suchen. Da sie höchstens vierzig Schritte entfernt waren, konnte man ihre Gesichtszüge deutlich erkennen.

»O Jerum, ist dat eine Weihnachtsbescherung!« raunte Fritze seinem Herrn zu. »Warum haben Sie doch so lange geplaudert und gezaudert! Wir konnten längst über alle Berge sind und sitzen nun im schönsten Pfannkuchen drin. Ik habe mich’s doch fast jedacht! Kennen Sie diese Kerls?«

»Leider ja,« antwortete der Doktor, welchem es höchst ungemütlich zu werden begann. »Wenn ich mich nicht irre, so sehe ich dort jenen Antonio Perillo, der auf mich geschossen hat, und auch den Kapitän Pellejo, der uns bei der Gigantochelonia überraschte.«

»Und auch den langen, starken Menschen, welchen sie den jrößten Jambusino nannten! Herr Doktor, schauen Sie hinaus ins Land! Dat sind doch wenigstens achthundert bewaffnete Menschen. Und wer sind sie? Die Abipones! Dat ist eine Suppe, welche uns sehr jesalzen vorkommen wird. Sehen Sie, daß diese Menschen nach uns suchen! Sie denken, wo Pferde sind, müssen auch Reiters sind.«

»Können wir nicht fliehen, mein lieber Fritze?«

»Wohin denn? Hinaus zu die Kerls oder hinein in dat Wasser? Dort fangen uns die Roten, und hier fressen uns die Krokodile.«

»So bleiben wir hier hinter den Büschen stecken. Vielleicht finden sie uns nicht. Ist es dann dunkel, was der Lateiner caliginosus oder obscurus nennt, so fliehen wir.«

»Dat bilden Sie Ihnen ja nicht ein, denn ehe fünf Minuten in die Ewigkeit jeflossen sind, haben sie uns beim Zopfe und beim Schopfe.«

»Darin wird’s wohl gefährlich? Nicht?«

»Jemütlich auf keinen Fall.«

»Was sagen wir, wenn sie uns fragen, was wir hier wollen?«

»Jut, daß Sie diese Frage aussprechen. Sie antworten jar nichts. Dat Reden wird meine Aufjabe sind. Am allerwenigsten aber dürfen diese Leute wissen, daß der Vater Jaguar hier ist und daß die Cambas von dem Ueberfalle wissen. Wir sind janz allein hierher jeritten. Dabei bleiben wir, selbst wenn sie uns erst pfählen, dann spießen, nachher aufhängen, endlich verjiften und schließlich zuletzt jar ermorden wollen. Verraten wir unsre Freunde, so sind wir verloren, denn nur durch diese können wir jerettet werden. Selbst wenn wir uns verteidigen wollten, würde dat unmöglich sind, weil wir die Waffen dort bei die Pferde haben. Passen Sie auf! Jetzt haben sie unsre Spur. Alle juten Jeister! Jetzt jeht der Vorhang in die Höhe! Wie wird’s sein, wenn er wieder niederfällt!«

 

Die Suchenden waren jetzt endlich soweit gekommen, die alten Spuren von den neuen zu unterscheiden; indem sie den letzteren folgten, näherten sie sich rasch und kamen hinter den Busch. Der Gambusino schritt ihnen voran. Als er die beiden kleinen Roten erblickte, machte er eine Gebärde der Ueberraschung und rief dann aus:

»Ay maravilla – o Wunder! Wen treffen wir hier? Das sind ja alte, liebe Bekannte! Willkommen, Señores! Was treiben Sie denn hier? Haben Sie etwa wieder eine Riesenschildkröte gefunden? Wahrhaftig, sie haben es mit alten Knochen zu thun! Nun, die Ihrigen werden bald ebenso aussehen, wie diese hier!«

Er stieß ein höhnisches Gelächter aus, in welches die andern einstimmten. Die beiden wurden angepackt und bis hin zu ihren Pferden gezogen, wo der Boden fest und trocken, also sicherer und zuverlässiger war, als dort am Wasser. Man bildete zunächst einen Kreis um sie; dann suchte man ihre Taschen aus. Alles, was dieselben enthielten, wurde genommen. Man raubte sie jetzt also zum zweitenmal aus. Hierauf erzählte der Gambusino denen von seinen Leuten, welche damals an der Fischquelle nicht mit dabeigewesen waren, unter welchen Umständen die zwei Deutschen seine Gefangenen geworden und ihm dann wieder entkommen waren.

»Vielleicht hätten wir ihnen dort das Leben geschenkt,« fuhr er fort, »denn ich begann wirklich zu glauben, daß dieser dumme Kerl unmöglich Oberst Glotino sein könne. Nun ich ihn aber hier auf dem Gebiete der Cambas finde, gibt es keinen Zweifel mehr darüber, daß wir in ihm den richtigen Mann vor uns haben. So eine Verstellung ist mir wahrlich noch nicht vorgekommen. Sie soll ihm aber nichts nützen, und heut wird ihm auch nicht wieder ein Zufall den Vater Jaguar herbeiführen, der ihn befreit. Señores, werden Sie ihn mir überlassen?«

»Ja, ja, ja,« ertönte es im Kreise.

»Gut! Vorher aber soll er mir einige Auskunft geben. Ich möchte doch gern wissen, was mit dem Vater Jaguar geworden ist.«

»Der ist hinter Ihrer Fährte her,« antwortete Fritze schnell, damit die Fragen an ihn gerichtet werden möchten.

»Was hast du zu reden, vorlauter Bursche! Aber ich will es gestatten, denn vielleicht bist du aufrichtiger als dein Herr, welcher schon damals zu keinem Geständnis zu bringen war. Auch du hast dein Leben verwirkt, kannst es aber retten, indem du uns die Wahrheit sagst. Wußtet ihr damals vorher, daß der Vater Jaguar euch befreien würde?«

»Nein,« lautete Fritzes Antwort.

»Ist er uns am andern Morgen wirklich nachgeritten?«

»Ja.«

»Wie weit?«

»Das wissen wir nicht, weil er uns nicht mitnahm.«

»Warum that er das nicht?«

»Er sagte, er könne uns nicht gebrauchen.«

»Was wollte er denn eigentlich im Gran Chaco?«

»Er wollte mit seinen Yerbateros Thee holen.«

»In welcher Gegend?«

»Das weiß ich nicht. Er war überhaupt sehr verschwiegen gegen uns, und wir erfuhren nur das eine, daß er Ihnen schnell nach wollte, um zu erfahren, wohin Sie gehen würden.«

»Wieviel Leute hatte er bei sich?«

»Vielleicht zwanzig Mann.«

»Wie kommt ihr aber zu diesen Pferden und Waffen? Wir hatten euch doch alles genommen.«

»Er gab sie uns, weil er meinte, daß der Bankier Salido ihn dafür bezahlen würde.«

»Dachte es mir! Und wie kommt ihr nun in diese Gegend?«

»Wir wissen von früher her, daß im Gran Chaco Reste von alten Tieren gefunden werden, und sind aufs Geratewohl hineingeritten. Hier haben wir auch gefunden, was wir suchten.«

»Wo habt ihr Cambas getroffen?«

»Nirgends. Als wir gestern durch einige Dörfer kamen, waren sie leer.«

»Warum?« »Wie kann ich das wissen, Señor!«

Da legte ihm der riesige Gambusino die Faust schwer auf die Achsel und

sagte in grimmigem Tone:

»Höre, Mensch, du bist entweder der größte Dummkopf, den es gibt, oder ein höchst verschmitzter Mensch. In beiden Fällen aber ist es nicht schade, wenn du das Schicksal deines Herrn teilst. Wir wissen nun durch dich, daß wir den Vater Jaguar hinter uns haben und nicht vor uns, wie wir bereits glauben wollten. Das ist genug. Schnürt die Kerls fest an zwei Bäume! Dann werde ich mitteilen, welchen Spaß ich euch mit ihnen mache.«

Diese letzten Worte waren an seine Umgebung gerichtet. Die beiden Deutschen wurden so, wie er es befohlen hatte, angebunden, und dann sprach er leise mit dem Gefolge, welches einen Kreis um ihn gebildet hatte. Das häßliche Gelächter, mit welchem man ihm zustimmte, ließ erraten, daß sein Entschluß ein für die Gefangenen möglichst schlimmer sei. Er trat wieder zu ihnen und sagte:

»Damit es für euch ja keine Möglichkeit gibt, uns abermals zu entkommen, habe ich euch ein zweifaches Todesurteil gesprochen. Ihr sollt gehängt und zu gleicher Zeit von den Krokodilen gefressen werden. Nur der Teufel allein kann euch da noch Hoffnung machen.«

Der Doktor wollte antworten, jedenfalls, um etwas zu seiner Verteidigung zu sagen, Fritze aber ließ ihn nicht dazu kommen, indem er schnell, und zwar in deutscher Sprache, bemerkte:

»Schweigen Sie, Herr! Es würde jedes Wort verjeblich sind.«

»Aber wenn ich diesen Menschen nicht erkläre, daß sie sich in mir irren, sind sie wirklich im stande, uns aufzuhängen!«

»Man wird auf Ihre Worte jar nicht hören.«

»Dann sind wir freilich verloren, lieber Fritze!«

»Denken Sie dat nicht! Wenn Sie uns nicht in diesem Augenblick ermorden, werden wir jerettet werden.«

»Von wem?«

»Vom Vater Jaguar.«

»Unmöglich! Er ist ja nicht da.«

»Ik habe wat jesehen.«

»Was?«

»Ihn selbst. Jrad als dieser Jambusino endete, blickte ik zufälligerweise da über den kleinen Wasserarm hinüber, und da fuhr eine Jestalt aus dem Schilfe empor, welche mich winkte und dann schnell wieder verschwand.«

»Und du meinst, daß es der Vater Jaguar gewesen ist?«

»Er war es; ik habe ihn erkannt.«

»Wahrscheinlich hast du dich geirrt. Die Sonne, lateinisch Sol genannt, ist schon untergegangen, und die Dämmerung tritt ein.«

»Dennoch habe ik mir nicht jeirrt. Es war seine hohe breite Jestalt und auch der lederne Anzug, den er trägt.«

»Vielleicht ist einer der Weißen, die sich bei den Abipones hier befinden, auch so gekleidet.«

»Es war keiner von ihnen. Er winkte mich heimlich zu und versteckte sich rasch wieder. Wenn er zu den Abipones jehörte, brauchte er dat nicht zu thun.«

»Das ist wahr. Du meinst also, daß wir noch Grund zur Hoffnung haben?«

»Ja. Ik bin überzeugt, daß wir noch oft und manchmal jerettet werden.«

Sie hatten sich in dieser Weise so ungestört aussprechen können, weil ihre Widersacher für kurze Zeit fortgegangen waren, um den Abipones zu sagen, wen man gefangen habe und welcher interessanten Scene man sich bald zu erfreuen haben werde. Die Roten hielten infolgedessen in ihren Vorbereitungen zum Lagern inne und kamen herbei, die beiden zu betrachten und zu verhöhnen. Benito Pajaro, der Gambusino, ließ sie erst einige Zeit gewähren und trieb sie dann zurück, indem er sagte:

»Gebt jetzt Raum, damit wir beginnen können. Brennt dort unter dem Alisobaume ein Feuer an! Dann könnt ihr sehen, wie diese beiden Halunken zappeln werden.«

Der Aliso stand so nahe am Wasser, daß die Hälfte seiner Krone sich über demselben befand. Seine untern Aeste waren so stark, daß sie das Gewicht eines erwachsenen Mannes leicht zu tragen vermochten. Man gehorchte der Aufforderung und zündete in der Nähe des Stammes ein Feuer an, durch welches die Krokodile vertrieben wurden, die ganz nahe am Ufer im Wasser gelegen hatten.

»Sie werden bald wiederkommen,« rief der Gambusino dem Doktor in höhnisch tröstendem Tone zu. »Habt also keine Sorge! Ihr werdet ihre Bekanntschaft baldigst machen. Was denkt ihr wohl, was wir mit euch beginnen werden?«