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Das Vermaechtnis des Inka

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Anciano that, wie ihm befohlen worden war. Er band den Lasso von dem Stamme los, hielt ihn aber fest, damit der Doktor nicht in das Wasser fiel; dann ließ er ihn laufen, während Hammer den zwischen Himmel und Erde Schwebenden aus der Luft und herüber an das Ufer zog. Ein Schnitt mit dem Messer, und die Arme des Geretteten waren frei. Er wollte sprechen und sich dabei den Lasso von der Brust entfernen; da aber gebot der Vater Jaguar:

»Stehen Sie still und sprechen Sie jetzt nicht. Der Lasso bleibt jetzt an Ihrem Leibe!«

Er meinte damit nicht den seinigen, den er schon losgebunden hatte, sondern denjenigen, an welchem der Doktor gehangen hatte. Jetzt wieder eine Schlinge legend, warf er sie dem Diener um den Leib, worauf Fritze in ganz derselben Weise herunter- und herübergeholt wurde. Darauf sagte er.

»Man muß denken, daß ihr von den Krokodilen herabgerissen und verzehrt worden seid; darum darf ich euch nicht losbinden und auch nicht losschneiden, sondern ich muß die Lassos so entzwei machen, daß es scheint, als ob sie abgerissen worden seien.«

Er sägte nahe an den Körpern der Geretteten die Riemen in der Weise auseinander, daß er sie mit der Messerschneide aufschabte und dann vollends zerriß. Dann wurden sie wieder an den Baumstamm befestigt, wie sie vorher an denselben gebunden gewesen waren. Die abgerissenen Enden hingen nun ganz in der Weise von den Aesten über dem Wasser herab, daß es genau so aussah, als ob diejenigen, welche daran gehangen hatten, von den Krokodilen herabgezerrt worden seien.

Dies war weit schneller geschehen, als man es beschreiben kann, und während es geschah, hatte der Vater Jaguar auch ein sehr scharfes Auge mit auf das Lager gehabt. Dort fiel es jetzt keinem Menschen ein, sich um die Gefangenen zu bekümmern. Man war mit dem Essen beschäftigt, und erst als dies vorüber war, bemerkte man zufällig, daß das Feuer unter dem Baume nicht mehr brannte. Der Gambusino schickte einen Mann hin, um es von neuem anzuzünden; kaum aber hatte dieser den ihm gewordenen Befehl erfüllt, so kam er eiligst herbeigelaufen und meldete:

»Señores, denken Sie sich, was geschehen ist! Die Krokodile haben unsre Gefangenen gefressen!«

Niemand wollte dieses glauben und als der Mann es wiederholte, sprangen alle auf, um, die Weißen natürlich voran, sich zu überzeugen, ob es wahr sei. An Ort und Stelle angekommen, sah man bei dem Scheine des wieder brennenden Feuers die beide Lassoenden von den Aesten hängen. Darunter lagen die Krokodile und glotzten mit stieren Blicken nach dem Ufer hin.

»Wahrhaftig, sie sind weg, sind fort!« rief Antonio Perillo, der Stierkämpfer. »Wer hätte das gedacht? Wie kann das geschehen sein?«

»Die Krokodile sind doch jedenfalls hoch genug gesprungen, um sie fassen zu können,« antwortete der Kapitän Pellejo.

»Schwerlich!« meinte der Gambusino. »So hoch, wie diese Kerls hingen, kann sich kein Krokodil in die Höhe schnellen. Sollte sich jemand hier befunden haben, der sie abgeschnitten hat?«

»Abschneiden? Wer konnte so weit hinüberlangen?«

»Hm! Das ist wahr. Zieht doch einmal die Lassos von den Aesten herunter! Wir werden gleich sehen, ob es mit dem Messer geschehen ist.«

Man holte die Enden herab und unterwarf sie einer sehr genauen Untersuchung. Der Vater Jaguar hatte seine Sache ausgezeichnet gemacht, denn die Ansicht aller ohne Ausnahme ging dahin, daß die Lassos zerrissen worden seien.

»So sind diese Tiere doch so hoch gesprungen!« meinte der Gambusino. »Sie müssen großen Hunger gehabt haben.

Und geschmeckt hat es ihnen jedenfalls ausgezeichnet, denn sie liegen da, als ob sie noch mehr haben wollten. Nun, so oder so, wir sind die Feinde los; sie haben ihren Lohn!«

»Was das betrifft,« sagte Perillo ärgerlich, »so freue ich mich keineswegs darüber, daß das gar so schnell gegangen ist. Sie sollten länger hängen, viel länger! Und ich wollte dabei sein, wenn sie zerrissen wurden! Wäre das Feuer nicht ausgegangen, so hätten sich die Bestien mehr gescheut und wären nicht so zudringlich geworden. Das hätte ich bedenken sollen!«

Dieser gewissenlose Mensch ging wirklich ganz enttäuscht von dannen, und die andern folgten ihm in der festen Ueberzeugung, daß die beiden Gefangenen in Wirklichkeit von den Krokodilen zerfleischt und verschlungen worden seien.

Diese letzteren waren indessen von ihren beiden Befreiern nicht durch das Schilf, denn das war jetzt bei der Dunkelheit gar nicht nötig, sondern im Gegenteile sehr gefährlich, sondern um den Sumpf herum nach der Stelle geführt worden, an welcher der Inka auf sie wartete. Als dieser sie kommen sah, sagte er:

»Endlich, Señores! Da ich so lange Zeit warten mußte, befürchtete ich schon, daß es sehr schlimm stehe. Nun freut es mich doppelt, zu sehen, daß die Rettung gelungen ist.«

Die Befreiten hatten bis jetzt geschwiegen; nun aber meinte der Doktor, indem er tief Atem holte, in deutscher Sprache zu dem Vater Jaguar:

»Sie haben uns vorhin das Sprechen verboten; jetzt werden wir wohl reden können. Das war schrecklich! Nein, das war mehr als schrecklich; das war ganz unbeschreiblich entsetzlich! Mir zittert jedes Glied meines Leibes noch im gegenwärtigen Augenblicke!«

»Und mich auch!« stimmte Fritze bei. »Erst war ik ziemlich juten Mutes; aber als ik am Baume hing und unter mich die Krokodilers so schadenfroh lächeln sah, da jab ik mir verloren.«

»Hatten Sie mich gesehen?« fragte der Vater Jaguar.

»Ja,« entgegnete Fritze, »ik sah Sie einen Augenblick; dann waren Sie wieder verschwunden; aber ik hatte Ihnen doch erkannt und dachte bei mich selbst, daß Sie uns nicht verlassen würden.«

»Sie sehen, daß Ihr Vertrauen gerechtfertigt worden ist. Jetzt sagen Sie mir vor allen Dingen, ob Sie darüber, wie Sie an den Sumpf gekommen sind, ausgefragt wurden!«

»Natürlich hat man uns kriminalisiert; ik habe aber nichts jestanden.«

»Fragte man nach mir?«

»Janz besonders. Man wollte partout wissen, wo Sie Ihnen befinden; ik habe die hochgeehrten Herren so irre jeführt, daß sie denken müssen, Sie kommen erst noch hinterdrein.«

Er berichtete über das Verhör, welches man mit ihm angestellt hatte. Darauf sagte Hammer, welcher bisher in zornigem Ton gesprochen hatte, in etwas milderer Weise:

»So haben Sie glücklicherweise doch nicht lauter Fehler gemacht. Wie aber sind Sie denn auf die unglückselige Idee gekommen, nach dem Sumpfe zurückzukehren?«

»Daran bin ich schuld,« antwortete der kleine Gelehrte. »Ich konnte die Knochen nicht vergessen. Sie lagen mir im Kopfe; ich wollte und mußte sie haben, und so ruhte ich nicht eher, als bis Fritze einwilligte, mit nach dem Sumpfe, lateinisch Palus genannt, zurückzukehren.«

»Dachten Sie denn nicht an die Gefahr? Sie wußten doch, daß die Abipones kommen würden.«

»Wir glaubten, noch vor ihrer Ankunft fertig zu sein.«

»Welche Unvorsichtigkeit! Sie werden mir unterwegs erzählen, wie das alles geschehen ist. Jetzt habe ich zunächst an noch andres zu denken. Wir müssen aufbrechen. Sie haben keine Pferde mehr. Da Sie jedenfalls sehr angegriffen sind, werden Sie reiten müssen. Ich gehe mit Anciano zu Fuße nebenher.«

»Nein, ich laufe, Señor,« bemerkte der Inka. »Ich bin jung und nur ein Knabe; Sie aber und mein Anciano haben – — —«

»Laß es gut sein!« unterbrach ihn Hammer. »Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe. Ich habe meine Gründe dazu.«

Erst jetzt band er dem Doktor und dessen Diener die Lassoenden unter den Armen los. Er warf sie nicht weg, sondern steckte sie ein, damit sie nicht etwa von den Abipones gefunden würden, denn dann hätten diese erkannt, daß ihre Gefangenen nicht zerrissen, sondern befreit worden seien.

Es war anzunehmen, daß die Feinde in gerader Linie nach dem Thale des ausgetrockneten Sees reiten würden. Damit sie nicht seine Spur bemerken möchten, hielt der Vater Jaguar es für geraten, sich in gehöriger Entfernung, aber doch immer parallel mit dieser Linie zu halten. Es wurde aufgebrochen, die beiden Deutschen und der Inka zu Pferde; der Vater Jaguar ging mit Anciano mit langen, ausgiebigen Schritten voran, um den andern den Weg anzugeben.

Als nach einiger Zeit die Mondessichel erschien, wurde es heller, als es vorher gewesen war, und so bemerkte der alte Anciano, in welch gebückter und nachdenklicher Haltung der Vater Jaguar jetzt an seiner Seite dahinschritt. Den sonst so rüstigen, kräftigen Mann schien irgend etwas schwer und tief niederzudrücken. Viertelstunde um Viertelstunde verging, ohne daß er ein Wort sagte, und nur zuweilen war ein eigentümlicher, knirschender Ton zu vernehmen, als ob seine Zähne hart aufeinander getroffen hätten. Darum unterbrach der Alte endlich das Schweigen, indem er in mildem Tone fragte:

»Sie haben einen Gedanken, der Ihnen viel zu schaffen macht. Wollen Sie ihn mir mitteilen, Señor?«

»Ja, du sollst ihn erfahren, Anciano,« antwortete der Deutsche. »Ich denke, daß er morgen so öffentlich sein wird, daß alle ihn wissen werden. Ich habe diesen Gambusino während einer ganzen Reihe von Jahren mit Schmerzen gesucht, ohne ihn ein einziges Mal getroffen zu haben.«

»Das ist sonderbar! Hätten Sie mir diesen Wunsch mitgeteilt, so wäre er Ihnen schon längst in Erfüllung gegangen.«

»Eine solche Mitteilung hätte nichts gefruchtet, denn ich wußte nicht, daß der Gambusino derjenige ist, den ich suche.«

»Aber jetzt wissen Sie es?«

»Ja. Ich habe ihn wiedererkannt. Ich habe ihn nicht nur heute mit dem Auge, sondern schon vorher mit dem Ohre erkannt. Ich kenne nicht nur seine Gestalt, sondern auch seine Stimme. Als wir uns zuerst da unten am Rio Salado trafen und eine Stunde später die beiden, die wir heute vom Tode errettet haben, aus der Hand der Abipones befreiten, da hörte ich eine laute, befehlende Stimme. Ihr Klang machte, daß ich mitten in der größten Eile halten blieb; aber wir hatten Wald zur Rechten und zur Linken, wodurch die Stimme eine andre Klangfarbe erhielt. Dennoch war es mir dann immer, als ob derjenige, dem sie gehörte, der Mann sei, den ich so lange vergeblich gesucht habe. Es war der Gambusino, und heute, da ich ihn gesehen habe, weiß ich genau, daß mein damaliger Gedanke begründet war.«

 

»Er ist ein Feind von Ihnen?«

»Mein größter Feind, aber ich bin auch der seinige. Ich habe eine Rechnung mit ihm auszugleichen, und die Quittung wird mit Blut geschrieben – — morgen schon, wie ich hoffe!«

»Es ist also Blut gegen Blut?«

»Ja. Er hat meinen Bruder ermordet droben im Norden. Wie das geschehen ist, das will ich jetzt nicht erzählen. Es war entsetzlich, so entsetzlich, daß mir das Haar darüber weiß geworden ist. Ich verfolgte ihn; ich erfuhr, daß er sich nach Südamerika gewendet hatte. Argentinien war seine Heimat. Ich kam hierher, um ihn zu suchen. Ich durchritt das Land; ich befuhr alle Flüsse; ich überkletterte alle Berge, ohne ihn zu treffen, heute aber habe ich ihn und nun soll er mir nicht wieder aus dem Auge kommen, als bis ich fertig mit ihm geworden bin.«

»So nehmen Sie den einen und ich nehme den andern!«

»Wen?«

»Den Stierkämpfer. Ich werde ihn nach dem Skalpe fragen, den er dem Lieutenant Verano gezeigt hat. Meinen Sie, Señor, daß die beiden morgen in unsre Hände geraten?«

»Ich bin überzeugt davon. Laß mir jetzt meine Gedanken! Wenn man an solche vergangene Stunden denkt, läßt man sich nicht gern von der Gegenwart stören.«

Sonderbarerweise waren jetzt, zu derselben Stunde, die beiden, von denen hier gesprochen wurde, mit ihren Gedanken bei demjenigen, der soeben in seinem Innern das Todesurteil über den Gambusino gefällt hatte. Dort am Sumpfe waren die Feuer ausgegangen; die Roten und die Weißen schliefen, weil morgen mit dem Frühesten aufgebrochen werden sollte. Ein Wächter stand bei den Pferden; aber er war es doch nicht allein, welcher wachte, sondern es gab außer ihm noch drei, welche von dem Schlafe nichts wissen wollten, nämlich der Gambusino, der Stierfechter und der Kapitän Pellejo.

Dieser letztere stand zu den beiden andern in ganz demselben Verhältnisse, in welchem sich der Lieutenant Verano dem Vater Jaguar gegenüber fühlte: er war Offizier; die beiden andern waren nicht Militärs, und so glaubte er höher zu stehen als sie, wenigstens in Beziehung auf die Angelegenheit, in welcher sie sich jetzt im Gran Chaco befanden. Er war während der letzten Zeit oft mit ihnen in Streit geraten und hatte immer nachgeben müssen, weil der Einfluß des Gambusino auf die Abipones größer als der seinige war. Das hatte ihn tief verdrossen und mißtrauisch gemacht. Er begann, die beiden, welche nachgerade Gehorsam von ihm verlangten, zu beobachten, und da bemerkte er denn verschiedenes, was ihm auffiel. Er verglich dieses mit jenem, eins ihrer Worte mit dem andern und kam schließlich zu dem Verdachte, daß sie es nicht ehrlich mit dem gegenwärtigen Unternehmen meinten. Er zog sich von ihnen zurück; sie bemerkten das und vergalten ihm seinen Verdacht mit dem ihrigen. Sie hörten auf, ihn bei ihren Beratungen zu fragen; sie wichen seinen Ansichten und Vorschlägen aus und hatten immer miteinander heimlich zu thun, wobei er bemerkte, daß ihre Augen auf ihm ruhten. Darum begann er sich unsicher zu fühlen und beschloß endlich, ein klares, offenes Wort mit ihnen zu reden.

Heute, als die beiden Gefangenen von dem Baume verschwunden waren, und man den Lagerplatz wieder aufgesucht hatte, saß er bei den Soldaten, welche sich am Palmensee zusammengefunden hatten und für deren Anführer er sich hielt. Sie waren alle beritten. Da trat der Gambusino mit Perillo zu ihnen und sagte:

»Señor Kapitän, wir werden morgen das große Dorf der Cambas erreichen und sofort angreifen; ich werde Ihnen jetzt Ihre Instruktion erteilen.«

»Meine Instruktion?« fragte Pellejo verwundert. »Eine Instruktion hat man doch nur von dem Vorgesetzten entgegenzunehmen!«

»Sie meinen nicht, daß ich der Ihrige bin?«

»Nein.«

»Wer hat da wohl den Befehl über die Krieger, welche wir bei uns haben, zu führen?«

»Eigentlich ich, da ich unter den Anwesenden den höchsten militärischen Rang bekleide.«

»Ich wußte, daß dies Ihre Ansicht ist, und habe bis jetzt geschwiegen. Nun es aber morgen zum Kampfe kommt, muß ich Sie aufklären. Ich bitte Sie, zu lesen!«

Er zog eine kleine Blechkapsel aus der Tasche, öffnete sie, nahm ein zusammengefaltetes Papier aus derselben, schlug es auseinander und gab es dem Kapitän. Dieser las es beim Scheine des Feuers, an welchem er saß, wurde bleich im Gesicht und gab es ihm wieder zurück.

»Nun,« fragte der Gambusino, »wer ist der Kommandierende?«

»Ich habe mich überzeugt, daß ich Ihnen zu gehorchen habe.«

»Nicht nur Sie allein, sondern auch alle Ihre Untergebenen. Sagen Sie es ihnen! Nachdem Sie mich anerkannt haben, werde ich von meiner Autorität den ersten Gebrauch machen, indem ich Sie für einstweilen Ihrer Verpflichtungen enthebe. Sie begleiten uns weiter, werden sich aber, bis ich etwas andres befehle, in allem vollständig passiv verhalten.«

»Señor!« fuhr der Kapitän auf. »Von wem ist Ihnen ein solches Verhalten vorgeschrieben?«

»Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig. Sie haben zu gehorchen. Thun Sie das nicht, so wissen Sie, was geschieht. Wir befinden uns auf dem Kriegsfuße!«

»Schön, Señor! Ich werde kein Wort verlieren, sondern gehorchen,« rief der Hauptmann, indem er aufstand und, kaum im stande, seinen Zorn zu beherrschen, das Feuer verließ.

Er schritt ein Stück in die Nacht hinein und überlegte. Woher so plötzlich dieses Verhalten des Gambusino? Hatte es einen allgemeinen oder heute einen besondern Grund? So fragte er sich, ohne daß er im stande war, sich eine Antwort zu erteilen. Als er später zurückkehrte, war das Feuer erloschen. Dennoch bemerkte er, daß der Gambusino und der Stierkämpfer sich nicht an ihren Plätzen befanden. Er legte sich neben seinem Korporal nieder und fragte diesen, als er bemerkte, daß er noch nicht eingeschlafen war, leise:

»Wo ist der neue Oberst oder gar General?«

»Er ging nach dem Sumpfe und wird dort mit Perillo sitzen, um ungestört Pläne machen zu können.«

»Was geschah, als ich fort war?«

»Nichts weiter, als daß er auch uns seine Vollmacht zeigte.«

»Sie ist echt.«

»Ja, sie ist vom Vizepräsidenten der Konföderation unterschrieben und besiegelt. Wir müssen ihm gehorchen.«

»Und ich habe euch nichts mehr zu befehlen?«

»Señor Kapitän, ich sagte, daß wir gehorchen müssen. Wir sind Soldaten, und der Ungehorsam würde uns den Kopf kosten.«

»Das ist Treue! Wer hätte gedacht, daß es so komme!«

Er hüllte sich in seine Decke und versuchte zu schlafen. Er hatte ganz vergessen, daß er jetzt selbst Empörer, Aufrührer war und also gar kein Recht besaß, auf seinen Untergebenen zornig zu sein. Er hatte hier eine Rolle spielen wollen, um später schnell zu avancieren, und war nun so plötzlich kalt gestellt worden. Das ließ ihn nicht ruhen. Er dachte an den Gambusino und an Perillo. Diese beiden hatten jedenfalls etwas gegen ihn vor. Ob es möglich war, dies zu erfahren? Warum nicht? Vielleicht zeigte sich der Zufall günstig. Er hob den Kopf, um zu lauschen. Alle schliefen; auch sein Nachbar, der Korporal, war jetzt eingeschlafen. Er wickelte sich aus der Decke und kroch fort, langsam und unhörbar, nach dem Sumpfe hin. Es dauerte lange, ehe er die Bäume des Ufers im Mondenscheine stehen sah. Er erreichte sie, ohne die Gesuchten zu bemerken, und kroch auf gut Glück weiter, am Rande hin, immer möglichst im Schutze der Sträucher und des Schilfes. Nach einiger Zeit hörte er leise Stimmen. Noch einige Ellen weiter, und er sah sie sitzen, eng nebeneinander, auf einem trockenen Grasplätzchen. Ein Wisch hohen Schilfes erhob sich ganz in ihrer Nähe. Er wagte es, hinzukriechen und sich dort auf den Boden niederzustrecken. Wenn die beiden zufällig aufstanden, mußten sie ihn sehen. Sie sprachen leise, aber doch so, daß er sie’, wenn er scharf aufmerkte, wohl verstehen konnte. Eben sagte der Gambusino:

»Es ist mir immer, als ob ich es nicht glauben solle. Die Lassos waren zwar abgerissen, aber so ein fünfzehnfach zusammengeflochtener Riemen hält doch viel, sehr viel aus. Ein Krokodil kann dem, den es packt, das Bein abbeißen; aber einen Lasso zu zerreißen, das erscheint mir als unmöglich.«

»Ich nehme es, wie es gekommen ist, und mache mir keine Gedanken darüber,« antwortete Perillo. »Wer könnte die beiden befreit haben! Der es gethan hat, müßte ein ebenso kühner wie schlauer Mensch sein.«

»Es gibt einen solchen!«

»Du meinst den Vater Jaguar?«

»Ja.«

»Er ist ja doch nicht hier! Der Kleine hat es ja gesagt.«

»Glaube ich nicht an den Tod dieses Kleinen, so glaube ich auch seinen Worten nicht. Ist er der Oberst oder nicht? Wir halten ihn für Glotino. Wenn er dieser ist, so besitzt er jedenfalls Klugheit genug, uns zu täuschen. Er sagte, der Vater Jaguar sei uns nachgeritten. Wenn dies nun eine Lüge ist? Wenn er uns nun vorangeritten wäre? Er kannte ja unser Ziel.«

»Höre, das wäre eine verteufelte Sache! Wir müßten da gewärtig sein, daß wir, anstatt anzugreifen, überfallen werden. Dieser Vater Jaguar hat den Cambas schon einmal gegen die Abipones beigestanden, wenn auch in einer andern Gegend. Die Kerls, welche er bei sich hat, fürchten den Teufel nicht.«

»Wir müssen vorsichtig sein. Ist er schon hier, so stellt er uns sicherlich eine Falle.«

»Wir hätten aber doch eine Spur von ihm finden müssen.«

»Eigentlich haben wir eine.«

»Welche denn? Ich weiß nichts von ihr.«

»Und doch ist sie so deutlich, daß sie gar nicht deutlicher sein kann. Ich meine nämlich die leeren Dörfer und Hütten, welche wir auf unserm jetzigen Zuge getroffen haben.«

»Das nennst du eine Spur?«

»Natürlich! Die Bewohner sind geflohen. Warum? Aus Furcht vor uns. Sie müssen also gewußt haben, daß wir kommen. Wer aber hat ihnen das gesagt?«

»Das weiß ich freilich nicht.«

»Der Vater Jaguar ist es gewesen. Ich weiß das freilich nicht genau, sondern ich vermute es nur, aber ich möchte behaupten, daß diese Vermutung eine sehr begründete ist.«

»Hast du diesen Gedanken erst jetzt bekommen? Du hast ihn vorher doch nicht ausgesprochen.«

»Es kam mir verschiedenes verdächtig vor. Vor allen Dingen war es doch auffallend, daß alle unsre Waffenverstecke ausgeleert waren; da sie aber auch ganz zufälligerweise von Indianern entdeckt worden sein konnten, brachte ich diesen Umstand nicht in Beziehung zu dem Vater Jaguar. Heute nun kann ich, wenn ich näher darüber nachdenke, nicht glauben, daß unsre beiden Gefangenen durch die Krokodile von den Lassos gerissen worden sind, und was ich bisher nur vermutete, ist mir zur Gewißheit geworden: der Vater Jaguar ist da!«

»Wie aber hat er es angestellt, diese beiden loszubekommen? Die Riemen hingen doch noch am Baume.«

»Das begreife ich auch nicht; dieser Mensch aber bringt Sachen fertig, welche für andre Leute geradezu unmöglich sind. Ich kenne ihn. Er wurde von den Indianern “Blitzende Hand” genannt; das hatte Bezug auf seine erstaunliche Fertigkeit im Schießen; er ist aber in andern Dingen ebenso gewandt.«

»Wenn deine Berechnung richtig ist, so befinden wir uns in der größten Gefahr. Wir müssen gewärtig sein, daß er die Cambas schon gegen uns zusammengerufen hat und nun mit ihnen irgendwo steckt, um uns plötzlich zu überfallen.«

»Das möchte ich nicht behaupten, da er dazu keine Zeit gehabt hat. Desto sicherer aber ist es, daß er sich mit seinen Leuten, die stets bei ihm sind, in der Nähe befindet und uns beobachtet. Ja, es ist nicht nur möglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich, daß er hier irgendwo am Sumpfe steckt. Ist dies der Fall, so wird er unser Lager umschleichen, um unsre Stärke kennen zu lernen, und dann noch während der Nacht fortreiten, um die Cambas zu benachrichtigen. Wir müssen uns auf alle Fälle beeilen. Wenn wir mit dem Anbruche des Morgens aufbrechen, so kommen wir am Abende am “klaren Bache” an und können das Dorf noch während der Nacht überfallen.«

»Aber wenn die Cambas gerüstet sind?«

»Dann ist unser Kriegszug vergeblich gewesen, und die Hoffnungen, welche wir an denselben geknüpft haben, werden sich nicht erfüllen.«

»Damnacion! Er hat uns so viele Mühe und auch all unser Geld gekostet1Wirwürden als arme Leute zurückkehren, und statt durch den Putsch, welchen wir beabsichtigen, mit einem Schlage reich zu werden, müßten wir uns Bettler nennen.«

»Wir spielen Va banque. Verlieren wir, so bleibt uns nichts übrig, als von vorn anzufangen. Ich gehe wieder in die Berge, um eine Gold- oder Silberader zu entdecken, und du mußt wieder zu deinem früheren Geschäft als Stierkämpfer greifen.«

 

»Dann wirst du eines schönen Tages im Gebirge umkommen, und mich erwartet dasselbe Schicksal in der Arena. Ich habe es jetzt in Buenos Ayres gemerkt, daß ich nicht mehr der Alte bin. Meine Knochen sind weich und meine Gelenke steif geworden. Nein, es fällt mir nicht ein, wieder zum alten Metier zu greifen.«

»Was aber wolltest du sonst anfangen? Etwa mit mir auf Abenteuer gehen?«

»Damit man eines schönen Tages mein Gerippe in den Cordilleren findet? Nein, ich weiß etwas andres, etwas viel, viel besseres.«

»Was?«

Der Gefragte zögerte eine ganze Weile; dann antwortete er in geheimnisvollem Tone:

»Ich habe zu keinem Menschen davon gesprochen, und es sollte nie jemand davon erfahren; da die gegenwärtigen Verhältnisse aber so stehen, sollst du es hören. Auch ganz abgesehen von dem Vater Jaguar, kommt es jedenfalls zum Kampfe mit den Cambas, und keiner von uns weiß, ob er aus demselben entkommen wird. Ich kann verwundet und sogar getötet werden. In diesem Falle wäre es jammerschade, wenn mein Geheimnis mit mir sterben sollte. Du bist mein bester Kamerad, und so will ich es dir mitteilen.«

»Du machst mich im höchsten Grade neugierig. Der feierliche Ton, in welchem du sprichst, läßt erraten, daß es sich um etwas ganz Ungewöhnliches handelt.«

»Das ist es auch! Ich spreche nämlich von Reichtümern, von einem Schatze, welcher ungeheuer groß zu sein scheint.«

»Von einem Schatze? Höre, fast möchte ich denken, daß du im Traume redest!«

»Ich träume nicht, sondern was ich dir sage, ist die volle, reine Wirklichkeit. Ich kann es dir durch einen Gegenstand beweisen, welchen du sehr genau kennst.«

»Welcher ist das?«

»Der lange, weiße Haarschopf, den du bei mir gesehen hast.«

»Ach, der Skalp des Indianers, welcher dich überfallen wollte, aber von dir getötet wurde?«

»Derselbe. Doch ist die Geschichte anders, als ich sie bisher erzählte. Dir kann ich die Wahrheit sagen, da du schon oft ähnliches gethan hast. Nämlich nicht ich wurde von dem Indianer überfallen, sondern er von mir.«

»Qué diablos! Ist die Sache so! Da will ich dir denn aufrichtig sagen, daß ich deine Erzählung nicht etwa geglaubt habe. Du hattest damals gar nichts bei dir, was die Habsucht eines Indianers anlocken konnte. Ich dachte mir immer, daß die Begebenheit sich anders, als du sie erzähltest, abgespielt habe. Also du hast ihn überfallen, und sein Haar steht im Zusammenhange mit dem Schatze, von welchem du sprichst? Soll ich etwa annehmen, daß jener Indianer der Besitzer dieses Schatzes gewesen ist?«

»Ja.«

»Demonio! Erkläre dich deutlicher! Du kannst ihm den Schatz unmöglich abgenommen haben, da du nicht reich bist. Warum hast du es nicht gethan?«

»Weil er ihn nicht bei sich hatte. Es waren nur einige Gegenstände, welche zu dem Schatze gehörten, die ich bei ihm fand.«

»Hat er dir denn gesagt, wo sich das übrige befindet?«

»Nein.«

»So weißt du also gar nicht, wo dieser dein berühmter Schatz zu suchen ist?«

»Ja und nein, ich weiß es und weiß es doch auch nicht.«

»Sprich nicht in Rätseln!«

»Ich meine, daß ich zwar die Gegend kenne, aber die betreffende Stelle nicht.«

»So brauchst du dir auf den Schatz ganz und gar nichts einzubilden. Was nützt mir ein Schatz, den ich nicht finden kann? Vielleicht existiert er gar nur in deiner Phantasie.«

»Er existiert in Wirklichkeit; ich kann es beschwören.«

»Wo denn?«

»Droben in den Bergen und zwar jedenfalls in einer Schlucht, welche man die Barranca del Homicidio nennt.«

»Die kenne ich genau. Es geht von ihr die Sage, daß dort die letzten Inkas ermordet worden sind.«

»So ist es. Und ich nehme an, daß diese Inkas vor ihrem gewaltsamen Ende ihre Schätze dort versteckt haben.«

»Hm! Ich habe oft gehört, wie reich die Inkas gewesen sind. Alles, was die Herrscher berührten, hat von reinem Golde sein müssen. Die Spanier sollen damals ganze Schiffsladungen von Gold und Silber heimgeschafft haben. Doch was hilft das unnütze Reden! Erzähle!«

»Schwöre mir vorher, daß du keinem andern ein Wort davon sprechen willst!«

»Von solchen Sachen spricht man nicht; aber wenn ich dich damit beruhigen kann, so soll es mir auf einen Schwur nicht ankommen. Also ich schwöre, gegen jedermann über diese Angelegenheit zu schweigen!«

»So sollst du alles hören. Ich kam damals von Chile herüber, wo ich bei mehreren Stiergefechten mitgewirkt und mir einige Prämien erworben hatte; aber wie gewonnen, so zerronnen; du weißt ja, wie ich bin. Ich aß gut, trank noch besser, spielte viel und hatte kein Glück; ich verlor alles, und als ich die Rückreise antrat, mußte ich, um nur herüberzukommen, mich an einen Kaufmann, welcher nach Mendoza wollte, als Diener vermieten. Ich sage dir, daß er nie dort angekommen ist; warum, das kannst du dir ja denken.«

Er stieß ein hämisches Lachen aus. Er hatte natürlich diesen Kaufmann ermordet, um zu dem Eigentum desselben zu kommen. Nach einer kleinen Pause fuhr er fort:

»Ich war also ganz allein, als ich die diesseitigen Hänge des Gebirges erreichte. Es war des Abends, als ich an der Barranca del Homicidio ankam. Da du auch dort gewesen bist, so weißt du, daß es eine höchst unwirtliche Gegend ist. Gern wäre ich noch bis zur Salina del Condor weitergeritten, aber es war denn doch zu weit, und der Weg da hinunter ist so schlecht, daß man selbst beim hellsten Mondenschein verunglücken oder wenigstens ihn verfehlen kann. Ich suchte mir also einen Felsen, um hinter ihm Schutz gegen den rauhen Nachtwind zu finden, band mein Maultier an einen Stein fest und legte mich zum Schlafen nieder.«

»Konntest du denn schlafen?« fragte der Gambusino mit eigenartiger Betonung.

»Warum sollte ich das nicht?«

»Des Kaufmanns wegen, welcher nie in Mendoza angekommen ist.«

»Du meinst, daß er mir verwundet und blutig im Traum erschienen sei? Ich bin kein Kind oder altes Weib. Wer tot ist, kommt nicht wieder. Dennoch wollte an jenem Abende der Schlaf nicht gleich kommen; dafür aber kam ein andrer.”,

»Ah, ich vermute! Der Indianer, oder nicht?«

»Ja. Der Vollmond stand am Himmel, und kein Wölkchen war zu sehen. Ich hörte Schritte und lauschte. Ein Mann kam, ohne mich und mein Maultier zu sehen, ganz nahe an dem Felsblocke vorüber, hinter dem ich lag. Er blieb stehen und schaute nach dem Monde. Dabei bekam ich sein Gesicht zu sehen. Er war ein Greis, aber ein sehr rüstiger und sehr schöner Greis. Er trug einen langen Bogen und einen Köcher auf der Schulter, und ein Messer stak in seinem Gürtel; andre Waffen hatte er nicht und schien überhaupt gar nichts andres bei sich zu haben. Auffallend war sein langes, weißes und sehr dichtes Haar, welches ihm hinten bis an die Oberschenkel vom Kopfe hing und, wie ich später bemerkte, durch eine Spange zusammengehalten wurde. Er stand lange da, ohne sich zu bewegen, starrte den Mond an und flüsterte dabei leise Worte, als ob er betete. Es schien, als ob er warten wolle, bis der Mond den höchsten Punkt seines Bogens erreicht habe; dann ging er weiter.«

»Und du folgtest ihm heimlich?« fragte der Gambusino.

»Ich wollte es thun, brachte es aber nicht fertig. Der scharfe Rand der Barranca befand sich nämlich gar nicht fern von mir. Der Mann ging auf denselben zu und war dann verschwunden. Ich kroch leise bis hin zur Schlucht und blickte hinab. Ich sage dir, daß mir bei dem, was ich sah, ein Grauen ankam. Die Felswand stieg beinahe senkrecht hinab; sie schien nicht die kleinste Stelle zu haben, an welcher ein menschlicher Fuß festen Halt fassen könne, und doch glitt der weißhaarige Mann mit einer Sicherheit da hinab, als ob eine bequeme Treppe hinunterführe. Sein Haar glänzte im Monde, bis ich es nicht mehr sehen konnte, so groß war die Tiefe, in welche er hinunterstieg. Wer war der Mann? Seinen Zügen nach jedenfalls ein Indianer. Was wollte er hier? Warum wartete er, um den gefährlichen Weg anzutreten, nicht bis es Tag geworden war? Wo hatte er sein Maultier? Oder war er so arm, daß er keins besaß? Du kannst dir denken, daß ich diese und andre Fragen gern beantwortet haben wollte; darum blieb ich am Rande der Schlucht auf der Lauer liegen, um auf seine Rückkehr zu warten. Ich lag die ganze Nacht; er kam nicht wieder; aber am Morgen, eben als die Sonne im westlichen Tieflande aufstieg, sah ich ihn jenseits langsam emporklettern. Er hatte jetzt ein Paket auf dem Rücken hängen. Als er oben angekommen war, breitete er die Arme gegen die Sonne aus, als ob er sie begrüßen wolle, und ging dann weiter. Ich beobachtete ihn, ohne daß er mich sehen konnte. Von der Höhe, auf welcher er sich ebenso wie ich mich befand, ging eine felsige Lehne allmählich abwärts; er schritt dieselbe hinunter und bog dann um den Fuß einer zweiten Höhe, worauf er mir aus den Augen verschwand.«