Tasuta

Das Vermaechtnis des Inka

Tekst
Autor:
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»So jeht es in der Welt: Wer den Schaden hat, braucht nicht für den Spott zu sorjen. Dieser Chirurjius wollte mir wahrscheinlich ärjern; aber es fällt mich jar nicht ein, mir in Harnisch bringen zu lassen. Freilich, daß wir die Pferde verloren haben, dat kann mir leid thun. Wat mir wundert ist, daß der Vater Jaguar uns eijentlich noch jar nicht richtig ausjezankt hat. Ist Ihnen dat nicht aufjefallen?«

»Warte nur! Er wird es schon nachholen, sobald er Zeit dazu findet.«

»Leider wird dat wohl richtig sind. Aber grämen Sie Ihnen nicht! Ik werde allens auf mir nehmen. Ik werde sagen, dat ik es bin, der die Jeschichte anjestiftet hat. Mir haben die Riesenknochen im Kopfe jelegen, und ik habe nicht jeruht, bis Sie mit mich davonjeritten sind.«

»Das geht nicht, Fritze. Ein solches Opfer kann ich von dir nicht annehmen.«

»Warum nicht?«

»Es ist gegen meine Ehre, lateinisch Honor genannt. Ich könnte mich nicht mehr selbst achten.«

»Wat? Wie? Wer verlangt es, daß Sie Ihnen selbst achten? Kein Mensch! Die Hauptsache ist, daß ik Ihnen achte und daß Sie auch von andern jeachtet werden. Wat aber Sie selbst von sich denken, dat ist von die allerjrößte Gleichjültigkeit. Ja, Sie haben überhaupt jar nichts von Ihnen zu denken! Ik bin Ihr Diener und Sie bezahlen mir. Und dafür soll ik nichts thun und sagen dürfen?«

»Laß es gut sein, lieber Fritze! Man würde deinen Worten doch keinen Glauben schenken. Freilich, wenn ich gewußt hätte, wie es kommen würde, so wäre es nicht geschehen. Es war eine Dummheit, die wir wohl schwerlich wieder gut machen können.«

»Nicht? Dat fragt sich sehr. Wir sind auch noch da. Ik weiß jenau, wie wir unsre Ehre wieder herstellen können.«

»Nun, wie?«

»Durch Tapferkeit.«

»in dem Kampfe, welcher zu erwarten ist?«

»Ja.«

»Du meinst, daß wir an demselben teilnehmen sollen?«

»Natürlich! Oder wollen Sie tapfer sein, wenn er vorüber ist?«

»Das würde nicht gut möglich sein. Ich bin nicht furchtsam; aber ein tapfrer Mensch ist zugleich ein blutiger Mensch, und Blut, lateinisch Sanguis genannt, möchte ich doch nicht gern vergießen.«

»So? Sie wollen die Menschen schonen, welche uns über den Zähnen der Krokodile aufjehängt haben? Es ist keine Sünde, sondern jeradezu eine Pflicht, solche Subjekte von der Erde zu vertiljen. Ik jebe Sie mein Wort, daß ik so viele von ihnen erstechen werde, wie mir vor die Hände kommen!«

»Ja, wenn dabei nur dieses entsetzliche Blutvergießen zu vermeiden wäre!«

»Nichts ist leichter als das. Schlagen Sie die Kerls tot! Erwürjen Sie ihnen! Dabei wird kein Blut verjossen.«

»Das ist wahr. Ich bin nicht zum Kriegshelden geboren; aber wenn ich daran denke, was dieser Gambusino, dieser Antonio Perillo und die andern schon mit mir beabsichtigten, so zuckt es mir freilich im Pugnus, wie lateinisch die Faust genannt wird.«

»So ist’s recht; so muß es sind! In die Faust muß es zucken. Seien sie jescheit und foljen Sie mich; ik werde mit einem juten Beispiele vorangehen. Auch ik erinnre mir nicht, jemals ein Menschenfresser jewesen zu sind; aber solche Halunken müssen aus dieses Leben in dat jenseitije verschwinden!«

während Fritze sich in dieser Weise Mühe gab, die Kampflust seines Herrn anzuregen, saßen die Weißen mit den hervorragenden Häuptlingen der Cambas beisammen, um zu erfahren, was Der Vater Jaguar erkundschaftet hatte. Als sie von ihm darüber aufgeklärt worden waren, fügte er hinzu:

»Ich bin überzeugt, daß sie uns in die Hände laufen werden. Wir brauchen uns keineswegs zu beeilen, denn nach meiner Ansicht können sie vor Mittag nicht hier eintreffen. Es bleibt dabei, daß hundert Mann von uns durch das Thal gehen und draußen vor demselben sich am Waldesrande verstecken. Geronimo wird diese Leute anführen. Im Thale selbst befehlige ich. Ich werde in der Mitte des Randes Stellung nehmen. Jedenfalls lagern sie sich, um auszuruhen. Dann komme ich hervor und gehe zu ihnen, um die Anführer aufzufordern, sich zu ergeben.«

»Das darfst du nicht, Karlos, das darfst du nicht!« entgegnete Geronimo schnell. »Das wäre mehr als verwegen; das würde tollkühn sein!«

»Nicht im mindesten! Ich weiß genau, was ich thue.«

»Das denkst du jetzt; später aber kommt es anders!«

»Nein, gewiß nicht. Es sind Militärs dabei, welche gewiß Ehrgefühl haben und solchen Halunken, wie die beiden Anführer sind, sicher nicht gehorchen.«

»Welche Anführer meinst du?«

»Benito Pajaro, den Gambusino, und Antonio Perillo. Ich habe die Entdeckung gemacht, daß der Gambusino der größte Schurke ist, den es geben kann, und werde es euch später ausführlich mitteilen. Wenn die Weißen, die er jetzt kommandiert, dies erfahren, werden sie sich augenblicklich von ihm lossagen. Deshalb muß ich mit ihnen sprechen. Hören sie mich an, so hoffe ich, daß es gar nicht zum Kampfe kommt.«

»Wenn sie dich aber nicht hören wollen oder dir nicht glauben?«

»So mag geschehen, was geschehen soll, ich habe dann meine Pflicht gethan.«

»Sie werden dich natürlich nicht fortlassen, sondern dich festnehmen!«

»Pah! Man nimmt mich nicht so leicht gefangen! In diesem Falle würde ich den Gambusino und Antonio Perillo augenblicklich niederschießen, und diese Schüsse werden für euch das Zeichen sein, loszubrechen.«

»Und dabei stehst du mitten unter ihnen! Nein, es ist zu kühn, zu verwegen!«

»Nicht nur zu kühn und zu verwegen, sondern noch etwas Schlimmeres,« fiel Lieutenant Verano ein. »Ich habe dem Señor Jaguar meine Meinung bereits gesagt, bin aber von ihm zurückgewiesen worden. Wozu diese Kerls schonen, noch dazu, wenn sich einer von uns dabei in die offenbarste Lebensgefahr begeben muß! Das sind sie alle nicht wert. Schießt sie nieder, wie sie kommen, und laßt keinen von ihnen am Leben! Das sind sie wert, Schonung aber nicht. Ich halte es, wenn nicht für eine Dummheit, so doch für eine große Unklugheit, sie als Menschen zu behandeln. Die Abipones sind wilde Tiere, und die Weißen, welche sich bei ihnen befinden, sind Schufte, und gegen Schufte und reißende Tiere darf man keine Nachsicht haben, sonst sticht und schneidet man sich in das eigene Fleisch. Was mich betrifft, so werde ich schießen, so bald die Kerls kommen.«

»Nein, sondern das werden Sie bleiben lassen, weil ich es Ihnen verboten habe und jetzt wieder verbiete,« antwortete der Vater Jaguar in strengem Tone. »Sie haben meine Meinung bereits gehört. Ich hoffe, daß es mir glückt, die beiden bisher feindlichen roten Stämme mit einander zu versöhnen; außerdem möchte ich den Gambusino und Antonio Perillo lebendig fangen, würde aber sehr wahrscheinlich beides nicht erreichen, wenn geschossen wird, bevor ich es befohlen habe.«

»Und wenn ich dennoch schieße?«

Hammer zog die Brauen finster zusammen und antwortete:

»So kommt das dann fließende Blut über Sie, und ich habe Ihnen bereits gesagt, daß es mir in diesem Falle gar nicht darauf ankommt, Ihnen eine Kugel in den Kopf zu geben.«

»Das heißt, mich zu ermorden?«

»Nein, sondern zu bestrafen. Handeln Sie gegen meinen Willen, so sind Sie ein Mörder, und ich brauche mir kein Gewissen daraus zu machen, Sie niederzustrecken. Uebrigens braucht es ja gar nicht so weit zu kommen; es gibt noch andre Mittel, meinem Willen Geltung zu verschaffen.«

»Welche?«

»Ich lasse Sie einfach binden und so weit fortschaffen, daß Sie weder durch Schüsse noch durch voreilige Rufe uns zu schaden vermögen.«

»Das werden Sie wohl unterlassen, Señor, denn ich bin Offizier!«

»Hier nicht! Wir haben Ihnen das Leben gerettet. Sie sind ein Mensch, der uns Dankbarkeit schuldet; weiter können Sie für uns nichts sein. Und wenn Sie in der bisherigen Weise fortfahren, mich vermuten zu lassen, daß Sie meinen Plan in Frage stellen werden, so zwingen Sie mich, das zu thun, was ich Ihnen angedroht habe.«

»Dann schweige ich, Señor. Ich habe keine Lust, mich wie einen Verbrecher binden und forttransportieren zu lassen.«

Bei diesen Worten wendete er sich ab und schritt unmutig von dannen. Als er außer Hörweite gekommen war, ballte er die Faust und murmelte zornig vor sich hin:

»Einem solchen Menschen gehorchen zu müssen! Alle die Kerls vergöttern ihn, und er gebärdet sich mir gegenüber wie ein General, der einen Rekruten vor sich hat. Die Indianer schonen zu wollen, welch ein Blödsinn! Aber ich werde dennoch thun, was ich will. Niedergeschossen müssen sie werden. Ist’s vorüber, dann können sie es nicht ändern, diese menschenfreundlichen Schwachköpfe. Also der erste Schuß soll das erste Zeichen zum Beginne des Kampfes sein. Dieser erste Schuß wird aus meinem Gewehre kommen.«

Der Vater Jaguar erläuterte nun seinen Plan in eingehender Weise und ging, als er damit fertig war und ein jeder nun wußte, was er zu thun hatte, zu dem Baume, unter welchem Doktor Morgenstern und Fritze noch immer saßen. Sie hatten es vorgezogen, entfernt zu bleiben, um nicht nach ihrem Abenteuer gefragt zu werden.

»Es ist die Zeit gekommen, unsre Stellungen einzunehmen,« sagte er zu dem kleinen Gelehrten. »Ich werde Ihnen die Ihrige anweisen.«

»Dat ist schön!« antwortete Fritze an Stelle seines Herrn. »Und wissen Sie, wohin wir so jern postiert sein wollen?«

»Nun?«

»Dorthin, wo es am jefährlichsten ist.«

»Warum? Woher diese plötzliche Kühnheit?«

»Plötzlich? Jott bewahre. Ik bin niemals plötzlich kühn, sondern ik bin stets tapfer. Und heut wollen wir die Scharte auswetzen, welche in uns hineinjesprungen ist. Uns mang die Krokodile aufzuhängen! Dat muß jerächt und jerochen werden. Ik werde unter ihnen hineinfahren, wie die Katze unter die Sperlinge, und der Herr Doktor will mich dabei hilfreich beistehen.«

»Unter die Feinde hineinfahren? Das werden Sie nicht.«

»Warum nicht?«

»Weil Sie keine Gelegenheit dazu haben werden. Meinen Sie, daß ich Sie zu denjenigen Personen beordern werde, welche an dem etwaigen Kampfe teilzunehmen haben?«

 

»Natürlich!«

»Das kann mir nicht einfallen. So lange Sie sich bei uns befinden, haben Sie nichts als Dummheiten gemacht, und ich müßte gewärtig sein, daß Sie auch heute nichts Gescheites zu wege bringen.«

»Herr Hammer, wollen Sie mir an meiner Ehre beschädigen? Ik will Rache haben!«

»Die sollen Sie haben, aber nicht durch die direkte Teilnahme am Kampfe. Ich gebe Ihnen einen Posten, an welchem Sie höchst wahrscheinlich keinen Schaden anrichten können. Ich sage höchst wahrscheinlich, denn gewiß ist es keinenfalls, daß Sie nicht auch da etwas Unmögliches aushecken.«

»So! Wo soll sich dieser Posten denn befinden?«

»Bei den Pferden, welche wir nicht mit in das Thal nehmen können. Sie müssen hier zurückbleiben, und sollen dieselben bewachen.«

»Bei die Pferde!« rief Fritze ganz enttäuscht aus. »Hirten sollen wir sind, aber keine Helden! Wat sagen Sie dazu, Herr Doktor?«

»Daß ich mich nur ungern füge,« antwortete der Genannte. »Wir wollten kämpfen und wären gewiß so tapfer gewesen wie jeder andre.«

»Möglich,« meinte der Vater Jaguar gleichmütig; »aber nach allem, was ich bisher von Ihnen gesehen und erfahren habe, könnte Ihre Tapferkeit den Freunden gefährlicher werden als den Feinden. Gerade darum trage ich Ihnen ein so friedliches Geschäft auf.«

»Und meinen Sie, daß wir zwei eine so große Anzahl von Rossen zusammenhalten können? Ich weiß nicht, ob ich behaupten darf, das Talent dazu zu besitzen.«

»Sie werden nicht allein sein, denn ich erteile fünf oder sechs Cambas den gleichen Auftrag. Hoffentlich kann ich mich, wenigstens dieses Mal, auf Sie verlassen, Herr Doktor?«

»Jawohl. Obgleich wir viel lieber als Krieger jekämpft hätten, werden wir, da Sie es so gern wollen, diese unsre Pflicht, lateinisch Officium genannt, erfüllen.«

»Gut! Sie haben nichts weiter zu thun, als darauf zu achten, daß keins der Pferde nach dem Thale läuft. Schwer kann Ihnen das nicht werden, da Sie auf die Unterstützung der Cambas rechnen können.«

Er ging. Es war aber klar, daß er nur die Absicht hegte, sie von dem Schauplatze des Zusammenstoßes fernzuhalten. Er traute ihnen nicht, sondern befürchtete, daß sie leicht wieder auf einen Schwabenstreich geraten könnten. Das fühlte Fritze sehr wohl, und er ärgerte sich so darüber, daß er seinem Herzen unbedingt Luft machen mußte.

»Sie haben doch studiert, Herr Doktor?« fragte er.

»Ja.«

»Und. sind auf einer Universität jewesen?«

»Auf dreien sogar.«

»Und jetzt sollen Sie die Pferde hüten! Lassen Sie dat Ihnen jefallen?«

»Was soll ich dagegen thun?«

»Welche Frage! Fühlen Sie denn nicht, daß Sie beleidigt sind? Während der dümmste Indianer mit der Flinte oder dem Messer in der Hand jejen den Feind jeht, wird ein studierter Mann und Zoolog zu die Pferde jeschickt!«

Die Erinnerung an den Zoologen war ein diplomatischer Kniff, welcher sofort die beabsichtigte Wirkung hervorbrachte. Der Doktor runzelte die Stirn und antwortete:

»Von dieser Seite habe ich diese Angelegenheit freilich noch nicht betrachtet. Es will allerdings den Anschein haben, als ob eine kleine Berechtigung zu dem Gedanken vorläge, daß ich nicht im vollsten Maße dasjenige besitze, was man mit dem Worte Mut bezeichnet.«

»Es hat nicht nur den Anschein, sondern es ist wirklich so!«

»Das wäre beinahe eine Beleidigung!«

»Beinahe? Es ist wirklich eine, und zwar die jrößte, die es für einen Mann jibt.«

»Dann müßte ich um Satisfaktion bitten!«

»Natürlich! Sie müssen sich mit diesem Beleidiger schießen oder schlagen. Ik wäre sehr jern bereit, mir Ihnen oft und manchmal als Sekundanten anzubieten, wenn ik nur überzeugt sein könnte, daß die Sache auch wirklich zu stande kommt.«

»Warum sollte sie nicht?«

»Warum? Darum! Der Vater Jaguar würde uns auslachen, Ihnen sowohl wie auch mir. Und wat könnten wir denn thun? Nichts, jar nichts! Aber es jibt einen andern Weg, uns Jenugthuung zu verschaffen und den Vater Jaguar zu zwingen, Abbitte zu leisten.«

»Welchen?«

»Wir thun so, als ob er uns jar nichts jesagt hätte. Wir lassen die Pferde Pferde sind und jehen mit in den Kampf.«

»Das wird er bemerken!«

»Nein, denn wir werden so klug sind, es heimlich zu thun.«

»Aber wir haben keine Waffen!«

»Ist auch jar nicht nötig. Sie wollen ja doch kein Blut verjießen. Wenn wir uns im Walde einen tüchtijen Knüppel abbrechen, haben wir Waffen jenug. Damit stellen wir uns nicht etwa hinten an, sondern vor, wo es tüchtig zu hauen jibt. Wenn der Vater Jaguar nachher sieht, wat wir jeschafft haben, so ist er moralischerweise jezwungen, Ihnen um Verzeihung zu bitten. Jefällt Ihnen dieser Plan?«

»Er scheint nicht übel zu sein. Beleidigt bin ich wirklich in hohem Grade, und meine gekränkte Ehre bedarf der Wiederherstellung, lateinisch Instauratio genannt.«

»Ja! Und diese Instauratio finden Sie bei den Pferden nicht. Machen Sie also mit?«

»Ich würde gern, sehr gern mitthun; aber ich habe dem Vater Jaguar doch versprochen, bei den Pferden zu bleiben.«

»Dat war ja nur Vorwand von ihm. Um die Pferde handelt es sich jar nicht, denn für die sind die Cambas da. Wir sollen nur vom Kampfe fernjehalten werden. Wat for eine Blamage! Wat müssen die Roten von Sie und von mich denken!«

»Alle Teufel, das ist wahr!« meinte Morgenstern mit bedeutend mehr Feuer als bisher. »Die Indianer müssen uns wirklich für alte Weiber halten. Fritze, ich billige deinen Plan; ich mache mit!«

»Jut! Wir werden wie die Löwen fechten und, wenn es sein muß, wie die Tiger unterjehen. Wehe dem, welcher an meinem Mute zweifelt; sein letzter Lebenstag hat ausjeschlagen!«

Somit war also die kleine Verschwörung gegen den Befehl des Vater Jaguar zu stande gebracht.

Ungefähr eine Stunde vor Mittag wurde Aufstellung genommen. Die Weißen setzten sich mit achtzig Cambas zunächst in Bewegung, um unter Geronimos Anführung draußen vor dem Thale sich zu verstecken. Die grasige Mitte des Thalkessels durfte nicht betreten werden, damit die Abipones keine Spur sehen möchten. Die Krieger bewegten sich, einer hinter dem andern, an dem Rande des Kessels unter den Bäumen hin und blieben auch, als sie das Thal verließen und sich rechts nach dem Walde wendeten, stets so hinter den Büschen, daß man von außen ihre Spuren nicht sehen konnte. Erst als der letzte von ihnen sich wohl zweihundert Schritte weit von dem Eingange entfernt hatte, blieben sie stehen, um die Ankunft der Feinde zu erwarten und dann ihre Pflicht zu thun. Sie sollten im Falle eines friedlichen Ausgleiches durch einen Boten abgeholt werden, sonst aber, sobald sie im Thale einen Schuß hörten, schnell hervorbrechen, um den Eingang desselben zu verschließen und mit Gewalt zu bewachen und zu verteidigen.

Die übrigen, lauter Rote, zählten über fünfhundert Mann. Sie hatten den Rand des Thales rundum zu besetzen, die eine Hälfte rechts und die andre links. Darum mußten sie zwei Abteilungen baden, deren eine nach rechts, die andre nach links abbog. Der Vater Jaguar befand sich auf der rechten Seite; darum gesellten Morgenstern und Fritze sich zu denen, welche die linke Seite offenbar zu besetzen hatten.

Die beiden kleinen Ungehorsamen drängten sich in ihrem Eifer so weit vor, daß sie, als die lange Linie sich nach einiger Zeit entwickelte und ein jeder seine Stellung genommen hatte, sich an der Spitze derselben befanden. Sie standen also ganz vorn, nahe dem Eingange des Thales, ohne daß der Vater Jaguar ihre Anwesenheit ahnte.

Außer ihnen gab es noch einen Weißen, welcher nicht mit Geronimo hinausmarschiert war, nämlich den Lieutenant Verano. Als man sich allgemein in Bewegung gesetzt hatte, war der Vater Jaguar zu ihm gekommen, um ihn zu fragen:

»Sie wissen, Señor, was ich Ihnen gesagt habe. Wollen Sie sich dennoch an unsrer Aufstellung beteiligen?«

»Ja.«

»So ersuche ich Sie, von jetzt an an meiner Seite zu bleiben.«

»Warum das?«

»Weil Sie Offizier sind und Ihr militärischer Rat mir von Nutzen werden kann.«

»Sie haben sich doch vorher nicht um meinen Rat gekümmert!«

»Weil es keine Gelegenheit gab, mir denselben zu nutze zu machen.«

»Ach so! Ich verstehe, Señor. Nicht mein Rat ist es, den Sie in Beschlag nehmen wollen, sondern es gilt meiner Person, welche unter Ihrer Aufsicht stehen soll, weil Sie mir nicht trauen. Nun, ich will nicht widerstreben und gehe mit Ihnen.«

Er hielt sich neben dem Vater Jaguar und blieb, als dieser die Mitte der rechten Stellung erreicht hatte, bei ihm stehen. Sein Gesicht hatte einen so gleichgültigen Ausdruck, daß es sehr leicht täuschen konnte, doch war er fest entschlossen, im passenden Augenblicke den verhängnisvollen Schuß zu thun.

Fritze drüben auf der andern Seite ließ sich von einem der Cambas ein Messer geben und schnitt zwei starke Knüppel aus einem Strauche, von denen er einen seinem Herrn gab.

»So,« sagte er mit vergnügtem Lächeln, »wer mit diesem Ausrufe- und Erinnerungszeichen einen Hieb auf den Kopf bekommt, der findet sicher keine Zeit, sich extra dafür zu bedanken.«

Die Roten wußten nicht, welche Aufgabe die beiden erhalten hatten, und waren ihnen darum nicht hinderlich gewesen, mit ihnen zu gehen. Fritze brannte vor Begierde, seine hölzerne Waffe in Anwendung zu bringen, und auch der Doktor wünschte sehr, bald beweisen zu können, daß es ihm keineswegs an Mut gebreche. Darum kamen ihnen die Minuten, welche sie warten mußten, fast wie Stunden vor, und Fritze meinte schließlich, indem er die dichten Büsche betrachtete, welche sich hinter ihm zur Höhe zogen:

»Mich wird die Zeit zu lang und die Jeduld zu kurz. Wat meinen Sie? Könnten die Abipones nicht ein wenig rascher laufen?«

»Allerdings. Diese gespannte Erwartung ist unangenehm.«

»Wenn wir wüßten, ob sie bald kommen! Gleich neben uns ist der Einjang zum Thale. Könnten wir da auf die Höhe steigen, so müßten wir die Feinde kommen sehen.«

»Das ist wahr. Aber die Büsche scheinen zu dicht zu stehen.«

»Wollen’s doch mal versuchen. Wir sind kleine Kerls und kommen wohl leichter durch als andre, welche wie Ihre Gigantochelonia jebaut sind.«

»Sprich nicht wieder von diesem Tiere; ich mag nichts von demselben hören!«

Fritze kroch voran, um Bahn zu brechen, und sein Herr folgte ihm. Es war sehr schwer, durch das feste Dickicht zu kommen, aber doch nicht unmöglich. Nach längerer Anstrengung erreichten die beiden, freilich mit ziemlich zerfetzten Anzügen, die Höhe des Felsens, welcher die eine Seite des Einganges bildete. Oben standen auch Bäume und Sträucher; aber die auswärts nach der Ebene gerichtete Seite des Felsens war ziemlich kahl. Kaum oben angelangt und die Blicke nach Osten gerichtet, sahen sie die Erwarteten kommen, langsam, so wie Fußgänger marschieren, welche sich nicht übermäßig ermüden wollen.

»Da sind sie! Jott sei Dank, da sind sie endlich!« rief Fritze aus, indem er vor Freude seine Hände wie ein Kind zusammenschlug. »Wat sagen Sie dazu, Herr Doktor?«

»Mir ist’s lieb, daß sie kommen. Das Warten hat mir nicht gefallen.«

»Mich auch nicht. Sie jehen ihrem Verderben entjejen. Wehe, wenn ick losjelassen! sagt Schiller im Liede von die Glocke, wat sich freilich auf dat Feuer bezieht; aber ick bin ebenso fürchterlich, wenn ick einmal losjelassen werde. Zweimal haben sie uns ermorden wollen; dat letztemal sojar doppelt, mit die Lassos und mit die Krokodile. Heut jeben wir ihnen dafür die Verdienstmedaille mit Brillanten auf die Köpfe. Sie kommen immer näher und bald werden wir ihre lieben Gesichter sehen können.«

Von da oben aus, wo die beiden Lauscher hinter den Sträuchern lagen, konnte man nicht nur weit hinaus in die Ebene blicken, sondern auch nach innen das ganze Thal übersehen. Dieses letztere lag so still, ruhig und unbelebt da, als ob sich kein einziges menschliches Wesen in der Nähe befinde. Draußen kamen die Abipones immer näher, voran die fünfzig Reiter. Schon konnte man die einzelnen Gesichter unterscheiden.

»Können Sie die Leute sehen?« fragte Fritze. »Sehen Sie, wer an der Spitze reitet? Kennen Sie ihn, den obersten aller Halunken?«

»Ja; es ist der Gambusino.«

»Und rechts neben ihm?«

»Antonio Perillo, der Stierkämpfer, welcher schon in Buenos Ayres nach mir geschossen hat.«

»Dafür wird heut ein wenig nach ihm jeschossen werden, wat ihm wohl weniger jut bekommen dürfte. Und neben ihm links?«

»Der Häuptling der Abipones.«

»Auch so ein Halunke, der nur Freude hat, wenn er ehrliche Leute am Lasso hängen sieht. Vielleicht hänge ick ihn nachher auch ein wenig auf. Aber wir müssen leiser reden, sonst hören sie uns, wenn sie da unten anjekommen sind.«

Diese Mahnung war ganz am rechten Platze, denn die Felsen, welche das Thor zum Thale bildeten und auf deren einem sich die beiden befanden, waren höchstens zwanzig Ellen hoch. Wie bereits erwähnt, hielt der Zug am Thore an und der Häuptling ritt ein Stück in das Thal hinein, um zu untersuchen, ob dasselbe leer sei. Seine Untersuchung war eine höchst oberflächliche. Da er keinen Menschen sah, so nahm er an, daß überhaupt keiner vorhanden sei und kehrte zurück, um dies zu melden. Dann setzte er sich an die Spitze seiner Roten, um sie in den Kessel des ausgetrockneten Sees einzuführen.

 

Sie folgten ihm bis an den kleinen See, welcher in der Mitte lag, und breiteten sich an dem Ufer desselben aus. Keiner von ihnen ahnte, daß er sich in einer Falle befand, aus welcher es kein Entrinnen gab. Als der letzte der Roten durch den Eingang geschritten war, folgten die Reiter.

»Der Gambusino will den letzten machen,« flüsterte Fritze dem Doktor zu. »Schade, daß wir zu hoch hier liejen! Ick möchte ihm jar zu jerne einen Klapps auf die Nase jeben!«

Er schwang seinen Knüppel und Morgenstern machte mit dem seinigen auch eine Bewegung, als ob er zuschlagen wolle. Der Busch, hinter welchem sie lagen, hatte seine Wurzeln jahrelang tief in den Boden eingeschlagen; davon und durch den Einfluß des Wetters war der Boden rissig und brüchig geworden. Gerade unter ihnen hielt der Gambusino auf seinem Pferde; jetzt drängte sich dasselbe näher an den Felsen; der Reiter war nicht mehr zu sehen; darum schob sich Morgenstern neugierig noch weiter vor, wobei er leise fragte:

»Ob er schon durch den Eingang ist?«

Die Antwort auf diese Frage sollte ihm ganz anders werden, als er gedacht hatte und ihm lieb sein konnte. Er hatte sich nämlich zu weit vorgeschoben und dem lockern Boden zu viel Vertrauen geschenkt; dieser letztere kam ins Rutschen und zwar so schnell, daß von einem rechtzeitigen Zurückweichen gar keine Rede mehr sein konnte; der Doktor rutschte mit.

»Halt, Halt! Um Jottes willen!« rief Fritze vor Angst so laut, daß man es weithin hörte. »Wohin soll die Reise jehen? Doch nicht etwa da hinunter! Dat jebe ick nicht zu!«

Er faßte seinen Herrn an den beiden Beinen, um ihn zu halten; da aber die Erde nun auch unter ihm nachgab, kam auch er ins Rutschen, und so glitten, rollten und kugelten sie, ohne daß sie losließen, bald hier an einen Busch bald dort an einen Baumstamm stoßend, den Felsen, welcher auf dieser Seite glücklicherweise nicht steil war, hinab und blieben gerade vor dem Pferde des Gambusino liegen.

Dieser war mit Antonio Perillo und dem Hauptmann Pellejo noch allein zurück, da die andern Weißen schon innerhalb des Einganges verschwunden waren. Er hörte den Angstruf des Dieners über sich, blickte empor und sah die beiden verunglückten Lauscher von oben heruntergeflogen kommen. Sie blieben, wie bereits gesagt, gerade vor ihm liegen und vergaßen infolge der kräftigen Stöße, welche sie erlitten hatten, für kurze Zeit das Aufstehen.

»Wer ist denn das?« fragte er erstaunt. »Wo kommen die her? In ganz roter Kleidung! Die sollte ich doch kennen!«

»Qué sorpresa!« antwortete Antonio Perillo. »Ich will des Teufels sein, wenn das nicht unsre Gefangenen sind, welche wir gestern vergeblich aufgehängt haben.«

»Du hast recht; sie sind es. Sonderbare Menschen! Gestern verschwanden sie, ohne eine Spur zu hinterlassen, und heut fallen sie gerade vom Himmel herunter. Heda, ihr Halunken, seid ihr tot oder lebt ihr noch?«

Er stieß sie vom Pferde herab mit seinem Gewehrkolben so derb an, daß sie aus ihrer augenblicklichen Betäubung erwachten. Fritze nahm sich am schnellsten zusammen; er befühlte seine Glieder und hob, als er dieselben unzerbrochen fand, seinen Herrn auf.

»Wie ist’s abgelaufen?« fragte er ihn, die Todfeinde gar nicht beachtend. »Hat Ihr Körper jut zusammenjehalten, oder sind ein paar Gelenke zerrissen?«

Der Doktor befühlte sich auch und antwortete dann:

»Es scheint nichts zerbrochen zu sein, aber der Kopf brummt mir wie eine Pauke, lateinisch Tympanum genannt.«

»Dat jibt sich wieder. Wie sind Sie nur ins Rollen jekommen?«

»Ganz so wie du, der du doch auch —«

»Schweigt!« fuhr sie der Gambusino an. »Jetzt habe nur ich mit euch zu sprechen, und zwar ein sehr ernstes Wort. Wo seid ihr denn gestern abend hingekommen?«

»Hierher,« antwortete Fritze.

»Das sehe ich! Aber wer hat euch losgebunden?«

»Niemand.«

»Lüge nicht! Von selbst konntet ihr nicht loskommen.«

»O doch, sehr leicht!«

»Auf welche Weise?«

»Wir haben uns losgebissen.«

»Mensch, wenn du so gute Laune hast, daß es dir beikommt, Scherz mit mir zu treiben, so will ich dich bald in eine andre Stimmung bringen! Ich will wissen, wer euch befreit hat!«

»Und ich kann nichts anders antworten, als was ich schon gesagt habe. Wir haben uns selbst losgemacht.«

»Auf welche Weise?«

»Fällt mir nicht ein, dies zu verraten!«

»Wenn du nicht reden willst, werde ich dir den Mund öffnen!«

»Auch dann sage ich nichts. Wenn ich es erklärte, und ihr hängt uns wieder auf, könnten wir dann nicht herunter, denn ihr würdet euch besser vorsehen.«

»Ist das etwa wieder Hohn? Ich weiß, wer euch befreit hat. Ist’s nicht der Vater Jaguar gewesen?«

»Seid jetzt nicht so neugierig! Später werden wir es euch erzählen.«

Er nahm seinen Herrn bei der Hand und eilte mit ihm fort, zum Felsenthor hinein. Antonio Perillo zog seine Pistole und wollte ihnen nach, um sie zum Stehenbleiben zu zwingen, aber der Gambusino meinte, indem er höhnisch auflachte:

»Laß sie nur! Sie entgehen uns nicht. Sie scheinen nicht zu wissen, daß sich die Krieger schon hier befinden und werden arg erschrecken, wenn sie dieselben sehen.«

»Mir fällt ein Stein vom Herzen!« fiel Perillo in das Gelächter ein. »Jetzt werden wir bald erfahren, was wir über ihr rätselhaftes Verschwinden zu denken haben und es wird uns das Vergnügen, sie noch einmal aufhängen zu können. Reiten wir ihnen nach!«

Sie folgten den Vorangeflohenen. Der Hauptmann Pellejo machte den Letzten. Als sie das Thor hinter sich hatten, sahen sie den Doktor und seinen Diener eben rechts hinter den nächsten Büschen verschwinden. Zu gleicher Zeit aber sahen sie noch etwas oder vielmehr noch jemand, das heißt, einen Menschen, welcher nicht verschwand, sondern erschien. Er trat soeben am linken Rande des Thales unter den Bäumen hervor. Wer ihn einmal gesehen hatte, der mußte ihn stets und überall wieder erkennen.

»Todos los diablos!« rief der Gambusino. »Das ist der Vater Jaguar!«

Er hielt unwillkürlich sein Pferd an, und die andern beiden thaten mit den ihrigen dasselbe. Da sahen sie hinter dem Vater Jaguar ein leichtes Rauchwölkchen erscheinen, und im nächsten Augenblicke krachte ein Schuß. Was nun geschah, kann unmöglich im zehnten, ja nicht im fünfzigsten Teile der Zeit erzählt werden, in welcher es sich abspielte.

Der Vater Jaguar war von allen, welche auf das Nahen der Feinde warteten, der ruhigste gewesen. Er wußte, woran er war. Und dann, als der Häuptling der Abipones im Thale erschien und allen Cambas das Herz klopfte, bewahrte er dieselbe Ruhe. Er lehnte am Stamme eines Baumes und beobachtete durch das Gebüsch, welches er vor sich hatte, den Anmarsch der Feinde. Aber eben dieses Gebüsch, welches so dicht sein mußte, daß es ihn verbarg, verhinderte ihn, genau zu sehen. Er konnte die Gesichtszüge der einzelnen, oft sogar selbst ihre Gestalten, nicht erkennen. Er sah erst die Roten kommen, dann die weißen Reiter, und als hierauf der Zuzug stockte, weil der Gambusino, Perillo und Pellejo draußen geblieben waren, glaubte er, daß nun alle im Thale versammelt seien. Darum sagte er zu dem Lieutenant Verano:

»Bleiben Sie stehen, bis ich wiederkomme. Sollte ich aber schießen, so können Sie mit Ihren Kugeln so viele Abipones niederstrecken, wie Ihnen beliebt.«

Er trat aus dem Gesträuch hervor, um sich nach dem Mittelpunkte der Feinde zu begeben. Zwar sah er in diesem Augenblicke erst den Gambusino mit seinen beiden Begleitern erscheinen; aber er konnte unmöglich wieder zurück. Verano aber hielt seine Zeit für gekommen. Er hob sein Gewehr, legte es an, zielte auf den Häuptling der Abipones und drückte ab. Der Schuß krachte und der Häuptling stürzte, durch den Kopf getroffen, am Wasser nieder. Eine halbminutenlange Pause des Entsetzens folgte; dann erhoben die Abipones ein Geheul, welches von den Wänden des Thales widerhallte. Der Vater Jaguar wendete sich, als der Schuß hinter ihm krachte, blitzschnell um. Er sah den Lieutenant mit noch erhobenem Gewehre stehen und stand nach einigen raschen Sprüngen neben ihm.