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Das Vermaechtnis des Inka

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»Schurke, Verräter, Mörder!« donnerte er ihn an. »Ist das der Gehorsam, den ich von dir forderte!«

»Ich habe keinem Menschen zu gehorchen,« antwortete der Mann trotzig.

»Auch Gott nicht, welcher den Mord verboten hat? Und du bist nicht ein einfacher, sondern ein Massenmörder!«

»Ich habe nur den Häuptling erschossen!«

»Nein, denn dein Schuß ist das Signal zu sechshundert andern. Horch!«

Von beiden Seiten des Thales krachten die Schüsse der Cambas unter den Bäumen hervor. Man sah die Abipones in Masse niederstürzen, und vom am Eingange rief eine laute, donnernde Stimme:

»Flieht, rettet euch! Ihr seid von allen Seiten umzingelt!«

Es war der Gambusino, welcher diese Worte mit solcher Stimme rief, daß sie über das ganze Thal hin schallten. Dann warf er sein Pferd herum und jagte hinaus. Antonio Perillo und der Kapitän Pellejo folgten ihm. Dies geschah, während der Vater Jaguar seine letzten Worte zu dem Lieutenant gesprochen hatte; darum fuhr er ergrimmt fort:

»Schon sind wenigstens hundert tot, und dort entkommen diejenigen, die ich haben wollte und haben muß. Ich habe dir gesagt, wie ich einen solchen Mord bestrafen würde; du aber hast nicht auf meine Warnung gehört. Hier, nimm deinen Lohn!«

Er riß den Revolver hervor, hielt ihn dem Lieutenant blitzschnell an die Schläfe und drückte ab. Der Ungehorsame brach augenblicklich tot zusammen.

Dann warf der gewaltige Mann einen schnellen Blick über das Thal. Eben krachte eine neue Salve der Cambas, welche zehnfach gefährlich waren, weil sie von den Abipones nicht gesehen werden konnten und die letzteren stürzten zu zehn und zwanzig zusammen. Was sollte er thun? Den Gambusino und Antonio Perillo, auf welche es hier ankam, entkommen lassen oder hier bleiben, um dem Morden Einhalt zu thun? Da eben kam Geronimo mit den Seinen durch den Eingang gestürmt; das brachte ihn schnell zur Entscheidung. Er rannte auf eins der Abiponespferde zu, welche, von den Schüssen erschreckt, scheu im Thale herumrannten, und sprang auf. Zu gleicher Zeit mit ihm kam der alte Anciano mit geschwungenem Gewehre gesprungen, warf sich auf ein zweites und rief ihm dabei zu:

»Señor, Antonio Perillo, der Mörder meines Inka, entkommt. Ich muß ihm nach, muß ihn haben!«

»Ich reite mit,« antwortete er. »Halte dich zu mir!«

Sie jagten nebeneinander nach dem Eingange zu. Dort hielt der Vater Jaguar sein Pferd für einen Augenblick an und rief seinem Geronimo zu:

»Hast du die drei fliehenden Reiter gesehen?«

»Ja. Wir konnten sie nicht halten, da wir keine Pferde hatten.«

»Nach welcher Seite haben sie sich gewendet?«

»Nach links, vom Thale aus.«

»Thu schnell dem Blutvergießen Einhalt! Der Kampf mag ruhen, wenigstens bis ich wiederkomme!«

Dann schoß er mit dem alten Anciano zwischen den beiden Felsen hindurch und riß sein Pferd nach links herum, wo er die Spuren der Flüchtigen im Grase sah.

Von dem Augenblicke an, wo der Gambusino seine Warnung ausgerufen und das Thal verlassen hatte, bis zum gegenwärtigen Moment waren höchstens zwei Minuten vergangen und doch waren die Gestalten der drei Reiter schon fast am nördlichen Horizonte zu sehen. So sehr beeilten sie sich und so groß war ihre Furcht vor dem Vater Jaguar!

»Wir holen sie nicht ein, denn wir haben fremde Pferde, welche nichts taugen,« knirschte der Anciano.

»Wir holen sie ein, denn wir müssen sie haben. Gib deinem Gaul das Messer! Mag er immer sterben, wenn er dich nur bis zu ihnen trägt!«

Die beiden standen, um ihre Last zu verringern, mit vorgebeugten Oberkörpern hoch in den Bügeln und trieben ihre Pferde durch Schläge und Sporen an. Der Zwischenraum verringerte sich, aber nicht rasch genug. Da zog der Vater Jaguar sein Messer und stach seinem Pferde die Spitze desselben in das Fleisch. Er, der Tierfreund, welcher sich sogar hütete, einem Wurme Schmerzen zu bereiten, quälte jetzt das Pferd, um seinen Todfeind zu erreichen, den er so lange Jahre vergeblich gesucht hatte und nun wieder aus den Augen verlieren sollte. Anciano bediente sich desselben Mittels, und die armen Tiere strengten ihre Kräfte auf das äußerste an. Sie flogen nur so über den ebenen, grasigen Plan, parallel mit dem Rande des Waldes, welcher sich von dem Thale des ausgetrockneten Sees aus nach Norden erstreckte. Der Zwischenraum verringerte sich mehr und mehr und die Fliehenden verloren zusehends den Vorsprung, den sie gehabt hatten.

»Wenn man ihnen ihre Pferde unter den Beinen wegschießen könnte!« seufzte Anciano.

»Leichtigkeit!« antwortete der Vater Jaguar.

»Leichtigkeit? Ich halte es für unmöglich.«

»So hast du mich noch nicht schießen sehen.«

»Dann bitte ich dich dringend, es doch zu thun!«

»Fällt mir nicht ein!«

»Warum?«

»Weil es die größte Dummheit wäre, welcher ich mich schuldig machen könnte.«

»Das begreife ich nicht. Wir könnten sie doch sofort festnehmen!«

»Nein, sondern sie würden uns gerade im Gegenteile entkommen. Sie würden sich zu Fuße in den Wald retten und dieser ist so dicht, daß wir die Verfolgung sogleich aufgeben müßten. Ich begreife überhaupt nicht, warum sie nicht schon längst die Pferde preisgegeben und sich in den Wald gerettet haben. So lange sie im Sattel bleiben, bin ich sicher, sie einzuholen. Wir müssen also versuchen, sie vom Walde abzubringen und in den offenen Campo hinauszutreiben.«

Er hielt sein Pferd mehr nach links, bis er dicht am Waldesrande dahinjagte, und Anciano folgte diesem Beispiele. Da ereignete sich vor ihnen etwas, was nur wenige Augenblicke in Anspruch nahm und sie dennoch mit Grauen erfüllte.

Die drei Verfolgten ritten nämlich nicht neben, sondern in verschiedenen Abständen hinter einander. Der Hauptmann Pellejo war voran, denn er hatte das beste Pferd; dann kam Antonio Perillo, und endlich folgte der Gambusino, dessen Pferd am ermüdetsten war, weil es einen so schweren Reiter zu tragen hatte. Bei jedem mal, daß er sich umsah, bemerkte er, daß die Verfolger ihm wieder näher gekommen waren. Wenn das nur noch fünf Minuten so fortging, so hatten sie ihn eingeholt, denn er sah nicht nur, sondern er fühlte auch, daß ihn sein Pferd nur noch eine kurze Strecke zu tragen vermochte. Sollte er sich verloren geben? Nein! Lieber ein Menschenleben opfern! Er zog also sein Messer und stieß die Klinge desselben dem Pferde bis an das Heft in den Leib. Das verwundete Tier nahm seine letzte Kraft zusammen und jagte mit verdoppelter Geschwindigkeit weiter. Der Gambusino jagte infolgedessen an Antonio Perillo vorüber und holte dann den Hauptmann ein.

»Señor, Euer Pferd!« herrschte er diesen an. »Springt herab; ich muß es haben!«

»Was fällt Ihnen ein!« antwortete der Offizier. »Soll ich mich etwa fangen lassen?«

»Ich habe keine Zeit, mit dir zu verhandeln. Fahre hin, du Schwachkopf!«

Er hatte das Gewehr zu diesem Zwecke schon in der Hand gehalten und schoß Pellejo, ehe dieser sich zu wehren vermochte, eine Kugel in die Seite. Der Getroffene wankte, griff aufschreiend mit beiden Händen in die Luft, wollte sich vergeblich halten und stürzte vom Pferde. Der Gambusino hatte dasselbe im Nu beim Zügel, hielt an, schwang sich hinüber und jagte dann weiter.

»Haben Sie es gesehen?« rief Anciano dem Vater Jaguar zu. »Er hat seinen Gefährten erschossen!«

»Um zu dessen Pferd zu kommen. Es soll ihn aber nichts nützen, daß er einen Mord mehr auf sein Gewissen geladen hat.«

Sie erreichten jetzt die Stelle, an welcher Pellejo lag. Er war nicht tot und rief ihnen zu:

»Ich kann Sie aufklären. Erbarmen Sie sich meiner!«

Sie verstanden im Vorüberjagen diese Worte, konnten sie aber nicht beachten, da ihnen an Pellejo weniger lag als an den beiden andern. Der Gambusino hatte jetzt das bessere Pferd; da er aber viel schwerer war als der bisherige Reiter, so blieb er nicht im Vorsprung, sondern die beiden Pferde jagten Kopf an Kopf nebeneinander hin. Jetzt sah er sich wieder um und erschrak.

»Cascaras!« schimpfte er grimmig. »Die Schufte sind uns auf den Fersen und wollen uns vom Walde abbringen. Ich habe den Kapitän vergeblich getötet, denn wir müssen in den Wald, sonst sind wir verloren. Stecke alles, was du in den Satteltaschen hast, zu dir und dann herab von den Pferden und ins Gesträuch hinein!«

Perillo sagte kein Wort, denn er wußte, daß der andre recht hatte. Sie leerten die Satteltaschen, lenkten ihre Pferde schräg dem Walde zu, sprangen, als sie diesen erreicht hatten, ab und jagten in das Dickicht hinein. Perillo wollte rasch tiefer eindringen; der Gambusino aber hielt ihn am Arme zurück und gebot:

»Bleib! Hier sind wir so sicher wie in Abrahams Schoß. Meinst Du, daß dieser Vater Jaguar sich heranwagt und unsern Kugeln aussetzt? Dazu ist er viel zu schlau. Nur ein unerfahrener Knabe könnte das thun.«

Sie standen also hinter dem vorderen Gebüsch, hielten ihre Gewehre schußbereit und lauschten angestrengt zurück, ob sie die Nahenden sehen oder hören würden. Sie bekamen aber nichts zu sehen und es blieb draußen so still und ruhig, als ob kein Mensch da vorhanden sei.

»Siehst du, daß ich recht habe,« meinte der Gambusino. »Sie hüten sich sehr, heranzukommen.«

»Dann scheinen wir gerettet zu sein. Ich begreife überhaupt nicht, warum wir uns so einschüchtern ließen; wir waren drei Personen und sie nur zwei. Sie konnten sich auch draußen nicht an uns wagen, denn wenn sie in Schußweite herangekommen wären, hätten wir sie von den Pferden schießen können.«

»Das sagst du, weil du diesen Vater Jaguar nicht kennst. Er besitzt nicht nur so außerordentliche Körperkräfte, daß selbst ich im Ringkampf mit ihm unterliegen würde, sondern ist auch der beste Schütze, den ich kenne. Man hat nie gehört, daß er einen Fehlschuß gethan hat und damals, als ich ihn kennen lernte, war seine Büchse als die weittragendste bekannt. Er hat sie jedenfalls noch. Hätten wir ihn draußen erwartet, so wären wir von seinen Kugeln viel eher erreicht worden, als er von den unsrigen. Das ist so sicher, daß ich es beschwören kann. Es gab für uns nur den einen Rettungsweg, den wir auch eingeschlagen haben, nämlich uns hier in den Wald zu flüchten, in welchen er uns nicht folgen kann, da wir da vollständige Deckung haben und jeden Feind, welcher seine Annäherung durch das dabei unvermeidliche Geräusch verraten müßte, niederschießen würden.«

 

»Du magst recht haben. Wir können hier ruhig abwarten, bis die beiden Kerls sich entfernt haben, und reiten dann weiter.«

»Weiterreiten? Darauf müssen wir verzichten.«

»Wieso?«

»Weil wir keine Pferde haben werden.«

»Sie stehen doch draußen! Wir sehen sie von hier. Sie sind, als wir absprangen, nur eine kleine Strecke weiter gelaufen.«

»Das weiß ich wohl, denn ich sehe sie ebenso gut wie du. Aber denke ja nicht, daß der Vater Jaguar so dumm sein wird, sie uns zu lassen. Wir werden den größten Teil des weiten Weges nach der Barranca del Homicidio zu Fuße zurücklegen müssen. Horch! Da siehst du, daß ich recht gehabt habe.«

Es waren nämlich draußen soeben zwei Schüsse gefallen, worauf die beiden Pferde, von den Kugeln Hammers getroffen, tot niederstürzten. Der Gambusino hatte den Vater Jaguar ganz richtig beurteilt. Dieser letztere wußte ganz genau, wie er unter den gegenwärtigen Verhältnissen zu handeln hatte. Als die beiden Flüchtlinge von ihren Pferden sprangen und im Walde verschwanden, hatte der alte Anciano fröhlich ausgerufen:

»Sie sehen ein, daß wir sie einholen werden und verstecken sich in den Büschen. Jetzt haben wir sie. Wir müssen ihnen nach, schnell hinter ihnen her!«

Er wollte sein Pferd zu möglichst noch größerer Eile antreiben, um die Stelle, an welcher die beiden verschwunden waren, schnell zu erreichen; aber Hammer, welcher eng neben ihm ritt, griff ihm in die Zügel, und es gelang ihm, die Pferde nach einigen Sätzen anzuhalten.

»Was fällt dir ein!« sagte er. »Willst du direkt in den Tod reiten? Wir müssen anhalten.«

»Anhalten?« fragte der Alte erstaunt. »Dann entgehen sie uns ja! Sie werden trotz der Dichtheit des Waldes so tief in denselben eindringen, daß es uns unmöglich ist, sie zu finden.«

»Nein, das werden sie nicht. Ich wette, sie sind am Rande des Gebüsches stehen geblieben, um uns, mit den Gewehren in den Händen, zu erwarten. Wenn wir uns ihnen nähern, bekommen wir ihre Kugeln.«

»Das ist wahr, Señor; daran dachte ich nicht. Aber sollen wir diese Halunken entkommen lassen?«

Der Vater Jaguar antwortete nicht sofort. Sein Gesicht nahm den Ausdruck grimmiger Entsagung an. Er blickte eine Weile finster vor sich nieder und sagte dann, indem das zornige Knirschen seiner Zähne zu hören war:

»Es bleibt uns wohl nichts andres übrig, als unverrichteter Sache zurückzureiten.«

»Aber ich will und muß diesen Antonio Perillo, diesen Mörder haben!«

»Und ich will und muß den Gambusino erreichen; aber wenn wir uns zur Unvorsichtigkeit hinreißen lassen, werden sie uns bekommen, anstatt wir sie.«

»Gibt es denn kein Mittel, keinen Weg, Señor? Sie sind so erfahren, so listig. Sie sind niemals um eine Auskunft verlegen. Sollten Sie gerade jetzt, wo es sich um alles handelt, wo wir schon so nahe am Ziele waren, von Ihrem Scharfsinne verlassen werden?«

»Nein, doch nicht so ganz, wie du denkst,« antwortete Hammer, indem sein Gesicht sich wieder aufzuheitern begann. »Wir müssen sie laufen lassen, aber doch nur einstweilen. Wir kennen den Ort, an welchem sie sich jetzt befinden, und werden ihrer Fährte folgen.«

»Aber dies können wir doch nicht jetzt, sondern erst später thun!«

»Allerdings. Jetzt müssen wir nach dem Thale zurückkehren, wo meine Anwesenheit zunächst notwendiger sein wird als hier.«

»Dann kommen die beiden Schurken hervor, setzen sich auf ihre Pferde und reiten davon, sie erhalten dadurch einen Vorsprung, welchen wir nicht einholen können.«

»Sie werden nicht reiten können, sondern gehen müssen. Dafür sorge ich jetzt.«

Er legte sein Doppelgewehr an und richtete es nach der Stelle, an welcher die Pferde der Flüchtlinge standen. Die beiden Kugeln trafen so genau, daß die Tiere sofort niederstürzten. Dann fuhr er fort, indem er gleich wieder lud:

»Uebrigens ist es vielleicht gar nicht nötig, daß wir ihren Spuren mühsam folgen. Hast du gehört, was Hauptmann Pellejo uns zurief, als wir an ihm vorüberjagten?«

»Ja.«

»Er scheint in die Pläne seiner Kumpane eingeweiht zu sein und wird sich rächen wollen, indem er sie uns verrät. Vielleicht ist er nicht zu Tode getroffen. Wenn er noch lebt, werden wir vielleicht

Wichtiges von ihm hören. Laß uns also umkehren.«

Er wendete sein Pferd um, ohne noch einmal zurückzublicken. Anciano aber folgte ihm nicht eher, als bis er die Faust drohend gegen die Stelle geschüttelt hatte, an welcher die entkommenen Feinde zu vermuten waren. Er, der sonst so ruhige und bedächtige Greis, zitterte fast vor Grimm darüber, daß die erst so viel versprechende Verfolgung ein solches Ende genommen hatte.

Als sie sich im Galoppe der Stelle näherten, wo Pellejo vom Pferde gestürzt war, sahen sie, daß er seinen Oberkörper mühsam erhob und ihnen zuwinkte. Er lebte also noch. Sie hielten bei ihm an und stiegen von ihren Pferden. Er lag in einer Blutlache und hielt die Hand auf die Wunde, als ob er dadurch das entfliehende Leben zurückhalten könne. Der Vater Jaguar sah es seinem todesbleichen Gesichte und den schon starr werdenden Augen an, daß jede Hilfe hier vergeblich sei; dennoch kniete er bei dem Verwundeten nieder und schnitt die Kleidung desselben auf, um die Wunde zu untersuchen.

»Geben Sie sich keine Mühe, Señor,« sagte Pellejo mit schwacher Stimme. »Ich fühle, daß die Kugel im Leben sitzt. Haben Sie gesehen, daß ich von dem Gambusino meuchlerisch vom Pferde geschossen wurde?«

»Ja. Er, der Ihr Verbündeter war, ist zum Mörder an Ihnen geworden. Ich sehe, daß es keine Rettung für Sie gibt. Sie haben nur noch wenige Minuten zu leben. Wollen Sie Ihr Gewissen erleichtern? Haben Sie einen Wunsch, den ich Ihnen vielleicht erfüllen kann?«

»Einen Wunsch –? Ja!« antwortete der Gefragte, indem sein Auge für einige Sekunden neues Leben bekam.

»So teilen Sie ihn mir mit!«

»Rache!«

»An dem Gambusino?«

»Ja. Rächen Sie meinen Tod, Señor!«

»Ich will es thun. Auch ich habe eine schwere Rechnung mit dem Gambusino und werde den an Ihnen begangenen Mord dazu addieren. Aber unterstützen Sie mich. Kennen Sie die Pläne dieser beiden Männer?«

»Ja,« antwortete Pellejo, indem er die Hand wieder auf die Wunde drückte, um das Blut aufzuhalten und so einige Minuten länger leben zu können. »Meine Augenblicke sind gezählt, aber sie werden ausreichen, Ihnen mitzuteilen, was ich erlauscht habe. Der Gambusino und Perillo wollten durch den jetzigen Kriegszug und das darauf folgende Pronunciamiento reich werden. Sie hofften, reiche Beute zu machen. Darauf müssen sie nun verzichten. Dafür aber wollen sie sich den gewünschten Reichtum nun aus den Bergen holen.«

»Ach! Kennen Sie den Ort?«

»Ja. Er liegt in der Nähe der Salina del Condor.«

»Kennen Sie den Namen?«

»Ich kenne ihn; aber ich bin schon so schwach, daß – daß ich mich erst noch besinnen muß.«

»War es vielleicht die Barranka del Homicidio?«

»Ja, ja, die war es!« antwortete der Sterbende lebhafter als bisher.

»Soll es denn dort Schätze geben?«

»Große Reichtümer aus der Inkazeit!«

»Woher weiß das der Gambusino?«

»Antonio Perillo erzählte es ihm. Dieser hat einen Indianer belauscht, der in einer Vollmondnacht in die Barranka stieg und am nächsten Morgen mit Kostbarkeiten beladen wieder herauf kam.«

»Wann ist das gewesen?«

»Das weiß ich nicht, denn es wurde nicht mit erwähnt.«

»Hat Perillo denn die Kostbarkeiten gesehen?«

»Nicht nur gesehen. Er ist dem Indianer nach und hat ihn ermordet, um ihn zu berauben. Sogar seine Kopfhaut hat er mitgenommen.«

Der alte Anciano hatte geschwiegen; jetzt ließ er einige dumpfe, unverständliche Worte hören. Der Vater Jaguar fragte weiter:

»Ist Perillo später wieder in der Barranka gewesen?«

»Ja. Er hat nach den Schätzen gesucht, aber nichts gefunden. Nun will er jetzt mit dem Gambusino hinauf, weil dieser erfahrener und scharfsinniger ist.«

»Sie wissen das genau?«

»Ganz genau. Ich hörte es von ihnen selbst. Ich belauschte sie gestern, ohne daß sie es ahnten und – — —« ‘

Er hatte nur in kurzen Absätzen gesprochen und die Worte oft einzeln und mühsam hervorgestoßen; seine Stimme war dabei immer schwächer geworden. Jetzt riß es ihm mitten in der Rede die Hand von der Wunde weg; er bäumte sich mit einem gurgelnden Schrei empor und sank dann wieder nieder. Seine Augen schlossen sich; er röchelte leise und immer leiser; seine Glieder streckten sich in krampfhaften Zuckungen aus – — er war tot.

»Vorüber!« sagte der Vater Jaguar indem er sich aufrichtete. »Er war ein Empörer, ein Verräter und hat hier den gerechten Lohn gefunden. Seine letzten Worte sind von der größten Wichtigkeit für uns.«

»Ja,« nickte Anciano ernst. »Sie bestätigen, daß Antonio Perillo der Mörder meines Herrschers ist. Wäre bisher ein Irrtum möglich gewesen, so könnte nun jetzt keine Rede mehr von einem solchen sein. Der Thäter ist mir heute entkommen; aber ich werde mich wie ein Hund auf seine Fährte legen und weder am Tage noch des Nachtsruhen, bis ich ihn ergriffen habe.«

»Was seine Fährte betrifft, so werden wir dieselbe nicht berücksichtigen. Es würde vielmehr ein großer Fehler von uns sein, wenn wir uns auf eine so langwierige und mühsame Suche begeben wollten, während wir doch nun ganz genau wissen, wohin sich die beiden wenden werden. Da wir erfahren haben, daß die Barranca del Homicidio das Ziel ihrer Wanderung ist, brauchen wir ja nur dorthin zu reiten, um sie dort zu erwarten.«

»Aber wenn sie eher dort ankommen als wir?«

»Das steht nicht zu erwarten, weil sie keine Pferde haben.«

»Sie können aber durch irgend einen Zufall zu zwei Tieren kommen!«

»Wenn wir uns mit allen möglichen Zufällen abgeben wollten, so wäre es am besten, wir ließen sie gleich laufen und bekümmerten uns gar nicht mehr um sie. Unter hundert ist auf neunundneunzig zu wetten, daß wir eher dort ankommen als sie, und danach handeln wir. Sollte aber keiner der neunundneunzig Fälle, sondern nur gerade der hundertste eintreten, so trifft uns keine Schuld, wir haben unsre Pflicht gethan und es ist selbst dann noch immer die Möglichkeit vorhanden, daß wir dennoch unsern Zweck erreichen. Brechen wir also nach dem Thale auf!«

»Was thun wir mit dieser Leiche?«

»Unter andern Umständen würde ich sie hier an Ort und Stelle begraben; jetzt aber habe ich keine Zeit dazu. Wir wissen nicht, was während unsrer Abwesenheit geschehen ist, und haben also keine Zeit zu verlieren. Das Pferd nehmen wir natürlich mit.«

Das Pferd, welches der Gambusino geritten und dann aufgegeben hatte, war vor Ueberanstrengung gestürzt und eine Weile wie tot hegen geblieben. Nun aber hatte es sich wieder aufgerafft und fraß von dem Grase, welches hier ziemlich üppig stand. Der Vater Jaguar fing es leicht ein und untersuchte es. Er erkannte, daß es sich bei einiger Ruhe und Schonung sehr wahrscheinlich wieder erholen würde, und band daher die Zügel desselben mit denen des seinigen zusammen.

Indessen hatte der alte Anciano sich an der Leiche des Hauptmannes zu schaffen gemacht. Dieser hatte Waffen und verschiedene andre brauchbare Gegenstände bei sich getragen, von denen vorauszusetzen war, daß der Gambusino und Perillo sich ihrer bemächtigen würden. Darum nahm der Alte sie lieber zu sich. Darauf bestiegen sie ihre Pferde wieder und kehrten nach dem Thale des ausgetrockneten Sees zurück.

Als sie dort ankamen, wurden sie von einer Cambasschar empfangen, welche den Eingang des Thales zu beaufsichtigen hatte. Der »harte Schädel« befehligte sie. Von dem Vater Jaguar befragt, wie es im Thale stehe, antwortete dieser:

»Es steht gerade so, wie wir erwartet haben, Señor Wir sind Sieger geblieben.«

»Das versteht sich ganz von selbst, denn uns zu besiegen, war für die Abipones gar keine Möglichkeit vorhanden. Wenn ich fragte, so geschah es um dieser letzteren willen. Ihr habt nach meiner Entfernung doch nicht wieder geschossen?«

»Noch einigemal, Señor.«

»Warum?« fuhr Hammer auf. »Das ist der reine Mord!«

»Sie waren und sind unsere Feinde und hätten uns, wenn sie Sieger geblieben wären, bis auf den letzten Mann getötet.«

»So müßt ihr sie ja fast alle erschossen haben! Ich befahl doch Geronimo, dem Morden Einhalt zu thun. Komm, Anciano, wir wollen sehen!«

 

Die beiden ritten durch den Eingang in das Thal. Was sie da sahen, war für einen christlichen Sinn weit mehr als nur betrübend. Die Cambas, welche vorher unter den Bäumen verborgen gewesen waren, hatten ihre Verstecke verlassen, um ihren Gegnern sich und ihre Uebermacht zu zeigen. Sie hatten, jetzt vor den Bäumen sitzend und ihre Waffen noch immer bereit haltend, den ganzen Rand des Thales rundum eingenommen. Rechts, wo vorher der Vater Jaguar postiert gewesen war, befand sich jetzt Geronimo mit seinen weißen Gefährten. Doktor Morgenstern und sein Fritze waren auch dabei.

Die Abipones befanden sich noch am Ufer des kleinen Sees; sie wagten es nicht, einen Vorstoß zu unternehmen, und hatten ihre Toten und Verwundeten zusammengetragen. Der Augenschein lehrte, daß wohl mehr als die Hälfte von ihnen gefallen waren. Das erregte den Zorn des Vater Jaguar. Er galoppierte zu Geronimo hin, schwang sich aus dem Sattel und fragte in scharfem Tone:

»Wie kommt es, daß ich so viele Leichen sehe, von den Verwundeten gar nicht zu sprechen? Ich hatte dir doch gesagt, daß bis zu meiner Rückkehr nicht mehr geschossen werden sollte!«

»Ich trage nicht die Schuld, daß es anders gekommen ist,« antwortete Geronimo. »Man gehorchte mir nicht, und ich habe geradezu drohen müssen, ehe man Einhalt that.«

»Dann wollen wir den Uebriggebliebenen wenigstens nicht die härtesten Bedingungen stellen. Leider hat Lieutenant Verano den Oberhäuptling der Abipones erschossen; wir werden also mit den Unterhäuptlingen zu verhandeln haben. Sende einen Boten an sie! Sie mögen zu mir kommen. Ich sichere ihnen freies Geleit zu. Aber ohne Waffen müssen sie sein.«

Während der Bote abging, wendete sich Hammer, natürlich in deutscher Sprache, an Morgenstern:

»Ich hatte Ihnen doch angedeutet, draußen vor dem Thale bei den Pferden zu bleiben. Wie sind Sie denn eigentlich auf die entgegengesetzte Seite des Thales und noch dazu in die Hände der Feinde gekommen?«

Der Kleine antwortete:

»Infolge unsrer Tapferkeit, lateinisch Fortitudo oder auch Strenuitas genannt.«

»Also Ungehorsam! Es ist doch sonderbar, daß Ihre Tapferkeit stets Ihre Gefangennahme zur Folge hat! Es muß sich also bei Ihnen beiden um eine ganz unglückliche Art von Fortitudo oder Strenuitas handeln.«

»Janz jewißlich nicht, « fiel da Fritze schnell ein. »Es ist die richtige Tapferkeit jewesen. Erinnern Sie Ihnen doch einmal jenau! Sind wir heut jefangen jewesen?«

»Allerdings.«

»Ja, wo denn?«

»Der Gambusino brachte Sie getrieben!«

»Wie? Er hätte uns jetrieben jebracht? Dat is falsch! Wir haben ihn vielmehr anjelockt und hinter uns herjebracht. Wir haben ihm in die Falle jeführt.«

»Verteidigen Sie sich nicht auf eine so lächerliche Weise! Er ist ja wieder aus der Falle entkommen, und daran sind nur Sie beide schuld. Ich werde aber in Zukunft dafür sorgen, daß Sie uns einen solchen Schaden nicht wieder bereiten können.«

Er wäre vielleicht noch schärfer mit ihnen verfahren, aber es kamen jetzt die Unterhäuptlinge der Abipones herbei, und vom Eingange her näherte sich der »harte Schädel«, und so war es Zeit, die Verhandlung zu beginnen, zumal der Nachmittag sich zur Rüste zu neigen begann.

An dieser Verhandlung nahmen nur die Weißen und die Häuptlinge teil. Der Vater Jaguar hielt einige begütigende Reden, in denen er die Forderungen der Cambas zu mäßigen suchte und den Abipones bewies, daß ihre Freundschaft mit dem Gambusino und seinem Anhange ihnen nur Unglück gebracht habe und daß es für sie am geratensten sei, mit ihren roten Brüdern in Eintracht und Frieden zu leben. Seine Worte brachten nach beiden Seiten den beabsichtigten Eindruck hervor und dann begann eine Art Handel in Beziehung der Kriegsentschädigung, welche die Abipones den Cambas zu zahlen hatten. Es ging dabei sehr erregt her, doch brachte der Vater Jaguar nach einiger Zeit die beabsichtigte Einigung zu stande.

Die Cambas hatten heute keinen Mann verloren, Grund genug, ihre Forderungen nicht zu übertreiben. Die Abipones waren durch die große Zahl ihrer Toten und Verwundeten hart bestraft. Sie mußten alle ihre Waffen abgeben und dann Frieden schwören. Es war dem Vater Jaguar gelungen, eine Straflieferung von Pferden und Rindern zu hintertreiben, da die Abipones diese Tiere doch, um sie den Cambas bringen zu können, den weißen Ansiedlern vorher hätten rauben müssen.

So war der Krieg zum Nutzen der Cambas beendet. Diese jubelten und fanden kaum Worte, dem Vater Jaguar ihre Dankbarkeit zu bezeigen. Die Abipones aber waren selbstverständlich im höchsten Grade niedergeschlagen. Sie saßen klagend bei ihren Leichen und kühlten mit Wasser die Wunden ihrer Blessierten. Heute blieben alle, Sieger und Besiegte, im Thale. Morgen sollten die letzteren waffenlos abziehen, natürlich nur die Gesunden und Leichtverwundeten, während die Schwerverwundeten von den Cambas gepflegt würden und dann nachkommen sollten.

Kein Mensch freute sich darüber, daß so viel Blut geflossen war, in der Weise, wie Don Parmesan Rui el Iberio, denn er glaubte, nun das Licht seiner chirurgischen Kenntnisse und Geschicklichkeiten leuchten lassen zu können. Er wendete sich an die Häuptlinge der Abipones, um die Erlaubnis zu erhalten, ihre Kranken behandeln zu dürfen, wurde aber kalt und ohne Dank abgewiesen, da diese Roten sich auf die Behandlung der Wunden weit besser als mancher weiße Arzt verstehen. Er kehrte darum ganz erbost von ihnen zurück und sagte zu Morgenstern, dem er sich am liebsten mitzuteilen pflegte:

»Sind diese Kerls nicht Prügel wert, Señor? Sie weisen mich ab, obgleich ich ihnen meine Hilfe angeboten. Sie meinen doch auch, daß ich viele ihrer Blessierten gerettet hätte?«

»Ich bin überzeugt davon,« antwortete der Gefragte in höflicher Weise.

»Ja, viele, viele hätte ich gerettet! Ich sah sie liegen, blutend und mit zerschossenen Gliedern. Diese Glieder müssen herunter, sonst kommt der Brand dazu. Und wer kann sie kunstgerechter herunterbringen als ich? Sie sind doch vollständig überzeugt, Señor, daß ich alles, alles heruntersäble?«

»Ich bezweifle es nicht im mindesten.«

»Dann wollte ich, daß Sie einen Schuß in den Arm, in das Bein oder in den Leib bekommen hätten. Sie sollten staunen, mit welcher Virtuosität ich Ihnen die Kugel und alle Knochensplitter aus der Wunde ziehen und nötigenfalls das verletzte Glied abschneiden würde. Es ist wirklich jammerschade, daß niemals ein verständnisinniger Mann einen Schuß bekommt!«

Morgenstern entfernte sich schnell, da es ihm in der Nähe dieses Mannes nicht ganz geheuer war. Der Abend brach herein und mit ihm kamen Gäste, nämlich die Frauen und größeren Kinder der Cambas. Sie wußten, für welche Zeit man den Kampf vermutet hatte, und kamen nun, den Ausgang desselben zu erfahren, erst einzeln und verzagt, dann aber in hellen Haufen. Auf den versprochenen Sieg rechnend, hatten sie reichlich Speise und Trank mitgebracht, um denselben zu feiern, und da doch Friede geschlossen war, so durften auch die Besiegten an dem Mahle teilnehmen. Es brannten viele Feuer, an denen Freunde und Feinde in den verschiedensten Gruppierungen lagerten oder sich bewegten.

Obgleich von einer Gefahr keine Rede mehr sein konnte, hatte der Vater Jaguar doch einen Doppelposten an den Eingang des Thales postiert. Es war das mehr eine Folge der Gewohnheit. Das mochten die beiden Indianer, denen dieser Auftrag geworden war, auch denken, denn als sie einige Zeit allein gestanden hatten, wurde ihnen die Zeit lang und sie kehrten, ohne daß der Vater Jaguar dies bemerkte, an ihr Feuer zurück. Dieser Ungehorsam, den man geneigt sein könnte, eine bloße, kleine Nachlässigkeit zu nennen, sollte von schweren Folgen sein.

Der Gambusino hatte nämlich mit Antonio Perillo wohl eine Stunde lang im Gebüsch gelegen, ehe er es wagte, den Kopf aus demselben zu stecken, um sich umzusehen.

»Ich sehe niemand,« sagte er.

»So sind sie fort,« meinte sein Genosse.

»Das möchte ich doch nicht als so gewiß annehmen. Wie nun, wenn sie in der Nähe in den Büschen stecken, um zu warten, bis wir hervorkommen!«