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Das Vermaechtnis des Inka

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»Daß ich mich vor den Indianern nicht fürchte, habe ich Ihnen bereits gesagt, und sollte mir ein Jaguar begegnen, so würde ich mich nur darüber freuen.«

»Freuen? Warum? Eine solche Begegnung kommt nicht jedermann erfreulich vor.«

»Aber mir als Zoopsychologen würde es außerordentlich lieb sein, einmal einem solchen Tiere zu begegnen. Ich möchte nämlich gern ein schönes Experiment mit demselben probieren. Ich habe ein sehr probates Mittel entdeckt, jedes wilde Tier, also auch jeden Jaguar, sofort in die Flucht zu schlagen.«

»Ein solches Mittel gibt es nicht.«

»O doch, Señor.«

»Dann möchte ich es kennen lernen!«

»Nun, es ist zwar noch Geheimnis, aber da Sie uns so freundlich aufgenommen haben, will ich es Ihnen mitteilen. Werden Sie von einem wilden Tiere angefallen, so hängen Sie sich an den Schwanz desselben, bei den Lateinern Cauda genannt. Selbst die blutdürstigste Bestie wird auf der Stelle die Flucht ergreifen.«

Der Lieutenant öffnete den Mund, brachte aber keine Silbe hervor, sondern sah dem Sprecher wortlos in das Gesicht.

»Sie staunen?« fragte dieser lächelnd. »Nicht wahr, das hatten Sie nicht erwartet?«

»Nein, wahrhaftig nicht!« antwortete der Offizier, indem er in ein lautes Gelächter ausbrach.

»Lachen Sie nicht, es ist wahr.«

»Einen Jaguar beim Schwanz fassen! Welch ein Gedanke!«

»Ein sehr pfiffiger, ein sehr schlauer Gedanke! Und doch so einfach, daß man bei demselben an das Ei des Kolumbus erinnert wird. Wenn ich ein Tier hinten habe, kann es mich doch nicht vorn beißen.«

»Aber der Jaguar wird sich blitzschnell herumdrehen und Sie zerfleischen!«

»Fällt ihm ganz und gar nicht ein. Er wird vor Angst brüllen und schleunigst ausreißen. Ich weiß es sehr genau.«

»Das ist ein geradezu wahnsinniger Gedanke! Unterlassen Sie es um Gottes willen, diesen Versuch zu machen! Er würde Ihnen das Leben kosten.«

»Nein, nein! Ich bin meiner Sache sicher und weiß, daß so eine Bestie viel ungefährlicher ist, als mancher Mensch, zum Beispiel dieser Hauptmann in Santa Fé, welcher uns einsperren oder unters Militär stecken lassen wollte.«

Der Lieutenant horchte auf und fragte:

»Ein Kapitän in Santa Fé? Wann war das?«

»Gestern.«

»Zu dieser Zeit gibt es dort nur einen Kapitän, nämlich den Kapitän Pellejo. Der hat Sie einsperren lassen wollen?«

»Allerdings.«

»Weshalb?«

»Eines Mißverständnisses wegen, an welchem wir nicht die mindeste Schuld gehabt haben. Soll ich es Ihnen vielleicht erzählen?«

»Ich bitte Sie sehr darum!« antwortete der Gefragte, indem sein Gesicht den Ausdruck großer Spannung annahm.

Der unvorsichtige Gelehrte, welcher das unangenehme Abenteuer gar nicht hätte erwähnen sollen, erzählte dasselbe. Im Laufe seines Berichtes nahm das Gesicht des Offiziers einen immer ernsteren Ausdruck an, und als derselbe zu Ende war, sagte er in einem viel weniger freundlichen Tone als bisher:

»Das thut mir leid, Señor. Kapitän Pellejo ist mein nächster Vorgesetzter, und ich muß Ihnen sagen, daß er sich heut in Fort Uchales befindet und morgen hierher kommen wird. Glücklicherweise werden Sie uns bei seinem Eintreffen schon verlassen haben. Er hat, wie ich genau weiß, heute mit dem Frühesten eine Reise angetreten, um die Befestigungen, welche längs der Indianergrenze liegen, zu inspizieren. Hüten Sie sich, ihm zu begegnen!«

»Haben Sie keine Sorge um mich! Ich fürchte ihn nicht.«

»Ob Sie Veranlassung haben, ihn zu scheuen oder nicht, muß mir gleichgültig sein. Ich bin ihm als sein Untergebener für alles, was ich thue, verantwortlich, und wenn er erfährt, daß ich Sie hier aufgenommen habe, wird mich sein Zorn treffen. Es fällt mir natürlich nicht ein, Ihnen das Obdach zu verweigern, aber

in einem und demselben Raume darf ich nicht mit Ihnen wohnen. Sie sollten hier bei mir schlafen; nun aber bin ich gezwungen, Ihnen einen andern Rancho anzuweisen.«

Er stand auf und ging hinaus. Nach kurzer Zeit kam an seiner Stelle der Chirurg und meldete, daß er den Señores ihre Schlafplätze anzuweisen habe.

»Kommt der Lieutenant denn nicht wieder?« fragte Morgenstern.

»Nicht eher wohl, als bis Sie sich entfernt haben, Señor. Er war plötzlich ganz anders geworden und schien zornig auf Sie zu sein. Haben Sie sich mit ihm gezankt?«

»Nein; aber meine Erzählung, Commemoratio oder Oratio genannt, schien ihm nicht zu gefallen. Legen wir uns schlafen, um morgen mit dem Frühesten aufzubrechen!«

Der Chirurg führte sie nach einem andern Rancho, welchen der Bewohner verlassen hatte, um ihnen Platz zu machen. Kein Mensch bekümmerte sich um sie. Ein Talglicht, in einen kleinen Kürbis gesteckt, erleuchtete die aus aufeinander gelegten Rasenstücken gebildete Hütte. Dürres Gras war das Lager, doch schliefen die drei während der ganzen Nacht so gut, als ob sie auf Daunen lägen. Beim Morgengrauen waren sie schon wach. Die Soldaten schliefen noch. Sie fingen ihre Pferde ein, sattelten sie, öffneten den während der Nacht verschlossen gewesenen Eingang und ritten davon, ohne die Besatzung des Forts zu wecken, um von ihr Abschied zu nehmen.

Fritze kannte die Richtung genau, in welcher die Laguna Porongos von Fort Tio liegt, und der Chirurg war auch schon dort gewesen. Darum stand nicht zu befürchten, daß man sich verirren werde.

Das Reiten kam dem kleinen Gelehrten heute viel leichter vor als gestern. Er hielt es aus bis Mittag; dann aber mußte man ausruhen, nicht nur der Menschen, sondern auch der Pferde wegen, welche man grasen ließ. Wasser gab es nicht; aber das Gras war so frisch und grün, daß die Pferde nicht zu trinken brauchten.

Nun hatten die Herren Hunger bekommen, und es stellte sich heraus, daß die Warnungen des Lieutenants gestern Abend doch nicht aus der Luft gegriffen waren. Man hatte während des ganzen Vormittages außer einigen Geiern kein Tier, am allerwenigsten aber ein jagd- und eßbares gesehen. Glücklicherweise besaß der Chirurg ein großes Stück Fleisch, welches er gestern klugerweise von einem der Soldaten eingehandelt hatte. Er war so rücksichtsvoll, dasselbe in drei gleich große Teile zu zerschneiden und zwei davon seinen Reisegenossen abzulassen, allerdings nur gegen bare Bezahlung, ein Umstand, welcher ihnen sagte, was für einen Kameraden sie an ihm haben würden.

Man brannte von vertrocknetem Grase ein Feuerchen an, um das Fleisch zu braten. Es reichte gerade aus, um die Männer zu sättigen. Nachdem man dann wieder aufgebrochen war, hielt man die Augen ungemein offen, um aufzupassen, ob sich nicht ein Wild sehen lasse. Fritze und der Chirurg hielten ihre Gewehre schußbereit. Die Sorge um die Nahrung hatte begonnen, und man wollte sich heute doch nicht hungrig schlafen legen.

Der Nachmittag verging, und es wollte Abend werden, ohne daß man eine Jagdbeute erlangt hatte. Der Hunger stellte sich wieder ein. Da rief plötzlich der Chirurg erfreut aus:

»Ich hab’s, ich hab’s gesehen! Wir werden zu essen bekommen.«

»Was denn? Was haben Sie gesehen?« fragte der Gelehrte.

»Ein Vizcacha, ein Pampaskaninchen. Wir graben es aus.«

»Wo?«

»Da drüben links. Es kam aus seinem Bau, verschwand aber sogleich wieder, als es uns erblickte.«

Das Vizcacha ist größer als unser wildes Kaninchen und demselben zwar ähnlich, weshalb es eben Pampaskaninchen genannt wird, gehört aber nicht zu den Hasen, sondern zu den Wollmäusen. Man ißt es nur in dem Falle, daß man hungert und nichts andres hat. Der Bau dieses Tieres ist ein flach gewölbter, in der Mitte geöffneter Hügel, welcher sich stets nur in lehmiger Gegend befindet. Es wohnen meist mehrere Familien bei einander, weshalb der Bau außer dem Haupteingange noch mehrere Schlupflöcher hat.

So war es auch hier. Es gab vier Löcher, welche sorgfältig verstopft wurden. Während die Pferde sich im Grase gütlich thaten, gruben Morgenstern und der Chirurg den Hügel auf, und Fritze stand mit angelegtem Gewehre bereit, sofort zu schießen, falls eins der Vizcachas sich durch ein verschlossenes Loch die Flucht erzwingen wolle. Das war grundfalsch. Ein erfahrener Jäger hätte es ganz anders angefangen. Dennoch aber hatte es Erfolg. Kaum waren fünf Minuten vergangen und die Spaten waren einige Fuß tief in den Boden eingedrungen, so schoß Fritz nicht nur ein, – sondern zweimal hintereinander und stieß dann einen Freudenruf aus. Die beiden andern blickten von ihrer Arbeit auf und sahen, daß er zwei Vizcachas erschossen hatte. Das war genug. Die Spaten wurden den Packpferden wieder aufgeladen, die Kaninchen, welche sehr groß und fett waren, dazu, und dann ritt man weiter.

Bald wurde das Gras saftiger und der Boden weicher als bisher. Im Norden zeigten sich einzelne Bäume, ein sicheres Zeichen, daß man sich an der Laguna Porongos befand. Dieser Name bedeutet soviel wie See oder Sumpf der wilden Zitronenbäume, und solche Bäume waren es, welche man jetzt vor sich hatte. Die Sonne stieg eben hinter dem Horizonte hinab, als die drei Reiter das Wasser der Laguna vor sich glänzen sahen.

Sie waren zuletzt einer Fährte von so zahlreichen Reitern gefolgt, daß sie annehmen mußten, die Spur der Truppe des Vaters Jaguar vor sich zu haben. Gern wären sie weiter geritten; aber es wurde schnell dunkel, und so hielten sie es für geraten, anzuhalten und Lager zu machen.

Sie stiegen also ab und entsattelten ihre Pferde. Sie banden ihnen mit den Lassos die Vorderbeine in der Weise zusammen, daß die Tiere zwar weiden aber nur kleine Schritte machen konnten, um sich nicht weit zu entfernen. Die Pampaspferde leben in Herden und bleiben stets beisammen; daher stand nicht zu befürchten, daß man sie früh nach verschiedenen Richtungen zu suchen habe.

Dann wurde dürres Holz zum Feuer gesammelt. Die wilden Zitronenbäume lieferten genug davon. Als die Flamme lustig flackerte, wurden die beiden Vizcachas abgezogen und ausgeschlachtet. Sie gaben genug Fleisch für heute abend und für morgen früh. Wasser war freilich nicht vorhanden, da das salzhaltige der Laguna nicht zu genießen war.

 

Nach dem Essen wickelten die drei sich in ihre Ponchos und legten sich am Feuer zum Schlafen nieder. Man hatte heute wieder über hundert Kilometer zurückgelegt, und war also so ermüdet, daß keiner trotz der scharfen Luft, welche während der Nacht wehte, erwachte.

Am Morgen fand es sich, daß die

Pferde ganz in der Nähe geblieben waren. Der Rest des Fleisches wurde gebraten und verzehrt; dann brach man wieder auf.

Die Reiter befanden sich auf der östlichen Seite der Laguna, in welche von Osten her der Rio Dulce fließt. Dieser Name wurde dem Flusse gegeben, weil er ein wohlschmeckendes, süßes Wasser führt. Nachdem er aber durch die Salzwüste geflossen ist, hat er so viel Salz angenommen, daß sein Wasser im untern Teile seines Laufes ungenießbar geworden ist.

Die gestrige Spur führte an der Lagune hin und dann ein Stück von derselben ab. Dort hatte man Halt und jedenfalls auch Lager gemacht, denn der Boden war zerstampft; es gab mehrere ausgekohlte Feuerstätten und das Gras war in einem weiten Umkreise von den weidenden Pferden niedergetreten. Aber wann man hier ausgeruht hatte, das zu erraten oder gar zu bestimmen, dazu waren die drei nicht erfahren genug. Wald- oder Prairieläufer war keiner von ihnen.

Von dieser Stelle aus führte die Fährte in nordöstlicher Richtung weiter. Der Chirurg blieb halten und sagte in bedenklichem Tone-

»Señores, meinen Sie wirklich, daß diese Spuren von den Leuten des Vaters Jaguar herrühren?«

»Ja,« antwortete Fritze Kiesewetter. »Er hat vierundzwanzig Mann bei sich, und ungefähr so viele sind es gewesen, welche hier geritten sind.«

»Das ist wahr; aber der Vater Jaguar will nach dem Gran Chaco, welcher von hier aus im Norden und Nordwesten liegt, und diese Spur zeigt nach Nordosten.«

»So wird er wohl einen triftigen Grund gehabt haben, von der geraden Richtung abzuweichen. So etwas kann oft und manchmal vorkommen.«

»Hm! Euer Gnaden schlagen also vor, daß wir dieser Fährte folgen?«

»Ja. Ich denke nicht, daß ich mich irre. Der Vater Jaguar ist sicherlich nach dieser Laguna geritten. Wir haben die einzige Spur vor uns, welche es hier gibt, folglich ist sie die seinige. O, ich verstehe mich darauf, denn ich habe früher einmal eine Indianergeschichte gelesen, in welcher sehr viel von Stapfen, Spuren und Fährten die Rede war.«

Sie ritten also auch nach Nordost. Der Weg führte über einen ebenen Kamp, auf welchem nichts als Himmel und Gras zu sehen war. Die Spuren waren ganz deutlich zu sehen. Gegen Mittag fanden sie eine klare Quelle, an welcher der Trupp, den sie für denjenigen des Vaters Jaguar hielten, gelagert hatte. Sie stiegen auch ab, um endlich einmal sich satt zu trinken und dann auch ihre Pferde Wasser nehmen und ruhen zu lassen. Nach einer guten Stunde wurde wieder aufgebrochen.

Doktor Morgenstern hatte einen kleinen, aber guten Kompaß an seiner Uhrkette hängen. Diesen zu Rate ziehend, sah er, daß die Fährte eine immer mehr örtliche Richtung nahm. Sie lief nicht mehr nach Nordost, sondern schon nach Ostnordost. Das fiel dem Chirurgen noch mehr auf. Er schüttelte den Kopf und sagte:

»Wenn wir in dieser Weise weiterreiten, kommen wir im ganzen Leben nicht nach dem Chaco. Wenn ich mich nicht irre, so reiten wir auf diejenige Gegend des Rio Salado los, in welcher Paso de las Cañas oder gar Paso Quebracho liegt. Sollten wir den Vater Jaguar wirklich vor uns haben? Ich habe große Lust, umzukehren oder mich nach links zu wenden.«

»Und ich reite dorthin, wo die Spur hinzeigt,« antwortete Morgenstern. »Wo Spuren sind, da findet man Menschen; und wo Menschen sind, da gibt es etwas zu essen.«

Dieses Argument machte einen guten Eindruck auf Don Parmesan, denn er meinte, indem er zustimmend mit dem Kopfe nickte:

»Das ist freilich wahr. Wir werden heute vielleicht hungern müssen, denn es hat sich noch kein einziges Tier sehen lassen, diese Geier ausgenommen, die überall sind und leider nicht verzehrt werden können. Reiten wir also der Fährte nach!«

Wieder ging es weiter. Der Hunger stellte sich ein, denn das Reiten und die Luft erzeugen Appetit. Es war um die Mitte des Nachmittages, da zeigte der Chirurg mit der Hand geradeaus und sagte in leisem Tone, als ob er befürchte, gehört zu werden:

»Un avestruz, un avestruz, – ein Strauß, ein Strauß!«

Die beiden andern blickten in die angegebene Richtung und sahen wirklich einen Strauß, welcher, allerdings eine bedeutende Strecke entfernt, den Boden eifrig mit dem Schnabel bearbeitete und die Reiter nicht bemerkte, da er ihnen den Rücken zukehrte.

»Das gibt Fleisch, das gibt Fleisch!« fuhr Don Parmesan fort. »Wir werden unsern Hunger stillen.«

»Aber erst dann, wenn wir den Vogel haben,« meinte Fritze. »Ich habe gehört, daß der Strauß sehr schwer zu jagen ist.«

»Da hat man Euer Gnaden allerdings recht berichtet. Er wird uns entgehen.«

Da legte der Doktor den Finger auf die Nase und sagte in gewichtigem Tone:

»Señores, ich hab’s, ich hab’s! Die Wissenschaft ist’s, welche dem Menschen in jeder Verlegenheit zu Hilfe kommt. Ich bin ein Jünger der Wissenschaft, speciell der Zoologie, zu welcher ja auch der Strauß gehört, und werde Ihnen ein Mittel sagen, wie wir ihn fangen können.«

»Nun? Sagen Sie es schnell!« forderte Parmesan ihn begierig auf.

»Die Wissenschaft lehrt, daß der Strauß den Kopf in die Erde steckt.«

»Davon habe ich auch gehört.«

»Auch? Nun, so kennen Sie mein Mittel.«

»Wieso?«

»Veranlassen Sie ihn, den Kopf in die Erde zu stecken, so sieht er uns nicht, und wir können über ihn kommen wie David über die Philister.«

»Señor, wollen Sie sich über mich lustig machen?«

»Fällt mir nicht ein! Ich spreche im vollen Ernste.«

»So reiten Sie doch hin, und bitten Sie ihn, den Kopf zu verstecken!«

»Das würde voraussichtlicherweise den entgegengesetzten Erfolg haben.«

»Das denke ich auch. Wie soll man ihn veranlassen, den Kopf zu verbergen?«

»Das ist Ihre Sache, Señor. Ich habe Ihnen mein Mittel gesagt. Wenn Sie kein Mittel kennen, es auszuführen, so ist das nicht meine Sache, obgleich ich es tief beklage, da wir nun doch noch Hunger leiden werden.«

Er hatte wirklich im vollsten Ernste gesprochen. Parmesan wollte eine noch derbere Antwort geben, aber Fritze kam ihm zuvor:

»Streiten Sie sich nicht, Señores! Ich glaube, einen guten Gedanken zu haben. Glauben Sie, Señor Parmesan, daß – — —«

»Don Parmesan, bitte!« unterbrach ihn der andre stolz.

»Gut! Also, Don Parmesan, glauben Sie, daß der Strauß vor einem Pferde flieht?«

»Nein. Es kommt im Gegenteile vor,

daß man grasende Strauße mitten unter weidenden Pferde- oder Rinderherden findet.«

»Gut! Ich steige ab und lege mich mit meiner Flinte hier in das Gras. Sie reiten von hier aus in einem weiten Bogen nach rechts und links, über den Strauß hinaus und versuchen, ihn mir zuzutreiben. Ist das Glück uns günstig, so ist es möglich, daß ich den Vogel vielleicht doch erlege.«

Dieser Vorschlag fand Anklang und wurde sofort ausgeführt. Morgenstern ritt rechts- und Parmesan linksab, in einem Bogen in den Campo hinaus, um dann den Vogel zu veranlassen, seine Flucht auf Fritze zuzunehmen.

Der amerikanische Strauß oder Nandu wird mit der Bola, welche man ihm um die Beine wirft, gefangen. Zu schießen ist er nicht leicht, weil der Jäger, um schießen zu können, sein Pferd anhalten muß und der schnelle Vogel, bis das Pferd ruhig steht, gewöhnlich schon außer Schußweite gekommen ist. Wenn der Vorschlag des pfiffigen Preußen zum Ziele führte, war es jedenfalls nur dem Zufalle zuzuschreiben.

Um keine Zeit zu verlieren und dem Vogel den Weg möglichst bald abzuschneiden, trieben die beiden Reiter ihre Tiere zur größten Eile an. Der Nandu schien für nichts außer seiner Beschäftigung Augen zu haben. Er hackte mit dem Schnabel und scharrte mit den kräftigen, dreizehigen Füßen den Boden und drehte sich dabei jetzt immerwährend um seine eigene Achse, ohne auf die beiden Reiter draußen oder das hier ruhig weidende ledige Pferd achtzugeben.

»Ick jlaube jar, er will Eier lejen und baut sich sein Nest dazu!« brummte der im Grase liegende Fritze vergnügt vor sich hin. »Wenn ick dat jewiß jewußt hätte, so hätte ick ihm Zeit jelassen, um sonne Dutzender viere Eier von sich zu jeben. Wat für eine Omelette wäre dat jewesen!«

Jetzt waren die Reiter hinter dem Nandu angelangt und wendeten ihm ihre Pferde zu. Er war so beschäftigt, daß er sie erst bemerkte, als sie höchstens noch zweihundert Ellen von ihm entfernt waren. Da machte er einen weiten Satz und rannte fort, gerade vor ihnen her und auf die Stelle zu, an welcher Fritze lag. Nun sah er das Pferd, stutzte, setzte aber dann seine Flucht in der einmal eingeschlagenen Richtung fort. Das Pferd schien ihm nicht gefährlich zu sein.

Fritze fühlte, daß ihm das Herz vor Freude höher schlug. Er stemmte den linken Ellbogen fest auf die Erde, um einen guten Halt für sein Gewehr zu haben, legte an und zielte. Als der Vogel noch ungefähr sechzig Sprünge entfernt war, drückte er ab. Der Schuß krachte; der Nandu that einen Sprung kerzengerade in die Höhe, taumelte dann einige Male hin und her und fiel darauf nieder.

Fritze sprang jubelnd auf, nahm sein Pferd beim Zügel und führte es zu der Stelle hin, an welcher er mit den beiden andern zu gleicher Zeit anlangte.

»Es ist gelungen, vortrefflich gelungen!« rief Don Parmesan, indem er vom Pferde sprang und zu dem Vogel trat, um sich bei demselben niederzubücken.

Aber der Nandu war noch nicht ganz tot. Er nahm seine letzte Kraft zusammen und versetzte dem Chirurgen einen so kräftigen Schnabelhieb, daß er ihm den

Poncho zerriß und ein Stück Fleisch aus dem Oberarme hackte.

»O Himmel, o Hölle!« schrie der Verwundete, indem er auf und weit zurück sprang. »Dieser Teufel lebt ja noch! Er hat mir eine Wunde beigefügt, an welcher ich höchst wahrscheinlich sterben werde!«

»Sie sind selbst schuld, Señor,« antwortete Fritze. »Man nähert sich einem so kräftigen Tiere nicht eher, als bis man genau weiß, daß es tot ist.«

Er hielt dem Nandu den zweiten, noch nicht abgeschossenen Lauf nahe an den Kopf und jagte ihm die Ladung in denselben. Dann wendete er sich zu dem Chirurgen, um zu sehen, ob dieser leicht oder schwer verwundet sei. Der Biß war nicht gefährlich. Der Muskel blutete zwar heftig, doch fehlte nicht mehr als ein walnußgroßes Stückchen Fleisch, welches der Vogel noch im Schnabel hatte. Fritze nahm es heraus, hielt es dem »Don« hin und sagte:

»Hier haben Sie, was Ihnen fehlt, Señor. Euer Gnaden sind ein so berühmter und geschickter Chirurg, daß es Ihnen nicht schwer werden kann, dieses Stück Rindfleisch wieder anwachsen zu lassen.«

»Rindfleisch?« fuhr der Angeredete auf, emsig beschäftigt, die Blutung zu stillen. »Ich hoffe, daß Sie dieses Wort zurücknehmen, sonst müßte ich mich mit Euer Gnaden auf Leben und Tod schießen.«

»Gut, ich nehme es zurück und bitte um Entschuldigung. Wird das Stück wieder anwachsen?«

»Es wäre mir eine Leichtigkeit, es einzusetzen, so daß es haften bleibt; aber dazu bedarf ich meiner beiden Hände, und ich habe nur die eine. Wollen Sie mir helfen?«

»Gern.«

»So drücken Sie das Stückchen Fleisch fest in die Wunde, aber so, wie es vorher im Muskel gelegen hat, und schlingen Sie mir dann meine Schärpe so fest wie möglich um den Arm!«

Morgenstern half auch mit, und so war die kleine Wunde sehr bald verbunden. Nun hatte man Zeit, den Vogel zu betrachten. Es war eine Henne, wohl anderthalb Meter lang und gegen sechzig Pfund schwer. Sie wurde auf das eine Packpferd geladen, und dann stiegen die glücklichen Jäger wieder auf, um den unterbrochenen Ritt fortzusetzen. Als sie an der Stelle, wo der Nandu zuerst gesehen worden war, vorüberkamen, sahen sie, daß er wirklich im Begriff gestanden hatte, den Boden rund und schüsselförmig auszuhöhlen, jedenfalls um Eier zu legen, gar nicht weit entfernt von einer so sichtbaren Menschenfährte, kein gutes Zeugnis für die Intelligenz der straußartigen Vögel!

Nach einem kurzen Ritte wurden die drei Reiter von der Spur wieder mehr nordöstlich, und bald darauf gerade nördlich geführt.

»Nun, sind Euer Gnaden jetzt zufrieden?« fragte Fritze den Chirurgen. »Wir befinden uns nun in der Richtung, welche gerade nach dem Chaco führt.«

»Hier ist’s schlimmer als vorher,« antwortete der Gefragte mißmutig, da sein Arm ihn schmerzte. »Auf diese Weise kommen wir nach dem Monte de los palos Negros, und von dieser Waldung habe ich gehört, daß sie fast undurchdringlich ist. Hätten wir uns vorher mehr links gehalten, so würden wir bis zum Rio Salado und noch darüber hinaus stets freies, offenes Land haben.«

 

»Sind Sie denn wirklich schon über denselben hinausgekommen?«

»Zweifeln Sie etwa daran?«

Diese Frage sollte unwillig und zurechtweisend klingen, hatte aber einen so unsichern Ton, daß man meinen sollte, er hätte lieber mit einem aufrichtigen Nein geantwortet.

Bald darauf gab es einen Anblick, welcher ganz geeignet war, die drei hungrigen Reiter zu elektrisieren. Sie sahen vor sich, doch rechts von der eingeschlagenen Richtung, ein Rudel der kleinen Pampashirsche sich äsen. Ohne daß einer den andern dazu aufgefordert hätte, nahmen sie ihre Pferde nach rechts herüber und jagten auf das Wild zu, ohne sich zu sagen, daß es ganz unmöglich sei, eins der windesschnellen Tiere zum Schusse zu bekommen.

Der Hirsch sah die Gefahr und eilte mit seinem Gefolge fort, nicht allzu rasch, da er wohl wußte, daß ein Pferd ihn nicht erreichen könne. Eine Zeitlang ließ er die gleiche Entfernung zwischen sich und den Verfolgern liegen; aber als diese ihre Pferde zur schnellsten Carriere antrieben, griff auch er weiter aus, und seine Familie folgte ihm mit graziöser Leichtigkeit, die Jäger immer weiter und weiter hinter sich zurücklassend.

Dennoch setzten diese die Verfolgung fort, bis ein dunkler Streifen Waldes am Horizont auftauchte, dem der Hirsch zujagte. Bald darauf verschwand das Rudel zwischen den Bäumen. Die Reiter hielten in einiger Entfernung von dem Walde an. Am Rande desselben glänzte ein Wasser.

»Der Braten ist uns entgangen,« seufzte Don Parmesan. »Ein Hirschrücken ist etwas Besseres als ein Stück zähes Straußenfleisch. Haben die Señores schon einmal welches gegessen?«

»Ich nicht,« antwortete der Doktor. »Wie schmeckt es?«

»Wie Stiefelsohle. Man kann es nicht beißen und muß es ganz verschlingen. Nur der Hunger treibt es hinein.«

»Bringt man es denn nicht weich, indem man es in Butter, lateinisch Butyrum, schmort?«

»Das habe ich noch nicht versucht, Señor. Jedenfalls wäre es um die Butter schade. Aber haben wir denn etwa welche?«

»Nein. Wir müssen den Vogel also in seinem eigenen Fette braten.«

»Fett? Straußenfett? Meinen Sie wirklich, daß ein Strauß auch nur eine Spur von Fett hat?«

»Ja, das meine ich. Die Wissenschaft beweist, daß in jedem tierischen Körper Fett, Adeps genannt, vorhanden ist. Da nun der Strauß einen solchen Körper besitzt, so bezweifle ich es nicht, daß wir bei einiger Aufmerksamkeit wenigstens eine bemerkbare Spur dessen finden, was ich soeben mit Adeps bezeichnet habe.«

»Und wenn Sie den schweren Vogel in dieser »Spur« von Fett braten, wird er dennoch trocken bleiben wie die Rückenlehne eines Strohsessels. Lassen wir das! Wir haben andres zu bedenken. Was thun wir jetzt? Wir sind von unsrer Fährte abgekommen. Suchen wir sie wieder auf?«

»Dazu ist’s zu spät,« antwortete Fritze. »Es wird gleich Abend sein. Hier haben wir Gras für die Pferde und dort am Waldesrande Wasser für Mensch und Tier. Es wird wohl geraten sein, hier zu bleiben und die Fährte morgen früh wieder aufzusuchen.«

Der gute, kleine Mann bedachte nicht, daß das niedergetretene Gras sich während der Nacht aufrichten und die Spur dann am Morgen nicht mehr zu sehen sein werde.

Sie ritten vollends bis zum Walde hin, wo sie von den Pferden stiegen und diese von dem Sattel- und Zaumzeuge befreiten. Der Wald war sehr dicht. Er bestand hier an dieser Stelle aus Quebrachos, hohem Kaktus, Mistol, Chañars, Vinals und andern Leguminosen. Zwischen

den ersten Bäumen drang ein Quell aus dem Boden und floß vielleicht zehn Ellen weit in eine Vertiefung, wo er einen kleinen, hellen Weiher bildete. An diesem lagerten sich die Reisenden. Holz zu einem Feuer war genug vorhanden. Bald loderte es hoch auf und nun machten sich die drei an die Zubereitung des heutigen Bratens. Es wäre unmöglich gewesen, den Strauß zu rupfen wie einen kleinern Vogel. Man zog ihm das Fell mitsamt den Federn ab wie einem behaarten Tiere. Dann wurde er aufgebrochen. Der Magen enthielt Pflanzenüberreste, Sand, Steine, einen hörnenen Messergriff und einen eisernen Reitsporen mit thalergroßem Rade. Der Strauß verschlingt eben alles, was ihm in die Augen sticht. Das Fleisch sah gar nicht übel aus und ließ sich auch ganz leidlich schneiden. Bei der weitern Zerlegung stellte es sich heraus, daß der Vogel allerdings nötig gehabt hatte, ein Nest zu formen; es waren Eier vorhanden, eins immer kleiner als das andre, von der Größe einer Erbse bis zu derjenigen einer Männerfaust. Die größeren wurden in heiße Asche gelegt, um zu rösten und schmeckten dann gar nicht übel. Dann versuchte man, das Brustfleisch, als das zarteste, wie Asado vom Rind zu behandeln. Als Fritze das erste Stück in den Mund nahm und es zwischen den Zähnen probiert hatte, spuckte er es wieder heraus und sagte zu seinem Herrn:

»Pfui! Dat ist wirklich die reine Stiebelsohle, ohne Kraft und Jeschmack und nicht zu kauen. Versuchen Sie’s doch mal!«

Dem Gelehrten ging es nicht anders. Das Fleisch war so zähe, daß man es trotz allen Hungers nicht genießen konnte.

»Klopfen wir es!« meinte Fritze.

Er legte ein Stück auf den Boden und bearbeitete es mit dem Gewehrkolben, um es mürbe zu machen. Es fühlte sich jetzt weicher an, wurde aber im Feuer härter als das vorige Stück.

»Dat ist auch sonne falsche Berechnung in die Natur!« räsonnierte er. »Rebhühner und Krammetsvögel, welche so delikat sind, wachsen klein, und diejenigen Vögel, welche die jewünschte Jröße besitzen, sind nicht zu jenießen. Mir dauert mein Pulver, welches ick verschossen habe. Hätte ick die harte Natur dieses Straußes jekannt, so hätte ick mich seinen Tod nicht auf mein Jewissen jeladen. Wat essen wir nun?«

Die Antwort folgte ganz unvermutet und auf der Stelle. Es raschelte hinter dem Sprecher. Er drehte sich um und sah ein langes, eidechsenartiges Tier am Stamme des nächsten Baumes.

»Still!« flüsterte er. »Rührt euch nicht. Wenn es glückt, gibt es doch noch einen Braten.«

Er hatte sein Gewehr wieder geladen. Es enthielt einen Schrot- und einen Kugelschuß. Er nahm es, hinter sich greifend, in die Hand und zog es langsam nach vorn und an sich. Das Feuer war für das Tier eine ungewöhnliche Erscheinung. Es saß am Stamme des Baumes, langgestreckt wie eine Schlange, sich mit den Füßen festhaltend, und starrte mit hellen Augen in die Flamme. Da riß Fritz sein Gewehr mit einem plötzlichen Rucke in den Anschlag empor, zielte kurz und drückte ab. Der Schuß krachte; das Tier war weg.

»Was war’s? Was gab’s?« fragte Morgenstern, welcher ebenso wie der Chirurg mit dem Rücken gegen den Baum gesessen hatte.

»Einen Iguan,« antwortete Fritz.

»Iguan?« rief Don Parmesan, indem er aufsprang. »Einen Iguan! Das ist ja die größte Delikatesse, welche es auf Erden gibt! Haben Sie ihn getroffen, Señor? Ich hoffe, ja?«

»Weiß es nicht. Wollen sehen.«

Er stand auf, um nach dem Baume zu gehen.

»Nehmen Sie sich in acht!« warnte der Chirurg. »Die Iguans sind fürchterlich bissig. Wenn er noch nicht tot ist, dürfen Sie ihn ja nicht anfassen.«

Als Fritz zum Baume kam, ließ er einen Ruf der Freude hören. Das Tier war doch getroffen worden. Es lag unten auf dem Boden und bewegte sich nicht. Dennoch war der Deutsche so vorsichtig, es nicht eher anzugreifen, als bis er ihm einige kräftige Kolbenhiebe auf den Kopf gegeben hatte. Don Parmesan kam dann auch herbei, um den Iguan nach dem Feuer bringen zu helfen.

Der Iguan, auch Leguan genannt, ist eine große südamerikanische Baumeidechse mit einem breiten Kopfe, an den Rändern gezähnelten Zähnen, großem Stachelkamme auf dem Rücken und einem sehr langen Schwanze. Die Beine sind ungemein kräftig und haben sehr lange Zehen; unter der Kehle hängt ein häutiger Sack. Die Iguana schwimmen ausgezeichnet und klettern ungemein behend auf Bäumen und nähren sich von Vogeleiern, Insekten, jungen Baumsprossen und saftigen Blättern und Blüten. Sie sind bei Gegenwehr mutig und außerordentlich bissig. Der gemeine Leguan wird anderthalb Meter lang, wovon allerdings ein Meter allein auf den Schwanz zu rechnen ist. Man stellt ihm sehr eifrig nach, da er ein besonders wohlschmeckendes, zartes und leicht verdauliches Fleisch besitzt.