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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Ja, geht jetzt,« meinte der Ritter, und sein vorhin so zorniges Angesicht nahm jetzt den froheren milden Ausdruck an. Es war ihm anzusehen, daß er es fast bereute, ihnen die furchtbare Mittheilung gemacht zu haben, und seine Stimme klang weicher noch, als gewöhnlich, als er hinzufügte: »Ich bin wahrlich nicht so schlimm, als Ihr von mir dachtet, nur hättet Ihr mich nicht in Aerger bringen sollen, denn dann wäre Euch diese traurige Erfahrung erspart geblieben. Hrrr! Hm! Nun es aber einmal geschehen ist, so müßt Ihr es muthig auf Euch nehmen und zu überwinden suchen. Thut, was Ihr wollt. Euer Vater hat mich zu Dingen beredet, die ich ohne sein Verlocken nicht gethan hätte, und sein Undank, mit welchem er mir lohnte, hat mich ihm entfremdet. Aber Ihr könnt ja nichts dafür und sollt es nicht entgelten. Darum habe ich Euch willkommen geheißen und werde diesen Gruß auch nicht zu schanden machen. Bleibt bei mir, so lange es Euch gefällt, nur laßt mich ungestört meine Wege gehen!«

»Können wir nicht noch erfahren, welches große Unglück es ist, welches heut’ über Euch und unsern Vater gebracht werden sollte?«

»Hrrr! Hm! Es ist Mehreres, von dem ich Euch nur das Eine sagen will, daß ein Mann, der den »schwarzen Dietrich« besser gekannt hat, als sogar Ihr ihn kennt, und den ich längst gestorben oder verschollen glaubte, aus der Ferne herbeigekommen ist, um sich an ihm und wohl auch an mir für ein Leid zu rächen, welches ihm von Eurem Großvater und dann später auch von dem Herrn Dietrich angethan worden ist.«

»Von dem Großvater? Welches Leid war dies?«

»Laßt es gut sein! Es ist besser für Euch, wenn Ihr von solchen Dingen nimmer Etwas vernehmt!«

»Aber es ist doch unsere Pflicht, dieses Leid nach Kräften zu sühnen oder gut zu machen!«

»Sühnen? Gut machen? Hrrr! Hm! Das ist längst zu spät und nie mehr möglich, vielmehr gebietet es mir die Sorge für mich und Euch, den Mann durch Gewalt an – Hrrr! Hm! wollte sagen, den Mann zur Schweigsamkeit zu vermögen.«

Er hatte etwas Anderes sagen wollen und den angefangenen Satz vorsichtig unterbrochen. Dietz aber errieth die Worte, welche unausgesprochen geblieben waren, und faßte den Vetter bei der Hand.

»Fügt dem früheren Unrechte nicht ein neues bei,« bat er. »Ich weiß nicht, um was es sich handelt, aber ich will es nicht haben, daß unsertwegen etwas Ungutes geschehe!«

»Was ich zu thun habe, das geht Dich nichts an. Wer einen Feind und Verräther schont, der reißt sich selbst die Mauern ein. Nun aber geht; das viele Reden hat mich ganz von Kräften gebracht. Hrrr! Hm! Ich denke, daß mir ein tüchtiger Schluck ganz von Nöthen sein wird; meine Kehle ist mir so heiß und trocken geworden wie eine Feueresse; also macht, daß Ihr von hinnen kommt, sonst klebe ich inwendig vor lauter Durst zusammen!«

Es blieb ihnen nichts übrig, als seinem Willen Gehorsam zu erweisen, obgleich das Gespräch noch zuletzt eine Wendung genommen hatte, die ihnen eine Fortsetzung desselben wünschenswerth machte. Wieder auf ihrer Stube angekommen, fielen sie einander sprachlos und weinend in die Arme. Der Schlag, welcher sie getroffen hatte, war zu groß, daß sie sich schwacher Worte hätten bedienen sollen, und der Schmerz über den Verlust ihres besten, ihres heiligsten Ideales machte sich nur in heißen Thränen Luft. So hielten sie sich lange umschlungen, und erst dann löste sich die treue Umarmung auf, als ihr Auge keine Thränen mehr fand.

»Weißt Du, welchen Mann der Vetter meint?« frug endlich Cuno.

»Wohl keinen Andern, als den Mönch,« antwortete Dietz. »Du hast mit gehört, daß er nur verkleidet sein soll; er ist kein Klosterbruder, und es droht ihm Gefahr. Der Vetter sagt, daß ihm ein Leid geschehen sei; wir dürfen nicht zugeben, daß ihm ein zweites und größeres zugefügt werde. Willst Du ihn mit retten?«

»Wie darfst Du fragen, ob ich will! Ist es nicht eine heilige Verpflichtung für uns, ihn in unsern Schutz zu nehmen?«

»Gewiß ist es das! Und dann werden wir von ihm vielleicht auch alles erfahren, was der Vetter uns verschwiegen hat.«

Er wurde verhindert, mehr zu sagen, denn Schwalbe trat ein. Das geheimnißvoll pfiffige Gesicht, welches er machte, schien auf eine Neuigkeit zu deuten, die er den jungen Männern bringen wolle.

»Wenn der Schwalbe sich eenmal Etwas vorgenommen haben thut,« meinte er, »so thut es ihm auch keene Ruhe lassen, bis er es fertig gebracht haben werden wird.«

»Wie meinst Du das?«

»Wie ich dat meenen thue? Nun, ich habe mir off die Lauer begeben und Etwas erfahren, was für Euch gut sein können werden thut.«

»Schön! daß Du ein schlauer Bursche bist, das wissen wir. Sage an, was es giebt.«

»Wat es giebt. Nun, es giebt eene Neuigkeit, die ich erlauscht haben thue. Herr Claus that sich nämlich zu die beeden Wenden begeben, und weil dat off etwas Ungewöhnliches schließen dürfen ließ, so schlich ich mir hinter ihm her und that mein Ohr leise an die Thür legen. Wat ich da gehört habe, dat is im Betreff off den Klosterbruder, von welchem Ihr vorhin gesprochen haben thut.«

»So sprich, und stelle uns nicht so lange auf die Probe.«

»Erzählen? Ich thue ja schon längst damit angefangen haben! Ich habe mich die Geschichte nicht richtig zurecht legen können, weil ich Vieles nicht verstehen that; aber es is eenmal eene große Räuberburg gewesen an der Spree, wo der richtige Dietrich von Quitzow gefangen gehalten werden that. Dort is der falsche Dietrich von Quitzow Anführer gewesen, und der Graf Günther von Lindow hat mit den Berliner Bürgern dat Nest erstürmt, wobei der Richtige todtgeschlagen worden is. Dieser Richtige hat eenen Vater gehabt, welchem Euer Großvater, der Ritter Cuno von Quitzow, die Braut weggenommen haben that, von der seit diesen Zeiten der Falsche abstammen thut. Sie is dann als Amme auf Schloß Quitzhövel gekommen und hat aus Rache den Richtigen mit dem Falschen umgetauscht. Ihr Mann, welcher der Jäger Günther sein that, that darauf nach Lübeck gehen und hat sich jetzt verkleidet auf Stavenow eingestellt, weil er Etwas thun will, wat ich nich verstehen thun konnte. Es thaten noch mehrere Personen bei der Geschichte sein, een wendischer Priester, eene Hexe Macha, een Bürgermeister von Lübeck, een alter Graf aus Schwaben, den der falsche Ritter Dietrich mit seinem Sohne in das Verließ hatte stecken lassen gehabt, der Wratislaw, dem Gieljuschken sein Vater, die den Richtigen bewachen mußten, und eene Schrift, die darüber abgefaßt werden that. Aber die Thür is so dick, und die Drei thaten so leise sprechen, daß ich nich verstehen konnte, wat alle diese Leute dabei zu thun gehabt haben wurden. Auch der Ritter Claus thut mit in die Räuberburg und in dem Richtigen seine Gefangenschaft mit verwickelt gewesen sein, und nun soll der Jäger Günther heut’ Abend fortgeschafft werden.«

»Nach Garlosen in’s Gefängniß?«

»Dat hat erst werden sollen; aber dann meente Herr Claus, een Todter thäte nich mehr sprechen können, und im Walde thäte viel Platz zu eenem Grabe sein. So, dat is es, wat ich gehört haben thue; dann mußte ich mir schnell von die Thür wegmachen, weil ich hören that, daß die Unterredung een Ende nehmen wollen werde.«

Der Bericht Schwalbe’s war höchst mangelhaft, und bei seiner eigenthümlichen Art und Weise, sich auszudrücken, gesellte sich zu dieser Mangelhaftigkeit noch eine Unklarheit, die es den Jünglingen fast unmöglich machte, sich über die Verhältnisse zu orientiren, welche dem belauschten Gespräche zum Gegenstande gedient hatten. Doch erkannten sie wenigstens so viel, daß unter dem »Falschen« ihr Vater und unter dem »Richtigen« jener ermordete Gefangene zu verstehen sei, daß es sich also um die gesetzlich richtige Abstammung ihres Vaters handle. Die einzige befriedigende Aufklärung konnte ihnen nur der Mönch geben, der nach dem Gehörten in der größten Gefahr schwebte, den ihnen unbekannten Zweck seines Kommens mit dem Tode zu büßen. Hier in Stavenow oder gar in Garlosen war ihres Bleibens nicht länger, das erkannten Beide, ohne daß sie sich eine Mittheilung davon machten. Und wenn sie, die Söhne des Geächteten, nun auch nicht hatten, wo sie ihr Haupt zur Ruhe legen konnten, so war diese Armuth doch besser als aller Reichthum, der seine Wurzel in das Unrecht gründet und seine Nahrung aus der Vergewaltigung zieht.

»Du hast Deine Sache gut gemacht,« belobte Dietz den treuen Diener, »und wir möchten Dir gern alle Liebe und Güte für Deine Aufmerksamkeit erweisen; aber dies ist uns nicht möglich, denn wir haben selbst nichts, gar nichts von dem, was wir bedürfen, und müssen noch heut wieder von hier fortgehen, ohne daß wir wissen, wohin der Weg uns führen wird.«

»Fortgehen?« fragte er erstaunt. »Dat is mich noch nich einleuchtend; habt Ihr doch Euren Vetter, den Ritter Claus hier und auch uns – ich thue nämlich mir und den Caspar Liebenow meenen. Wat Ihr hier auf Stavenow gewollt haben thut, dat thue ich allerdings nich wissen, und ob Ihr Eure Sache hier schon abgemacht haben werdet, dat thue ich erst recht auch nich wissen, aber, Gott straf mir, wenn ich fluche, wie der Wachtmeister immer sagen thut, Mordelement und Mohrenblitz, wenn Ihr off alle Fälle fort wollen thun werdet, so bleibe auch ich keene Minute länger in diesem alten Winkelneste, sondern ich thue mit Euch gehen, wohin Ihr mir nur immer führen thun werdet!«

»Nein, Schwalbe, das geht nicht! Hier hast Du Alles, was Du verlangen kannst, und bei uns findest Du gar nichts von dem, was Du als Diener zu fordern hast, denn wir sind so arm und elend, daß wir nicht einmal ein Stücklein Brodes für uns selbst haben. Auch giebt es keinen Ort, den wir unser eigen nennen dürfen, und wir wissen noch gar nicht einmal, wohin wir uns wenden werden.«

»Dat is es ja eben, weshalb ich mit Euch gehen werden will! Ich thue Euch nich brauchen, das is wahr; aber Ihr thut mir nothwendigkeiter Weise gebrauchen, und dat is ebenso auch wahr. Ich thue mit Euch gehen werden, und wenn Ihr mir nich mitnehmen wollt, so werde ich immer hinter Euch herlaufen, bis Ihr mir aus Gnade und Barmherzigkeit erlauben müßt, mitzukommen. Dann will ich vor den Klosterthüren für Euch betteln und bei den Bauern für Euch einbrechen, und wer Euch etwas zu Leide thun mögen will, den thue ich todtschlagen. Und wenn dat Alles gar nicht mehr gehen und helfen will, so thut Ihr meinetwegen mir selbst schlachten und braten und aufessen. Und der Caspar Liebenow, der Wachtmeister, der wird auch nich hier bleiben, sondern – – erlaubt, Herr Junker, daß ich schnell zu ihm laufen thue!«

 

Dieser Entschluß kam so rasch und wurde so schnell ausgeführt, daß der Sprecher verschwunden war, noch ehe einer der beiden Brüder den geringsten Einwand hatte machen können. Und ebenso schnell wurde die Thür wieder geöffnet, und Schwalbe brachte den Kameraden beim Arme hereingezogen. Es war offenbar, daß derselbe sich in der Nähe aufgehalten hatte; jedenfalls aus demselben Grunde, der auch Schwalbe die Veranlassung geworden war, seine Augen und Ohren offen zu haben.

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche,« rief er, indem er sich dem kräftigen Griffe zu entziehen suchte, »aper, Pruder Schwalpe, was ist denn eigentlich für ein Deiwel in Dich hineingefahren, daß Du mich draußen üperfällst und hereinschleppst, als sollte ich hier auf der Stelle gekocht und gepraten werden!«

»Dat thust Du gleich hören werden! Komm nur eenmal her, Caspar. Die Herren Junker werden Dich Etwas sagen, worüber Du Dir wundern wirst.« ‚

»Wundern? Das thue ich schon sehr genugsam üper Dich, denn es ist mir seit der Nacht, wo Du mit Deinem Kopfe die Hütte pei Garlosen einranntest, gar nicht vorgekommen, daß Du Kraft in Deinen alten Knochen hast. Was ist es denn eigentlich, was ich erfahren soll?«

»Dat will ich Dich selber sagen: Die Junker thun nich mehr hier bleiben wollen, sondern werden schon heut wieder fortzugehen beginnen!«

»Was? Nicht länger hier pleipen? Schon heut wieder fort zu gehen peginnen? Da schlage doch der Plitz in die Geschichte! Da hape ich mich gefreut wie ein König, daß Ihr hier so schön pei uns seid, und nun wollt Ihr schon wieder gehen?«

»Ja, mein guter Liebenow, es wird wohl nicht anders werden!«

»Gut, wenn es nicht anders sein kann! Aper wo werden wir denn hingehen?«

»Wir? Davon ist wohl keine Rede! Ihr werdet auf Garlosen zurückbleiben, bis einmal die Zeit gekommen ist, wo wir Eurer mehr bedürfen als jetzt.«

»Mehr pedürfen? Mord und Todtschlag, wann werdet Ihr uns denn mehr prauchen und pedürfen als grad jetzt? Nein, entweder pleipt Ihr hier, und wir mit Euch, oder Ihr geht fort, und wir auch mit Euch! Glaupt Ihr denn etwa, daß wir es nur eine einzige Stunde ohne Euch hier aushalten könnten, nun wir Euch einmal hier gehapt hapen? Nein, daraus wird nichts! Nicht wahr, Pruder Schwalpe, wir verlassen unsere liegen kleinen Junker nicht?«

»Wat denkst Du denn eigentlich von mich, daß Du mir noch fragen kannst? Ich thue Dir ja dieserwegen hereingeschleppt haben, um damit Du mich beistehen sollst gegen die Junker, die uns nich mitgehen lassen wollen thun!«

»Nicht? Mordplitz und Mohrenelement! Gott straf mich, wenn ich fluche, aper davon kann ja niemals und nimmer nicht die Rede sein, daß wir uns hier noch länger auf den Straßen herumprügeln, damit die Poldewins und der dicke Claus ihren gewohnten Humpen hinunterspülen können! Ich hape die Puschklepperei von ganzem Herzen satt, und ganz Stapenow sammt Garlosen ist mir so üperdrüssig, als hätte ich siepzig Jahre lang Steine davon zu kauen gehapt. Wir gehen mit, Pruder Schwalpe, und wer Etwas dagegen hat, der mag alleine gehen, wir aper laufen dahinter her!«

»Da thut Ihr es ja hören, Herr Junker! Der Liebenow läßt sich nich halten, und da thue ich auch nich anders können!«

Nun erhob sich ein Wettstreit zwischen den Brüdern und den beiden treuen Leuten, der schließlich so laut und leidenschaftlich wurde, daß Dietz allen Ernstes zur Ruhe mahnen mußte. Und da weder Bitten noch Vorstellungen Etwas halfen, so war er endlich gezwungen, seine Hülfe zu den Befehlen zu nehmen. Da mußten sich nun allerdings die zwei Widerspenstigen nothgedrungen fügen. Mit wahren Armensünder-Gesichtern standen sie da, und die tiefste Niedergeschlagenheit klang aus der Stimme des Wachtmeisters, als er, sich in das Unvermeidliche ergebend, sprach:

»Gut, so wollen wir dapleipen; aper wenn ich schon morgen oder üpermorgen vor Sehnsucht nach Euch in die Grupe fahre, so hapt Ihr das auf Eurem Gewissen! Niemand wird sich so sehr darüper freuen, daß wir nicht mit dürfen, wie der Pruder Steckelpein mit seinem Stapenopelopowitsch. Ich möchte nur wissen, was die Peiden gesagt hätten, wenn wir auf einmal fortgewollt hätten. Ich glaupe, sie wären auch mitgegangen!«

»Da siehst Du ja,« meinte Cuno, »daß es hier noch Leute giebt, denen Ihr lieb und werth seid! Und überdies hättet Ihr Euch ja erst die Erlaubniß Eurer Ritter holen müssen, und ich glaube, daß dieselbe Euch verweigert worden wäre.«

»Dat thue ich ebenso off dieselbige Weise auch glauben; aber ich wollte doch eenmal den Boldewin sehen, der mir halten können thäte, wenn ich mich vorgenommen habe, mir nich halten zu lassen! Wat die Garlosenigen daderzu sagen, wenn ich mir von hier wegmachen will, dat is mich sehr gleichgültig; ich thue eben fortgehen, und wer mir nich fort lassen will, der mag mir zurückholen, wenn er es können thut. Aber wenn Ihr uns nich haben wollt, so thun wir Euch nich zwingen können, und so mögt Ihr denn in Gottes Namen weiter ziehen; unser Segen thut Euch stets begleiten!«

»Mordelement, Pruder Schwalpe, was nutzt den Junkern unser Segen, wenn wir nicht selper pei ihnen sein können? Du pist mir zehnmal lieper als Dein ganzer Segen, und der meinige wird auch nicht viel mehr zu pedeuten hapen, sintemalen ich von der Frömmigkeit nicht viel verstehe und auch niemals ein Mönch oder eine Nonne gewesen pin. Aper Eins werdet Ihr mir doch erlaupen, Ihr Herren, nämlich, daß wir Euch ein Stücklein das Geleite gepen, wenn Ihr fortgeht!«

»Auch das wird sich nicht gut thun lassen, da von unserm Scheiden Niemand Etwas vorher erfahren soll. Wir wollen in aller Stille von hinnen gehen, damit uns kein Hinderniß in den Weg gelegt werde.«

»Warum dieses denn?« frug Schwalbe. »Dat is doch gar keene Nothwendigkeit nich!«

»Jawohl, Pruder Schwalpe, da gepe ich Dir Recht! Mohrenputz, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper ich sehe nicht ein, warum die Söhne des gewaltigen Ritters Dietrich von Quitzow sich wie die Spitzpupen wegschleichen sollen. Nein, grad’ recht viel Lärm sollte dapei gemacht werden: »In eurer alten, morschen Käsepurg mögen wir keine Minute länger pleipen!« So sollte man sagen und dapei den Staup von den Füßen schütteln, daß die Wolken davon dem dicken Claus in die Fenster flögen.«

»Wir haben sehr gewichtigen Grund und Ursache, dieses zu unterlassen. Darum sollt Ihr von unserer Absicht auch Niemandem Etwas sagen. Und nun wollen wir unsere letzte Bitte aussprechen. Wir haben unsere Reise als einfache wandernde Gesellen unternommen und keine Waffe bei uns gehabt. Vielleicht ist uns von jetzt an eine solche nöthig; wollt Ihr dafür sorgen, daß uns dieser Wunsch in Erfüllung gehe?«

»Wat dieses betreffen thut, so dürft Ihr keene Sorge haben! Es giebt hier eene alte Kammer, die ganz voll von demselbigen Zeuge stecken thut, und wir werden Euch mit Allem versehen, was Euch von Nöthen werden sollen dürfte!«

»So geht jetzt und seid verschwiegen. Wir werden Stavenow nicht verlassen, ohne vorher Abschied von Euch zu nehmen!«

So war denn jetzt alles Nöthige verabredet, und die Junker nahmen im Laufe des Tages so ungenirt wie möglich an allen Vorkommnissen theil, denen sie sich als Gäste des Vetters nicht zu entziehen vermochten. Je weiter aber der Abend hervorrückte, desto schärfer wurde ihre Wachsamkeit in Beziehung der beiden Wenden, auf die sie selbst Acht geben mußten, weil sie sich vorgenommen hatten, weder Liebenow noch Schwalbe von ihrem Vorhaben, den Klosterbruder zu befreien, Etwas wissen zu lassen.

Die Ritter saßen fest beim Humpen, und die Mannen hielten ihren Trunk, der heut reichlicher ausfiel als an anderen Tagen, in der Knechtestube ab. Dietz und Cuno hatten sich in ihr Gemach zurückgezogen und waren bereit, jeden Augenblick aufzubrechen. Da vernahmen sie Schritte auf dem Corridore. Als dieselben ihre Thür passirt hatten, öffneten sie die letztere geräuschlos und bemerkten durch die enge Spalte, daß die Wenden mit ihrem Gefangenen davongingen. Kaum waren dieselben verschwunden, so kamen Schwalbe und Liebenow herbeigeschlichen.

»Thut Ihr schon wissen, wat jetzt geschehen is?« fragte der Erstere. »Sie sind fort mit dem Jäger Günther, der als Bettelmönch auf Stavenow erschienen is. Wer in Dem seiner Haut stecken thäte, der thäte nich mehr lange drinnen stecken.«

»Mohrenplitz, der arme Deiwel dauert mich, aper wer sich in Gefahr pegiept, der kommt immer manchmal drin um. Wann werdet Ihr aufprechen?«

»Jetzt sofort,« antwortete Dietz, indem er das kurze, breite Schwert umschnallte, wie es die Fußknechte gewöhnlich zu tragen pflegten. Der Bruder folgte seinem Beispiele, und bald standen Beide, von den Dienern begleitet, draußen vor der Ringmauer, wo sie anhielten, um von den treuen Männern Abschied zu nehmen. Dieser fiel den Letzteren schwerer als den Junkern selbst, welche so mannhaft wie möglich zu bleiben suchten und bald im Dunkel der Nacht verschwunden waren.

»Du, Caspar, wat sagst Du nun da derzu, daß sie fort sind, und wir thun hier stehen bleiben?« frug Schwalbe, und seiner zitternden Stimme war deutlich die Bewegung anzumerken, die er nicht zu unterdrücken vermochte.

»Dazu?« frug Caspar, indem er that, als ob er sich den gewaltigen Schnurrbart streiche, sich dabei aber in die Augen fuhr, um die Tropfen fortzuwischen, welche sich in dieselben geschlichen hatten. »Gar nichts sage ich dazu, aper desto mehr werde ich thun. Ich hape nicht gedacht, daß ich die jungen Herren gar so liep hätte und daß mir der Apschied so schwer werden könnte. Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper ich pleipe keinen Augenplick länger auf Stavenow, sondern ich springe ihnen nach, und wenn sie mich nicht mitnehmen, so werde ich vor Wuth ein Räuper und schlage die ganze Menschheit mausetodt!«

»Caspar, da thue ich Dich mit helfen, darauf kannst Du Dir verlassen. Komm schnell, damit sie uns nich davonlaufen thun werden!«

»Halt, Pruder Schwalpe; wir müssen doch unsere Schwerter mitnehmen und auch einen Impiß einpacken, denn die jungen Herren hapen ja gar Nichts mitnehmen wollen, was zu so einer Reise gepraucht wird. Und von dem Palthasar, von dem müssen wir doch auf alle Fälle Apschied nehmen und von seinem Dünnespinnepeinewitsch auch!«

»Gut, dat können wir noch machen. Die Junkers gehen auf Wittenberge zu, haben sie mich gesagt, und da thun wir ihnen wohl nachkommen werden.«

Sie schlichen sich zurück und mußten ihre Geschäfte wohl in großer Eile besorgt haben, denn es war nur kurze Zeit vergangen, bis sie wieder erschienen, Jeder einen mächtigen Pack über die Schulter hängen. Balthasar war bei ihnen.

»So, also! Fortschleichen wollt Ihr Euch, und wohin, das dürft Ihr mir nicht sagen? O, Ihr schlechten Kerle! Habe ich das an Euch verdient?«

»Nein, Pruder Steckelpein; Du pist stets gut mit uns gewesen, und es wird uns gar schwer, Dir Valet zu sagen; aper wir hapen Dir vertraut, daß unsere Junkers fort sind, und da kannst Du Dir doch denken, daß unsers Pleipens hier auch nicht länger ist. Ich glaupe, daß wir uns jetzt nicht zum letzten Male sehen, und dann, wenn wir uns einmal wiederfinden, dann soll mich der Deiwel holen, wenn ich Dich wieder im Stiche lasse!«

»Ja, Balthasar, dann thun wir für immer zusammen bleiben, dat is sicher. Für jetzt aber wollen wir nich länger zögern werden, sonst finden wir die Junkers nie nich wieder. Lebe wohl, alter Kamerad, und thue den Schwalbe nich ganz vergessen!«

»Lepe wohl, Pruder Steckelpein; hap Dank für Deine Liepe und füttere mir den Heuundhäckselhaferwitsch gut, damit ich Euch Peide gesund und munter wiedertreffe!«

»So, also! Da macht meinetwegen, daß ihr fortkommt! Es wird mir traurig gehen, wenn sie bemerken, daß Ihr ausgewischt seid, denn sie werden sich gleich denken, daß ich davon gewußt habe; aber ich werde schon dafür sorgen, daß Ihr unaufgehalten von dannen kommt. Lebt wohl und scheert Euch zum Kuckuk!«

Er reichte ihnen die Hand und sah ihnen so lange nach, als er ihre Gestalten im Dunkel der Nacht zu erkennen vermochte. Dann wandte er sich zurück.

»So, also!« brummte er bewegt und unwillig; »da laufen sie weg, und ich, ich kann ihnen mit meinen langen Ohren nachhorchen. Wäre der Gregorimanorosewitsch nicht, so ginge ich auf der Stelle mit, denn solche Kameraden finde ich nun und nimmer wieder!« – —

 

Unterdessen hatten Dietz und Cuno ihre so viel wie möglich leisen Schritte beschleunigt, um die Wenden einzuholen, welche jedenfalls, um den Gefangenen sicher zu machen, zunächst den Weg nach Garlosen eingeschlagen hatten. Sie mußten lange wandern, ehe sie eine Spur von ihnen entdeckten; endlich aber vernahmen sie einen Laut, der von niemand Anderem als den Gesuchten herrühren konnte, doch war er so entsetzlich, daß sie erschrocken stehen blieben, um zu lauschen, ob er sich wiederhole. Sie hatten sich nicht geirrt, denn nach wenigen Augenblicken erscholl ein zweiter Schrei aus kurzer Entfernung vor ihnen, in welchem sich die ganze Angst eines Menschen aussprach, der mit einem gewaltsamen und fürchterlichen Tode ringt.

Die Schwerter ziehend, stürmten sie vorwärts und hatten nach wenigen Augenblicken die Stelle erreicht, wo die That vielleicht schon geschehen war, die sie vorhergeahnt hatten. Die beiden Wenden standen mitten auf der Straße; sie waren von den Brüdern so schnell und unvermuthet überrascht worden, daß ihnen gar keine Zeit geblieben war, sich hinter die Bäume zurückzuziehen.

»Was habt Ihr hier vorgehabt?« herrschte Dietz ihnen zu, indem er sich zu dem dunklen Körper niederbückte, welcher grad’ vor seinen Füßen lag.

Es war der verkleidete Mönch. Die Hülfe kam schon zu spät, denn der Kopf war ihm vom Rumpfe abgeschnitten und lag hart neben dem entseelten Körper. Auch Cuno erkannte dies auf den ersten Blick; das war für sein jugendliches, weiches Herz zu viel.

»Ermordet habt Ihr ihn!« rief er mit vor Zorn bebender Stimme. »Das sollt Ihr mit dem Tode bezahlen.«

Er stürzte sich ungestüm auf Gieljuschken, welcher ihm am nächsten stand; aber der Räubersohn hatte wohl gelernt, mit den Waffen umzugehen. Er empfing den Jüngling mit der Klinge, und es entspann sich ein Kampf, der fast mit gleichen Kräften geführt wurde. Auch Dietz nahm an demselben Theil, indem er sich mit mächtigen Hieben über Wratislaw herwarf. Dieser war ein ungewöhnlich kräftiger und mit Gefahren und Abenteuern gar wohlvertrauter Mann, der unter dem »schwarzen Dietrich« manch einen harten Strauß mit ausgefochten hatte. Jetzt stand er dem jugendlichen Sohne seines früheren Anführers gegenüber; er wußte dies gar wohl, denn er hatte es heut von den Gästen gehört und die beiden Jünglinge trotz der Dunkelheit jetzt wieder erkannt. Am liebsten hätte er den Sohn, der es wagte, seine dem Vater geleisteten Dienste mit dem Schwert zu bezahlen, sofort niedergeschlagen, aber Dietz machte seiner Abstammung so viel Ehre, daß es dem Wenden nicht nur nicht gelang, ihm beizukommen, sondern dieser sogar sehr auf seiner Hut sein mußte, nicht überwunden zu werden.

»Steckt Euer Schwert in die Scheide, Junker!« keuchte der hartbedrängte Mörder. »Wie darf der Sohn des »schwarzen Dietz« mich feindlich überfallen, statt mir für meine Treue Dank zu erweisen!«

Er hatte gehofft, mit diesen Worten einen erfolgreicheren Streich zu führen, als es ihm mit dem Degen gelingen wollte; aber es fand grad das Gegentheil statt.

»Willst Du ihn an seinem eigenen Sohn verrathen,« klang Dietzens Antwort, »so sollst Du nimmer wieder reden dürfen!« Seine Hiebe fielen dichter und kräftiger; es war, als sei der Geist des kühnen Vaters in ihn gefahren, und der Wende sah sich auf der Straße hin— und hergetrieben.

»So vernimm noch Eins, Knabe,« rief er wüthend. »Dein Vater ist ein elender Bastard, der seinen edlen Namen gestohlen hat. Du kämpfest also mit Deinesgleichen!«

»Stirb an Deinem letzten Worte!« donnerte es ihm entgegen, und in demselben Augenblicke fuhr ihm die wohlgeführte Klinge in die Brust. Mit den Händen wild um sich greifend, stürzte er zu Boden.

Da erschollen hinter den Kämpfenden herbeistürmende Schritte, und aus weiterer Entfernung rief eine athemlose Stimme:

»Lauf, lauf, Caspar, dat wir nich zu spät kommen!«

Es war Schwalbe, welcher es nicht vermochte, mit dem gewaltigen Wachtmeister gleichen Schritt zu halten. Sie hatten beide das Getöse des Kampfes von Weitem vernommen und sich sofort in eiligen Lauf versetzt, da sie wohl ahnten, wem sie Hülfe zu bringen hätten. Mit mächtigen Sätzen kam Liebenow herbeigesprungen; er sah Cuno in Bedrängniß und faßte ohne Zögern den Gegner desselben mit beiden Händen, hob ihn hoch empor und schleuderte ihn mit solcher Gewalt zur Erde, daß er regungslos auf derselben liegen blieb; dann setzte er ihm den Fuß auf den Leib, zog das Schwert aus der Scheide und stieß es ihm so kraftvoll in die Brust, daß es, durch den Körper hindurchgehend, noch in den Boden fuhr.

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper der ist abgethan!« meinte er, indem er die Klinge wieder an sich zog. »Giept es noch so einen Deiwelspraten hier, den ich in Stücke hacken soll?«

Jetzt war auch Schwalbe da. Im Eifer, seinen jungen Herren beizustehen, stürzte er sich auf Dietz, welcher, dieses Angriffes gar nicht gewärtig, sich gegen die ersten Streiche des eifrigen Dieners kaum zu decken vermochte.

»Schwalbe, ich bin es ja!« rief er, halb lachend, halb ärgerlich.

»Schwalpe, Pruder Schwalpe, willst Du gleich den Junker gehen lassen? Ich glaupe, Dir ist pei dem Laufen der Verstand aus dem Kopfe gefallen!«

»Der Junker? Wahrhaftig, dat is Herr Dietz! Aber wo thun denn die Lausewenzel sein, die ich mit meinem Säbel todtschlagen werden will?«

»Daliegen sie alle Beide!« antwortete Cuno, indem er auf die Gefallenen zeigte.

»Eens, zwee, drei – dat sind ja drei! Ich thate mich doch denken, daß es die beeden Wenden sein wären thäten, die wir finden mögen würden!«

»Sie sind es auch. Der Dritte ist der Klosterbruder, den sie ermordet haben, noch ehe wir ihm beistehen konnten.«

»Mohrenplitz, das sind ja die richtigen Menschenumpringer! Um den armen Deiwel kann es mir herzlich leid thun. Wenn wir doch etwas eher gekommen wären! Wo hast Du denn Deinen Pack, Pruder Schwalpe?«

»Meinen Pack? Dat weeß ich nich, wo der liegen werden mag; ich that ihn vom Buckel werfen, als ich zu laufen beginnen vornehmen mußte. Wo hast Du denn den Deinigen?«

»Der ist auch liegen gepliepen, wo er noch nicht gelegen hat. Wir werden sie schon wiederfinden, wenn wir zurückgehen wollen.«

»Aber sagt, wie kommt Ihr denn hierher?« frug Dietz. »Wir denken, Ihr seid auf Stavenow!«

»Auf Stapenow? Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper, mein lieper Junker, wie könnt Ihr nur denken, daß wir auf Stapenow sind, wenn Ihr Euch in Gefahr pefindet!«

»Dat is auch die meinige Ansicht! Thut nur immer sagen, wat Ihr wollt; thut uns meinetwegen wieder fortprügeln von Euch, aber wir werden mit Euch gehen und uns niemals nich wieder fortweisen lassen!«

»Ja, das werden wir thun und zu Stande pringen! Wenn Ihr nichts für uns hapt, so hungern wir mit Euch. Und wenn Ihr das nicht leiden wollt, so werde ich erst den Schwalpe umpringen und nachher mich auch todtschlagen. Ich pin der Wachtmeister Caspar Liepenow, und wenn Ihr den in die Wuth pringt, so haut und sticht er um sich, pis es keine lependige Seele mehr giept zehn Meilen rund um Stapenow herum!«