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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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Märgi loetuks
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»Dies soll durch einen Krieg geschehen?«

»Ja; es soll Alles aufgeboten werden, die Macht des Markgrafen in den Marken zu brechen, zu vernichten und auf diese Weise seine in Kostnitz etwa erlangten Vortheile überflüssig zu machen!«

»Ein schweres Stück Arbeit! Bedenkt, daß Friedrich die weitaus überwiegende Mehrzahl der Ritter und Herren in den Marken für sich gewonnen hat und eine sehr bedeutende Streitkraft in das Feld zu schicken vermag. Werden die Herzöge Otto und Casimir im Stande sein, mindestens die gleiche Macht zu stellen? Welche Verbündeten haben sie?«

»Die Mecklenburger, Herrn Wratislaw von Wolgast und noch eine Anzahl Ritter!«

»Und wie denken die Ritter von Wedel, Bork, der Kremzower und Andere über diese Angelegenheit?«

»Henning von Wedel, mit dem Ihr ja jetzt in ein sehr nahes verwandtschaftliches Verhältniß tretet, ist mit mir für die Herzöge gesinnt, desgleichen der Kremzower; Friedrich von Wedel und Bork dagegen wollen sich weder für noch gegen sie bemühen!«

»Hm! Hm! Selbstverständlich habt Ihr auch Herrn Dietrich von Quitzow bei dem Feldzuge im Auge!«

»Soviel ich weiß, beabsichtigen die Herzöge, ihm eine Heeres-Abtheilung zur Führung zu übergeben!«

»Ohne Zweifel ist er hiervon bereits unterrichtet und wird bis zum Beginn des Feldzuges in Pommern verweilen!«

»Das glaube ich auch, denn in Friedenszeiten darf er sich ja in den Marken, wenigstens da, wo Markgräfliche zu vermuthen sind, nicht mehr blicken lassen. Der Bedauernswerthe ist dort förmlich geächtet!«

»Ich habe davon gehört. Sollte es zum Kampfe kommen, dann wird er sich wohl mit den Gegnern in seiner bekannten Weise abfinden!«

»Und welche Haltung beabsichtigt Ihr anzunehmen? Vergebt die Frage, Henning von Wedel, der Vater Eures demnächstigen Schwiegersohnes wird, da er in dieser Gegend die Leitung der Werbung von Hülfstruppen in die Hand genommen hat, demnächst selbst zu Euch kommen; mich drängt lediglich der Wunsch, heut’ schon zu erfahren, wie Ihr diese Angelegenheit beurtheilt, zu derselben!«

»Nun, ich werde es mit Euch halten!«

»Das ist recht! Ich habe von Euch nichts Anderes erwartet und sehe immer mehr ein, daß Henning von Wedel auf Friedland treffend über Euch geurtheilt hat, als er sagte, an Eurer Aufkündigung der Freundschaft zwischen Euch und ihm sei Niemand schuld, als der Prahlhans, der Janeke von Stegelitz!«

»Sprechen wir von ihm nicht weiter. Sobald der Ruf zum Aufbruch erschallt, werde ich nicht fehlen. Ich werde doch selbstverständlich noch eine besondere Anfrage wegen meines Verhaltens in dieser Angelegenheit erhalten?«

»Gewiß! Sie wird Euch in den nächsten Tagen bereits zugehen!«

»Diese Sache ist demnach abgemacht, und der Tag der Vergeltung wird für Dietrich von Quitzow bald anbrechen.«

»Nun noch eine Frage:

»Brunhilde laßt Ihr doch so lange hier, bis Güntersberg wieder zu ihrer Aufnahme bereit ist? Meine Frau wird sich auch dann noch sehr ungern von dem lieben Mädchen trennen!«

»Ich nehme Euren Vorschlag dankbar an. Mir schwirrt übrigens von alle dem, was ich heut’ erlebt habe, der Kopf. Es wird für mich Zeit, zur Ruhe zu gehen!«

Am folgenden Morgen verließen der getroffenen Verabredung gemäß Ritter Simon und Henning, welch Letzterer sich nur schwer von seiner Braut zu trennen schien, Burg Betow, um zunächst nach Güntersberg zu reiten und dort die Wiederherstellung der Burg zu betreiben. Henning kehrte für kurze Zeit nach Friedland zurück.

Kapitel 18: Vergeltung

Ein halbes Jahr war seit der Abreise Suteminn’s und des Grafen Warwick von Tangermünde nach Potsdam und seit dem Wiedereinzuge des Ritters Simon in seine neu befestigte Burg vergangen. Ein halbes Jahr nur und doch, welch’ hochbedeutende Veränderungen waren in dem verhältnißmäßig kurzen Zeitraum in den Kreisen vorgekommen, in welche die Leser eingeführt worden sind.

Mit Windeseile hatte sich in den Marken, in Mecklenburg, in Pommern und den weiter an die Marken grenzenden Ländern die Nachricht verbreitet, Markgraf Friedrich sei vom Kaiser zum Kurfürsten von Brandenburg ernannt worden, und wuthschnaubend betrieben die Herzöge von Pommern und ihre Verbündeten ihre Rüstungen in beschleunigter Eile. Ritter Dietrich von Quitzow war unermüdlich im Anfeuern zum möglichst raschen Angriff, und obwohl die Herzöge und die zu ihnen haltenden Ritter diesem Drängen des haßerfüllten Ritters nach Kräften entsprachen, verging doch die zum Angriff geeignetste Zeit unbenützt.

Die Freunde und Anhänger des Markgrafen erhielten durch den Junker Joachim Gans zu Putlitz, welcher kurze Zeit bei seinem Freunde, dem Junker Henning von Wedel auf Friedland, weilte, rechtzeitig Kunde von dem Vorhaben der Feinde, Suteminn war, von einer bangen Ahnung getrieben, mit Billigung des neuernannten Kurfürsten in die Marken zurückgekehrt, und beide Streitmassen standen bei Angermünde an dem Tage einander gegenüber, an welchem der Kurfürst nach Berlin zurückkehrte.

Ohne Zögern eilte er zu den Seinen, welche unter Führung Suteminn’s, Henning von Bismarck’s, des Grafen von Lindow, Gans zu Putlitz und Anderen die Gegner bereits hart bedrängten.

Auch Graf Warwick nahm mit Detlev an dem Kampfe Theil. Die Reihen der Feinde geriethen nach einem erbitterten Angriff der unter Leitung Suteminn’s stehenden Heeresabtheilung in Unordnung, und als die Sonne sich dem Untergange zuneigte, waren die Feinde nicht nur vollständig geschlagen, sondern mehrere der feindlichen Führer befanden sich sogar in der Gewalt der Sieger.

Am längsten hatte sich der Theil des feindlichen Heeres auf dem Kampfplatze erhalten, welcher unter Führung Dietrich’s von Quitzow stand.

Gegen diese wandte sich Suteminn, welchem Detlev, der Graf Warwick, Hans von Uchtenhagen und die beiden Junker Dietz und Cuno von Quitzow zur Seite waren, nach Durchbrechung der feindlichen Linie mit besonderer Wuth.

Detlev traf zuerst mit ihm zusammen. Ob er indeß bei der beispiellosen Wuth, mit welcher der den unglücklichen Ausgang des Kampfes längst erkennende Ritter den siegreichen Gegnern entgegentrat, den Platz zu behaupten vermocht hätte, erschien nicht nur Suteminn, sondern ganz besonders dem Grafen zweifelhaft, weshalb Letzterer und mit ihm Junker Dietz Detlev Beistand leisteten.

Dem Grafen gelang es, Dietrich von Quitzow zu entwaffnen und bald lag dieser am Boden.

Er mußte arg verwundet sein, denn das Blut rieselte durch die Fugen der Rüstung, und Junker Dietz öffnete die Sturmhaube des Ueberwundenen, um zu erkennen, wer der Ritter sei, welcher mit so beispielloser Tapferkeit gekämpft. Mit einem lauten Aufschrei prallte er aber zurück.

»Mein Vater!« rief er dem rasch herzueilenden Grafen zu und kniete neben dem bewegungslos am Boden liegenden Ritter nieder.

Auf Anordnung des Grafen, welcher sich der Verfolgung des in wilder Flucht sich eilig entfernenden Restes des feindlichen Heeres nicht anschloß, wurde Ritter Dietrich vom Schlachtfelde hinweggetragen und ein im Gefolge des Kurfürsten sich befindender Arzt untersuchte die Wunden.

»Hier giebt’s kaum mehr etwas zu retten!« erklärte dieser nach eingehender Untersuchung.

»Dann versucht wenigstens, ihn noch einmal zur Besinnung zu bringen,« bat der Graf. »Dort steht sein vom Schmerz über dieses Wiedersehen betäubter Sohn, und ich möchte auch gern ein paar Worte mit ihm wechseln!«

»Wollt Ihr,« fuhr er zu dem in dumpfem Sinnen wenige Schritte entfernt stehenden Junker fort, »Euren Bruder nicht hierherrufen lassen?«

Er mußte diese Frage wiederholen, dann erst richtete Junker Dietz sich empor.

»Vergebt meine geringe Aufmerksamkeit, Herr Graf; ja, ich werde Cuno sofort rufen!«

Wankend verließ er die Hütte, in welcher sein Vater seiner Auflösung entgegensah.

In diesem Augenblicke schlug der Ritter die Augen auf. Trotz der in Folge starken Blutverlustes ihn überwältigenden Schwäche richtete er sich empor.

»Wo bin ich? Wer seid Ihr?«

»Ihr seid in der Gewalt des Siegers, und wer ich sei, fragtet Ihr auch? Ich bin der Graf Warwick, dem Ihr vor dreizehn Jahren, als Ihr noch unter dem Namen der »schwarze Dietrich« Euer Unwesen triebet, die Seinigen raubtet, den Ihr namenlos unglücklich gemacht habt und welcher nun die Abrechnung für Eure Schandthaten dem Höchsten überläßt, vor den Ihr in den nächsten Augenblicken treten werdet.

»Euer Leben geht zu Ende, seht zu, daß Ihr dort oben einst bestehen werdet!«

»Hölle und Teufel!« stieß der kraftlos auf sein Lager zurücksinkende Ritter immer schwerer, immer kürzer athmend hervor, »ich soll sterben, ohne zu wissen, daß das Burggräflein aus den Marken verjagt ist, ich soll die Meinen, meine Kinder, mein Weib nicht mehr wiedersehen? Das ist hart!«

»Eure Söhne sind hier und werden gleich zu Euch kommen!«

»Was? Dietz und Cuno hier? Sie sind doch nicht etwa —?«

»Fragt sie selbst, dort kommt Junker Dietz!«

»Dietz! Dietz!« rief Dietrich mit schwächer werdender Stimme und streckte eine Hand suchend aus.

»Vater, lieber Vater!« schrie der schnell herbeieilende Sohn laut auf und sank neben dem Lager des Vaters, den er seit dessen Flucht aus Friesack nicht mehr wiedergesehen, auf die Kniee.

»Wo ist Cuno?«

»Ich habe einen Boten nach ihm geschickt, er muß bald hier sein!«

»Dietz, mein Sohn, Du bist doch nicht etwa mit dem Burggrafen bierhergekommen?«

Der Gefragte zögerte einen Augenblick mit der Antwort. Er wußte ja, daß er durch ein offenes Eingeständniß seinem auf dem Sterbebette liegenden Vater noch einen schweren Kummer bereiten würde; dann erwiderte er ausweichend:

»Ich begleitete mit Cuno Herrn Hans von Uchtenhagen!«

»Uchtenhagen?« lallte der mit geschlossenen Augen daliegende Ritter, dessen geistige Thätigkeit allgemach zu erlahmen schien und der sich des Namens aus früheren Zeiten erinnern mochte und die Gegenwart bereits mit der Vergangenheit verwechselte, »Uch – ten – hagen, das ist gut! Ich wußte ja, daß —« die Fortsetzung wurde unverständlich und bestand nur noch in einem zusammenhanglosen Flüstern.

 

Kurze Zeit ruhte er bewegungslos, dann faßte er die in der seinen ruhende Hand des Sohnes noch einmal fester, und seine Stimme erhielt den früheren Klang, als er rief:

»Wo ist Cuno? Elisabeth, mein treues Weib, lebe wohl! Kinder kehrt zur Mutter zurück! Haß ihm!«

Lautlos sank er nach diesen Worten zurück, der Athem ging schwerer, zuletzt stockte er, und Dietrich von Quitzow, solange Jahre der gefürchtetste Raubritter der Marken, das Vorbild des märkischen Ritterthums, war verschieden, hatte den Tod erhalten durch die Hand des Mannes, den er einst namenlos unglücklich gemacht!

Der zu spät von der Gefangennahme Dietrichs unterrichtete Kurfürst kam erst heran, als sein erbittertster Gegner bereits todt war.

Welche Gedanken mochten ihn beseelen, als er an der Leiche des Mannes stand, der ihm so viele trübe Stunden bereitet hatte und sogar kühn genug gewesen war, sich an seinem Sohne, dem Prinzen Johann, zu vergreifen? Jedenfalls war mit diesem Augenblick der Groll gegen seinen einstigen Gegner behoben. Dafür sprach auch sein weiteres Auftreten, denn er wandte sich an den, einen Schritt zurückgetretenen Sohn des Verstorbenen:

»Euer Vater hat seine Schuld mit dem Tode gebüßt und gesühnt. Ihr aber habt, seit Ihr die Waffen führt, gezeigt, daß Ihr mir ergeben seid. Ich weiß, daß ich auf Euch bauen kann und daß ich in Euch eine treue Stütze habe. Zur Anerkennung Eures Verhaltens und zum Lohne Eurer bewiesenen Unerschrockenheit und Tapferkeit gebe ich Euch Stavenow und die Burg zu Plaue zum Lohne.«

Mächtig bewegt dankte Dietz für diesen Beweis des Wohlwollens.

Der Kurfürst unterbrach ihn aber mit der Frage nach Cuno und befahl, als er hörte, daß der nach ihm ausgesandte Bote noch nicht zurück, er also noch nicht aufgefunden sein müsse, daß er nach seinem Eintreffen bald zu ihm gesandt werden solle.

»Auch er,« bemerkte der Kurfürst, »hat sich als treu, unerschrocken und tapfer bewährt und verdient die ihm zugedachte Anerkennung!«

Junker Dietz wartete, als der Kurfürst mit dem Grafen sich entfernt hatte, noch längere Zeit des Bruders. Endlich kehrte der ausgesandte Knecht zurück:

»Junker Cuno liegt todt am Ufer des Flusses dort drüben. Er muß arg drein gehauen haben, denn neben und um ihn herum liegen eine Anzahl Knechte, die jedenfalls ihm zum Opfer gefallen sind, bevor er der Uebermacht erlag.«

Dietz’s Augen wurden aufs Neue feucht, als er diese Trauerbotschaft vernahm.

»An einem Tage also habe ich Vater und Bruder verloren!« stieß er mit gepreßter Stimme hervor und verdeckte einen Moment die Augen mit der Hand.

Da legte sich ein Arm um seine Schulter und eine Stimme fragte theilnehmend:

»Armer Dietz, also ist Cuno auch todt?«

»Leider, Detlev!« erwiderte dieser, ohne aufzusehen. Er erkannte an der Stimme, wer der theilnehmende Freund war, welcher sich bemühte, dem Gebeugten Trost zuzusprechen.

Detlev, dieser war es in der That, sah, daß Dietz im Augenblick nicht im Stande war, die erforderlichen Dispositionen zu treffen. Er rief deshalb auf eigene Verantwortung eine Anzahl Knechte zusammen, und die beiden Leichen, Vater und Sohn, wurden bis zur Stadt getragen, um von dort mit Hülfe eines Wagens nach Stavenow geschafft zu werden.

Vier Wochen später saßen im Zauberhause zu Tangermünde Suteminn, der Graf, Detlev und Ritter Dietz von Quitzow zusammen und besprachen die jüngsten bedeutungsvollen Ereignisse.

Unmittelbar nach siegreicher Beendigung des Kampfes bei Angermünde war Garlosen, dessen Besitzer sich mit den Gegnern verbündet hatten, erstürmt worden, wobei nicht nur die Ritter Boldewin und Thomas von dem Kruge umkamen, sondern auch der alte Wachtmeister und sein noch immer bei ihm weilender Bruder ihren Tod gefunden hatten, und wenige Tage vor dieser Zusammenkunft hatte Suteminn, Hans von Uchtenhagen und Dietz von Quitzow, welch’ Letzterer dem Kurfürsten von dem Vorhandensein der Schatzkammer der ehemals in der Wendenburg hausenden Räuber gesprochen, unter Führung Dietz’s den Aufbewahrungsort der von der Bande des schwarzen Dietrich geraubten Güter besucht und die Letzteren nicht nur aus dem Gewölbe entfernt und dem Kurfürsten zur weiteren Verwendung übergeben, sondern den Gang und das Gewölbe selbst unbenutzbar gemacht.

Bei der ersten flüchtigen Besichtigung der in der Kiste aufbewahrten Geschmeide wurden fast alle dem Grafen und seiner Gemahlin vom schwarzen Dietrich einst geraubten Werthsachen, welche durch das Wappen des Grafen gekennzeichnet waren, vorgefunden, und der Kurfürst hatte diese Gegenstände dem Grafen selbst sofort zurückgegeben.

Es läßt sich denken, mit welchen Gefühlen der Graf sowohl als die Gräfin die Sachen wieder in Empfang nahmen, welche sie an die furchtbarste Stunde ihres Lebens erinnerten, und die Stimmung der kleinen Gesellschaft war eine ungewöhnlich ernste, als es Dietz von Quitzow unerwartet gelang, dem Gespräch und den, den Grafen beherrschenden Gedanken eine andere Richtung zu geben.

»Da ich nach dem Tode meines Vaters und meines Bruders mit Billigung des Kurfürsten den Kampfplatz verlassen und an der Belagerung von Garlosen und den weiteren Siegeszügen mich nicht mehr betheiligt habe, konnte ich auch nicht erfahren, was mit den gefangenen feindlichen Führern geschehen sollte. Wißt Ihr vielleicht etwas Näheres darüber?«

Diese Frage Dietz von Quitzow’s an Suteminn erregte bei dem Letzteren ein unwilliges Kopfschütteln, bei dem Grafen aber ein leichtes Auflachen, während Detlev erstaunt bald den Einen, bald den Andern beobachtete.

»Ihr erinnert mich durch Eure Frage an ein Ereigniß, das ich mir kaum zu erklären vermag,« entgegnete Suteminn ernst. »Der Kurfürst muß durch die endliche Niederdrückung seiner mächtigsten Feinde im Lande und im Norden desselben in eine so freundliche Stimmung versetzt sein, daß er selbst da Milde walten läßt, wo sie wenig angebracht erscheint. Die Wedels in Pommern und namentlich Henning von Wedel auf Friedland, dessen Sohn und Simon von Güntersberg waren die muthigsten Bundesgenossen der Herzöge. Der Junker von Wedel ist gefangen genommen worden. Statt ihn nun zu behandeln, wie die übrigen in Gefangenschaft gerathenen feindlichen Ritter und Herren, hat ihm der Kurfürst auf Bitten des Bischofs von Brandenburg, dessen Nichte mit einem Freunde desselben, dem Joachim Gans zu Putlitz verheirathet ist, die Freiheit gegeben, und der Letztere, welcher die nunmehr glücklich vereitelten Pläne der Gegner zuerst erfahren, verrathen und uns dadurch vor einer Ueberrumpelung, ja ohne Zweifel auch vor einer Niederlage gerettet hat, soll, wie mir lachend erzählt wurde, beabsichtigen, der Hochzeit des Herrn Henning von Wedel mit der Tochter des Güntersbergers beizuwohnen.«

»Herr Joachim Gans zu Putlitz,« bemerkte nun auch Dietz von Quitzow leicht lächelnd, »scheint sehr kühn zu sein, wenn er sich so bald schon in die Höhle des jedenfalls in Folge der erhaltenen derben Abfertigung noch grimmigen Löwen wagen will!«

»Henning von Wedel soll erklärt haben, daß er keineswegs ein so erbitterter Gegner des Kurfürsten sei, wie sein Vater, und gern die Hand zur Versöhnung bieten wolle. Ich traue aber den Wedels nicht und bedaure diesen Schritt des Kurfürsten!«

»Ihr seid ein persönlicher Gegner der Wedels, Herr Ritter?«

»Ja!«

Dieses »ja« klang so rauh, so barsch, daß Alle überzeugt waren, Suteminn hege gegen alle Wedels einen tiefgewurzelten Groll.

Der Ritter schien aber auch kein Hehl aus dieser durch die Erinnerung an Henning von Wedel in ihm hervorgerufenen Mißstimmung machen zu können, der Haß mußte zu mächtig sein, denn seine Miene blieb finster und wurde erst heiterer, als Detlev bemerkte:

»Der verheißene Besuch bleibt sehr lange aus. Sollte Chlodwig heut’ nicht kommen?«

»Unnöthiger Kummer!« erwiderte er lächelnd, »Dein Freund ist seither stets sehr pünktlich gewesen und wird auch heut’ nicht verfehlen, sich sobald als möglich hier einzufinden.«

Zum Grafen gewandt fuhr er fort:

»Ich sehne mich, einen Augenblick hinaus aus dem beengenden Gemach zu gehen. Die Wedels sollen mir heut’ am wenigsten die Stimmung verderben können. Wollen wir nicht einen kurzen Spaziergang nach der Stadt unternehmen? Ich habe dort eine Angelegenheit zu erledigen, die ich, falls mir heut’ oder morgen keine Zeit mehr bleibt, hierbei in Ordnung bringen könnte. Vielleicht begegnen uns die Grafen von Lindow«

Der Graf war ohne Weiteres bereit, ihn zu begleiten, und Beide verließen das Haus.

Dietz und Detlev waren jetzt, da die Frauen sich längst zurückgezogen hatten, allein.

»Jetzt, Freund,« begann der Erstere, »erklärt mir, weshalb Ihr so auffallend trübe gestimmt seid! Als ich bei meiner Ankunft Eure Stimmung wahrnahm und fragte, hattet Ihr offenbar keine Lust, mir genügende Auskunft zu geben. Ich drang deshalb auch nicht weiter in Euch. Da wir nun aber allein sind, bitte ich, mir, Eurem aufrichtigen Freunde, zu beichten!«

»Wenn ich Eurem Verlangen entspreche,« erwiderte Detlev ernst, »geschieht dies in der Voraussetzung, daß Ihr Stillschweigen über meine Mittheilung beobachten werdet. Ich wünsche nicht, daß, nachdem die Sache leider vollständig erledigt ist, Jemand nachträglich noch Anlaß finden könne, das arme Mädchen vielleicht gar zu verdächtigen!«

»Eine Herzensangelegenheit also ist es, die Euch so ernst, so trübe stimmt?«

»So ist es! Erinnert Ihr Euch vielleicht dessen, was ich Euch über das Mädchen mittheilte, welches ich vor längerer Zeit aus der Gewalt der Boldewin’s und aus den Händen des Pfaffen zu befreien vermochte?«

»Gewiß! Ihr sprachet aber davon, daß sie eine Jüdin sei!«

»Richtig. Dieses reizende Kind konnte ich nicht vergessen. Ich habe in der Zeit zwischen dem Kampfe bei Angermünde und der Berennung von Garlosen Zeit und Gelegenheit gefunden, mich nach ihr zu erkundigen!«

»Nun? Was weiter?« fragte Dietz besorgt, als Detlev einen Moment inne hielt.

»Das unglückliche Mädchen sollte einen Mann heirathen, den sie nicht nehmen wollte. Sie hat geweint, gefleht, hat ihrer Mutter, welche mir dies Alles mitgetheilt, entdeckt, daß sie mich allein liebe, und da sie mich nicht erhalten könne, gar nicht heirathen wolle, und hat, als der Vater weder auf Mutter noch Tochter gehört, sondern hart verlangt hat, das Mädchen müsse seinem Willen gehorchen, im Wasser – Ruhe gesucht und gefunden. Wenige Stunden vor meiner Ankunft bei ihren Eltern war ihre Leiche aufgefunden worden!«

»Armes Wesen!« murmelte Dietz tief ergriffen.

Detlev aber erhob sich, um durch Bewegung die vollständig verlorene Fassung wieder zu gewinnen.

Dietz mußte erkennen, daß der Freund dem unglücklichen Mädchen herzlich zugethan gewesen, und suchte vergeblich nach Worten des Trostes. Längere Zeit verging deshalb in dumpfem Schweigen, und er athmete erleichtert auf, als Marie in das Gemach trat.

Noch hatte er indeß nicht vermocht, ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen, als Suteminn mit dem Grafen zurückkehrte, in dessen Begleitung sich der längst erwartete Graf Lindow und dessen Sohn Chlodwig befanden.

Marie bemerkte diese gleichzeitig und zog sich, während eine glühende Röthe ihr Gesicht überflog, rasch zurück, Detlev aber ging den Ankommenden ein paar Schritte entgegen.

Nach den ersten Begrüßungen zwischen Dietz und dem Grafen Lindow, welche auf dem Schlachtfelde bekannt geworden waren, und Detlev, welcher während der Reise der Herren nach Kostnitz mit Chlodwig Freundschaft geschlossen hatte, erklärte Graf Warwick:

»Mein längeres Verweilen in Deutschland ist, nachdem ich das, was ich erstrebte, auch erreicht habe, zwecklos. Ich werde deshalb morgen mich vom Kurfürsten verabschieden und übermorgen früh wollen wir von hier abreisen. Der Herr Graf von Lindow wird uns bis Hamburg begleiten, unser Freund Suteminn aber hat mir endlich das Versprechen gegeben, mit uns nach England zu fahren!«

Detlev gab seine Freude hierüber laut zu erkennen. War es ja doch stets sein Wunsch gewesen, den Mann, der während seiner Trennung von den Eltern Vaterstelle bei ihm vertreten, auch ferner in der Nähe zu haben, und er sah erstaunt, befremdet auf, als Suteminn zerstreut antwortete und sein Augenmerk auf etwas gerichtet hielt, was hinter ihm vorging. Neugierig wandte er sich nach derselben Richtung: seine Mutter und seine Schwester waren auf Wunsch des Grafen eben eingetreten und wurden vom Grafen von Lindow und dessen Sohne begrüßt. Marie, das sonst Jedem offen in das Auge sehende, unschuldige, liebe Mädchen, stand, den Blick schüchtern zu Boden gesenkt, vor dem Grafen, während sie hocherglühend das Köpfchen leicht neigte, als vermöge sie in dieser Weise zu verbergen, was sie nicht merken lassen wollte.

 

Vergebliches Mühen! Weder die Mutter noch die Herren waren im Zweifel über das Gefühl, welches Marie erfüllte, und wären sie es doch noch gewesen, dann hätte ein Blick in das freudestrahlend auf dem reizenden Mädchen haftende Auge des jungen Grafen ihnen die Ueberzeugung verschaffen müssen, daß Chlodwig und Marie einander liebten.

Hindernisse schienen der Liebe des jungen Paares nicht zu erwachsen, denn die Eltern waren durch diese Wahrnehmung keineswegs unangenehm überrascht, und nur eine Person unter den Anwesenden wandte sich auffallend bleichen Angesichts ab und verließ nach einer herzlichen Verabschiedung von dem Grafen und dessen Familie, vorzüglich aber von Detlev und endlich auch von Suteminn das Haus: Dietz von Quitzow.

»Ich Thor,« murmelte er, als er in geringer Entfernung vom Hause noch einmal einen Blick auf dasselbe zurückwarf, »weshalb habe ich mich einer Hoffnung hingegeben, an deren Erfüllung ich nach dem Vorgefallenen vernünftiger Weise gar nicht hätte denken sollen? Ich muß eben die Schuld tragen für etwas, was ich nicht begangen habe! Nun – so sei es denn!«

Langsam, fast zögernd ritt er die Straße dahin, dem nicht fernen Plaue zu.

Der festgesetzte Plan der Reise erlitt indeß eine kleine Aenderung.

Der Kurfürst hatte den Grafen Warwick selbst nach Tangermünde zurückbegleitet, sich hier von den Damen und Suteminn verabschiedet, und Henning von Bismarck, welcher später noch eintraf und die Hütung und Instandhaltung des Zauberhauses freiwillig übernommen, ließ sich nicht davon abbringen, die Herrschaften bis Hamburg begleiten zu wollen.

Die alte Frau, welche vor dem Eintritt Marien’s in das Haus die Leitung des Hauswesens geführt hatte, blieb allein zurück und weinte bitterlich, als die Gräfin und Marie, zu welch’ Letzterer sie sich besonders hingezogen fühlte, ihr zum letztenmale die Hand boten. Aber nicht nur die Gräfin und ihre Tochter, sondern Suteminn sogar wurde weich gestimmt, als die Alte klagend ausrief:

»Gott im Himmel, nun stehe ich also gerade wieder so allein in der Welt da, wie vor langen Jahren! Damals war ich noch jung, heut’ aber —? Lebt wohl, lebt wohl, Gott wird mich doch bald abrufen von dieser Welt. Ich muß ja endlich einmal Ruhe finden!«

»Sei getrost, Alte,« rief ihr Suteminn noch zu, als er sich auf sein Pferd schwang, »ich vergesse Dich nicht, und Herr von Bismarck wird, so lange ich nicht hier bin, Dir gewiß beistehen. Wir sehen uns gewiß noch einmal wieder!«

»Gott gebe es, Herr!« flüsterte die Alte bebend, während sie hinter dem zuletzt den Hof verlassenden Ritter das Thor schloß.

Ohne Unfall kamen die Reisenden in Hamburg an.

Der Graf von Lindow blieb mit den Frauen und seinem Sohne im Gasthofe zurück, während Graf Warwick in Begleitung Detlev’s, Bismarck’s und Suteminn’s nach dem Hafen ging, um nach der, der erhaltenen Weisung gemäß hier noch ankernden »Schwalbe« zu sehen.

Ohne besondere Mühe fanden sie dieselbe unter der großen Masse der im Hafen vor Anker liegenden Schiffe heraus, und es war nun ihre erste Sorge, auf der »Schwalbe«, auf welcher in Abwesenheit des Kapitäns der Constabel Sam Haberland das Commando führte, an Stelle des bei der Erstürmung Garlosens um’s Leben gekommenen Kapitäns einen befähigten Ersatzmann zu finden.

Langsam gingen sie, nachdem sie die »Schwalbe« verlassen, am Hafendamm entlang.

Während sie im eifrigen Gespräch dahinschritten, und Suteminn eben einige Einzelheiten des Vorfalls in Erinnerung brachte, welcher ihnen seiner Zeit beim Empfange des von England kommenden Grafen zustieß, rief Herr von Bismarck hastig:

»Da sehe ich ja auch den Mann wieder, welcher uns damals so auffällig und aufmerksam betrachtete, daß ich mich versucht fühlte, ihm mich vorzustellen. Wahrhaftig, er scheint nun, nachdem er uns gesehen, noch dieselbe Neugierde zu hegen. Sehen Sie, meine Herren, wie er bei unserem Anblick zusammenfährt und stehen bleibt! Hollah, er kommt uns geraden Wegs entgegen!«

Auch Suteminn hatte den Fremden schärfer in’s Auge gefaßt. Die beiden Ritter beobachteten den Letzteren ebenso unablässig und eben so finster, wie dieser sie selbst. Noch wenige Schritte und sie standen vor einander. Während Suteminn den Fremden, wie von einer plötzlichen Regung überwältigt, ängstlich forschend betrachtete, trat Bismarck dem Fremden in den Weg:

»Ihr scheint ein besonderes Interesse an uns zu nehmen. Es ist nun schon das zweitemal, daß wir uns von Euch höchst auffälliger Weise beobachtet sehen, und sind deshalb wohl berechtigt zu dem Ersuchen um eine Erklärung Eures eigenthümlichen Verhaltens!«

Einen Moment blitzte das dunkle Auge des Fremden auf. Er schien eine scharfe Erwiderung geben zu wollen, begnügte sich schließlich aber mit einem geringschätzigen Achselzucken und wandte sich zum Weitergehen.

Dies empörte Herrn von Bismarck.

»Auf ein freundliches Ersuchen gebt Ihr nichts. Nun gut, dann verlange ich Antwort, oder, bei Gott, Henning von Bismarck wird Euch den Mund öffnen!«

Der Fremde zuckte zusammen, als er diese Worte hörte.

»Welchen Namen nanntet Ihr? Henning von Bismarck? Seid Ihr aus den Marken?«

»Gewiß, ich führe diesen Namen und bin ein märkischer Ritter. Kennt Ihr mich, und wer seid Ihr?«

»Dann habt Ihr einen Bruder, Namens Claus?«

»Auch dies ist richtig. Wer zum Teufel seid Ihr?«

»Dieses Eures Bruders wegen, mit dem ich einst befreundet war, will ich Eure Kühnheit, mich auf freier Straße aufzuhalten, übersehen. Mein Name geht Euch nichts an!«

Ohne sich weiter um die Herren zu kümmern, ging der Fremde nach der andern Seite der Straße und bog dort hastig in eine Seitengasse ein.

Bismarck wollte ihm nacheilen, ein Blick auf Suteminn, welcher einige Schritte zurückstand, veranlaßte ihn jedoch, von der Ausführung seines Entschlusses abzustehen.

Der Ritter starrte mit weitgeöffneten Augen dem Fremden nach, bleich und mit halbvorgebeugtem Oberkörper stand er neben einem der längs des Dammes eingerammten Pfähle und bot in so hohem Grade ein Bild hülflosen Schreckens, daß nicht nur Bismarck, sondern auch Detlev, welcher gleichfalls auf ihn aufmerksam wurde, rasch zu ihm trat.

»Um Gottes Willen, was ist Euch zugestoßen? Ist es möglich, daß der Grobian Euch in diesen Zustand zu bringen vermochte?«

Diese Fragen erschollen fast gleichzeitig, ohne indeß eine sofortige Beantwortung zu erfahren.

Als nun aber auch der Graf besorgt sich ihm näherte, da richtete er sich auf und sprach, während ein wehmüthiges Lächeln um seinen Mund spielte:

»Seid ohne Sorge, Freund. Durch den Anblick des Fremden ist die Erinnerung an Jemand in mir plötzlich wachgerufen worden, der mir sehr nahe stand und noch steht. Die Ueberraschung war sehr stark. Doch wird die Schwäche bald überwunden sein.«

»War es denn,« fuhr er leise, mehr für sich selbst fort, »wirklich eine Täuschung? Könnte Olaf nicht noch leben, sich hier aufhalten und mir jetzt begegnet sein?«

Detlev hatte den Ritter aufmerksam, forschend beobachtet und mußte die letztere Frage verstanden haben, denn er bat, als Suteminn sich zum Weitergehen anschickte:

»Erlaubt mir, den räthselhaften Fremden zu verfolgen. Er kennt Herrn von Bismarck, und Ihr kennt, wie mir nicht mehr zweifelhaft ist, ihn. Weshalb sollte sich diese Angelegenheit nicht aufklären lassen?«

»Ich begleite Euch!« erklärte Herr von Bismarck rasch, Suteminn bat jedoch nachdrücklichst, jeden Versuch, den Mann aufzufinden, zu unterlassen. »Kommen wir,« meinte er, »zufällig noch einmal zusammen, dann werde ich mir selbst Gewißheit verschaffen; begegne ich ihm aber nicht mehr, nun, dann will und werde ich ihn vergessen!«

Bismarck wie Detlev fügten sich diesem Wunsche sichtlich nur ungern und sie kehrten schweigend, langsam nach dem Gasthof zurück, in welchem Graf Lindow und die Frauen sie erwarteten.