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Der Oelprinz

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Der Kantor schien große Lust zu haben, ihn abermals zu verbessern, sah aber glücklicherweise davon ab und nannte ihm die Namen aller derer, welche mit ihm gekommen waren. Da gab es ein freudiges Hallo, als die Männer, welche so viel voneinander gehört hatten, sich nun persönlich kennen lernten, besonders als Sam, Dick und Will erfuhren, daß sie mit Old Shatterhand und Winnetou zusammentreffen würden. Da gab es zu erzählen und tausend Fragen zu beantworten. Aber zunächst war es notwendig, das Lager zu errichten und für die Tiere zu sorgen; alles andre mußte aufgeschoben werden.

Als man damit beschäftigt war, sah der Oelprinz eine Weile zu. Er hatte versprechen müssen, sich der Auswandererkarawane zu bemächtigen und sie seinem Bruder und dessen Begleiter nachzubringen; darum nahm er einen Augenblick wahr, an welchem sich Sam Hawkens abgesondert von den andern befand, grüßte ihn höflich und sagte:

»Ich habe gehört, Sir, daß Ihr Sam Hawkens, der berühmte Westmann seid. Hat man Euch vielleicht meinen Namen genannt?«

»Nein,« antwortete der Kleine, auch in höflichem Tone. Der Oelprinz war ein Stiefbruder Buttlers und diesem in Beziehung auf seine Gesichtszüge gar nicht ähnlich. Darum konnte Sam nicht ahnen, daß er einen so nahen Verwandten des Räubers vor sich hatte.

»Ich heiße Grinley; man nennt mich in dieser Gegend den Oelprinzen, weil ich eine Stelle weiß, an welcher eine außerordentlich ergiebige Oelquelle zu Tage tritt.«

»Eine Oelquelle?« fragte Sam sofort interessiert. »Dann seid Ihr sehr glücklich gewesen und könnt ein steinreicher Mann werden. Wollt Ihr die Ausbeutung der Quelle in die eigene Hand nehmen?«

»Nein; dazu bin ich zu arm.«

»Also verkaufen?«

»Ja.«

»Habt Ihr schon einen Käufer?«

»Ich habe einen gefunden. Er sitzt drin im Hofe, Mr. Rollins, ein Bankier aus Brownsville in Arkansas.«

»So laßt Euch nicht über die Ohren barbieren, und verlangt so viel wie möglich! Ihr wollt mit ihm nach der Quelle reiten?«

»Ja.«

»Ist es weit von hier?«

»Nicht sehr.«

»Well, der Ort ist natürlich Euer Geheimnis, und ich will Euch nicht nach demselben fragen. Aber Ihr habt mich angeredet, und ich schließe daraus, daß Ihr irgend einen Grund habt, Euch mir zu nähern?«

»Das ist richtig, Sir. Man sagte vorhin, daß Ihr nach dem Colorado wollt?«

»Allerdings.«

»Meine Petroleumquelle liegt am Chellyflusse und ich habe von hier aus also die Richtung, welche auch Ihr reitet.«

»Freilich wohl; aber warum sagt Ihr das grad mir?«

»Weil ich Euch bitten wollte, mir zu erlauben, mich Euch anzuschließen.«

»Mit Eurem Bankier?«

»Ja, und mit dem Buchhalter desselben, welcher bei ihm ist.«

Sam betrachtete den Oelprinzen vom Kopfe bis zu den Füßen herab und antwortete dann:

»Hm, man kann hier in der Wahl seiner Begleiter nicht vorsichtig genug sein, wie Ihr wohl wissen werdet.«

»Ich weiß das gar wohl; aber sagt mir doch, Sir, ob ich wie ein Mensch aussehe, dem man kein Vertrauen schenken darf?«

»Das will ich nicht behaupten. Aber warum wollt Ihr mit uns reiten? Einen Fundort von Petroleum hält man doch geheim, und darum ist es auffällig, daß Ihr Euch uns anschließen wollt, wenn ich mich nicht irre.«

»Was das betrifft, so bin ich überzeugt, daß ein Sam Hawkens mich nicht betrügen wird.«

»Well; damit habt Ihr den Nagel auf den Kopf getroffen. Durch mich und meine Kameraden werdet Ihr sicher keinen einzigen Tropfen Oel verlieren.«

»Ich habe noch einen andern Grund, sogar zwei. Die Roten sind unruhig geworden, und da fühle ich mich bei Euch sichrer, als wenn ich mit meinen beiden unerfahrenen Leuten allein reiten müßte. Das werdet Ihr wohl begreifen?«

»Sehr gut.«

»Und sodann hat Mr. Frank mich in große Verlegenheit gebracht. Wir haben ihm aufrichtig mitgeteilt, was wir droben am Chelly wollen, und er hat mir diese Offenheit damit vergolten, daß er den Bankier mißtrauisch gemacht hat. Er glaubt nicht, daß am Chelly Petroleum zu finden ist.«

»Hm, das kann ich ihm nicht verdenken. Ich muß Euch sagen, Sir, daß ich auch nicht daran glaube.«

»Das sagt Ihr im Ernste?«

»Im vollen Ernste.«

»So haltet auch Ihr mich für einen Schwindler?«

»Nein.«

»O doch. Es ist Ja gar nicht anders möglich, wenn Ihr nicht an meine Behauptung glaubt.«

»Ich denke, daß Ihr getäuscht worden seid.«

»Es hat mich niemand täuschen können, denn ich selbst bin es gewesen, der das Placer entdeckt hat.«

»Kein andrer war dabei?«

»Keinen«

»So habt Ihr sehr einfach Euch selbst getäuscht und irgend eine Flüssigkeit für Petroleum gehalten.«

»Das ist Ja gar nicht möglich, Sir. Welche Flüssigkeit könnte das sein?«

»Weiß es auch nicht; aber ich möchte darauf schwören, daß es da oben am Chelly kein Petroleum gibt.«

»Kennt Ihr die Gegend?«

»Ja; ich bin einmal dort gewesen.«

»Längere Zeit?«

»Nein, sondern nur einige Tage; aber das ist gar nicht nötig; man braucht nicht dort gewesen zu sein, um zu wissen, daß kein Erdöl dort vorhanden ist; die Gegend stimmt nicht dazu. Ja, wenn Ihr sagtet, Gold und Silber oder irgend ein andres Metall dort entdeckt zu haben, das wollte ich wohl glauben, Petroleum aber nie!«

»Aber ich habe es doch probieren lassen!«

»So! Und wie ist das Gutachten ausgefallen?«

»Zu meiner vollsten Zufriedenheit.«

»Das kann ich nicht begreifen. Dann ist ein Wunder geschehen, und ich gestehe Euch, daß es mich verlangt, dieses sonderbare Petroleum zu sehen.«

»Das könnt Ihr, Sir. Wenn Ihr uns die Erlaubnis gebt, uns Euch anzuschließen, werdet Ihr es zu sehen bekommen.«

»Ihr würdet mich zu dem Placer führen?«

»Ja.«

»Well; das ist mir wirklich hoch interessant. Also Mr. Frank hat auch nicht an das Oel geglaubt und Mr. Droll wohl auch nicht?«

»Beide nicht.«

»Und Ihr ärgert Euch natürlich darüber?«

»Darüber eigentlich nicht, sondern vielmehr darüber, daß sie den Bankier mißtrauisch gemacht haben. Sie konnten meinetwegen zehnmal oder hundertmal zweifeln; aber ihm ihren Unglauben aufzureden, das hätten sie nicht thun sollen. Sie konnten mir dadurch leicht das Geschäft, welches ich vorhabe zu Schanden machen.«

»Ist dieser Mr. Rollins denn wirklich zweifelhaft geworden?«

»Ja. Und eben auch aus diesem Grunde habe ich Euch gebeten, mich mitzunehmen. Sie wissen sich dann unter Eurem Schutze und werden nicht länger denken, daß ich irgend etwas gegen sie unternehmen will. Wollt Ihr mir den Gefallen thun, Sir?«

»Gern, möchte aber vorher meine Gefährten darum fragen.«

»Ist das nötig, Sir? Sehe ich so wenig Vertrauen erweckend aus, daß Ihr, der Ihr der Anführer zu sein scheint, Euch erst die Genehmigung andrer holen müßt?«

»So schlimm ist es nicht. Wenn Ihr nichts dagegen habt, daß ich aufrichtig gegen Euch bin, will ich Euch ehrlich sagen, daß ich Euch nicht für einen Schwindler, aber auch nicht für das Gegenteil halte; ich halte Euch für einen Menschen, den man erst kennen lernen und prüfen muß, um ihn richtig beurteilen zu können. Darum wollte ich mich erst bei Dick Stone und Will Parker erkundigen.«

»Alle Teufel, Sir! Diese Eure Aufrichtigkeit ist nicht etwa ein Kompliment gegen mich!«

»Aber sie ist doch besser, als wenn ich Euch in das Gesicht freundlich, hinterrücks aber mit Mißtrauen behandelte. Und damit Ihr seht, daß es nicht gar so schlimm gemeint ist, will ich meine Gefährten nicht erst fragen, ob sie Euch mitnehmen wollen, sondern Euch meine Zustimmung gleich jetzt erteilen.«

»Den Bankier und seinen Buchhalter eingeschlossen?«

»Versteht sich doch ganz von selbst, Sir.«

»Wann reitet Ihr von hier fort?«

»Morgen früh, wenn ich mich nicht irre. Wann wolltet denn Ihr weiter?«

»Heute schon; aber ich werde Mr. Rollins und Mr. Baumgarten zu bestimmen suchen, bis morgen zu warten.«

»Thut das, Sir; denn unsre Tiere sind ermüdet und die Frauen und Kinder ebenso, weil diese des Reitens nicht gewohnt sind. Ich will hoffen, daß ich es nicht zu bereuen haben werde, Euch meine Zustimmung gegeben zu haben.«

»Keine Sorge, Sir! Ich bin ein ehrlicher Kerl und glaube dies auch dadurch bewiesen zu haben, daß ich trotz der Gefahr, die ich dabei laufen könnte, bereit bin, Euch das Placer zu zeigen. Ein andrer würde das wohl schwerlich thun.«

»Ja; ich wenigstens würde mich sehr hüten, mein Geheimnis außer dem Käufer noch andern Leuten zu verraten. Also wir sind einig, Sir; morgen früh wird aufgebrochen.«

Er wendete sich von ihm ab. Der Oelprinz wendete sich nach dem Hofe, indem er einen Fluch ausstieß und dann zornig vor sich hinmurmelte:

»Damned fellow! Das sollst du mir büßen! Mir so etwas in das Gesicht zu sagen! Ich muß erst beobachtet und geprüft werden, ehe man mich für einen ehrlichen Menschen halten kann! Der Blitz soll dir dafür in die Glieder fahren! Jetzt freut es mich, daß mein Bruder diese Halunken haben will. Hatte erst wenig Lust, mich mit ihnen abzugeben; nach dieser Beleidigung aber wird es mir eine Wonne sein, sie ihm zuzuführen. Ja, sie sollen Petroleum zu sehen bekommen, und zwar was für welches!«

Die Pferde, Maultiere und Maulesel waren jetzt entsattelt und weideten im frischen Grase oder thaten sich im Wasser des Flusses gütlich. Mit Hilfe von Stangen, welche Forner herlieh, und Decken wurden Zelte improvisiert, da so viele Personen nicht im Innern des

Rancho Platz finden konnten; die Zelte wurden im Hofe errichtet. Dann entwickelten die Frauen eine sehr rege Thätigkeit, welche bald zur Folge hatte, daß der Hof vom Dufte gebratenen Fleisches und neu gebackener Maisfladen erfüllt war. Zu dem Schmause, weicher nun begann, wurden der Hobble-Frank und auch die Tante Droll eingeladen. Die andern mochten für sich selber sorgen.

Frank lachte still in sich hinein, als er bemerkte, wie besorgt Frau Rosalie Ebersbach, geborene Morgenstern und verwitwete Leiermüller für ihn war. Sie legte ihm die besten Bissen vor; er mußte fast mehr essen, als er vermochte, und als er schließlich nicht mehr konnte und sehr energisch dankte, weil sie ihm noch einen dampfenden Maiskuchen aufzwingen wollte, bat sie ihn:

 

»Nehmen Sie doch nur dieses noch, Herr Hobble-Frank! Ich gebe es Ihnen ungeheuer gern. Verschtehen Se mich?«

»O ja,« lachte er. »Ich habe ja schon vorhin gesehen, daß Sie mir gern ‘was geben. Beinahe hätte ich sogar Ohrfeigen bekommen.«

»Weil ich nich wußte, wer Sie eegentlich sind. Wenn ich Sie für den berühmten Hobble-Frank gehalten hätte, wäre das Mißverschtändnis gar nich vorgefallen.«

»Aber eenem andern gegenüber wären Sie demnach grob gewesen?«

»Verschteht sich ganz von selbst. So een Betragen is eene Beleidigung, und beleidigen lasse ich mich eenmal nich, denn ich bin nich nur eene gebildete, sondern ooch eene tapfere Frau und weeß genau, wie man sich zu verhalten hat, wenn man als Dame nich mit der erforderlichen Weechherzigkeet behandelt wird.«

»Aber ich wiederhole Ihnen, daß von eener Unzartheet oder gar Beleidigung gar keene Rede war. Ich wollte Ihnen eene ritterliche Offmerksamkeet erweisen, weil Ihr Maulesel schtörrisch war. Mir haben Sie fälschlicherweise die Vorwürfe gemacht, während der Esel es gewesen is, der sich nich als Gentleman gegen Sie betragen hat.«

»Was brauchten Sie ihn aber anzugreifen? Sie hatten doch nich die allerkleenste Ursache dazu. Ich wäre schon alleene mit ihm fertig geworden. Ich verschtehe es schon mit Eseln umzugehen, von welcher Sorte sie nur immer sein mögen. Sie werden mich schon noch kennen lernen. Wenn Sie ‘mal eene recht resolute Person brauchen, so wenden Se sich nur an mich. Ich fürchte mich vor keenem Esel und vor keenem Maultiere, vor keenem roten Indianer und ooch vor keenem weißen Bleichgesichte. Der Herr Kantor emeritus hat uns so viel Liebes und Schönes von Ihnen erzählt, daß ich Sie lieb gewonnen habe und bereit bin, Ihnen in aller Not und Gefahr hilfreich beizuschpringen. Sie können sich droff verlassen: ich gehe für Sie durchs Feuer, wenn es sein muß. Da, nehmen Sie noch dieses Schtückchen Rindfleesch; es is das beste, was ich noch für Sie habe.«

»Danke, danke!« wehrte er ihr ab. »Ich kann nich mehr, wirklich nich mehr. Ich bin geschtoppt voll und könnte mir, wenn ich noch mehr äße, leicht eene gefährliche Indigestikulation zuziehen.«

»Indigestion, wollen Sie wohl sagen, Herr Frank,« fiel der Kantor ihm in die Rede. Da aber fuhr ihn der Kleine zornig an:

»Schweigen Sie, Sie konfuser Emeritechnikus! Was verschtehen denn Sie von griechischen und arabischen Wörterbüchern! Sie können zwar Orgel schpielen und vielleicht ooch Opern komprimieren, im übrigen müssen Sie ganz schtille sein, zumal eenem Prairiejäger und Gelehrten gegenüber, wie ich eener bin. Wenn ich mich mit Ihnen in gelehrten Schtreit einlassen wollte, würden Sie doch allemal kleene zugeben müssen!«

»Das möchte ich denn doch bezweifeln,« wendete der Kantor ein.

»Wie? Was? Das wollen Sie nich zugeben? Soll ich’s Ihnen beweisen? Soll ich Ihnen zeigen, was für eene schprächliche Null Sie gegen mich sind, wenn es sich um unsre extrakten Wissenschaften handelt?«

»Exakt muß es heißen, Herr Frank!«

Da fuhr der Kleine ihn noch zorniger als vorher an:

»Was? Schon wieder wollen Sie mich verbessern? Was meenen Sie denn eegentlich mit Ihrem exakt, he?«

»Unter exakten Wissenschaften versteht man bekanntlich diejenigen Wissenschaften, welche auf sichern, feststehenden Kenntnissen beruhen.«

»Ach so! Und damit wollen Sie mich Schlagen, mich, den berühmten Hobble-Frank? Wissen Sie, was das zu bedeuten hat? Besitzen Sie eene Ahnung davon? Es soll Ihnen gleich een Licht offgehen! Was verschtehen Sie denn nu zweetens unter dem Worte, dessen ich mich höchst zutreffender Weise bedient habe; ich meene nämlich das Wort extrakt?«

»Den Auszug aus irgend etwas, zum Beispiele aus Schriften, aus Kräutern und so weiter.«

»Schön, sehr schön, mein lieber Herr Kantor emeritus! Sie geben aber doch wohl zu, daß der Extrakt stets das Beste enthält? Lindenblütenextrakt zum Beispiel enthält die ganzen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, welche in der Lindenblüte geschteckt haben. Nich?«

»Ja, wenn ich mich auch vielleicht etwas anders ausgedrückt hätte.«

»O bitte, drücken Sie sich immer ergebenst aus, wohin es Ihnen beliebt, ich bin Ihnen nich im geringsten hinderlich. Die Hauptsache is, daß Sie mir zugeschtimmt haben. Extrakt is der Inbegriff aller Geister, die sich herausziehen lassen. Wenn ich nun von extrakten Wissenschaften schpreche, so meene ich natürlich, daß die Geister aller Wissenschaften in mir vereenigt sind. Das muß jedes Kind einsehen, Ihnen aber scheint diese Schprache viel zu hoch zu sein. Es ist wirklich nich zu begreifen, wie es menschenmöglich sein kann, daß Sie sich vorhin über meine Indigestikulation offgehalten haben!«

»Weil es Indigestion heißen muß.«

»So, so! Was soll denn dieses schöne, liebliche Wort bedeuten?«

»Unverdaulichkeit. Indigestibel bedeutet unverdaulich oder unverdaubar.«

»Das gloobe ich Ihnen sofort und von ganzem Herzen, denn Sie selber sind im höchsten Grade indigestibel;

wenigstens ich kann Sie ganz unmöglich verdauen. Was haben Sie nun aber gegen das Wort, welches ich gebraucht habe, nämlich Indigestikulation?«

»Daß es kein richtiges Wort, sondern der reine Unsinn ist.«

»Ach so, hm, hm! Und was heeßt denn wohl Gestikulation?«

»Die Gebärdensprache, die Sprache durch Bewegung der Hand oder andrer Körperteile.«

»Schön, sehr schön! Jetzt habe ich Sie, wohin ich Sie haben wollte. Jetzt sind Sie gefangen wie Kleopatra von Karl Martell in der Schlacht an der Beresina! Also Gestikulation is Gebärden- oder Bewegungsschprache, und indi bedeutet innerlich, sich off den Magen beziehend, denn Sie haben selber gesagt, daß indigestibel unverdaulich heißt. Also wenn ich mich des sehr geistreichen Ausdruckes Indigestikulation bediene, so habe ich zu viel gegessen und will durch die Blume andeuten, daß mein Magen sich in schtürmische Windungen versetzt, um mich durch diese Gebärden- und Bewegungsschprache daroff offmerksam zu machen, daß ich Messer, Gabel und Löffel nun in die Serviette wickeln und beiseite legen soll. Sie aber scheinen für solche zarten Andeutungen Ihres Magens keen Verschtändnis zu besitzen, sonst hätten Sie meine Indigestikulation nich angezweifelt. Is Ihnen vielleicht die Fabel von dem Frosche und dem Ochsen bekannt?«

»Ja.«

»Nu, wie war die denn?«

»Der Frosch sah einen Ochsen, wollte sich so groß machen, wie dieser war, blies sich auf und – zerplatzte dabei.«

»Und die Lehre, welche man aus dieser Fabel zu ziehen hat?«

»Der Kleine soll sich nicht groß dünken, sonst kommt er in Schaden.«

»Schön, sehr schön! Ausgezeichnet sogar!« stimmte Frank begeistert bei. »Nehmen Sie sich diese Lehre zu Herzen, Herr Kantor emeriticus!«

»Warum, wenn ich Sie darum fragen darf?«

»Weil diese Fabel außerordentlich gut off uns paßt, nämlich off Sie und mich.«

»Wieso?«

Das schlaue Lächeln, mit welchem der Kantor dieses Fragewort aussprach, ließ erraten, daß er beabsichtigte, den Hobble-Frank in seine eigene Falle zu locken. Auch die andern blickten mit großer Spannung zu dem erregten Kleinen herüber; sie waren neugierig, ob er wirklich in die Grube fallen würde, in welche der Kantor stürzen sollte. Frank war zu begeistert, dies zu bemerken; er antwortete auf das »Wieso?« des Emeritus, ohne sich zu überlegen, was er sagte:

»Weil Sie geistig unbedeutend sind, während ich eene Größe bin. Wenn Sie sich mit mir vergleichen wollen, so müssen Sie unbedingt zerplatzen, denn Sie sind in Bezug off Kenntnisse, Fertigkeeten und Wissenschaften der kleene Frosch, während ich in allen diesen Dingen der große Och – – —«

Frank hielt mitten im Worte inne; sein Gesicht wurde länger; er erkannte plötzlich, an welcher Leimrute er im Begriff stand, kleben zu bleiben.

»… der große Ochse bin, « ergänzte der Kantor den unterbrochenen Satz. »Ja, ja, da haben Sie Recht. Ihr Beispiel ist nicht ganz unzutreffend gewählt, besonders rücksichtlich des einen Bildes, welches Sie auf sich beziehen.«

Es brach natürlich ein allgemeines Gelächter aus, welches gar nicht enden wollte. Frank schrie zornig dazwischen hinein, was aber nur zur Folge hatte, daß das Lachen immer stärker wurde und immer wieder von neuem ausbrach. Da sprang er, im höchsten Grade ergrimmt, auf und brüllte, was er nur brüllen konnte:

»Haltet die Mäuler, ihr Schreihälse, ihr! Wenn ihr nich off der Schtelle schtille seid, reite ich fort und lasse euch hier sitzen!«

Aber man beachtete diese Drohung nicht; das Gelächter schwoll im Gegenteile von neuem an und selbst sein Freund und Vetter Droll lachte, daß er sich den Bauch mit beiden Händen halten mußte. Dies brachte den Hobble vollends außer sich, er schüttelte die geballten Fäuste wütend gegen die Lachenden und rief mit vor Zorn fast überschnappender Stimme:

»Nu gut! Ihr wollt nich hören, da sollt ihr fühlen! Ich schüttle den Schtaub von meinen Schtiefeln wie Johann Huß off seinem Scheiderhaufen in Magenta und gehe meine Wege. Düh l’ah wollüh, Anton! Ich wasche meine Hände in kindlicher Unschuld und lasse die Seefe bei euch zurück. Adieu, off Reservoir in eener bessern Welt, wo’s keene dummen Menschen gibt, die über meine reformatorische Geistesgröße lachen!«

Er rannte davon, während das Gelächter nun wahrhaft homerisch hinter ihm erscholl. Sein Pferd graste draußen im Freien; er lief hinaus.

Ein einziger nur war es, der nicht mit in das Lachen eingestimmt hatte, nämlich Schi-So, der Häuptlingssohn. Der angeborene Indianerernst ließ ihn zurückhaltend sein. Er verstand ja auch deutsch und hatte gar wohl gehört, in welch drolliger Weise Frank in sein eigenes Netz gelaufen war; er fühlte sich auch belustigt, doch fand seine Heiterkeit ihren Ausdruck nur in einem Lächeln, welches um seine Lippen spielte. Er erhob sich nach kurzer Zeit von seinem Platze und ging nach dem Thore, um sich nach dem zornigen Kleinen umzusehen. Bereits nach wenigen Augenblicken kehrte er zurück und meldete.

»Er macht wirklich Ernst, denn er sattelt draußen sein Pferd. Soll ich ihn bitten zurückzukommen?«

»Nee,« antwortete Droll in seiner Altenburger Mundart. »Er will uns nur in Verlegenheet bringe. Ich kenne meine Pappenheimer; dem fällt es epper gar nich ein, fortzureite und mich hier sitze zu lasse.«

Dennoch kehrte Schi-So an das Thor zurück. Kaum war er dort angekommen, so ließ er einen Pfiff hören und rief, als sie nach ihm hinblickten, ihnen zu:

»Er steigt auf; es scheint ihm Ernst zu sein.«

Nun rannten alle hin. Da kamen sie gerade recht, zu sehen, daß der ergrimmte Hobble wirklich im Sattel saß und, sein Pferd nach dem Flusse lenkend, fortritt. Droll rief ihm nach.

»Frank, Vetter, wo willste hin? Es war ja gar nich so gemeent!«

Der Hobble drehte sein Pferd herum und antwortete:

»Meents wie ihr wollt; der Prairiejäger und Privatgelehrte Heliogabalus Morpheus Edeward Franke läßt sich nich auslachen.«

»Mer habe ja nich über dich, sondern über den Kantor gelacht,« log Droll.

»Das machste mir nich weiß. Ihr habt über den Ochsen gelacht, den ich gar nich ‘mal vollschtändig ausgeschprochen habe; er kam nur halb heraus; die hintere Hälfte is mir im Munde schtecken geblieben. Is das etwa lächerlich?«

»Lächerlich nich, aber höchst gefährlich, eenen halben Ochsen im Maule zu habe; das macht dir wahrhaftig keener von uns nach. Unsre Achtung schteigt; also komm nur wieder her, altes Haus!«

»Fällt mir nich im Troome ein, besonders da du sogar jetzt wieder über den Ochsen lachst. O, Vetter Droll, was muß ich alles von dir erleben und erleiden. Das hätte ich nich gedacht! Aber Schtrafe muß sein. Ich bin Achilles mit der Ferse und werde es mit euch grad so machen, wie er es mit den Russen gemacht hat.«

»Achilles? Der is mir unbekannt und seine Ferse ooch.«

»Pfui Schande, so was nich zu wissen! Und dennoch lachste über mich? Achilles war der größte Held der Schpartaner und zog mit den Russen gegen die Türken aus. Bei der Belagerung von Dünkirchen beleidigte ihn Gortschakoff durch grad so een höllisches Hohngelächter, wie heut das eurige war; da setzte er sich off seinen Rappen und jagte wütend und mit verhängtem Zügel zum Burgthore hinaus. Seit dieser Zeit is er verschwunden, schpurlos verschwunden, und keen Mensch hat ihn jemals wiedergesehn. Zum Andenken aber hat man ihm eenen astronomischen Fixstern an den Himmel gesetzt, mit seinem schpartanischen Namen darüber. Wenn du off die Himmelskarte guckst, kannste ihn am südlichen Firmamente im Bilde des grauen Bären sehen, zu dem ooch der Mond gehört. So wie dieser große Held wird jetzt ooch der Hobble-Frank verschwinden.«

 

»Unsinn! Komm nur her, und sei nich albern!«

»Albern? Dieses Wort schtößt dem Faß vollends den Boden’naus! Der Hobble-Frank und albern! Hat man jemals so was nur gehört! Nee, ich verschwinde ganz so, wie Achilles unsichtbar geworden is, und lasse mich durch nischt zur Rückkehr mehr bewegen, ooch nich dadurch, daß ihr mir eenen Schtern ‘noff an den Himmel setzt. Lebt also wohl, Gentlemen! Habe die Ehre! Mein Kompliment!«

Er wendete wieder um, gab seinem Pferde die Sporen, jagte nach dem Flusse und ritt in denselben hinein.

»Frank, Frank, kehr um, kehr doch um!« schrie Droll ihm lachend nach. »Du kannst doch deine Tante nich verlasse!«

Der Hobble drehte diesmal nur den Kopf herum und rief zurück:

»Wir sind von heute an geschiedene Leute; da beißt keene Maus keenen Faden nich! Ich drehe mich kontinatürlich weiter, wie sich die Erde um die Sonne dreht. Ich bin für euch een abgeschiedener, toter Mann. Quietist in patrem – Friede eurer Asche!«

Der neue Achilles ritt weiter, über das Flüßchen hinüber und dann in den weiten Camp hinein.

»Das thut mir außerordentlich leid,« gestand der besorgte Kantor. »Er ist etwas streitfertig, besonders in Beziehung auf die Wissenschaft, aber sonst ein seelensguter Mann. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut, ihn zu treffen, und nun haben wir ihn eingebüßt!«

»Für höchstens eenige Schtunden nur,« antwortete Droll.

»Meinen Sie wirklich?«

»Ja; ich kenne ihn. Wenn man ihm nich recht gibt, so schmollt er gern, wird aber gleich wieder gut.«

»Aber heut scheint es anders zu sein!«

»Nee. So wild wie heut is er freilich noch nie gewese; zum Fortreite is es noch niemals gekomme; aber ich weeß, daß er ohne mich nich lebe kann, und selbst

wenn er das könnte, verlasse thut er mich doch sicher nich. Er wird seinen Zorn hinaus in den Camp reite, ihn dort liege lasse und nachher zu uns zurückkomme; darauf könne Sie sich verlasse. Dann dürfe Sie freilich nich off ihn rede; Sie müsse so thun, als ob gar nischt geschehe wäre und als ob Sie ihn gar nich sehe thäte. Ueberhaupt dürfe Sie ihn, wenn er ‘mal zu schtreite beginnt, nich durch Widerschpruch zornig mache. Er bildet sich nu eemal ein, alle mögliche Gelehrsamkeet zu besitze; das macht keenem eenen Schaden; darum lasse Sie ihn off seinem Schteckenpferd sitze, wenn er es partuh reite will!«

Natürlich waren alle Anwesenden Zeugen der Entfernung Franks gewesen. Sogar das Gesinde des Ranchero hatte, durch das Gelächter angelockt, das Haus verlassen und war vor das Thor gelaufen. Auch der Bankier hatte mit seinem Buchhalter den Vorgang beobachtet; da er nicht deutsch verstand, mußte der letztere ihm die gefallenen Reden erklären. Er lachte nachträglich auf das herzlichste und war neugierig, ob die Voraussetzung Drolls sich erfüllen und Frank wiederkommen werde. Während diese beiden noch miteinander sprachen, trat Sam Hawkens zu ihnen und fragte:

»Ihr wollt nach dem Chellyflusse, Mr. Rollins? Unser Weg führt uns dort vorüber, und morgen früh reiten wir von hier fort, Euer Oelprinz hat die Absicht, sich uns anzuschließen, und ich bin darauf eingegangen. Wißt Ihr schon davon?«

»Nein; er hat mir noch nichts gesagt. Was denkt Ihr von dem Oelfunde?«

»Daß er sich in der Flüssigkeit geirrt hat, wenn es nicht etwas noch Schlimmeres ist. Ich kann Euch nur zur Vorsicht mahnen.«

»Also genau so, wie Mr. Frank und auch Mr. Droll mir sagten. Diese beiden scheinen auch mit euch zu gehen?«

»Ja. Und später kommt Old Shatterhand mit Winnetou uns nach. Ich denke, daß die Gelegenheit gar nicht trefflicher für Euch passen kann. Ihr werdet mir willkommen sein; macht aber, was Ihr wollt!«

»Well! Ich müßte gar kein Hirn im Kopfe haben, wenn ich nicht auf Euern Vorschlag eingehen wollte. Ihr gewährt mir einen Schutz, den ich vielleicht sehr nötig habe. Es mag also zugesagt sein: ich werde mich Euch anschließen, Sir, und sage Euch für die Erlaubnis einstweilen meinen Dank.«

So war die Sache also zur allseitigen Zufriedenheit abgemacht, und Rollins, Baumgarten und der Oelprinz, welche sich bisher mehr für sich gehalten hatten, schlossen sich den Emigranten und deren Führern an. Man setzte sich zusammen; es wurde viel erzählt, so daß man bald bekannter miteinander wurde. Darüber verging der Nachmittag; der Abend brach herein, und man brannte im Hofe ein Feuer an, um an demselben das Fleisch, welches der Ranchero lieferte, zu braten. Nach dem Essen sollte Kaffee gekocht werden. Die dazu gehörigen Gefäße hatten die Einwanderer mit; man brauchte sie also nicht von Forner zu borgen. Frau Rosalie und eine der andern Frauen nahmen einen Kessel und gingen damit nach dem Flusse, um Wasser zu holen. Nach einigen Minuten kamen sie in großer Aufregung und ohne den Kessel zurück. Ihre Gesichter drückten das größte Entsetzen aus.

»Was ist denn mit Ihnen?« fragte der Kantor. »Wo haben Sie den Kessel? Wie sehen Sie denn aus?«

Die andre Frau konnte vor Schreck nicht reden; Frau Rosalie antwortete, aber unter allen Anzeichen des Schreckes.

»Wie ich aussehe? Wohl schlecht, he?«

»Ganz leichenblaß. Ist Ihnen vielleicht etwas passiert?«

»Passiert? Und ob! Herjesses, was wir gesehen haben!«

»Was denn?«

»Was? Ja, das weeß ich nich, da fragen Sie mich zu viel.«

Da meinte ihr Mann:

»Sei doch nich so dumm! Du mußt doch wissen, waste gesehen hast!«

Da stemmte sie die Fäuste in die Hüften und fuhr ihn zornig an:

»Weeßt du es vielleicht?«

»Ich? Nee,« antwortete er verblüfft.

»Na also! Da schweigste ooch schtille, verschtehste mich! Ich weeß schon, wo ich meine Oogen hab; aber so een grausiges Geschöpf, wie wir gesehen haben, is mir in meinem ganzen Leben noch nich vorgekommen.«

»Es war een Geist, een Flußgeschpenst,« erklärte die andre Frau, indem sie sich schüttelte. Sie hatte die Sprache wieder erlangt.

»Unsinn!« antwortete Frau Rosalie. »Geister gibt es nich, und an Geschpenster gloobe ich erscht recht nich.«

»So war es een Wassernix!«

»Ooch nich. Sei doch nich so abergläubisch! Nixe gibt es nur in den Kindermärchen.«

»Was denkste denn, was es da gewesen sein mag?«

»Ja, da fragste mich zu viel. Een Geist also warsch nich, denn es gibt keenen; een Mensch is es ooch nich gewesen, also warsch een Vieh, aber was für eens!«

Da ergriff der Kantor das Wort wieder:

»Wenn es ein Tier gewesen ist, so werden wir die Gattung, die Art und den Namen bald herausbekommen; ich bin ja Zoologe, nämlich vom Unterrichte in der Schule her. Beantworten Sie mir meine Fragen. War es ein Wirbeltier?«

»Von eenem Wirbel hab’ich nischt bemerkt. Dazu ist es zu dunkel gewesen.«

»Welche Größe hatte es denn?«

»Als es im Wasser saß, konnte ich das nich gut sehen; aber als es offschprang, war es meiner Seele so groß wie een Mensch.«

»Also war es unbedingt ein Wirbeltier, wahrscheinlich ein Säugetier?«

»Das kann ich nich sagen.«

»Gehen wir die einzelnen Klassen durch. Ist es ein Affe gewesen?«

»Nee, denn es hatte keenen Schwanz.«

»Es gibt auch ungeschwänzte Affen. Vielleicht ein Raubtier?«

»Ooch nich, obgleich es gefährlich genug ausgesehen hat.«

»Woher wissen Sie denn, daß es kein Raubtier gewesen ist?«

»Weil es keene Haare hatte.«

»So so, hm, hm! Vielleicht ein Fisch?«

»Nee, gar nich, denn een Fisch hat doch keene Arme und Beene.«

»Die hatte es aber?«

»Ja,«

»Sonderbar, höchst sonderbar! Arme und Beine haben nur die Menschen und die Affen; ein Affe aber war es nicht, wie Sie behaupten; also scheint anzunehmen zu sein, daß es ein Mensch gewesen ist, zumal er keine Haare, also kein Fell gehabt hat.«

»Gott bewahre, een Mensch war es nich; een Mensch hat eene ganz andre Schtimme,«

»Hatte er denn eine?«

»Na, und was für eene.«

»Können Sie es mir nicht einmal vormachen?«

»Ich will’s versuchen,« meinte sie, setzte sich in Positur, holte tief Atem und brüllte dann. »Uhuahuahuahuaauauauahhh!«

Bei diesem entsetzlichen Gebrüll sprangen alle Anwesende auf.

»Herrgott, was muß das für eine Bestie gewesen sein – ein Löwe – Tiger – – Panther!« so rief es durcheinander.