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Der Oelprinz

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»All devils! Dann hätten wir nichts zu hoffen, denn dann wären wir, sozusagen, Kriegsgefangene, und es wird uns wohl an den Kragen gehen!«

»Wenigstens wird das die Absicht der Roten sein.«

»Schöne Aussicht! Am Marterpfahle braten und skalpiert zu werden!«

»So weit sind wir noch nicht! Ich hoffe, wie gesagt, bis zum letzten Augenblicke. Wollen zunächst einmal versuchen, ob wir aus den Fesseln kommen können.«

Sie gaben sich alle Mühe; sie strengten ihre Kräfte bis auf das Aeußerste an, doch ohne jeden Erfolg; die Riemen waren zu fest. Freilich, wenn Old Shatterhand und Winnetou sich an ihrer Stelle befunden hätten, die wären wohl schon nach einigen Minuten ihrer Banden ledig geworden; aber diese beiden hier waren unerfahren, und es fehlte ihnen derjenige Scharfsinn, welcher selbst aus der übelsten Lage noch einen Ausgang findet. Sie gaben ihre Bemühungen, die Riemen zu zersprengen, auf; sie einander aufzuknoten, daran dachten sie nicht, und doch hätten sie, selbst mit gefesselten Händen, wenigstens einen Versuch dazu machen können.

Sie lagen nun still neben einander und warteten – – eine lange, lange Zeit, wie ihnen dünkte. Da hörten sie über sich ein Geräusch. Der Deckel wurde entfernt. Sie erblickten den blauen Sternenhimmel. Das Unwetter hatte sich also verzogen’ und es war Abend geworden. Sie sahen, daß die Leiter herabgelassen wurde und der Häuptling an derselben herniederstieg. Er bückte sich nach ihnen und betastete sie mit seinen Händen. Als er sich überzeugt hatte, daß sie noch gefesselt waren und still gelegen hatten, sagte er:

»Die weißen Hunde sind dümmer wie die heulenden Koyoten. Sie kommen in die Wohnung der roten Krieger, ohne zu bedenken, daß jetzt das Messer zwischen uns und ihnen ausgegraben ist. Sie haben uns unser Land, unsre heiligen Orte genommen und uns vertrieben; sie verfolgen und betrügen uns fort und fort. Sie kamen zu Wenigen und schwellen zu Millionen an; wir aber waren Millionen und müssen verschwinden wie die Mustangs und Bisons auf der Savanne. Aber wir sterben nicht, ohne uns zu rächen. Das Kriegsbeil ist ausgegraben, und alle Bleichgesichter, welche in unsre Hände fallen, sind verloren. So auch ihr. Morgen früh, sobald der Tag graut, werden die Marterpfähle errichtet werden, und euer Schmerzgeheul wird so laut in die Lüfte schallen, daß die Geier in Scharen kommen werden, um euch das blutige, vor Schmerz dampfende Fleisch vom lebendigen Leibe zu reißen. So wird es geschehen, denn Ka Maku, der Häuptling, hat es gesagt!«

Nach diesen Worten stieg er wieder empor, zog die Leiter nach sich und legte den Deckel auf die Oeffnung.

Seine Drohung war den beiden durch Mark und Bein gegangen; sie nahmen dieselbe ernst, denn sie wußten nicht, daß er im Auftrage handelte und ihnen ihr Schicksal nur deshalb in so düsterer Farbe malte, damit sie ihrem vermeintlichen Retter später um so dankbarer sein möchten.

Dieser Besuch des Häuptlings drückte den Bankier vollständig nieder, und auch Baumgarten war bei weitem nicht mehr so zuversichtlich wie vorher. Schon morgen früh am Marterpfahle! Das war ja entsetzlich schnell und die Zeit viel, viel zu kurz zu einer möglichen Rettung!

Sie teilten sich ihre Befürchtungen mit; sie zermarterten sich das Gehirn, um einen Ausweg zu finden; sie begannen wieder, an ihren Fesseln zu zerren, so daß dieselben ihnen in das Fleisch schnitten, doch ohne den geringsten Erfolg. Da – – es waren wohl einige Stunden vergangen, hörten sie wieder ein Geräusch. Sie blickten nach oben. Der Deckel wurde weggeschoben, und ein Kopf erschien über der Oeffnung.

»Pst, pst, Mr. Rollins, seid Ihr etwa da unten?« hörten sie in unterdrücktem Tone fragen.

»Ja, ja!« antwortete der Genannte, vor Freude laut, weil er Hoffnung schöpfte.

»Leise, leise! Wenn man etwas von uns hört, bin ich verloren. Ist vielleicht Mr. Baumgarten bei Euch?«

»Ja, ich bin auch hier,« antwortete der Deutsche.

»Endlich, endlich finde ich euch! Ich habe euch unter tausend Todesgefahren gesucht, um euch zu retten. Habt ihr euch gewehrt? Seid ihr etwa verwundet?«

Es klang eine fast liebevolle Besorgnis aus diesen Worten.

»Nein, wir sind gesund und unbeschädigt,« antwortete Rollins.

»So wartet eine kleine Weile; ich will sehen, ob es mir gelingt, eine Leiter herbeizuschaffen. Es stehen zwar überall Wächter da oben, aber ich will, um euch zu retten, gern mein Leben wagen.«

Der Kopf verschwand aus der Oeffnung.

»Gott sei Dank! Wir werden entkommen!« seufzte der Bankier, indem er sich durch einen tiefen, tiefen Atemzug erleichterte. »Das war Grinley, unser Oelprinz. Nicht?«

»Ja,« antwortete der Buchhalter. »Zwar konnte ich sein Gesicht nicht sehen, aber ich habe ihn an der Stimme erkannt, obgleich er nur flüstern durfte.«

»Er holt uns heraus; er riskiert sein Leben, um uns zu befreien. Ist das nicht brav, außerordentlich brav von ihm?«

»Sehr!«

»Da sieht man wieder einmal, wie sich Leute, die sonst scharfsinnig sind, in einem Menschen irren können! Man wollte ihn zum Betrüger stempeln. Jetzt können wir die feste Ueberzeugung haben, daß er unser vollstes Vertrauen verdient, Ihr seht, wie ehrlich und treu er ist. ich werde gewiß nicht wieder an ihm zweifeln.«

Jetzt erschien der Oelprinz wieder an der Oeffnung. Er ließ eine Leiter herab und forderte die beiden mit leiser Stimme auf:

»Es ist mir gelungen. Da habt ihr die Leiter. Kommt herauf!«

»Wir können nicht, denn wir sind gefesselt,« antwortete Rollins.

»Das ist schlimm, sehr schlimm, denn da vergeht eine kostbare Zeit, weil ich zu euch hinunter muß.«

Er kam zu ihnen hernieder, betastete ihre Fesseln und schnitt dieselben durch. Sie standen auf und dehnten ihre Glieder, um das stockende Blut wieder in Umlauf zu bringen. Dabei erkundigte sich Rollins:

»Das werde ich Euch nie vergessen, Sir! Aber sagt mir doch einmal wie es Euch gelungen ist, hier – – —«

»Pst, still!« fiel ihm der Oelprinz in die Rede. »Davon später. Jetzt haben wir keine Zeit. Es gilt, schnell fortzukommen, da jeden Augenblick jemand nach euch sehen kann; dann wären wir verloren. Kommt also schnell herauf! Aber richtet euch nicht etwa in die Höhe, denn da würdet ihr sofort gesehen. Wir müssen uns kriechend entfernen.«

Er stieg empor, und sie folgten ihm. Oben legten sie sich glatt auf das Dach nieder.

»Schaut hinauf!« flüsterte er ihnen zu. »Seht ihr die Wächter?«

Sie sahen im hellen Sternenscheine Indianer auf den oberen Terrassen stehen. In ihrer Unerfahrenheit fiel es ihnen gar nicht auf, daß grad hier unten bei ihnen, wo ein Posten doch am notwendigsten gewesen wäre, keiner stand. Und noch viel weniger kamen sie auf den Gedanken, daß sie von den Wächtern da oben recht gut gesehen wurden und das Gebaren des Oelprinzen nichts war als die reine Spiegelfechterei. Er ließ das Loch offen und die Leiter in demselben stecken und raunte ihnen zu:

»Folgt mir ganz leise bis hin zum Rande, wo ich eine Leiter angelegt habe. Wenn wir nicht gesehen werden und erst unten sind, dann haben wir nichts mehr zu fürchten.«

Sie krochen nach der Kante der ersten Terrasse und sahen dort die Leiter lehnen. Auch das fiel ihnen nicht auf. Sie stiegen einer nach dem andern hinunter und befanden sich nun außerhalb des Pueblo.

»Endlich, endlich!« sagte da der Oelprinz. »Es ist gelungen. Nun schnell fort von hier!«

»Noch nicht, Mr. Grinley,« sagte der gewissenhafte Buchhalter. »Unsre Gefährten sind doch jedenfalls auch gefangen?«

»Allerdings.«

»Wollen wir sie stecken lassen? Wir haben wohl die Pflicht, ihnen–«

»Unsinn!« fiel ihm der andre in die Rede. »Was fällt Euch ein! Der Häuptling hat gelogen. Seine Krieger sind nicht auf der Jagd, sondern hier. Was können wir drei gegen sechzig bis siebzig wohlbewaffnete Indianer thun? Wir würden ins sichere Verderben rennen. Seid froh, daß ich euch herausgeholt habe! Jedes längere Verweilen muß uns Verderben bringen.«

»Das mag richtig sein; aber es thut mir doch leid um die, welche wir nicht retten können.«

»So, die werden schon selbst für sich sorgen. Es sind ja tüchtige Kerls dabei, welche gewiß einen Ausweg finden werden.«

»Das beruhigt mich. Aber wie kommen wir fort? Man wird uns wahrscheinlich verfolgen. Ja, wenn wir unsre Pferde und Waffen hätten! Auch unser Gepäck wird uns fehlen.«

»Es ist alles da; ich habe alles gerettet!«

»Was? Wie? Das ist ja ganz unmöglich!«

»So, ein mutiger Mann macht seinen Freunden zuliebe selbst das Unmögliche möglich. Ich allein freilich hätte es nicht fertig gebracht; ich habe Hilfe und Unterstützung gefunden.«

»Bei wem?«

»Bei zwei wackern Gentlemen, zu denen ich euch führen werde. Kommt also rasch; wir dürfen keinen Augenblick mehr hier verweilen.«

Er führte sie an der Außenmauer des Pueblo hin und dann nach dem Trümmergewirr, in welchem heut die Indianer gesteckt hatten. Dort trafen sie auf Buttler und Poller und fanden bei denselben nicht nur ihre Pferde und Waffen, sondern auch ihr ganzes sonstiges Eigentum. Darüber waren sie denn doch erstaunt; ihre Fragen aber wies der Oelprinz mit den Worten zurück:

»Jetzt müssen wir augenblicklich fort, denn man wird, wie ihr selbst ganz richtig vermutet habt, uns verfolgen, und da ist es notwendig, einen möglichst großen Vorsprung zu erlangen. Unterwegs sollt ihr erfahren, wie sich alles zugetragen hat.«

Er hatte sich eine glaubhafte Erzählung zurechtgelegt und war überzeugt, daß dieselbe die gewünschte Aufnahme finden werde. Sie stiegen auf und jagten im Galopp von dannen. Der Bankier war von Dank gegen seine Retter erfüllt; ihn kümmerten die Zurückgelassenen nicht; Baumgarten aber konnte sich des Gedankens doch nicht erwehren, daß es eigentlich ihre Pflicht gewesen wäre, die Befreiung ihrer Gefährten wenigstens zu versuchen.

Diese letzteren befanden sich in einer Lage, welche zwar jedenfalls ernst war, aber doch auch ihre komische Seite hatte, dieses letztere infolge der Eigentümlichkeiten

 

einiger der beteiligten Personen. Man war zuerst der Ueberzeugung gewesen, daß die Eingangsklappe wieder geöffnet werde, damit der Bankier und sein Buchhalter noch nachkommen könnten. Die feste Behauptung Schi-Sos brachte in diese Ansicht die erste Bresche, und als man dann längere Zeit, ja stundenlang gewartet hatte, ohne daß der Deckel geöffnet wurde, konnte es nicht länger in Abrede gestellt werden, daß die Meinung des Indianerjünglings die richtige war. Da erlitt die bisher ziemlich ruhige Stimmung der Eingesperrten freilich einen gewaltigen Umschlag. Die erfahrenen Westmänner waren allerdings gewohnt, sich zu beherrschen, desto aufgeregter aber zeigten sich die andern, die deutschen Auswanderer, welche vor Sorge außer sich waren; sie dachten natürlich, daß es nicht bloß auf ihr Eigentum, sondern auch auf ihr Leben abgesehen sei. Ein einziger von ihnen bewahrte seine Fassung, nämlich der Kantor, welchem es gar nicht einfiel, zu glauben, daß sein künstlerisches Dichten und Trachten hier einen gewaltthätigen Abschluß finden könne. Wie sich sehr leicht denken läßt, führte Frau Rosalie das erste Wort. Sie schimpfte ganz gewaltig zunächst auf die Indianer und dann aber auch auf Sam Hawkens und seine Gefährten, denen sie die Schuld gab, daß sie in die gegenwärtige Lage gekommen war.

»Wer hätte das diesem alten, roten Indianerbürgermeester angesehen!« zürnte Frau Rosalie. »Der Mann war so freundlich, wie schöne, gelbe Grasbutter; er that so schön und so freundlich, daß ich schon gloobte, er werde mich zu eenem Walzer anggaschieren. Und jetzt schtellt sich’s ‘raus, daß das alles Falschheet, Betrug und Hinterlistigkeet gewesen is. Ohrfeigen sollte man dem Kerl geben, Maulschellen, gehörige, tüchtige Maulschellen, immer eene herüber und die andre hinüber! Was will er denn eegentlich von uns? Off was hat er es denn abgesehen? Off unsre Sachen und off unser Geld? Sagen Sie mir doch das, Herr Hawkens! Reden Sie doch; schprechen Sie doch! Schtehen Sie doch nich da wie een chinesischer Oelgötze, der keen Wort von sich geben kann! Ich will und muß partuh wissen, woran ich bin!«

»Natürlich haben sie es auf unser Eigentum abgesehen,« antwortete Sam.

»Natürlich? Das finde ich gar nich so natürlich wie Sie. Mein Eegentum is eben mein Eegentum, an dem mir keen andrer Mensch herumzufispern hat. Wer die Hand nach meinen rechtmäßigen und gesetzlichen Habseligkeeten ausschtreckt, der is een Schpitzbube, verschtehn Se mich! Und da gibt’s in Sachsen gewisse Paragraphen, welche von der Polizei schtreng gehandhabt werden. Wer maust, der wird eingeschteckt oder ooch sogar ins Loch geschperrt!«

»Das ist sehr richtig; aber leider befinden wir uns nicht in Sachsen.«

»Nich in Sachsen? I was Se nich sagen! Ich bin noch lange keene Amerikanerin; ich befinde mich zwar gegenwärtig off der Auswanderung, aber meine gute, sächsische Schtaatsangehörigkeet habe ich trotzdem noch nich offgegeben. Ich bin immer noch eene Landestochter des schönen Sachsenlandes an der Elbe. Die Sachsen haben in mehr als zwanzig Schlachten gesiegt und werden mich ooch hier herauszuhauen wissen. Verschtehn Se mich? Ich habe dreißig Jahre lang meine Abgaben, Schteuern und Schulanlagen pünktlich und ehrlich bezahlt, bin noch keenen einzigen Pfennig schuldig geblieben und kann also wohl verlangen, daß mein Heimatsschtaat sich tapfer meiner annimmt, wenn so een roter, indianischer Taugenischt und Thunichgut mich betrügen und beschtehlen will! Ich lass’mich nich berauben und dann ohne eenen Pfennig in der Tasche fortjagen.«

Sam warf einen seiner eigentümlich funkelnden Blicke auf die erregte Frau und meinte:

»Sie machen sich eine falsche Vorstellung, Frau Ebersbach. Man wird Sie nicht ausrauben und dann fortjagen.«

»Nich? Was denn?«

»Wenn der Indianer raubt, so tötet er auch. Nimmt er uns das Eigentum, so nimmt er uns auch das Leben, damit wir uns nicht später rächen können.«

»Herr, meine Seele! Wollen Sie etwa sagen, daß wir ermordet werden sollen?«

»Ja.«

»Wirklich? Na, da hört aber nu grad alles off! Und das haben Sie gewußt und uns trotzdem hierher geführt? Herr Hawkens, nehmen Sie es mir ja nich übel, aber Sie sind een Ungeheuer, een Molch, een Drache, wie es keenen zweeten geben kann!«

»Entschuldigen Sie! Konnte ich wissen, was die Indianer vorhatten? Diese Pueblos sind als freundlich und zuverlässig bekannt; es war beinahe unmöglich, zu denken, daß sie uns eine solche Falle stellen würden.«

»Mußten Sie denn hineinschpringen? Wir konnten draußen bleiben.«

»Bei dem Wetter?!«

»Ach was Wetter! Ich lasse mir doch lieber zehn Wasserbottiche in den Zopf regnen, als mich ausrauben und umbringen. Das können Sie sich doch so von ohngefähr selbst denken. Du lieber Himmel! Ermordet werden! Wer hätte das gedacht! Ich bin ausgewandert, um noch eene ganze Reihe von Jahren amerikanisch leben zu bleiben, und kaum habe ich meine Füße in dieses Land gesetzt, so tritt mir ooch schon der leibhaftige Tod entgegen. Ich möchte denjenigen sehen, der das aushalten kann!«

Da trat der Kantor zu ihr heran, legte ihr die Hand auf den Arm und sagte in beruhigendem Tone:

»Regen Sie sich nicht unnütz auf, meine liebe Frau Ebersbach. Vom Tode kann hier keine Rede sein.«

»Nich? Wieso?«

»Solange ich bei Ihnen bin, sind Sie sicher vor jeder Gefahr. Ich schütze Sie!«

»Sie? – – – Mich – – – ?« fragte sie, indem sie ihren Blick ungläubig an seiner Gestalt heruntergleiten ließ.

»Ja, ich Sie! Sie wissen doch wohl, daß ich eine Heldenoper von zwölf Akten komponieren will?«

»Natürlich; ich hab’s ja mehr als oft genug hören müssen.«

»Na, also! Ein Komponist ist ein jünger der Kunst, und Sie können sich fest darauf verlassen, daß diese mächtige Göttin keinen ihrer Anhänger sterben läßt.«

»Aber ich komponiere doch nich!«

»Schadet nichts; Sie stehen unter meinem Schutze. Um meiner großen Oper willen werden es die Musen zu machen wissen, daß ich gesund und froh nach Hause zurückkehre, denn sonst würde der Welt ein Kunstwerk verloren gehen, welches geradezu unersetzlich wäre. Es wird mir während meiner amerikanischen Reise kein Haar meines Hauptes gekrümmt werden; folglich ist auch jeder, der sich bei mir befindet, vor jedem Unfalle sicher.«

»Schön! Dann will – – – ich wollte sagen. Wenn Sie so sicher sind, daß uns nischt passieren kann, so haben Sie doch ,mal die Gewogenheet, uns aus der Patsche, in —welcher wir schtecken, herauszuschaffen!«

Da kratzte er sich hinter dem Ohre und antwortete brummend:

»Sie scheinen mich falsch verstanden zu haben, meine Allerliebste. Man darf ein Tonstück, welches mit Lento bezeichnet ist, nicht allegro vivace spielen. Wenn ich gesagt habe, daß Ihnen in meiner Gegenwart kein Unglück geschehen kann, so meine ich damit keineswegs, daß ich es bin, der die Pforten unsrer gegenwärtigen Gefangenschaft zu öffnen hat. Dazu sind andre Leute da. Ich brauche Ihnen nur Herrn Franke zu nennen, der schon viele große Thaten ausgeführt hat und uns auf keinen Fall sitzen lassen wird. Habe ich da nicht recht?«

Er richtete diese letztere Frage an den Hobble-Frank. Dieser fühlte sich geschmeichelt und antwortete in seiner bekannten Weise:

»Ja, Sie haben richtig geschprochen, vollschtändig richtig, Herr Kantor emeriticus, und das Vertrauen, mit welchem Sie mich in so reservierter Weise beehren, soll nich betrogen werden. Ich bin der Mann, off den Sie sich in jeder partikularen Fährlichkeet verlassen können. Was keen Verschtand der Verschtändigen sieht, das is dem Hobble sein Lieblingslied. Und wenn alle Schtränge reißen sollten, ich mache euch frei!«

»Wie denn?« fragte Sam.

»Du gloobst’s wohl etwa nich?«

»Ob ich es glaube oder nicht, das ist jetzt Nebensache. Ich möchte aber wissen, wie du es anfangen willst, deine Versicherung wahr zu machen.«

»Nebensache? Red nich so dumm. Der Glaube is eben grad die Hauptsache. Mit Hilfe des Glaubens kann man psychologische Berge versetzen und die intimsten Eisenbahnen bauen. Dieses Schprüchwort hat schon Josua gesagt, als er die Pyramide des ägyptischen Königs Washington von Moskau nach Schtockholm schaffte.«

»Aber, verehrtester Herr Frank,« fiel da der Kantor ein, »Josua, Washington, Pyramide, Stockholm, Aegypten – wie kann man das zusammenbringen?«

»Wie? Das fragen Sie? Sie, der Sie een jünger der Kunst sein wollen? Ich sage Ihnen, für mich is es gar keene Kunst, das alles zusammenzureumen. Sie haben ja gehört, daß ich es fertig gebracht habe. Und so werde ich es ooch mit der größten Leichtigkeet und Differenz fertig bringen, uns zu befreien. Es gehört weiter gar nischt dazu, als een bißchen angeborene Schlauheet und affektierte Pfiffigkeet. Während ihr euch hier ganz ohne Resultat und Marzipan hier herumgeschtritten habt, bin ich mit meiner innerlichen Orangerie zu Rate gegangen und habe den Weg entdeckt, der uns ins Freie führen wird.«

»So bin ich sehr neugierig, ihn kennen zu lernen,« meinte Sam.

»Das gloobe ich dir offs Wort. Du hättest ihn jedenfalls nich gefunden!«

»Laß nur erst hören, ob dein Weg kein Irrweg ist.«

»Du, ich will dir’mal was sagen. Wo du nich bist, Herr Organist, da schweigen alle Flöten. Ich bin der Herr Organist und du bist die Flöte, welche zu schweigen hat! Mein Weg is der richtige, wie ihr gleich erkennen werdet. Ihr habt an der Mauer herumgepocht und an der Decke herumgeschtochen, ohne ein richtiges Facit destillata zu finden; eure Messer konnten nich in die Schteene dringen. Ich aber mach eene Wette mit, daß es hier Löcher gibt, in denen wir die Hebel der Befreiung ansetzen müssen, wenn wir die Fesseln der Gefangenschaft in die Luft mundieren wollen.«

»Löcher? Wo denn?«

»Wo? Ja, das müssen wir erst suchen.«

»So sind wir grad so klug, wie vorher, als wir suchten und nichts fanden!«

»Schweig schtille! Wäre dieses Suchen unter meiner geographischen Oberleitung vor sich gegangen, so hättet ihr den Kasus Belladonna sofort gefunden. Eure Oogen sind mit Blindheet geschlagen und alle eure Nasen nich drei Pfennige wert. Der Deckel da oben is zu, und außer ihm scheint es keene Oeffnung zu geben. Wenn das wahr wäre, so müßte man hier erschticken, weil die Lebensluft infolge unsers konservierten Sauerschtoffes alle würde. Wenigstens würde es hier moderig und müffig riechen. Nu seht euch aber’mal die Lampe an, wie schön sie brennt, und schtrengt dazu die Riechorgane an, ob ooch nur eene Schpur von schlechter Luft vorhanden is! Ich bin überzeugt, daß die Luft immer wieder erneuert wird, was der Gelehrte mit Vehikulation bezeichnet. Diese Vehikulation habe ich sehr genau schtudiert, als ich meine Villa »Bärenfett« bauen ließ. Sie findet schtets in der Weise schtatt, daß unten die frische Luft eintritt und die schlechte oben entweicht. Es müssen also unten und oben Löcher sein, hier ebenso wie in meiner Villa an der Elbe. Es gibt eenen immerwährenden Luftzug hier, den wir entdecken müssen. Und wißt ihr denn, wie man diese Entdeckung am besten improfitieren kann?«

»Mit dem Lichte, meinst du wohl?« fragte Sam.

»Ja, mit der Lampe. Siehste, daß es bei dir Zeiten gibt, wo du nich ganz off den Kopp gefallen bist! Nehmt also ‘mal die Lampe und haltet sie unten am Fußboden längs der Mauer hin; da werdet ihr die Schtellen finden, wo die Luft von außen hereinkommt. Und wenn ihr nachher die Decke ebenso untersucht, entdeckt ihr ganz gewiß die Panamakanäle, durch welche die schlechte Atmosphäre in das draußen befindliche Weltall schteigt.«

»Du, Frank, dieser Gedanke ist wirklich nicht übel!« rief Sam Hawkens. »Deine Beobachtung ist ganz richtig; wir haben hier eine vollständig reine Luft; es muß also eine Art von Ventilation vorhanden sein. Wir werden suchen.«

»Na, siehste also, alte Flöte, daß der Organist seine Sache verschteht! Wenn ich nich wäre, so – – – horch!«

Er hielt in seiner Rede inne, und die andern lauschten auch nach oben, wo jetzt ein Geräusch vernommen wurde. Das Wetter war vorüber; es donnerte nicht mehr und so hörte man ziemlich deutlich, was auf dem platten Dache geschah: es wurden schwere Steine weggewälzt, und dann öffnete man den Deckel, aber nur um eine schmale Lücke. Dann ließ sich die Stimme des Häuptlings vernehmen:

»Die weißen Männer mögen hören, was ich ihnen sage! Sie werden jetzt wissen, daß sie meine Gefangenen sind. Es ist Krieg zwischen uns und den Bleichgesichtern, und so sollte ich sie eigentlich töten; aber ich will gnädig sein und ihnen ihr Leben schenken, wenn sie freiwillig alles abgeben, was sie bei sich haben. Ihr Anführer mag mir antworten!«

Mit der Bezeichnung Anführer war Sam Hawkens gemeint. Dieser antwortete sofort:

 

»Du sollst alles haben, was du wünschest. Laß uns hinauf, so geben wir es ab!«

»Mein Bruder spricht mit der Zunge der Schlange. Wenn ich euch hinaufließe, so würdet ihr nichts geben, sondern euch wehren.«

»So komm herab und hol dir, was du verlangst!«

»Dann würdet ihr mich unten behalten. Die Bleichgesichter mögen zunächst ihre Waffen zusammenthun und mit den Riemen, welche ich hinabwerfe, zusammenbinden. Wir werden dann unsre Lassos hinablassen und die Bündels emporziehen. Der Anführer mag sagen, ob ihr damit einverstanden seid!«

»Wird Ka Maku, der Häuptling, sein Wort halten und uns auch freilassen, wenn wir ihm alles abgegeben haben?«

»Ja.«

»Ja? Hihihihi! Halte uns doch nicht für so dumm”, wie du selber bist, und mach dich schleunigst von da oben weg, sonst gebe ich dir eine Kugel in den Kopf! Wir wissen genau, woran wir mit euch sind, ihr Lügner und Verräter. Ihr werdet nicht so viel von uns bekommen, wie man vom Fingernagel schneidet.«

»Ist das dein Ernst?«

»Mein voller Ernst.«

»So müßt ihr sterben!«

»Warte es ab! Der Tod drohte uns auch dann, wenn wir euch alles geben. Ihr habt euch verrechnet. Wir haben Gewehre und werden euch zwingen, uns ohne Lösegeld ziehen zu lassen.«

»Mein Bruder irrt sich. Eure Waffen bringen euch keinen Nutzen, denn es wird gar nicht zum Kampfe kommen. Ihr seid eingesperrt und könnt nicht heraus. Wir werden euch nicht angreifen, und ihr braucht euch nicht zu verteidigen; aber ihr habt kein Wasser und nichts zu essen. Wir werden warten, bis ihr verschmachtet seid, und dann ohne Kampf bekommen, was wir wollen. Howgh!«

Der Deckel klappte wieder zu, und dann hörte man unten, daß die Steine auf denselben gewälzt wurden.

»Dummheit!« brummte Dick Stone. »Du hättest es besser machen sollen!«

»Wie denn?« fragte Sam.

»Gar nicht antworten, sondern ihm eine Kugel geben.«

»Fällt mir nicht ein!«

»Warum nicht? Der Halunke hielt zwar den Kopf weit zurück, aber seine Stirn war doch so deutlich zu sehen, daß man sie mit einer Kugel durchlöchern konnte.«

»Das weiß ich wohl, alter Dick; aber du glaubst doch nicht, daß uns dies etwas genützt hätte. Unsre Lage wäre im Gegenteile dadurch nur verschlimmert worden. Nein, wenn es nicht notwendig ist, vergieße ich kein Blut. Wollen vor allen Dingen versuchen, uns durch List zu befreien.«

»So gilt es, den Rat Franks zu befolgen; aber wir müssen uns damit beeilen, denn die Lampe wird nicht mehr lange brennen, dann sitzen wir im Finstern.«

Es stellte sich heraus, daß der Hobble-Frank recht gehabt hatte. In der Außenmauer waren nahe dem Fußboden Löcher angebracht, um den Eintritt der Luft zu ermöglichen, und bald entdeckte man auch in der Decke kleine Oeffnungen, durch welche die schlechte Luft entweichen konnte. Diese Oeffnungen führten schräg durch die Decke. Wären sie senkrecht angebracht gewesen, so hätte man sie leichter entdeckt, weil man den Himmel hätte durch sie sehen können. Sie hatten einen Durchmesser von vielleicht nur sechs Centimeter; bedeutend größer waren die Oeffnungen, welche unten durch die Außenmauer führten.

»Jetzt ist uns wahrscheinlich geholfen,« meinte Will Parker. »Vorhin konnten wir mit unsern Messern nichts machen; jetzt aber bieten die Löcher uns Punkte, wo die scharfen Klingen gewiß greifen werden. Es fragt sich nur, wo wir hinaus wollen. Durch die Mauer?«

»Die ist zu dick,« sagte Sam. »Um da ein Loch, welches groß genug ist, fertig zu bringen, müßten wir mehrere Tage lang arbeiten.«

»Also durch die Decke?«

»Ja. Freilich wird das dadurch schwierig, daß derjenige, welcher arbeitet, auf den Schultern zweier andrer stehen oder sitzen muß; aber wenn wir erst einmal ein Holz entfernt haben, dann wird es desto schneller gehen. Leider haben wir nur noch höchstens für eine halbe Stunde Licht; dann befinden wir uns im Finstern. Suchen wir uns die passendste Stelle aus!«

Die war bald gefunden. Sam und Frank wollten zuerst arbeiten; der erstere stellte sich auf Stone und Parker, der letztere auf die beiden Deutschen Ebersbach und Strauch. Später, wenn sie ermüdet waren, sollten sie abgelöst werden. Als sie ihre Arbeit in Angriff genommen hatten, machte Schi-So die Bemerkung:

»Das Licht reicht nicht. Vielleicht ist es später nötiger als jetzt. Warum es also jetzt zu Ende brennen lassen?«

Er hatte recht; darum wurde es ausgelöscht. Nun war es völlig dunkel in dem Raume. Man hörte das leise Bohren und Knirschen der Messer und das Atmen der beiden Arbeitenden; sie strengten sich so an, daß sie schon nach einer Viertelstunde abgelöst werden mußten. Von Schlaf war keine Rede. Man bohrte und schnitt und kratzte die ganze Nacht hindurch; dann war so viel Holz aus der Decke geschnitten, daß ein Loch entstand, durch welches ein Mann kriechen konnte. Nun galt es, dieses Loch durch das Außenmaterial nach oben fortzusetzen. Dieses Material bestand aus festgeschlagenem Lehm, welcher fast zu Stein verhärtet war. Da kam man äußerst langsam voran, und es war Mittag geworden, als das Geräusch, welches die Messer verursachten, einen Klang annahm, welcher verriet, daß die Decke nun bald durchbrochen sei.

»Macht jetzt leise, so leise wie möglich,« gebot Sam Hawkens, »sonst hören sie euch oben.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so fiel draußen über den Arbeitenden ein Schuß, und einige Augenblicke später rief Dick Stone, welcher neben Droff oben im Loche arbeitete:

»All devils! Ich bin verwundet.«

»Ist’s möglich? Wo denn?« fragte Sam.

»Im Oberarme. Die Halunken schießen auf uns.«

»Durch die Decke? Da haben sie also das Geräusch eurer Messer gehört. Ist’s bös mit der Wunde?«

»Glaube nicht. Wahrscheinlich ein Streifschuß. Der Knochen ist unverletzt; aber ich fühle das Blut rinnen.«

»So kommt schnell herab! Sie könnten wieder schießen und euch in die Köpfe treffen. Wollen deinen Arm untersuchen.«

Jetzt war es gut, daß man die Lampe nicht ganz ausgebrannt hatte. Kaum war der Platz unter dem Loche frei geworden, so fielen noch zwei oder drei Schüsse durch die Decke. Man hörte die Kugeln unten in den Boden schlagen. Sam Hawkens stieß ein überlautes Gebrüll aus.

»Was schreist du?« fragte ihn Parker. »Bist du getroffen worden?«

»Nein. Will bloß wissen, wo die Halunken stehen.«

Oben ertönte ein Freudengeheul. Die Indianer hatten die Stimme Sams gehört, glaubten, ihn getroffen zu haben, und äußerten in dieser Weise ihre Freude darüber.

»Sehr gut!« lachte Sam. »Die Kerls liegen oder kauern gerade über unserm Loche und horchen. Wollen ihnen auch einige Kugeln geben. Frank und Droll, kommt! In unsern drei Doppelgewehren stecken sechs Kugeln. Jeder zwei Schüsse schnell hintereinander. Eins – zwei – drei!«

Die Schüsse krachten, und sofort erhob sich draußen über den Gefangenen ein Wat- und Schmerzensgeheul.

»Well! Ausgezeichnet! Hihihihi!« lachte Sam. »Wir scheinen einige getroffen zu haben. Glaube nicht, daß sie sich wieder hersetzen, um zu lauschen.«

»Aber ich stelle mich auch nicht wieder in das Loch, um auf mich schießen zu lassen!« murrte Stone.

»Wird kein Mensch verlangen,« erwiderte Sam. »Zeig deinen Arm!«

Die Lampe war wieder angebrannt worden. Beim Scheine derselben stellte es sich heraus, daß es nur eine kleine Streifwunde war, welche leicht verbunden werden konnte. Als dies geschehen, ließ sich der Hobble-Frank hören:

»Wir hätten nich durch die Decke, sondern hier unten durch die Mauer graben sollen. Off der Decke schtehen die Indianer und hören uns. Brechen wir aber durch die Mauer, so kann uns keen Mensch hören.«

»Aber die Arbeit ist viel schwerer, « warf Sam ein.

»Lieber eene schwere Arbeit, wobei man nich das Leben wagt, als eene leichte, bei der man erschossen wird. Das is meine unmaßgebliche Kompensation, mit welcher ich geflissentlicherweise recht haben werde.«

Man stimmte ihm bei. Es wurde eine kurze Beratung gehalten, deren Ergebnis der Beschluß war, seinem Rate Folge zu leisten. Die in der Außenmauer befindlichen Luftlöcher waren so groß, daß man zwei Flintenläufe nebeneinander in eins derselben stecken und sie als Hebel benützen konnte. Auf diese Weise gelang es, allerdings erst nach stundenlanger Anstrengung, das Bindematerial der Steine so zu lockern, daß man nun mit den Messern fortfahren konnte.